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Mehrere Frauen stehen auf einem Feld.
Afghanistan

Frauenpower: Mehr Wissen bedeutet mehr Einfluss

Projektstatus beendet
Projektbudget 2.500.000 €
Themenschwerpunkt
Landwirtschaft & Umwelt Ländliche Entwicklung fördern

Safran-Kooperative steht auf eigenen Beinen

Das Safran-Projekt der Welthungerhilfe wurde planmäßig beendet. Die Safran-Kooperative steht nun auf eigenen Beinen und setzt ihre Arbeit fort – auch unter den schwierigen Bedingungen. Im März 2022 nahm die Kooperative beispielsweise am Farmers Day in Kabul teil, einer kleinen Landwirtschaftsmesse, bei der lokale Initiativen ihre Produkte vorstellen, vermarkten und verkaufen können. Die Welthungerhilfe unterstützt die Kooperative weiterhin punktuell bei der Vermarktung des Safrans.

Stefanie Glinski Journalistin

Im krisengezeichneten Afghanistan kämpfen viele Familien um ihre Existenz. Oft haben gerade Frauen keine Chance, ein eigenes Einkommen beizusteuern. In der Provinz Herat bietet ein Projekt der Welthungerhilfe nun Frauen die Möglichkeit, den Safrananbau zu erlernen und einen Ertrag zu erwirtschaften. Das Klima dafür ist perfekt – und die Arbeitsbedingungen sind es auch, denn die Krokusart kann im hauseigenen Garten kultiviert werden.

Ein Foto von Shahnaz Zaidee aus Afghanistan.

Wer weiß, vielleicht werden wir sogar Afghanistans größter Safranlieferant.

Shahnaz Zaidee

Safran: Rotes Gold aus Afghanistan

Die Lage in Afghanistan spitzt sich weiter zu. Hilfe für ein zerrüttetes Land!

Konzentriert und geübt sortiert Shahnaz Zaidee die Safranblüten mit einer Pinzette in eine Blechdose. Genau fünf Gramm des frischen, tiefroten Gewürzes sollen es sein. Der zarte Duft dieser kleinen Menge erfüllt den ganzen Raum. „Afghanisches Safran ist das beste der Welt”, sagt die 25-Jährige stolz. Die junge Frau ist Expertin für das kostbare Gewürz. Vor einem Jahr erhielt Shahnaz Safranzwiebeln von der Welthungerhilfe, die sie auf dem Feld ihrer Eltern anpflanzte. Nach einem mehrwöchigen Training wusste sie genau, wie sie die jungen Pflanzen pflegen und ernten musste. Safran gehört zu den teuersten Gewürzen der Welt, weil seine Gewinnung ungeheuer aufwendig ist. Die feinen Blütenstempel der violett blühenden Krokusart werden von Hand gezupft und als getrocknete Safranfäden in meist winzigen Mengen verkauft. Schon wenige Fäden reichen aus, um ein Gericht zu würzen und ihm die charakteristische gelbe Färbung zu geben.

Safrananbau im Hausgarten bringt Freiheiten

Zusammen mit anderen Frauen nahm Shahnaz an mehreren Kursen teil, die durch den lokalen Partner der Welthungerhilfe „Rehabilitation Association and Agriculture Development for Afghanistan“ (RAADA) organisiert wurden. Gemeinsam entschieden sich die Frauen danach, den Safranverband zu gründen, den Shahnaz heute leitet. „Als Verband sind wir stärker, besonders in einem Land, in dem die Männer weiterhin nahezu allein regieren,” sagt Shahnaz, die in einem Dorf nur wenige Kilometer außerhalb der Provinzhauptstadt Herat aufwuchs. Herat gilt als kulturelles Zentrum in Afghanistan. An der alten Seidenstraße gelegen, war die Stadt früher ein zentraler Handelspunkt. Noch heute erinnern die alte Zitadelle und die blaue Moschee an die geschichtsträchtige Vergangenheit. Mehr als eine Million Menschen leben mittlerweile hier, das Leben ist bunt, überall fahren Rikschas, es gibt Läden und Restaurants. Doch am streng regulierten Alltag vieler Frauen hat sich kaum etwas verändert.

Shahnaz Zaidee wiegt Safran, Afghanistan.
Shahnaz Zaidee und die anderen Frauen haben große Pläne für den Verkauf ihres Safrans. © Welthungerhilfe

Deshalb möchte Shahnaz weitere Frauen für den Safrananbau begeistern, denn dieser kann vom eigenen Hausgarten aus betrieben werden, und das ist wichtig. Oft dürfen Frauen aus traditionellen und kulturellen Gründen ihr Haus nicht verlassen, vielen ist das Arbeiten von ihren Ehemännern untersagt. „Genau diese Frauen wollen wir erreichen und sie mit einem Arbeitsangebot unterstützen“, erklärt Nazir Ghafoori, Direktor von RAADA. Damit die Frauen ihre Produkte später auch selbstständig vermarkten können, finden begleitend Kurse in Lesen, Schreiben und einfacher Buchhaltung statt.

Perspektiven und ein eigenes Einkommen

Viele Frauen erhalten mit diesem Angebot endlich eine Perspektive und einen Weg aus der Verzweiflung. Wie die 46-jährige Bibi Gul: „Die Welthungerhilfe hat mit den Ältesten unseres Dorfes gesprochen, und diese haben dann unsere Männer überzeugt, dass es kein Problem ist, draußen zu arbeiten. Ich durfte an einem Kurs teilnehmen und seit einem Jahr baue ich Safran an. Wir haben ein Feld, das wir bewirtschaften. Davon hat mir mein Mann ein Stückchen Land zur Verfügung gestellt. Er selbst arbeitet nicht mehr viel, deshalb müssen meine Kinder – zwei Söhne und zwei Töchter – neben der Schule auf dem Feld mithelfen, damit wir genug zu essen haben. Mein Mann verdient wenig Geld. Jetzt kann ich meine Familie unterstützen.“

Für den Anbau des Safrans erhalten alle Teilnehmerinnen das nötige Werkzeug. © Welthungerhilfe
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Gewächshäuser bieten den Pflanzen ein geschütztes Wachstum und gezielte Bewässerung. © Welthungerhilfe
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Mehrere Frauen ernten ganz vorsichtig die Blüten der Krokusse, aus denen eines der teuersten Gewürze der Welt gewonnen wird. © Ilir Tsouko/Welthungerhilfe
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Eine Frau zupft die wertvollen Safran-Faden aus den Krokus-Blüten. © Ilir Tsouko/Welthungerhilfe
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Danach wird das Safran in Gläser gefüllt und verkauft. © Ilir Tsouko/Welthungerhilfe
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Viele der Frauen haben nie eine Schule besucht, so stehen neben Anbau und Vermarktung von Safran auch Lesen und Schreiben auf dem Lehrplan. © Welthungerhilfe
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Nazir Ghafoori erklärt den Prozess des Safran-Projektes: Zunächst besuchte ein Team seiner Organisation mehrere Dörfer der Provinz Herat, und gemeinsam mit dem Ältestenrat und den Familien wurden einhundert Frauen ausgewählt, deren Lebenssituationen sich als am schwierigsten erwiesen. Jede von ihnen erhielt 400 Safranzwiebeln und ein Training. „Erst ist die Ernte geringer, aber jedes Jahr wird es mehr. Es dauert ungefähr fünf Jahre, bis die Zwiebeln völlig ausgewachsen sind – dann können die Frauen bis zu 2,5 Kilogramm Safran ernten. Das Geld, das sie verdienen, steht ihnen allein zu. Viele verwenden es für die Schulbildung ihrer Kinder, für Lebensmittel, Heizmaterial oder Medikamente“, erzählt Nazir Ghafoori. Ein Gramm Safran verkauft sich in Herat für 70 Afghani, fast einen Euro. Ein gutes Gehalt für die Frauen, die es sich selbst gar nicht leisten könnten, Safran zum Kochen zu kaufen.

Ein Foto von Shahnaz Zaidee aus Afghanistan.

Im letzten Jahr habe ich gelernt zu träumen. Ich habe gesehen, wie viel wir als Frauen gemeinsam erreichen können.

Shahnaz Zaidee

Stärker in der Gemeinschaft

Afghanistans Wirtschaft steht still: fehlende Infrastruktur, wenig Arbeit und nur 10 Prozent der Menschen können lesen und schreiben.

In Afghanistan können sich die meisten Menschen nicht ausreichend gesund ernähren, die Kindersterblichkeitsrate gehört zu den höchsten der Welt, und ein Großteil der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Schwierige Lebensumstände sind hier also gleichbedeutend mit existenzieller Not. Davon berichtet auch die 30-jährige Anita Zaide: „Ich wurde mit 15 Jahren verheiratet und wenige Jahre später verfiel mein Mann der Drogensucht. Er arbeitet nicht, kann mich und unsere drei Kinder nicht versorgen. Doch verlassen kann ich ihn auch nicht, sonst würde ich nach dem Gesetz die Kinder verlieren. In unserem Garten pflanze ich nun Safran an. Dass es weitere Frauen in meinem Dorf gibt, die im selben Projekt arbeiten, ist mir eine große Unterstützung, und durch mein neues Gehalt kann ich meine Kinder weiterhin zur Schule schicken.“ Nach UN-Angaben leben in Afghanistan bis zu 3,6 Millionen Menschen mit Suchtproblemen – jede*r Zehnte in dem zentralasiatischen Land. Heroin, Opium und Cannabis sind hier günstig, oft günstiger als eine Mahlzeit, und dienen als vermeintliche, doch zerstörerische Flucht vor der Hoffnungslosigkeit in einem Land, das seit mehr als vierzig Jahren vom Krieg heimgesucht wird.

Jetzt spenden und Frauen in Afghanistan helfen
Mehrere Frauen stehen in einem Kreis in einem Garten.
Der Safrananbau bietet Frauen eine der wenigen Chancen, ihre Familien aus der wirtschaftlichen Not zu führen. © Welthungerhilfe

Shahnaz und die anderen Frauen, die ebenfalls schwierige Situationen durchstehen müssen, bestärken sich gegenseitig darin, nicht aufzugeben. Viele Schicksale ähneln sich. Auch Shahnaz, die einen Schulabschluss hat, musste sich jahrelang fügen und durfte das Haus nicht verlassen. Im letzten Jahr wurde sie von ihren Eltern verlobt – mit einem Mann, so sagt sie, der selbst nie zur Schule ging, jedoch ein entfernter Cousin ist, dem ihre Eltern vertrauen. Zumindest darf sie am Projekt teilnehmen. Der Safranverband und die damit verbundene Arbeit bedeuten für Shahnaz einen wichtigen Schritt zur Selbstständigkeit.

Ich habe gelernt zu träumen

„Im letzten Jahr habe ich gelernt zu träumen. Ich habe gesehen, wie viel wir als Frauen gemeinsam erreichen können. Und wir werden unser Unternehmen weiter ausbauen“, sagt Shahnaz, die ambitionierte Pläne hat. Bislang verkaufen sie die getrockneten Safranfäden an kleinere lokale Unternehmen, die private Kund*innen beliefern. In Zukunft wollen die Frauen die frischen Safran-Blüten direkt an exportierende Händler verkaufen, die mehr zahlen und die Blüten direkt in den Nahen Osten und nach Europa verkaufen. „Es wird eine Menge Arbeit werden, das weiß ich”, gibt sie zu, doch seitdem sich Shahnaz selbstständig gemacht hat, gibt es für sie kein Zurück mehr. „Wer weiß, vielleicht werden wir sogar Afghanistans größter Safranlieferant“, sagt sie voller Energie.

Die Männer mit ins Boot holen

Der Safran-Anbau ist Teil eines Projektes der Welthungerhilfe, das in drei Regionen zugleich stattfindet. Unterstützt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung werden in den nördlichen Provinzen Samangan und Jawzjan sowie der westlichen Provinz Herat die Ernährungssicherheit und wirtschaftliche Teilhabe von Frauen gefördert. Dies erfordert ein behutsames Vorgehen in dem traditionell geprägten Land. Deshalb beziehen die Welthungerhilfe und ihre Partnerorganisationen Männer und Gemeindeälteste in alle Maßnahmen mit ein.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 1/2021 des Welthungerhilfe Magazins

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