Hintergründe und Fakten zur Situation in Ostafrika

Die Angst vor dem „Feind“ nehmen
Jetzt spendenSomaliland am Horn von Afrika ist von der aktuellen Dürre gleich mehrfach betroffen. Landwirt*innen konnten aufgrund der Trockenheit nicht aussäen und der Viehhandel, für viele die einzige Lebensgrundlage, leidet extrem. Die Lebensmittelpreise erreichen nie gekannte Höhen, und die Gefahr einer Hungersnot ist größer denn je. Die Welthungerhilfe findet Lösungen, die Ökonomie und Ökologie gleichermaßen im Auge haben.

Dürre untergräbt landwirtschaftliche Möglichkeiten
Abdirahman Ahmed schreitet über ein ausgetrocknetes Feld, er scheucht Fliegen aus dem Gesicht, bleibt stehen, zeigt auf ein totes Schaf vor seinen Füßen: „So schlimm war es noch nie“, sagt er. Der 35-jährige Viehhirte lebt in der Togdheer-Region unweit der Stadt Oodweyne, etwa 150 Kilometer östlich von Somalilands Hauptstadt Hargeisa entfernt. Seit Jahren herrscht Dürre im Land, ein Ende ist nicht in Sicht. Die Tiere von Abdirahman magern immer mehr ab. Sie sind alles, was er noch hat. Schon bald wird er sie auf den Märkten in den umliegenden Dörfern oder in Hargeisa unter Wert verkaufen müssen. Vielleicht wird er seine Zelte endgültig abbrechen und in die Stadt ziehen, um dort nach Arbeit zu suchen.
Tatsächlich ist Landwirtschaft in Zeiten wie diesen oft keine Option mehr. Ehemals fruchtbare Böden erodieren immer schneller, der Grundwasserspiegel sinkt, die Quellen trocknen aus. Schon jetzt müssen Familien auf dem Land viel Geld für Trinkwasser ausgeben, das mit Tankwagen herbeitransportiert wird. Auch Grundnahrungsmittel wie Weizen sind seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs teurer geworden – Somaliland bezieht 90 Prozent des Weizens aus der Ukraine. Hinzu kommt, dass die ökonomische Nutzung natürlicher Ressourcen oft im Konflikt mit ökologischen Überlegungen steht. Die Gewinnung von Holzkohle ist ein Beispiel dafür: Immer mehr Bäume, deren Blätter Futter für die Tiere sind, werden abgeholzt, Projekte zur Wiederaufforstung brauchen viel Zeit.
Auch deshalb setzen Organisationen wie die Welthungerhilfe auf Maßnahmen, die den Betroffenen unmittelbar helfen und zugleich sowohl ökonomische als auch ökologische Gesichtspunkte einbeziehen. Dazu gehört das Einrichten geschützter Gebiete, wo heimische Pflanzen gezogen werden und Trockensteinmauern und Gräben das Wasser im Schutzgebiet halten. Ferner gehören dazu Projekte gegen die fortschreitende Erosion, der Ausbau bestehender Brunnensysteme sowie der Neubau von Wasserreservoiren oder Solarpumpstationen und nicht zuletzt die Förderung der Imkerei, indem Bienenstöcke zur Verfügung gestellt werden. Ein vergleichsweise leicht umzusetzendes Projekt, das jedoch vielversprechend ist, da Honig in Somaliland ein begehrtes und teures Produkt ist.
Ein Feind bringt Chancen
Ebenfalls Potenzial hat eine Pflanze, die ursprünglich aus Mexiko stammt, aber Mitte der 1980er-Jahre auch in Somaliland auftauchte. Der mit Dornen besetzte Strauch namens Prosopis juliflora wächst rasch zu einem stattlichen Baum von bis zu zwölf Metern Höhe heran. Weil sich die Wurzeln dreißig und mehr Meter in die Tiefe graben, kommt er auch während der Dürre noch zu Grundwasser, während andere Pflanzen längst verdorrt sind. Inzwischen überwuchert das Gestrüpp weite Teile von Somaliland.

Doch ist die Prosopis nicht bloß eine Bürde. Aus ihrem Holz lässt sich Kohle gewinnen, die länger glüht als jene von anderen Hölzern. Somit müssen weniger Bäume gefällt werden, was der Abholzung, der Versteppung und der damit einhergehenden Bodenerosion entgegenwirkt. Zudem lassen sich die reifen Schoten der Prosopis zu einem proteinhaltigen Tierfutter verarbeiten. „Die Existenzgrundlage Somalilands bilden seine Schafe, Ziegen und Kamele. Viehwirtschaft ist das mit Abstand wichtigste Exportgut“, sagt Thomas Hoerz, Agraringenieur bei der Welthungerhilfe. „Und unsere Feldstudien zeigen, dass mit Prosopismehl gefütterte Tiere schon innerhalb eines Monats deutlich an Gewicht zunehmen, auch ihre Milchproduktion steigt signifikant an.“
Jetzt will Hoerz ein neues Projekt anstoßen, die Gewinnung von Heu aus Prosopisblättern. „Dieses Produkt lässt sich ohne große Investitionen und maschinellen Aufwand herstellen und ist zudem lange haltbar.“ Bisher sind viele Viehhirten der Prosopis gegenüber jedoch kritisch eingestellt. Abdirahman Ahmed nennt den Strauch „Geed jinni“, den teuflischen Baum, der sich immer weiter ausbreitet und alle anderen Pflanzen verdrängt. Hoerz hofft, dass niederschwellige Projekte wie die Gewinnung von Heu aus Prosopis den Viehhirten die Angst vor der invasiven Pflanze nehmen.
Das Heu könnte irgendwann auch eine Lösung für Abdirahman Ahmed und seine kleine Herde sein. Jetzt ist er erstmal froh, dass die Welthungerhilfe unweit der Zelte, in denen er und seine Verwandten leben, ein neues Wasserreservoir angelegt hat. Kommt die nächste Regenzeit, kann das Wasser aufgefangen und für Dürrezeiten genutzt werden. „So sind wir nicht mehr von den Tankwagen abhängig“, sagt er. Das gesparte Geld kann die Familie nun für Getreide oder Gemüse ausgeben. Zumindest eine große Erleichterung in dieser verzweifelten Zeit.
So hilft die Welthungerhilfe in Somaliland
- Unterstützung für 42.600 Personen, davon 21.800 Frauen, in 39 Dörfern in fünf Regionen
- Zielgruppe sind Viehzüchter*innen, Landwirt*innen, kleine Händler*innen und Handwerker*innen, insbesondere Frauen und benachteiligte Personen
- Die Teilnehmenden erwerben neues Wissen, zum Beispiel über Hygiene, bessere Ernährung oder Alphabetisierungskurse
- Sie erwirtschaften ein höheres Einkommen aus den Produkten von invasiven und einheimischen Pflanzen
- Im Rahmen des Projektes verbessern sie zudem ihre Tierhaltung und die Milchproduktion, werden fortgebildet in bei der Bienenzucht sowie in neuen Methoden für die Verarbeitung von Obst und Gemüse
Dieser Text stammt aus dem Welthungerhilfe Magazin 03/2022 und wurde von Klaus Petrus verfasst.
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