Welthunger-Index
Wie steht es um die Hungersituation weltweit? Wurden Fortschritte erzielt oder sind Rückschläge zu verzeichnen? Der Welthunger-Index liefert eine umfassende Berechnung und Bewertung der globalen Hungersituation.
Der Welthunger-Index (WHI, auf Englisch: Global Hunger Index, GHI) misst und vergleicht jährlich die Ausprägung von verschiedenen Hungerindikatoren wie Unterernährung und Kindersterblichkeit in der Welt, verschiedenen Regionen und einzelnen Ländern. Er soll zu einer stärkeren Wahrnehmung und einem besseren Verständnis des Kampfes gegen den Hunger führen und lenkt die Aufmerksamkeit auf jene Weltregionen, in denen zusätzliche Ressourcen am dringendsten benötigt werden, um den Hunger zu beenden.
Am 12.10.2023, wird der Welthunger-Index 2023 um 10 Uhr in einer Pressekonferenz vorgestellt. Diese kann live online mitverfolgt werden.
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Darüber hinaus gibt es um 16 Uhr online eine Fachveranstaltung zum Launch des Welthunger-Index 2023.
Welthunger-Index 2022: Düstere Aussichten angesichts überlappender Krisen
Der Welthunger-Index 2022 zeigt eine weltweit dramatische Hungersituation auf. Die Welt steht vor einem schweren Rückschlag bei den Bemühungen den Hunger zu beenden. Wesentliche Hungertreiber sind Konflikte, die Klimakrise und die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie. Zugrundeliegende Faktoren für den Hunger sind strukturelle Ungleichheit und Macht-Asymmetrien im Ernährungssystem.
Es ist davon auszugehen, dass sich die Situation angesichts der sich überlappenden globalen Krisen noch weiter verschlechtern wird. Bleiben grundlegende Veränderungen aus, wird das Ziel Zero Hunger bis 2030 nicht erreicht. Es gibt kein Erkenntnisproblem über den Kampf gegen den Hunger in der Welt. Lösungsansätze und der Umfang erforderlicher Investitionen sind bekannt und beziffert. Das Problem besteht vielmehr in der politischen Umsetzung und im fehlenden politischen Willen in der Welt.

Bericht, Kurzfassung, Factsheet: Alle Publikationen zum WHI 2022 herunterladen oder als Print-Version bestellen.
Der weltweite Hunger, repräsentiert durch einen Welthunger-Index-Wert von 18,2, liegt 2022 in der Kategorie mäßig. Gegenüber dem Wert von 2014 (19,1) ist er kaum gesunken. Seit 2014 hat sich die Hungersituation in 20 Ländern mit mäßigen, ernsten oder sehr ernsten Hungerwerten verschlechtert. Weltweit leiden immer noch zu viele Menschen an Hunger und tatsächlich steigt die weltweite Verbreitung von Unterernährung, einem der vier Indikatoren des WHI, nach Jahrzehnten des Rückgangs wieder an. 2021 waren bis zu 828 Millionen Menschen unterernährt, was eine Umkehr der in mehr als einem Jahrzehnt verzeichneten Fortschritte bedeutet.
Die anderen im WHI verwendeten Indikatoren zeigen unterschiedliche Ergebnisse. Weltweit stagnieren die Auszehrungsraten bei Kindern (zu niedriges Gewicht im Verhältnis zur Körpergröße), während die Kindersterblichkeits- wie auch die Wachstumsverzögerungsraten bei Kindern (zu geringe Körpergröße im Verhältnis zum Alter) zwar weiter zurückgegangen sind, sich jedoch in zu vielen Ländern weltweit keinesfalls auf dem Weg zu Zero Hunger bis 2030 befinden.
Multiple Krisen untergraben Beendigung von Hunger
Nach Schätzungen des WHI 2022 werden 46 Länder auf Grundlage ihrer jüngsten Entwicklungen bis 2030 wahrscheinlich nicht einmal niedrige Hungerwerte erreichen. Jahrzehntelange Fortschritte bei der Überwindung von Hunger werden gerade zunichtegemacht.
Die Hungertreiber Konflikte, Klimakrise und COVID-19 werden die Lage voraussichtlich noch verschlimmern. Der Krieg in der Ukraine hat weltweit die Preise für Nahrungsmittel, Energie und Düngemittel weiter in die Höhe schnellen lassen und wird auch 2023 und darüber hinaus den Hunger noch erheblich verschärfen. Diese Krisen kommen zu den strukturellen Ursachen des Hungers wie Armut, Ungleichheit, mangelhafte Regierungsführung und Infrastruktur sowie geringe landwirtschaftliche Produktivität hinzu.
Sowohl in Südasien als auch in Afrika südlich der Sahara ist die Hungerlage ernst. Südasien verzeichnet die weltweit höchste Auszehrungs- und Wachstumsverzögerungsrate bei Kindern. Afrika südlich der Sahara hat die weltweit höchsten Raten von Unterernährung und Kindersterblichkeit. Teile Ostafrikas leiden unter einer der schwersten Dürren der letzten 40 Jahre, die das Leben von Millionen Menschen bedroht. Prognosen zufolge ist die Klimakrise ein Schlüsselfaktor, der die Welt daran hindert, das zweite UN-Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDGs), „Kein Hunger bis 2030“ zu erreichen.
Transformation von Ernährungssystemen unabdingbar
Angesichts der dritten globalen Nahrungsmittelpreiskrise innerhalb von 15 Jahren ist es offensichtlicher denn je, dass unsere derzeitigen Ernährungssysteme ungeeignet sind, Armut und Hunger nachhaltig zu beenden.

Alle aktuellen Zahlen, eine interaktive Karte sowie alle WHI-Berichte der letzten Jahre.
Die internationale Gemeinschaft muss dringend auf die eskalierenden humanitären Krisen reagieren – gleichwohl darf sie die notwendige langfristige Transformation der Ernährungssysteme nicht aus den Augen verlieren. Entscheidungsträger*innen müssen inklusive lokale Governance, Rechenschaftspflicht und die Verwirklichung des Rechts auf Nahrung in den Mittelpunkt der Transformation der Ernährungssysteme stellen. Alle Regierungsebenen müssen lokale Stimmen und Kapazitäten einbinden und starke lokale Entscheidungsstrukturen fördern. Diese Transformation wird nur gelingen, wenn Gemeinschaften, zivilgesellschaftliche Organisationen, Kleinproduzent*innen, Bäuerinnen und Bauern sowie indigene Bevölkerungen mit ihrem lokalen Wissen und ihren Erfahrungen Ernährungspolitik mitbestimmen.
Wo ist der Hunger am größten?
Der diesjährige Welthunger-Index veranschaulicht, dass die Hungersituation in vielen Ländern dringend mehr Aufmerksamkeit benötigt.
In fünf Ländern – Zentralafrikanische Republik, Tschad, Demokratische Republik Kongo, Madagaskar, Jemen – ist die Hungerlage sehr ernst. In einigen Ländern liegen nicht ausreichend Daten vor, um einen WHI-Wert zu berechnen. Doch auf Basis bekannter Daten wurden vier weitere Länder – Burundi, Somalia, Südsudan und Syrien – vorläufig als sehr ernst eingestuft. In weiteren 35 Ländern ist das Hungerniveau gemäß der diesjährigen WHI-Werte als ernst einzustufen. Selbst in Regionen und Ländern, die gut abschneiden, herrscht in einigen Gebieten nach wie vor Ernährungsunsicherheit. Es gibt jedoch Anzeichen für Fortschritte: Seit 2000 sind die WHI-Werte von 32 Ländern um mindestens 50 Prozent gesunken.
Wie wird der Welthunger-Index berechnet?
Die Hungersituation in den untersuchten Ländern wird anhand von vier Indikatoren als gravierend, sehr ernst, ernst, mäßig oder niedrig eingestuft. Je höher der Wert, desto stärker der Hunger im jeweiligen Land.
- Unterernährung: der Anteil der Bevölkerung, dessen Kalorienbedarf nicht gedeckt ist.
- Wachstumsverzögerung bei Kindern: der Anteil von Kindern unter fünf Jahren mit einer zu geringen Größe in Bezug auf das jeweilige Alter, ein Beleg für chronische Unterernährung.
- Auszehrung bei Kindern: der Anteil von Kindern unter fünf Jahren mit einem zu niedrigen Gewicht in Bezug auf die jeweilige Größe, ein Beleg für akute Unterernährung.
- Kindersterblichkeit: der Anteil der Kinder, die vor ihrem fünften Geburtstag sterben, was zum Teil das fatale Zusammenwirken von mangelnder Nährstoffversorgung und einem ungesunden Umfeld widerspiegelt.
Der Bericht wird gemeinsam von der Welthungerhilfe und dem Alliance2015-Partner Concern Worldwide herausgegeben.
Schwerpunkt 2022: Transformation der Ernährungssysteme und Lokale Governance
Die Autorin des Welthunger-Index-Essays Danielle Resnick (Brookings Institution und International Food Policy Research Institute) erläutert, wie zunehmend lokale Akteure und Institutionen eine größere Rolle bei der Governance von Ernährungssystemen spielen. (Dieses Video steht ausschließlich in englischer Sprache zur Verfügung.)