Eine Sammlung von Dokumenten zum Thema Qualitätsmanagement bei der Welthungerhilfe.
Nothilfe – So arbeiten wir im Notfall
Wenn Menschen plötzlich durch eine Katastrophe vor dem Nichts stehen, dann ist schnelle und effiziente Nothilfe überlebenswichtig.
Die Weltbevölkerung hat es zunehmend mit großen globalen Herausforderungen zu tun: Immer häufiger verursachen Extremwetterereignisse als Folge des Klimawandels massive Zerstörungen und Verluste, gleichzeitig steigt die Anzahl an gewaltsamen Konflikten und Langzeitkrisen, die das Leben vieler Menschen akut bedrohen. In ihren Projektregionen unterstützt die Welthungerhilfe durch Katastrophenvorsorge und Frühwarnsysteme die lokale Bevölkerung dabei, die Auswirkungen von Krisen und Katastrophen bereits im Voraus abzumildern. Wenn Menschen in Folge einer solchen Gefahrensituation jedoch plötzlich vor dem Nichts stehen, dann ist schnelle und effiziente Nothilfe überlebenswichtig.
Recht auf ein würdiges Leben in humanitären Krisen
Die Welthungerhilfe hat sich neben der Entwicklungszusammenarbeit auch auf schnelle Not- und Katastrophenhilfe spezialisiert, bei der die Menschen in akuten Notsituationen im Mittelpunkt stehen. Sie haben ein Recht auf Schutz, Hilfe, das Respektieren ihrer Menschenrechte und ein würdiges Leben in humanitären Krisen.
Durch unsere Nothilfe-Struktur können wir im Fall von Krisen und Katastrophen flexibel und schnell reagieren, um die humanitären Bedarfe der betroffenen Bevölkerung zu erfassen und zu decken. In den Programmländern der Welthungerhilfe sind dies in der Regel als erstes unsere nationalen Nothilfe-Teams, die mit Unterstützung unserer internationalen Nothilfexpert*innen Hilfsmaßnahmen umsetzen. Reichen die personellen Kapazitäten vor Ort nicht aus, so können weitere Mitarbeiter*innen entsandt werden:
- Das globale Nothilfe-Team besteht aus Nothilfe-Expert*innen, die permanent in Einsatzbereitschaft sind und innerhalb von 48 Stunden ausreisen können.
- Das sogenannte “READY”-Team (Reinforced Emergency Action Delivered By You) besteht aus Mitarbeitenden unserer Programmländer, die relevante Nothilfeerfahrungen haben und im Fall einer Krise oder Katastrophe auch in einem anderen Land Nothilfe-Aktivitäten unterstützen können.
Kontinuierliches Krisenmonitoring
Damit wir eine schnelle Abstimmung und Reaktion sicherstellen können, haben wir sowohl global als auch länderspezifisch konkrete Strukturen und Arbeitsweisen etabliert, die ein kontinuierliches Überwachen von sich anbahnenden Krisen und Katastrophen gewährleisten. Dazu gehört unter anderem das Sammeln, Analysieren, Priorisieren, Verbreiten und Überwachen von Informationen aus verschiedenen lokalen, nationalen und globalen Quellen sowie die Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen und anderen relevanten Akteuren. Die kontinuierliche Beobachtung von Krisen hilft dabei, Signale einer sich anbahnenden Notsituation früh zu erkennen und angemessen auf sie zu reagieren.
Erfahrungen, die wir in unserer praktischen Arbeit vor Ort gewinnen können, nutzen wir, um uns in politische Lösungsprozesse einzubringen und politische Entscheidungen und Verbesserungen zu beeinflussen.
Bei unseren Nothilfe-Aktivitäten folgen wir international anerkannten humanitären Standards, wie dem Core Humanitarian Standard on Quality and Accountability, den SPHERE-Standards und dem Code of Conduct der internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften. Wir verpflichten uns außerdem, die Qualität unserer Nothilfemaßnahmen laufend zu überwachen, indem wir sie während und nach ihrer Durchführung sorgfältig reflektieren und analysieren. Unser Ziel ist immer, unsere flexible Nothilfe-Struktur und unsere Maßnahmen weiter zu verbessern, um die betroffenen Menschen künftig noch effektiver und effizienter zu unterstützen.
Geldleistungen und Gutscheine für mehr Selbstbestimmung in der Krise
Erst Geld, dann Sachmittel. Dieser Trend setzt sich in der Nothilfe durch.
Unsere Nothilfe-Maßnahmen koordinieren wir eng mit anderen Akteuren der humanitären Hilfe, darunter lokale und internationale Hilfsorganisationen, lokale Regierungen und die Vereinten Nationen, um unsere Kräfte zu bündeln und Dopplungen zu vermeiden. Wenn es die lokale Marktsituation zulässt, unterstützen wir die betroffene Bevölkerung mit Geldleistungen oder Gutscheinen, mit denen die Menschen selbstbestimmt ihre individuellen Bedürfnisse decken können. Dies ermöglicht der betroffenen Bevölkerung eine größere Entscheidungsfreiheit und damit auch Anerkennung und Würde. Darüber hinaus fördern Geldleistungen und Gutscheine die lokalen Märkte und schaffen sogenannte Multiplikationseffekte. In Kontexten, in denen die Bevölkerung keinen oder nur limitierten Zugang zu funktionierenden Märkten hat, werden Hilfsgüter - wie Nahrungsmittel, Baumaterial oder Hygieneartikel - als Sachleistungen verteilt.
Die Nothilfe-Aktivitäten der Welthungerhilfe umfassen unter anderem:
Ernährungssicherheit
- Versorgung der betroffenen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln
- Überwachung der Nährstoffversorgung der vulnerablen Gruppen und, wenn notwendig, Überführung in Gesundheitseinrichtungen bei akuter Unterernährung
- Aufklärungsarbeit zu den Themen Hygiene und Ernährung
WASH (Water, Sanitation and Hygiene)
- Instandsetzung oder Bau von Latrinen, Handwaschstationen, Sanitäreinrichtungen
- Versorgung mit Trinkwasser, Bau von Wassersystemen zur Notversorgung, Wasseraufbereitung und Wasserqualitätskontrolle
- Hygiene-Aufklärung und Bewusstseinsbildung für die Bedeutung von sauberem Wasser zur Verhinderung des Ausbruchs von Krankheiten (Cholera, Malaria, COVID-19, andere durch Wasser übertragene Krankheiten)
- Entsorgung von festen und flüssigen Abfällen, Verteilung von Hygiene-Artikeln (Seife, Zahnbürsten, Menstruationsartikel, Eimer, Wasserfilter, usw.)
Unterkünfte und Haushaltsgegenstände
- Unterstützung von Menschen, die in Flüchtlingscamps leben, durch die Verteilung von Materialien zum Bau von Übergangsunterkünften (bspw. Zeltplanen, Werkzeuge und Decken)
- Bereitstellung von Haushaltsgegenständen wie Matratzen, Töpfe, Besteck, Kleidung, Kochbrennstoff, Moskitonetze, z.B. nach Erdbeben
- Unterstützungsleistungen in den Wintermonaten, u.a. Heizöfen, Brennstoff zum Heizen, zusätzliche Decken sowie in den Sommermonaten leichte Kleidung und Schattenspender (Planen)
Protection Mainstreaming
- Sicherer und barrierefreier Zugang zu unseren Unterstützungsleistungen (z.B. zugängliche Toiletten, sichere Verteilstandorte)
- Einrichtung von Feedback- und Beschwerdemechanismen sowie Sicherstellung eines sicheren und barrierefreien Zugangs dazu
Diese Maßnahmen erfolgen in enger Abstimmung mit der betroffenen Bevölkerung.
Protection
- In Regionen, in denen die betroffene Bevölkerung besonderen Schutz benötigt und keine ausreichende rechtliche Unterstützung vorhanden ist: Unterstützung der betroffenen Bevölkerung bei der Einforderung ihrer Rechte (z.B. durch Beratungsstellen in der Türkei, in denen sich Geflüchtete aus Syrien zu Gesundheitsdiensten, Verwaltungsangelegenheiten oder zu rechtlichen Fragen beraten lassen können und psycho-soziale Unterstützung erhalten können)
In allen unseren Aktivitäten ist der Schutz der betroffenen Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Wir minimieren so weit wie möglich alle unbeabsichtigten negativen Auswirkungen unserer Maßnahmen. Außerdem ermöglichen wir einen sicheren und barrierefreien Zugang zu unseren Unterstützungsleistungen (z.B. zugängliche und sichere Toiletten, sichere Verteilstandorte).
Wir arbeiten eng mit lokalen Akteuren zusammen und möchten ihre Kapazitäten stärken.
Starke humanitäre Partnerschaften
Die ersten, die während oder nach einer Krise helfen, sind in der Regel die Menschen und Gemeinden selbst sowie lokale Organisationen und Behörden vor Ort. Um deren Kapazitäten zu stärken, hat die Welthungerhilfe sich dem Thema Lokalisierung der humanitären Hilfe verschrieben und führt gemeinsam mit anderen humanitären Akteuren ein Programm in acht Ländern durch, welches die Reaktionskapazitäten auf Nothilfesituationen lokaler Organisationen stärkt.
Nothilfe in Langzeitkrisen und fragilen Kontexten
Den größten Teil ihrer Arbeit leistet die Welthungerhilfe in fragilen Staaten – Staaten, die von unsicheren politischen Verhältnissen geprägt sind, und die sich nicht um ihre Bürger kümmern können oder wollen. Hinzu kommt, dass sich in den letzten Jahrzehnten aus anfangs kurzfristigen Krisen und Katastrophen immer häufiger Langzeitkrisen – sogenannte "protracted Crisis" - entwickeln, die die Lebensgrundlage der Bevölkerung über einen längeren Zeitraum akut bedrohen. Jedes Jahr verlassen deshalb Millionen Menschen ihre Heimat. Flucht und Migration, im eigenen Land oder über Ländergrenzen hinweg, können vielseitige Ursachen haben. Meist ist es eine Kombination aus menschengemachten Faktoren, wie gewaltsamen Konflikten oder Umweltzerstörungen, und Naturgefahren, die sich gegenseitig negativ verstärken.
Gerade in solch fragilen Kontexten und Langzeitkrisen ist es wichtig, akute Nothilfe wo möglich mit längerfristigen Maßnahmen zur Unterstützung gesellschaftlicher Strukturen und mit Maßnahmen zum Wiederaufbau von Infrastruktur zu verbinden. Gemeinsam mit der Bevölkerung plant die Welthungerhilfe zum Beispiel auch Maßnahmen, die zu einer widerstandsfähigeren Existenzgrundlage beitragen und die Resilienz der Menschen fördern. Nach der akuten Nothilfe geht unsere Arbeit in Projekten des Wiederaufbaus und der Entwicklungszusammenarbeit weiter. Dabei gestalten wir den Wiederaufbau mit den betroffenen Menschen so, dass Katastrophenrisiken möglichst reduziert werden – und die Menschen in der Zukunft besser vorbereitet sind, sollte es zu einer erneuten Krise kommen.