Hoffnung für "Dürre-Witwen"
Es ist fünf Uhr früh, noch ist es dunkel, die Luft kühl. Das Baby atmet ruhig auf Aita Ngatotins Rücken. Es hat die ganze Nacht geweint, erst vor wenigen Stunden ist es eingeschlafen. Aita kontrolliert, ob das Tuch, in dem das Kind liegt, fest genug gebunden ist. Dann hockt sie sich vorsichtig hin und stemmt ein Bündel Holzkohle auf den Kopf.
Ihr Ziel ist das Kakuma-Flüchtlingscamp im Nordwesten Kenias. Die Last ist schwer, sie hat seit Wochen nicht richtig gegessen. 25 Kilogramm wiegt der Sack, den sie fast 50 Kilometer auf dem Kopf balanciert. Umgerechnet vier Euro bekommt sie dafür.
Dürre trifft vor allem Frauen
Bis vor wenigen Monaten war dieser Fußmarsch nach Kakuma Alltag für Aita. Der weite Weg war die einzige Möglichkeit, Geld für ihre Familie zu verdienen. Die 36-Jährige ist eine der vielen „Dürre-Witwen“ in der Region Turkana, die nun versuchen, ihre Familie allein zu versorgen.
Über 23 Prozent der Menschen in Turkana sind mangelernährt. Grund dafür ist die lang anhaltende Dürre in der Region. Vor allem schwangere und stillende Frauen sind betroffen. Geschwächt müssen sie oft harte Arbeiten verrichten. Gemeinsam mit lokalen Partnern wie Lokado arbeitet die Welthungerhilfe vor Ort daran, Frauen und Kindern in dieser besonders schweren Zeit eine Startbasis für ein gesundes und eigenständiges Leben zu sichern
Neue Hoffnung für Turkana
„Lokado und die Welthungerhilfe haben meine Familie gerettet. Ich weiß nicht, wie viele Menschen hier ohne diese Hilfe ihr Leben verloren hätten,“ erzählt Aita erleichtert. Sauberes Trinkwasser, Nahrungspakete, Zusatznahrung für Kinder, schwangere und stillende Frauen sowie Geldzuwendungen waren der Beginn für den Wandel. Seither erzählen die Frauen des Dorfes Geschichten von Hoffnung und Stolz.
Dank der nahegelegenen neuen Wasserstelle müssen sie kein Wasser mehr aus dem See holen, in dem Tierkadaver schwimmen. Sie schämen sich nicht mehr, im Dorfladen nach Kredit zu fragen, weil sie wissen, dass sie das Geld am Ende des Monats zurückzahlen können. Mit dieser Unterstützung reichte es dann endlich aus: Für Essen für ihre Kinder, für Schuluniformen, Bücher und Schuhe. Doch nun werden langfristige Lösungen gebraucht.
Dank eurer Hilfe ist niemand von uns gestorben – aber wir brauchen einen verlässlichen Weg, um am Leben zu bleiben.
Kula Napasi Projektteilnehmerin aus der Turkana-RegionDie 44-jährige Kula Napasi nimmt gemeinsam mit Aita und 1.200 anderen Frauen an Maßnahmen teil, die ihre Existenz sichern und ihre Ernährung verbessern werden. Gemüsegärten, Geflügelzucht, Dorfspar- und Darlehensprogramme, Ernährungs- und Kochkurse gehören dazu. So zeigt das Projekt den Frauen einen Weg in eine nachhaltige Zukunft.
So unterstützt die Welthungerhilfe in der Turkana-Region
- Ernährungsschulungen: 1.200 Frauen werden in Gruppen zu Themen wie Säuglingsernährung, Stillen, Ergänzungsernährung, Umgang mit besonderen Bedingungen wie Frühgeburt oder Behinderung sowie mütterliche Ernährung weitergebildet. Innerhalb der Gruppen werden Frauen-/Mütter-Vorbilder, die bei der Kinderbetreuung und den häuslichen Pflichten gute Fähigkeiten bewiesen haben, ermutigt, andere Frauen zu beraten.
- Weiterbildung im Gemüseanbau: Der Schwerpunkt dieser Weiterbildung für 300 Frauen liegt auf verschiedenen Anbaumethoden, z.B. mehrgeschossige Gärten oder versenkte und feuchte Beete. Die Frauen werden ermutigt, Kleingärten anzulegen und nahrhafte einheimische Gemüsesorten wie Moringa oder Tausendschön anzubauen.
- Weiterbildung zur verbesserten Haltung von Kleinvieh: Bis zu 450 Frauen werden in Turkana West in Praktiken verbesserter Tierhaltung geschult. Ziel ist es, in der Trockenzeit die Milchproduktion zu steigern und den körperlichen Zustand der Tiere zu verbessern.
- Dörfliche Spar- und Darlehensgruppen: Durch Darlehen und Zuteilungen hilft die Teilnahme an dörflichen Spar- und Darlehensgruppen den Frauen, sich selbst und ihren Familien zu helfen, die Nahrungsaufnahme zu erhöhen und die Armut zu verringern. 900 Frauen werden geschult.
Kula und Aita können es kaum erwarten, ihre neuen Fähigkeiten anzuwenden. Endlich kontrollieren sie ihr Leben selbst, statt Jahr für Jahr Opfer der Dürre zu sein. Aita hat noch einen Wunsch: „Bitte nehmt noch viel mehr Frauen in das Projekt auf, um unsere Gemeinde zu stärken! Wenn noch mehr Frauen ihr Leben selbst in die Hand nehmen können, werden wir nie wieder in solch eine Verzweiflung geraten."