Almas und Rojda haben sich in einem Gemeinschaftszentrum in der Türkei kennengelernt - und haben sich gemeinsam beruflich verwirklicht.
In Vielfalt vereint
Wie syrische und türkische Frauen in Istanbul die Integration vorantreiben.
"Wir wollen einen Wandel in der Gemeinschaft herbeiführen", sagt eine der Frauen, die Teil des Frauenflüchtlingsrates der "Sultanbeyli Association for Solidarity with Refugees and Asylum Seekers'" (RASAS) ist. Der Rat gibt syrischen Frauen die Möglichkeit, sich zu treffen, sich gegenseitig zu unterstützen und Aktivitäten, Workshops oder andere Veranstaltungen für die Gemeinschaft vorzuschlagen.
Die Frauen treffen sich wöchentlich, um sich über Themen wie die Rechte von Frauen oder Flüchtlingen in der Türkei zu informieren und zu diskutieren. "Es gibt in der Türkei nur wenige Flüchtlingsräte wie diese. Wir sind vielleicht die zweiten oder dritten", sagt Mert Okcebe, der die drei Räte für Männer, Frauen und Jugendliche leitet. "Unser Ziel ist es, eine Kultur des Zuhörens und des Miteinander zu etablieren. Wir wollen die Gemeinschaft dazu ermutigen, Initiative zu ergreifen und Teil des Entscheidungsprozesses des Zentrums zu werden", sagt er.
Als Mann war die Moderation der Sitzungen des Frauenrates anfangs nicht ohne Herausforderungen, aber Okcebe konnte schnell das Vertrauen der weiblichen Ratsmitglieder gewinnen. "Ich versuche, nicht nur mit Worten mit den Teilnehmerinnen zu kommunizieren. Ich lache mit ihnen. Wenn jemand krank ist, frage ich, ob es etwas gibt, was ich tun kann, um zu helfen", erklärt er. Sein Ansatz scheint zu funktionieren. Heute diskutieren die Frauen über die Organisation eines Frühstücks in einem ihrer Häuser. "Du musst auch kommen", sagt eine der weiblichen Ratsmitglieder und lächelt Okcebe an. Die Gruppe beginnt zu lachen und mit dem Kopf zu nicken. "Ja, wir möchten dich dabeihaben", sagt eine andere Teilnehmerin. Okcebe ist sichtlich bewegt von der herzlichen Einladung. "Ich bin tatsächlich wirklich überrascht, dass ich eingeladen wurde", sagt der 26-Jährige später.
"Ich merke, dass meine Meinung zählt"
Die Atmosphäre während des Meetings ist entspannt. Die Frauen fühlen sich wohl, wenn sie ihre Ideen teilen. Okcebe ermutigt sie, Aktivitäten und Themen vorzuschlagen, über die sie in der Sitzung lernen und sprechen möchten. Diese Woche diskutieren sie über die Durchführung eines Bastelworkshops. Letzte Woche sprachen sie über Probleme der frühen Ehe. Eines der Ratsmitgliederinnen entwarf einen Flyer zu diesem Thema, den die Gruppe in ihrer Gemeinde verteilen möchte. Die Frauen sind glücklich, endlich einen Raum zu haben, in dem sie sich mit anderen austauschen und aktiv zur Verbesserung ihres Lebens beitragen können. "Ich fühle mich viel besser, seit ich im Rat bin. Ich treffe dort andere Frauen, mit denen ich sprechen kann, und ich merke, dass meine Meinung dort zählt", erklärt eine der Teilnehmerinnen.
Ein Thema, das immer wieder auftaucht, ist das Verhältnis zwischen Syrern und der türkischen Gastgemeinde. "Es ist sehr wichtig, Wege zu finden, die die Beziehung zwischen der türkischen und der syrischen Bevölkerung verbessern", sagt Mert Okcebe. Daher ist einer der Schwerpunkte des Zentrums die Organisation von Aktivitäten und Veranstaltungen, die das türkische und syrische Volk ermutigt, sich in ihrer Vielfalt zu treffen und zu vereinen, anstatt sich voneinander abzugrenzen. Eine von den Flüchtlingsräten eingeführte Idee ist die Initiative "Straßenbesuch". Türkische und syrische Nachbar*innen organisieren nachmittags Teetreffen in ihren Häusern, um sich mit Unterstützung des „RASAS“-Teams für sozialen Zusammenhalt besser kennenzulernen.
Sprachkenntnisse verbessern - im Klassenzimmer oder in der Küche des Nachbarn
Gastgeberin des heutigen Treffens ist eine junge Syrerin, die kürzlich ein neues Gebäude am Rande von Istanbul bezogen hat. Das kleine Wohnzimmer hat noch keine Möbel. Sechs Frauen sitzen auf dem Boden und halten ihre Teegläser. Die meisten von ihnen treffen sich zum ersten Mal. Aber es dauert nicht lange, bis Geplapper und Gelächter den Raum füllt. Kinder spielen auf dem Boden, während die Frauen über ihre Erfahrungen in der Türkei und den damit verbundenen Veränderungen sprechen. "In Syrien blieben wir normalerweise zu Hause und kümmerten uns um das Haus und die Kinder. In der Türkei hat sich unsere Rolle geändert. Unsere Ehemänner sind oft den ganzen Tag unterwegs auf der Suche nach Arbeit, was uns mehr Verantwortung gibt. Wir gehen hinaus, um Lebensmittel und andere Dinge für das tägliche Leben zu kaufen, wir versuchen, unsere Kinder in der Schule anzumelden oder sie bei Bedarf ins Krankenhaus zu bringen", erzählt uns eine junge Mutter.
Die meisten Frauen möchten gerne ihre türkischen Sprachkenntnisse verbessern und eine Beziehung zu ihren türkischen Nachbar*innen aufbauen. Eine Frau aus Ost-Ghouta besucht Sprachkurse im „RASAS“-Gemeinschaftszentrum und hat ihr Türkisch deutlich verbessert. Sie hat auch die Möglichkeit, bei ihrer türkischen Vermieterin zu üben. "Sie ist krank und braucht regelmäßige Injektionen. Ich habe einige Pflegekurse besucht und ihr angeboten, ihr zu helfen", erklärt sie.
Eine ältere türkische Dame, die heute am Straßenbesuch teilgenommen hat, ermutigt auch ihre Freunde, sich mehr mit ihren syrischen Nachbar*innen zu beschäftigen. "Viele von ihnen sagen, dass sie keinen ihrer syrischen Nachbar*innen kennen. Also sage ich ihnen, sie sollen einfach an ihre Tür klopfen und eine gemeinsame Tasse Tee trinken“, erklärt sie. Eine ihrer Nachbarinnen, eine junge Mutter aus Aleppo, sitzt neben ihr. Die beiden Frauen umarmen sich und lächeln. "Auch wenn mein Türkisch nicht sehr gut ist, wir finden einen Weg, mit Gesten und wilden Armbewegungen zu kommunizieren", lacht die Syrerin.
Über das Projekt
Die Initiativen „Flüchtlingsräte“ und „Straßenbesuch“ ist Teil eines von der Bundesregierung über die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) geförderten Projekts der Welthungerhilfe. Das Projekt bietet integrierte soziale Dienstleistungen für Flüchtlinge und lokale Gemeinschaften durch Gemeinschaftszentren, die von türkischen Partnerorganisationen und der Welthungerhilfe verwaltet werden. Ziel ist es, Spannungen abzubauen, die Integration zu verbessern und den sozialen Zusammenhalt zwischen syrischen und türkischen Gemeinschaften durch Gemeinschaftszentren in Istanbul (verwaltet von der Sultanbeyli Association for Solidarity with Refugees and Asylum Seekers (RASAS), in Kızıltepe (Kiziltepe Leader Women Association (KWLA) und in Mardin (Welthungerhilfe) zu stärken. Alle Zentren stehen sowohl der syrischen und türkischen Bevölkerung als auch den nicht-syrischen Flüchtlingen offen und bieten ein breites Spektrum an Dienstleistungen, die Frauen, Männern und Kindern helfen sollen, sich dem Leben in der Türkei anzupassen und persönlich voranzukommen. Langfristig zielen die Zentren darauf ab, die Widerstandsfähigkeit von gefährdeten Flüchtlingen und Mitgliedern der Gastgemeinden zu unterstützen, indem sie ihre Fähigkeit stärken, mit den Herausforderungen des täglichen Lebens umzugehen.
(Projekt: SYR 1056)