Wie sich die Welthungerhilfe auf Nothilfe vorbereitet.
Wirbelsturm mit fatalen Folgen
+++ 15 Jahre nach Erdbeben in Haiti +++
15 Jahre nach dem verheerenden Erdbeben vom 12. Januar 2010 leidet die Bevölkerung Haitis unter einer schweren humanitären Krise. Welthungerhilfe-Landesdirektorin Annalisa Lombardo über die aktuelle Lage im Land:
„Haiti hat kein gewähltes Staatsoberhaupt und bewaffnete Gruppierungen drohen, das Land zu übernehmen. Wichtige Infrastruktureinrichtungen wie das größte private Krankenhaus in Port-au-Prince wurden trotz Polizeipräsenz niedergebrannt. Menschen werden gewaltsam vertrieben.
Fast 5,5 Millionen Menschen, etwa die Hälfte der haitianischen Bevölkerung, sind von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen, ca. 2 Millionen Menschen leiden unter akutem Hunger. Die internationale Gemeinschaft muss dringend handeln und einen sicheren, ungehinderten Zugang zu humanitärer Hilfe ermöglichen. Andernfalls wird sich die Hungerkrise weiter verschärfen.“
Am 4. Oktober 2016 fegte Hurrikan Matthew über Haiti hinweg. Im Vorfeld war vielerorts vor dem Wirbelsturm gewarnt worden. Dennoch haben etliche Menschen seine zerstörerische Kraft unterschätzt. Die, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit brachten, erlebten ein Inferno oder verloren ihr Leben. Matthew riss Bäume aus, wirbelte Dächer davon, schleuderte Menschen und Tiere durch die Luft. Auf ihn folgten sintflutartigen Regenfälle, die ganze Landstriche überschwemmten.
Nach dem Sturm: Erschütternde Bilanz
Matthews erschütternde Bilanz: Etwa 2,1 Millionen Haitianer*innen sind betroffen, hunderte Menschen starben, mehr als 200.000 Häuser sind beschädigt, 6.000 völlig zerstört, Straßen, Brücken und Schulen demoliert. Allein im Süden und Südwesten des Inselstaates bis zu 80 Prozent der Ernten vernichtet. Rund 1,4 Millionen Haitianer*innen sind auf Hilfe angewiesen.
Schon bevor Matthew die Karibikhalbinsel heimsuchte, ging es Haiti nicht gut: Es gilt als das ärmste Land der westlichen Hemisphäre und hat sich von den Folgen des schweren Erdbebens in 2010 noch nicht erholt. 2015 war mehr als die Hälfte der Bevölkerung unterernährt. Vor allem die Landbevölkerung leidet unter Hunger und Armut, die Ernteerträge reichen nicht zum Leben aus. Trinkwasser ist knapp und die Menschen haben keine Rücklagen, um Notsituationen zu bewältigen. Zu allem Übel haben die Intervalle und Heftigkeit von Wirbelstürmen, Überschwemmungen, Erdrutschen und ausgedehnten Dürren in den letzten Jahrzehnten zugenommen.
100.000 Euro Soforthilfe für besonders betroffene Regionen
In der aktuellen Notsituation stellte die Welthungerhilfe 100.000 Euro Soforthilfe zur Verfügung und versorgt Menschen in den besonders betroffenen Regionen im südwestlichen Bezirk Nippes und im nordwestlichen Jean Rabel. Hilfsgüter wie Nahrungsmittel, Decken, Planen, Moskitonetze, Wasser, Seife und Wasseraufbereitungstabletten werden verteilt. Viele der obdachlos gewordenen Menschen sind in Notunterkünften wie Schulen, Lagerhäusern und Kirchen untergebracht — Gebäude, die dank ihrer stabileren Bauweise dem Wirbelsturm standhielten.
Im Wiederaufbau konzentriert die Welthungerhilfe sich auf den ländlichen Raum. Mittels Cash-for-Work-Maßnahmen soll die ländliche Infrastruktur, wie Feldbewässerung, Wiederherstellung von Zufahrtswegen zu den Landwirtschaftsflächen wiederhergestellt werden.
Welthungerhilfe-Mitarbeiter Thomas Rommel, der die Verteilungen im Bezirk Nippes begleitet, schildert seine Eindrücke aus einer Notunterkunft in einer Kirche: „Die Bankreihen sind voll besetzt mit Menschen, die ihr Heim oder das Dach über dem Kopf verloren haben. Ihre Felder sind verwüstet, ihr Vieh ertrunken oder von Trümmern erschlagen, ihre Lebensgrundlagen vernichtet. Sie haben Hunger und sind dankbar für das Essen, das zahlreiche Helfer*innen zubereiten aus den Hilfspaketen mit Reis, Bohnen und Fisch, die an die Notunterkünfte verteilt wurden.“
Weitere Cholera-Ausbrüche verhindern
Von ersten Cholera-Fällen wurde berichtet, denn vor allem in den Städten haben die hereinbrechenden Wassermassen auch den Inhalt der Latrinen mit davongetragen. Um den weiteren Ausbruch von Krankheiten zu verhindern, ist es umso wichtiger, möglichst viele Familien mit sauberem Wasser, Wasseraufbereitungstabletten sowie Hygieneartikeln zu versorgen.
Auch die Versorgung mit Nahrungsmitteln für die nächsten Monate ist ernsthaft gefährdet. Zu dieser Jahreszeit wird normalerweise die Ernte eingebracht und die Aussaat für die nächste Saison vorbereitet. Doch die meisten Felder sind verwüstet, Saatgut ging verloren. Vor allem der Ausfall von Kochbananen, einem der wichtigsten Grundnahrungsmittel, trifft die Bevölkerung hart.
Die Welthungerhilfe weitete ihre Hilfsmaßnahmen aus und wird den Menschen auf Haiti auch in Zukunft beiseitestehen. Damit die Bevölkerung bei zukünftigen Katastrophen gut vorbereitet ist, unterstützt die Welthungerhilfe die Stärkung von lokalen Strukturen.