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Absolventinnen des Ausbildungsprogramms in Kabul vor ihrem eigenen Geschäft
Afghanistan

Der Traum von der Selbständigkeit

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Themenschwerpunkt
Wirtschaftliche Entwicklung Wirtschaft entwickeln
Stefanie Glinski Journalistin

Shahnoz hatte die Schule erfolgreich beendet und träumte von einem Medizinstudium, als ihre Eltern sie gegen ihren Willen verheirateten. „Ich kam gerade mit dem Zeugnis nach Hause, als mein Vater mir sagte, er habe eine Überraschung für mich“, erinnert sie sich. „Deine Belohnung ist ein Ehemann‘, sagte er.“ Das Leben der damals 18-Jährigen zerfiel in tausend Stücke. Shahnoz wuchs als Flüchtling im Iran auf, doch mit der Eheschließung ging es für sie erstmals in ihr Heimatland Afghanistan – einen Ort, den sie zuvor niemals besucht hatte. „Ich hatte alles verloren, als ich in Kabul ankam. Ich kannte die Stadt nicht und war nun mit einem Mann verheiratet, der nicht einmal lesen und schreiben konnte. Ich hatte so viele Träume, aber die zerplatzen alle“, erzählt Shahnoz, die heute 33 Jahre alt ist und eine Tochter und einen Sohn hat. 

„Mein Mann sitzt zu Hause und ich muss das Geld verdienen.“

Shahnozs Ehemann, der als Bauarbeiter gearbeitet hatte, konnte keinen Job finden und der jungen Frau war schnell bewusst, dass sie nicht so einfach aufgeben konnte. „Mein Mann sitzt zu Hause und ich muss das Geld verdienen. Ich wünschte, er wäre zielstrebiger, aber das ist er nicht“, sagt Shahnoz. Sie sagt aber auch, dass sie froh ist, dass er sie selbst arbeiten lässt – eine zu oft untypische Situation in Afghanistan. Shahnoz hat einen starken Willen und ist zielstrebig. Diese Eigenschaft sieht sie in vielen Frauen in Afghanistan, sogar in diejenigen, die in ihren Häusern eingesperrt leben. „Mein Leben wurde mir regelrecht aus den Händen gerissen, aber auch jetzt wo ich hier in Kabul bin, kann ich nicht aufgeben“, sagt sie. 

Shahnoz beim Sticken
Shahnoz beim Sticken. Sie hat am Ausbildungsprogramm der Welthungerhilfe in Kabul teilgenommen. © Stefanie Glinski

Die Stadt Kabul ist der Hauptaufnahmeort für geflüchtete Afghan*innen, die seit dem Sturz der Taliban aus dem Iran und Pakistan zurückgekehrt sind. Auch viele Binnenflüchtlinge (IDPs) sind vor der Unsicherheit ihrer Heimatregionen nach Kabul geflohen. Für die Stadt ist der Zustrom von Einwandernden schwer zu bewältigen. Die Welthungerhilfe bietet ein Ausbildungsprogramm an und unterstützt so Rückkehrende und Binnenflüchtlinge dabei, ihre Zukunft in die Hand zu nehmen.

600 junge Leute lernen alles für die Unternehmensgründung

Shahnoz war im letzten Jahr eine von insgesamt 600 Frauen und Männern, denen von der Welthungerhilfe eine Berufsausbildung gesponsert wurde. Das Programm dauert genau ein Jahr, erfordert den täglichen Schulbesuch und endet mit der Übergabe eines Berufszeugnisses, sowie Materialien und Werkzeugen, die für die Ausübung des neuen Berufes nötig sind. Shahnoz entschied sich zu einer Ausbildung zut Schneiderin, für die sie ebenfalls die täglichen Fahrtkosten erstattet bekam und ein Stipendium erhielt, mit dem sie ihre Familie über das Jahr hinaus versorgen konnte.

Die meisten anderen in ihrer Klasse waren – ähnlich wie sie – zurückgekehrte Afghan*innen, die sich unter anderem als Automechaniker*innen, Frisör*innen oder Klempner*innen ausbilden ließen. Alle hatten zuvor die Schule besucht, kamen jedoch aus den verschiedensten Umständen nicht dazu, eine Ausbildung zu beginnen und zu finanzieren. Als Shahnoz ihre Ausbildung an der technischen Hochschule in Kabul begann, veränderte sich endlich etwas für die junge Mutter. Ihre Lehrerin Layla begleitete sie durch das Jahr und stand immer zur Hilfe bereit. „Wir lernen hier schneidern, stricken und nähen“, erzählt sie.

Der 18-jährige Abdul beim Bearbeiten eines Stückes Holz
Abdul, 18, absolviert in Kabul eine Ausbildung als Tischler. © Stefanie Glinski

„Die meisten meiner Schülerinnen könnten ohne Stipendium und finanzielle Unterstützung niemals hier sein“, erklärt Layla. Bereits 260 der 600 Auszubildenden konnten die Lehrzeit bereits erfolgreich abschließen. „Die meisten von ihnen haben jetzt entweder ein Praktikum oder bereits einen richtigen Beruf“, erzählt Welthungerhilfe-Projektmanager Abdul Fahimi stolz. 

„Jetzt habe ich neue Träume. Ich bin Unternehmerin.“

Vor zwei Monaten schaffte auch Shahnoz den Sprung. Heute hat sie gemeinsam mit anderen ehemaligen Schülerinnen ihr eigenes Geschäft. Doch für sie ist das erst der Anfang. „Ich durfte nicht im Iran bleiben und konnte mir dort nicht meinen Traum erfüllen, aber jetzt habe ich neue Träume. Ich bin Unternehmerin und werde mein Geschäft weiter ausbauen, erst hier in Kabul und dann international“, sagt sie mit einem entschiedenen Gesichtsausdruck. Auch für die Zukunft ihrer beiden Kinder ist eins klar: „Meine Eltern haben mir viele Möglichkeiten entrissen, aber für meine eigenen Kinder wird dies anders sein. Sie werden zur Schule gehen und lernen. Ich werde ihnen alle die Möglichkeiten geben, die ich nicht hatte.“

Das Ausbildungsprogramm der Welthungerhilfe in Kabul

(Projektnummer AFG 1179)

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