Wenige Dinge auf unserer Erde sind so lebensnotwendig wie Saatgut. Doch die wertvollste aller Ressourcen ist bedroht. Unsere Materialen helfen bei der Unterrichtsgestaltung zu diesem Thema.
Biodiversität – Vielfalt bedeutet Leben
Was ist Biodiversität? Der Begriff wird oft synonym zu Artenvielfalt verwendet. Dabei ist die Artenvielfalt ein Teilaspekt der biologischen Vielfalt, die man als Biodiversität bezeichnet. Der Begriff setzt sich zusammen aus dem griechischen bios (das Leben) und dem lateinischen diversitas (die Vielfalt). Es geht im Grunde um die Vielfalt des Lebens.
Biodiversität lässt sich in drei verschiedene Ebenen unterteilen:
- Die Diversität der Arten, also die Vielfalt verschiedener Organismen in einem Ökosystem.
- Die Diversität der Gene, also die genetische Vielfalt innerhalb einer Art oder aller Arten eines Ökosystems.
- Die Diversität der Ökosysteme, also die Vielfalt an verschiedenen Lebensräumen für verschiedene Organismen.
Was bedeutet die Biodiversität für den Menschen?
Wir sind nicht nur Teil der Biodiversität, sondern für uns ist die biologische Vielfalt ein grundlegender Faktor unserer Existenz. Wir alle sind auf die Leistungen einer vielfältigen Natur angewiesen. Je mehr Vielfalt es gibt, desto mehr profitieren wir als Menschen davon. Die Medizin profitiert beispielsweise von etwa 70.000 Pflanzenarten, die zur Behandlung verschiedenster Leiden eingesetzt werden.
Auch für Erfinder*innen ist die Artenvielfalt eine wahre Goldgrube: Viele Innovationen fanden ihr Vorbild in der Natur. Nicht zuletzt sichert sie unsere Ernährung. Alle Kulturpflanzen oder Nutztiere stammen von wild lebenden Arten ab. Eine große Auswahl unterschiedlicher Arten erlaubt uns eine abwechslungsreiche Ernährung und ist wichtig für die Anpassung an neue Bedingungen.
Ohne Biodiversität würden die mannigfaltigen Prozesse in der Natur nicht mehr funktionieren. Das Leben hängt also stark vom Zusammenspiel der Arten ab. Stirbt eine Art aus, kann das ungeahnte Folgen für uns und andere Arten haben. Wer bestäubt beispielsweise unsere Pflanzen, wenn die Bienen aussterben?
Das empfindliche Gleichgewicht ist also nicht nur aus moralischen Gründen schützenswert. Allerdings geht der Trend in eine andere Richtung. Die Biodiversität wird bedroht – durch uns.
Verlust der Biodiversität
Biodiversität, biologische Vielfalt, entsteht evolutionstechnisch gesehen aus der Mutation von Genen, die im Zusammenspiel mit verschiedenen Selektionsfaktoren (z.B. Umwelteinflüsse, Fressfeinde oder Konkurrenz innerhalb einer Art) zur Artenbildung beitragen. Dabei gehen Artentstehung und das Aussterben von Arten durch die Veränderung der Selektionsfaktoren Hand in Hand.
Eine natürliche Dynamik also, die in der Geschichte der Erde immer wieder für Artenvielfalt, aber auch für das Aussterben ganzer Arten gesorgt hat, wie das Beispiel der Dinosaurier zeigt. Die derzeitigen Entwicklungen sind jedoch alles andere als natürliche Prozesse.
Wir zerstören Lebensräume, beuten Tiere und Pflanzen aus, verschmutzen die Umwelt und haben unter anderem dadurch für einen spürbaren Klimawandel gesorgt, der seinerseits ebenfalls eine Bedrohung für die Biodiversität darstellt. Die Menschheit ist zum größten Teil verantwortlich für den Rückgang der Biodiversität.
Dabei ist der aktuelle Artenschwund in seinem Ausmaß vergleichbar mit den vergangenen fünf großen Artensterben der Weltgeschichte. Laut einem Bericht der Vereinten Nationen sterben weltweit täglich bis zu 130 Tier- und Pflanzenarten aus.
Allein der Rückgang der Biodiversität in der Bundesrepublik ist alarmierend. Die Rote Liste für Deutschland zeigt:
- Mehr als 70 Prozent der natürlichen Lebensräume sind gefährdet
- Über 40 Prozent der einheimischen Tierarten sind bedroht, 3 Prozent bereits ausgestorben
- Mehr als 25 Prozent der einheimischen Farn- und Blütenpflanzen sind bestandsgefährdet und mehr als 1,5 Prozent ausgestorben
- Mehr als 70 Prozent der Amphibien- und Reptilienarten sind gefährdet
Weltweit zeichnet sich ein ähnliches Bild. Die Rote Liste gibt an, dass aktuell ca. 27 Prozent aller untersuchten Arten vom Aussterben bedroht sind. Das sind an der Zahl rund weitere 27.000 Arten, die bald von der Erde verschwunden sein könnten, wenn wir nichts unternehmen.
Die Hauptursachen für den Verlust der Biodiversität benennt das UFZ Leipzig in seinem Bericht “Millennium Ecosystem Assessment und seine Relevanz für Deutschland”:
- Wir brauchen immer mehr Nutzflächen für Wohnraum, Mobilität und Landwirtschaft. Dazu zerstören oder verändern wir natürliche Lebensräume.
- Durch das massive Freisetzen von Treibhausgasen bei gleichzeitiger Entwaldung bedingen wir nachweislich Klimaveränderungen, die sich schädlich auf Ökosysteme und Lebewesen auswirken.
- Wir belasten Ökosysteme durch Schadstoffe aus Industrie, Verkehr und Landwirtschaft. (Beispielsweise Abgase, Pflanzenschutzmittel oder Dünger)
- Wir überbeanspruchen die natürlichen Ressourcen.
Wir müssen die Biodiversität schützen
Die Welthungerhilfe setzt sich nachdrücklich für den Schutz und den Erhalt der Biodiversität ein. Der Fokus liegt besonders auf der Agrarbiodiversität. Agrarbiologische Vielfalt ist ein fundamentaler Faktor für eine nachhaltige weltweite Sicherung der Ernährung und somit für das Überleben der Menschheit.
Die derzeitigen Entwicklungen sind besorgniserregend: Eine immer weiter optimierte und technisierte Landwirtschaft führt zwar zur Steigerung der Erträge, hinterlässt jedoch ausgelaugte Böden, zunehmenden Schädlingsbefall, knapper werdendes Grundwasser, Umweltverschmutzung und einen massiven Rückgang der agrarbiologischen Vielfalt. Heute tragen allein Reis und Weizen zu 50 Prozent der weltweiten Ernährung bei. Dabei beschränkt sich der Anbau auf immer weniger Sorten. Vielfalt sieht anders aus. Die Potenziale eines breiten Genpools – also genetische Ressourcen –können so nicht mehr ausgeschöpft werden. Dabei sprechen die Vorteile einer breiten Nutzung für sich.
Fünf Gründe dafür, die biologische Vielfalt des Saatguts zu erhalten:
1. Freies Saatgut ist essenziell für die weltweite Sicherung der Ernährung.
Saatgut, das aus kommerziellen Quellen stammt, ist für viele Menschen schlicht zu teuer. Dazu ist es in der Regel nicht samenfest. Das bedeutet, es ist nicht möglich, nach dem Anbau daraus wieder fruchtbares Saatgut für den nächsten Anbau zu produzieren. Freies und samenfestes Saatgut ermöglicht den Kleinbäuer*innen mehr Unabhängigkeit, Flexibilität und Sicherheit.
2. Es braucht mehr als nur Kalorien, um satt UND gesund zu sein.
Eine ausgewogene Ernährung ist wichtig für unsere Gesundheit. Viele Menschen, die sich augenscheinlich ausreichend ernähren, leiden unter dem sogenannten “verborgenen Hunger”. Bei ihnen liegen teils horrende Mängel an Vitaminen und Mineralstoffen vor. Kein Wunder: Ein Drittel der Weltbevölkerung ernährt sich täglich größtenteils nur von Reis, Weizen und Mais.
3. Vielfältiges Saatgut hilft, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen.
Kleinbäuer*innen produzieren und vermehren ihr Saatgut seit Generationen selbst. Über Saatgutbanken und Bauernorganisationen tauschen sie ihr Wissen und Saatgut untereinander aus. So entsteht ein großer Genpool, der die Möglichkeit bietet, passende Sorten so zu züchten, dass sie den Folgen des Klimawandels trotzen.
4. Die Vielfalt des Saatguts darf nicht durch die Dominanz weniger Konzerne gefährdet werden.
Über 4.000 verschiedene Sorten Kartoffeln und 1.500 verschiedene Bananenarten gibt es weltweit.
Wo auf der einen Seite die Vermehrung des Saatgutes durch Kleinbäuerinnen und Kleinbauern steht, schwindet die Vielfalt auf der anderen Seite durch industriell produziertes Saatgut. Internationale Saatgutkonzerne beherrschen aktuell ganze 75 Prozent des Marktes. So werden immer mehr lokale Sorten durch genetisch einheitliche Sorten ersetzt, die zwar Erträge steigern, aber nicht vermehrt werden können.
5. Saatgutvielfalt ist gleichzeitig kulturelle Vielfalt.
Das Wissen darüber, wie man bestimmte Pflanzen anbaut, wird von kleinbäuerlichen Familien über Generationen hinweg weitergegeben. Es gibt Pflanzen, die schon seit 10.000 Jahren gezüchtet und angebaut werden. Viele dieser Pflanzen sind heute verloren gegangen. Allein in diesem Jahrhundert haben wir einen großen Teil der einstigen Pflanzenvielfalt eingebüßt.
Die Welthungerhilfe steht auf der Seite der Vielfalt
Die Welthungerhilfe hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein Bewusstsein für den Schutz der Biodiversität zu schaffen und Maßnahmen dafür umzusetzen. Dazu fördern wir Projekte, die mit Maßnahmen gegen Wilderei und illegale Landnutzung das nachhaltige Management von Naturschutzgebieten zum Ziel haben.
Darüber hinaus werden Bauernorganisationen sowie soziale Bewegungen, die für die gleichen Ziele einstehen, unterstützt und Maßnahmen zur landwirtschaftlichen Anpassung gefördert. Die Produktion von landwirtschaftlichen Gütern soll lokal angepasst und auf die durch Landwirt*innen geschaffene Vielfalt ausgerichtet sein. Dabei unterstützen wir auch die Gründung von Bauernnetzwerken und Samenbanken, um einen nachhaltigen Austausch von Saatgut und Wissen zu gewährleisten.
Unsere Forderungen
Der Erhalt der Biodiversität ist eine Aufgabe, die gesellschaftlich und über Grenzen hinaus höchste Priorität besitzt. Wir fordern:
- Schutzzonen und öffentliche Genbanken einzurichten.
- Die Forschungsfreiheit, das Landwirteprivileg und den Zuchtvorbehalt zu erhalten. Entsprechend muss dafür sowohl national als auch international ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden.
- Die bäuerliche Züchtung vor Ort als züchterische Leistung anzuerkennen und zu fördern.
- Partnerschaften zwischen landwirtschaftlichen und wissenschaftlichen Vertreter*innen und den internationalen Austausch der Bäuerinnen und Bauern zu fördern.
- Kompensationen für Bäuer*innen zu leisten, wenn durch ihren Einsatz für den Erhalt der Biodiversität Einbußen in ihren Erträgen entstehen.
- Wenig genutzte Pflanzenarten und Nutztierrassen hinsichtlich einer wirtschaftlichen Nutzbarkeit zu fördern.