Wann wird ein Naturereignis zur Katastrophe?
Grüne Insel ohne Bäume
+++ Aktuell: Eskalation der Gewalt +++
Nach monatelangen sozialen Unruhen eskaliert die Gewalt in Haiti. Die Hauptstadt Port-au-Prince wird von Banden belagert. In nur wenigen Stadtteilen haben noch Supermärkte und Banken geöffnet. Blockaden, Proteste, Plünderungen und Gewaltausbrüche sowie die anhaltende Treibstoffknappheit erschweren die humanitäre Hilfe.
5,5 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Davon sind 3 Millionen Kinder. Zurzeit bereiten wir die Unterstützung der Bevölkerung in den am stärksten betroffenen Vierteln von Port-au-Prince vor und sind in Gesprächen mit nationalen Partnerorganisationen.
Ein karger Berghang auf Haiti, unter der glühenden Sonne hämmern Landwirt*innen Gesteinsbrocken unterschiedlicher Größe in Form. Andere suchen weitere Steine und Felsstücke zusammen. Es ist eine schweißtreibende Arbeit. Stein um Stein schichten die Haitianer*innen Baumaterial übereinander und klopfen es fest. Bis eine kleine Mauer entsteht, ein Steinwall, der verhindert, dass mit dem nächsten Starkregen wieder ein Teil des Hügels ins Tal hinabrutschen kann.
Der Boden im Nordosten Haitis braucht diesen Erosionsschutz dringend. Gemeinsam mit der Welthungerhilfe wollen die Bäuer*innen ihre wertvollen Ackerflächen langfristig für die Landwirtschaft erhalten oder wieder nutzbar machen.
Maßlose Abholzung von Haitis Wäldern verursacht Katastrophen
Abholzung zeichnet das Bild Haitis: Nahe der Grenzstadt Ouanaminthe erinnern die baumlosen Hügel an eine Mondlandschaft. Kaum vorstellbar, dass Kolumbus 1492 hier eine grüne Insel mit dichten Wäldern vorfand und Haiti lange Zeit eines der reichsten Länder Lateinamerikas war.
Doch der Plantagenanbau in der Kolonialzeit begann den Wald zu verdrängen. 1804 hatte Haiti seine Unabhängigkeit erkämpft – doch zu einem hohen Preis. Bis Mitte des vorigen Jahrhunderts zahlte der Staat Reparationen an die ehemaligen Kolonialherren – dafür wurden vor allem Tropenhölzer abgebaut - maßlos. Heute ist Holzkohle mangels einer regelmäßigen Stromversorgung eine wichtige Energiequelle und für die Landbevölkerung oft die einzige Möglichkeit, ein kleines Einkommen zu erzielen.
Traurige Bilanz: 97 Prozent der Wälder sind inzwischen abgeholzt – mit weitreichenden Folgen für Mensch und Natur. Weltweit ist kaum ein anderes Land so anfällig für Überschwemmungen und Erdrutsche wie Haiti.
Die Folgen des Klimawandels: Familien fürchten um ihre Ernten
Die ländliche Bevölkerung im Nordosten Haitis (Department Nordost) lebt in ständiger Sorge vor dem Verlust ihrer ohnehin mageren Ernten. Zumal sich das Klima in der Bergregion in den vergangenen Jahren merklich verändert hat.
Extreme Wetterereignisse wie Wirbelstürme und Starkregen nehmen zu, damit steigt die Gefahr von Bodenerosion und Überschwemmungen, durch die nicht nur den Ernteerträgen der kleinbäuerlichen Familien, sondern ganzen Dörfern und Straßen die Zerstörung droht.
Um gegen diese Entwicklung zu steuern und Nahrung für die Menschen auf Haiti zu sichern, unterstützt die Welthungerhilfe mit nachhaltigen Projekten – so auch nahe Ouanaminthe. Für die rund 128.000 Bewohner*innen aus sieben Gemeinden in der Gegend eröffnen sich damit neue Perspektiven. Die Welthungerhilfe unterstützt sie dabei, ihren Lebensraum vor den Folgen des Klimawandels und starken Wetterereignissen besser zu schützen, Böden und Vegetation zu erhalten und somit langfristig ihre Existenzgrundlage zu sichern.
Steinwälle, Aufforstung, neue Gemüsegärten: So hilft die Welthungerhilfe
- 5.000 Kleinbauernfamilien sind am stärksten gefährdet, denn ihre Felder liegen in steilen Hanglagen. Sie befestigen nun gemeinsam die Hänge mit Steinwällen. Die Terrassen werden mit Gräsern und Bäumen bepflanzt, die dem Boden Halt geben. Das Wasser fließt nun nicht mehr ungebremst ins Tal und die Erde kann die Feuchtigkeit wieder speichern.
- Aufforstung: Insgesamt rund eine Million Setzlinge sollen sieben eigens eingerichtete Baumschulen nach und nach ausliefern. Ziel ist es, eine kontrollierte Abholzung einzuführen und fortlaufend neue Bäume anzupflanzen.
- Um die Ernteerträge zu steigern, erhalten die Kleinbäuer*innen Trainings in Pflanztechniken, Kompostierung und Schädlingsbekämpfung. Viele legen erstmals Gemüsegärten an – ein wichtiger Schritt gegen den Hunger!
- Zum Schutz des empfindlichen Saatguts und um Vorräte speichern zu können, dienen 18 Lagerhallen. Die können die Dorfbewohner*innen zukünftig gemeinschaftlich nutzen.
Die Herausforderungen sind groß, deshalb ziehen im Nordosten Haitis alle an einem Strang: kleinbäuerliche Landwirt*innen und Vertreter*innen kommunaler Behörden, wie auch Frauenorganisationen und Mitglieder*innen lokaler Komitees für Zivil- und Umweltschutz. Denn nur gemeinsam haben sie eine Chance, den fatalen Kreislauf aus Umweltzerstörung, Katastrophen und Armut zu stoppen.