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08.04.2019 | Projektupdate

"Die Flut kam mitten in der Nacht"

Die Menschen in Malawi wurden von Zyklon Idai schwer getroffen. Sandra Schuckmann-Honsel aus dem Nothilfeteam der Welthungerhilfe war vor Ort, um sich ein Bild von der Lage der Menschen zu machen.

Sandra Schuckmann-Honsel Team Humanitarian Directorate

Es könnte so schön sein, hier im kleinen Dorf Mwalija im südlichen Malawi. Die Landschaft ist malerisch, das Land sehr fruchtbar. Doch heute ist Mwalija eine Geisterstadt. Von den meisten einfachen Häusern stehen nur ein paar Grundmauern, von anderen zeugen nur noch ein paar lose herumliegende Ziegel. Bis vor wenigen Wochen lebten hier noch rund 2.000 Menschen. Doch dann kam Zyklon Idai, einer der schwersten Tropenstürme auf der Südhalbkugel seit Beginn der Wetteraufzeichnungen – die Bewohner*innen wurden über Nacht obdachlos.

Heute leben sie rund zwei Kilometer weiter in einer etwas höheren Lage in eilig aus Ästen und Plastikplanen gebauten Hütten. Der Boden ist staubig, die meisten Bewohner*innen des Camps haben sich vor der brennenden Sonne in den Schatten geflüchtet. Faless und Felix Fabiano sitzen mit ihrem fünf Monate alten Sohn Miracle auf einer Bastmatte vor ihrer Hütte. Felix Fabiano erinnert sich an die Nacht des 8. März, die das Leben seiner Familie auf den Kopf stellte. „Als wir um vier Uhr nachts geweckt wurden, war das Dorf bereits von Wasser eingeschlossen.“ Sofort machte er sich mit anderen an die Rettung seiner sechsköpfigen Familie und der Bedürftigsten im Dorf: Schwangere, Alte, Frauen mit kleinen Kindern. „Wir haben alles verloren – unsere Tiere, unser Maisfeld, unsere Sachen.“ Sechs Ziegen und ein paar Hühner nannte die Familie ihr Eigen. Nicht viel, aber genug zum Überleben.

Zwei Frauen unterhalten sich mit einem Mann, eine hält ein Notizbuch in der Hand.
Die Welthungerhilfe-Mitarbeiterinnen Sandra Schuckmann-Honsel (links) und Ipyana Mkangama im Gespräch mit einem Bewohner des Camps Njereza. Dort sind die Bewohner*innen des von Zyklon Idai zerstörten Dorfs Mwalija untergekommen. © Nico Damm

Extremsituation für viele tausend Menschen

Berichte wie diese hört Sandra Schuckmann-Honsel vom Nothilfeteam der Welthungerhilfe viele im Camp Njereza, in dem mehr als 1.000 Menschen untergekommen sind. Sie reist durch eine der von Idai am schwersten betroffene Region Chikwawa, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Heute erhalten Mütter von Kindern unter fünf Jahren eine Extra-Portion nährstoffreiches Mehl. „Wir versorgen die Menschen hier mit dem Nötigsten. Dazu gehören Nahrungsmittel, Seife, Plastikplanen für das Abdichten der Dächer, Moskitonetze und etwas Geschirr.“ Daneben analysiert die Nothilfe-Expertin mit ihren lokalen Kolleg*innen sowie mit Regierungsvertreter*innen auf Distriktebene die sanitäre Situation: Gibt es ausreichend Seife und Wasser zum Händewaschen? Wie viele Toiletten stehen den Camp-Bewohner*innen zur Verfügung? Wird Trinkwasser aufbereitet und wenn ja, mit welchen Mitteln? Haben die Fluten die Brunnen verunreinigt?

Die Welthungerhilfe unterstützt die Opfer von Zyklon Idai in Malawi, Mosambik und Simbabwe.

Malawi, eines der ärmsten Länder der Welt, sei zwar weniger hart von der Katastrophe getroffen worden als Mosambik, sagt Schuckmann-Honsel. Rund sechzig Tote sind bisher zu beklagen. Doch insgesamt laufe die Hilfe auch vier Wochen danach nur schleppend an. „In einem der Camps, das ich besucht habe, gab es nur sechs Toiletten für 6.000 Menschen, das ist weit unter Standard. Die Menschen schlafen im Freien, nur geschützt von einer Plastikplane.“ Vor allem für Frauen sei diese Extremsituation schwierig. Viele Menschen auf engem Raum, schlechte Beleuchtung, keine Rückzugsräume – all das bringe Gefahren mit sich. Dazu sähen manche Frauen bisweilen in ihrer Not keine andere Möglichkeit, als dringend benötigte Dinge wie Lebensmittel mit Sex zu bezahlen.

„Wir passen unsere Hilfslieferungen den Bedürfnissen der Menschen an“

Rund 900.000 Menschen sind in Malawi von den Fluten betroffen. Ein erheblicher Teil der in diesen Tagen eigentlich anstehenden Ernte scheint verloren – fatal in einem Land, das vor allem von der Landwirtschaft lebt. Deshalb warnen Hilfsorganisationen vor einer kommenden Nahrungsmittelknappheit. Laut den Vereinten Nationen und der malawischen Regierung fehlen zurzeit noch über 30 Millionen Dollar an Hilfsgeldern. Nach der geleisteten Nothilfe arbeitet die Welthungerhilfe daran, betroffenen Menschen den Start in ein neues Leben zu ermöglichen. Um den Bedarf genau zu planen, führt Sandra Schuckmann-Honsel viele Gespräche mit anderen Spezialist*innen und vor allem mit den Notleidenden selbst. „Wir fragen die Menschen in den Camps, was sie am dringendsten brauchen und passen unsere Hilfslieferungen entsprechend an.“

Eine Frau nimmt lächelnd ein kleines Päckchen entgegen. Auf dem Rücken trägt sie mit einem Tuch umschlugenes Baby.
Welthungerhilfe-Mitarbeiter*innen verteilen Anfang April 2019 Nahrungsmittel an Eltern von unter fünfjährigen Kindern im Camp Njereza. © Nico Damm

Neues Land für neue Häuser

Ziel ist es nicht nur, die sanitäre Situation zu verbessern, um den Ausbruch von Durchfallerkrankungen wie Cholera zu unterbinden. Die Welthungerhilfe will auch Kantholze und Wellbleche bereitstellen, damit die Bewohner*innen des Mwalija-Camps entlang des häufig über die Ufer tretenden Shiwe-Flusses zumindest temporäre neue Häuser bauen können. Die Regierung hat dafür schon neues Land in höheren Lagen unweit des Risikogebietes bereitgestellt, sodass die Landwirt*innen dasselbe Land bestellen können. Allerdings sind die Menschen in der malawischen Kultur sehr eng mit ihrem Land verwurzelt, auf dem sie zum Teil auch ihre Angehörigen begraben.

Felix Fabiano und seine Familie haben ihre Entscheidung dennoch getroffen. Sie waren schon vor vier Jahren von einer kleineren Flutkatastrophe betroffen – zu einem dritten Mal soll es nicht kommen. „Wenn uns jemand unterstützt, siedeln wir auf jeden Fall um“.

Der Artikel wurde von dem Journalisten Nico Damm verfasst.

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