In der Provinz Jawzjan in Afghanistan hat die Welthungerhilfe ein ungewöhnliches Pilotprojekt durchgeführt. Ernährungsexpert*innen und religiöse Meinungsführer sind zusammengekommen, um mithilfe des Korans über gesunde Ernährung aufzuklären. Mit dem Projekt “Nutrition in Qur’an” erreicht die Welthungerhilfe so die Communities und kann die Unterernährung von stillenden Müttern und ihren Kindern effektiv bekämpfen.
Die meisten Menschen in Afghanistan sind Muslim*innen und leben nach strengen religiösen Regeln, vor allem außerhalb der größeren Städte. Religiöse Meinungsführer spielen eine große Rolle in der Gesellschaft und haben starken Einfluss auf das tägliche Leben. “Nutrition in Qur’an” nutzt das hohe soziale Ansehen und Vertrauen der Meinungsführer, um gemeinsam mit Ernährungsexpert*innen die ernährungsrelevanten Botschaften aus dem Koran und dem Hadith zu vermitteln.
Viele Menschen in Afghanistan leiden unter Fehlernährung. Zahlen von 2013 zeigten, dass 9,5 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren stark unterernährt waren. Rund 40 Prozent litten unter chronischer Unterernährung und Wachstumsverzögerung – die Hauptursachen für Entwicklungsstörungen und irreversible Schäden. Afghanistan hat zudem eine sehr hohe Müttersterblichkeit. Laut einer Erhebung der Central Statistics Organization und Afghanistans Gesundheitsministerium aus dem Jahr 2015 verliert eine von 14 Müttern ihr Leben aufgrund von Komplikationen in der Schwangerschaft oder bei der Geburt. Die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren ist mit 5,5 Prozent ebenfalls hoch.
Die Folgen von Unterernährung
- Schädigung der geistigen Entwicklung
- Wachstumsverzögerung
- Geschwächtes Immunsystem und damit größere Anfälligkeit für Infektionskrankheiten wie Durchfall und Malaria
- Erhöhte Wahrscheinlichkeit für Kindersterblichkeit
- Erhöhtes Risiko für Krankheiten wie Diabetes und Krebs später im Leben
- Studien haben gezeigt, dass unterernährte Kinder im Erwachsenenalter ein niedrigeres Einkommen haben
Um diesen Kreislauf zu unterbrechen und Müttern und ihren Kindern zu einem gesunden Leben zu verhelfen, hat die Welthungerhilfe “Nutrition in Qur’an” entwickelt. Zunächst befragte das Team vor Ort mehr als 170 Mütter in der Provinz Jawzjan zu Ernährungsthemen. Nur wenige von ihnen waren gut informiert.
Die Botschaften des Islam bestimmen die Lebensweise vieler Menschen mit. Daher haben wir in diesem Projekt den Ansatz gewählt, religiöse Meinungsführer und Ernährungsfachleute zusammenzubringen.
Nasrullah Sultani Regional Manager der Welthungerhilfe in AfghanistanFür die meisten Menschen in Afghanistan sind der Koran sowie die Überlieferungen des Propheten Mohammed (Hadithe) wichtige Wissens- und Informationsquellen. Die Botschaften des Islam bestimmen den Alltag und die Lebensweise vieler Menschen mit. Daher hat die Welthungerhilfe in diesem Projekt den Ansatz gewählt, religiöse Meinungsführer und Ernährungsexpert*innen zusammenzubringen, um die Ernährung von Frauen und Kindern zu verbessern.
Koran-Verse und Empfehlungen der WHO kommunizieren
Mit gemeinsam entwickelten Grafiken und weiterem Informationsmaterial lernen die Frauen, was bei der Ernährung ihrer Babies zu beachten ist. Dazu gehören zum Beispiel Informationen darüber, wie lange sie ihre Kinder am besten stillen sollten und was für ihre eigene Ernährung während der Schwangerschaft und der Stillzeit zu beachten ist. Die Botschaften beruhen auf Versen aus dem Koran und sind mit den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation abgestimmt. So heißt es im Koran zum Beispiel: “Und die Mütter stillen ihre Kinder zwei volle Jahre. (Das gilt) für die, die das Stillen vollenden wollen”. Eine zweijährige Stillzeit, sofern möglich, ist auch die aktuelle Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation.
In der Pilotphase haben 1.000 schwangere und stillende Mütter Trainings erhalten und Imame wurden ausgebildet, die Ernährungsempfehlungen im Freitagsgebet zu kommunizieren. Auch das Personal von Gesundheitseinrichtungen und Community Health Workers wurden in den wichtigsten Ernährungsbotschaften geschult. Außerdem wurden die Menschen mithilfe von Radioprogrammen aufgeklärt.
Die Zukunft des Projekts
Seit der Pilotphase hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die Mittel bereitgestellt, um das Projekt in drei Provinzen Afghanistans (Samangan, Jawzjan und Herat) durchzuführen. "Nutrition in Qur’an" kann leicht auch für andere Projektstandorte angepasst werden. Weitere islamische Länder, in denen die Welthungerhilfe derzeit aktiv ist, haben bereits Interesse geäußert, darunter Pakistan und die Sahelländer.
In Afghanistan sucht die Welthungerhilfe Partner, um das Konzept der Ernährung im Koran in ihre umfassendere Entwicklungs- und humanitäre Programmierung zu integrieren.