Herausforderungen und Lösungen für die Klimakonferenz in Baku
Superfood Hirse: Die unterschätzte Antwort auf den Klimawandel
Lokale Klimaanpassung mit "vergessenen" Lebensmitteln: Einst von der britischen Kolonialherrschaft durch andere Nutzpflanzen wie Reis verdrängt, machen ihre Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Klimabedingungen die lokalen Nahrungsmittel zu einer wichtigen Ressource. Mukesh engagiert sich in seiner Gemeinschaft im indischen Staat Jharkhand dafür, das einheimische Getreide wieder populär zu machen.
Die Jugendlichen des Dorfes Burudih in Jharkhand im Osten von Indien hatten die einheimische Hirse noch nie mit eigenen Augen gesehen. Sie zählte jahrhundertelang zu den Grundnahrungsmitteln der Gemeinschaft, doch ist im Laufe der Zeit durch den Anbau anderer Nutzpflanzen verdrängt worden. „Ich habe nur durch Erzählungen meines Großvaters von den Getreidesorten gehört, die früher auf unseren Höfen angebaut wurden. ‚Gondli‘ (kleine Hirse), ‚Madua‘ (Fingerhirse) und ‚Kodo‘. Er erzählte mir, dass er damals nie Reis aß“, sagt der 18-jährige Mukesh Hembram.
Nachdem das Jahr 2023 als Internationales Jahr der Hirse gefeiert wurde, wissen die Jugendlichen um den Nährwert ihrer einheimischen Pflanzen. Nun wollen sie sie mit Stolz in ihr Ernährungssystem zurückbringen. „Mein Großvater hat mir immer scherzhaft auf die Schulter gehauen und gesagt: 'Meine Knochen sind viel stärker als deine, weil wir uns noch gesund ernährt haben'“, sagt Mukesh lächelnd.
Bis vor Kurzem war die Hirse komplett aus Burudih verschwunden. Nicht eine der 65 Familien baute sie an. Jahrhundertelang deckten die indigenen Völker in Jharkhand ihren Nahrungsmittelbedarf mit einheimischen Nutzpflanzen. Die auf Hirse basierenden lokalen Ernährungssysteme waren nachhaltig und unabhängig von externen Inputs wie Pflanzenschutzmittel.
Hirse gedeiht gut mit natürlichem Dünger aus der Landwirtschaft. Sie ist sehr tolerant gegenüber Staunässe und Trockenheit, so dass für den Anbau kein kostbares Grundwasser abgepumpt werden muss. Außerdem kann Hirse über lange Zeit gelagert werden, ohne dass sie von Schädlingen befallen wird. Früher wurden viele unterschiedliche Hirsesorten angebaut, was wiederum der Ernährungsvielfalt zugute kam. Sie konnten auf den lokalen Märkten leicht verkauft werden, da die Ernährungsgewohnheiten der Menschen noch auf lokal verfügbaren Produkten beruhten.
„Wir sollten uns mit dem traditionellen Wissen unserer Vorfahren vertraut machen, und das fängt bei der Ernährung an.“
Mukesh Hembram (18)Die britische Kolonialherrschaft und die Grüne Revolution in den 1960er Jahren führten zu einer massiven Untergrabung der einheimischen Ernährungssysteme und beeinträchtigten die Lebensweise der Gemeinschaften und ihre Verbindung zu den Wäldern. „Der Rückgang des Hirseanbaus ist auf die steigende Nachfrage nach Marktfrüchten wie Reis, Weizen, Ölsaaten, Zuckerrohr und Baumwolle zurückzuführen“, sagt Md. Shaban, Projektkoordinator von Nutrition Smart CommUNITY.
„Diese Änderung der landwirtschaftlichen Praktiken hatte erhebliche Auswirkungen auf die indigenen Bäuerinnen und Bauern, die sich an die wirtschaftlichen Anforderungen anpassen mussten. Darüber hinaus waren die indigenen Gemeinschaften auch auf den Wald als Futter- und Nahrungsquelle angewiesen. Auch dieser ist im Laufe der Zeit verschwunden, und somit auch ihre Lebensgrundlage. Aufgrund des Verlusts der einheimischen Nahrungsmittel kam es bei Frauen und Kindern zu einem Mangel an Nährstoffen, insbesondere Proteinen, Kalzium, Vitamin A und C sowie Eisen, was zu Untergewicht, Wachstumsverzögerung, Anämie und Mangelernährung führte“, erklärt er weiter.
Die Welthungerhilfe und ihr Partner Centre for World Solidarity (CSW) gründeten 2022 eine Jugendgruppe in Burudih. Das Ziel: die uralte Kulturpflanze durch die junge Generation wiederzubeleben und so den Kreislauf der Mangelernährung zu durchbrechen.
COP29 Side Event
Lokale Klimaanpassung mit vergessenen Lebensmitteln
Gemeinsam mit Action Against Hunger, Food of Tomorrow Institute und Instituto Regenera veranstaltet die Welthungerhilfe am 16. November eines der COP29 Side Events in Baku. Bei der Veranstaltung mit Redner*innen aus Indien, Kenia und Brasilien geht es darum, wie traditionelle lokale Nahrungsmittel dazu beitragen können, Herausforderungen wie den Folgen des Klimawandels zu begegnen.
Die 29. Klimakonferenz der Vereinten Nationen findet vom 11. bis 22. November 2024 in Baku, Aserbaidschan, statt. Bei dem Gipfel treffen sich Vertreter*innen von Regierungen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft mit dem Ziel, den Klimaschutz weltweit voranzutreiben.
„Ich möchte viel lernen und einen Job im öffentlichen Dienst bekommen. Ich möchte, dass mein Dorf sauber, grün und frei von Unterernährung ist. Dafür darf die Hirse nicht nur etwas aus Erzählungen bleiben, sondern wir müssen sie zurück auf die Speisepläne der Gegenwart holen“, sagt Mukesh. Einheimische Nahrungsmittel sind besonders widerstandsfähig. Sie können sich besser an klimatische Veränderungen anpassen und extreme Wetterereignisse überstehen als moderne Nutzpflanzen, die auf Massenverbrauch ausgelegt sind.
„Als Erstes müssen wir den Jugendlichen ein Verständnis für die reiche Geschichte und die Esskultur vermitteln, die im Laufe der Zeit verloren gegangen ist“, sagt Projektkoordinator Shaban. „Wir schulen sie in nachhaltiger Landwirtschaft mit bewussterer Nutzung natürlicher Ressourcen.“ Die meisten Bäuer*innen pflanzen Reis an. Das Projekt der Welthungerhilfe möchte sie zunächst dazu bewegen, ökologische Methoden anzuwenden und die Abhängigkeit von Chemikalien zu verringern, um die Bodengesundheit zu fördern. „In der nächsten Phase möchten wir sie dann dazu ermutigen, einen Teil ihrer Höfe für den Anbau von Hirse und anderen einheimischen Nahrungsmitteln zu nutzen. Dies trägt gerade in Dürreperioden dazu bei, die Ernährung sicherzustellen“, sagt Shaban.
Mukesh ist zuversichtlich, dass die Dorfgemeinschaft mit Unterstützung der Welthungerhilfe Saatgut aus der Umgebung beziehen und mit dem Anbau von Hirse loslegen kann, sobald die Saison beginnt. „Ich habe viel über die Ernährungsvorteile von Hirse gelesen. Wir sollten uns mit dem traditionellen Wissen unserer Vorfahren vertraut machen, und das fängt bei der Ernährung an“, sagt er.
Die junge Generation von Burudih hat sich zusammengefunden und setzt sich für die Wiederbelebung von verlorener Kultur und vergessenem Wissen ein. Mit Sicherheit werden die jungen engagierten Leute auch in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle bei der Umgestaltung des Ernährungssystems spielen. Die Politik muss die Weichen dafür stellen, nationalen Klimaschutz zu verstärken und finanzielle Beiträge für die Armuts- und Hungerbekämpfung zu erhöhen.
Forderungen an die deutsche Bundesregierung zur COP29
Die Bundesregierung muss darauf hinwirken, dass auf der COP29 folgende Entscheidungen getroffen werden:
- Klimagerechtigkeit durch neues Globalziel (NCQG): Das neue Ziel muss die Bedürfnisse und Prioritäten der einkommensschwächsten Länder berücksichtigen, die jährlich Milliarden USD benötigen, um sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Deutschland muss trotz angespannter Haushaltslage, seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen und mindestens die zugesagten 6 Milliarden Euro ab 2025 zur Verfügung stellen, im besten Fall acht bis zehn Milliarden.
- Anpassungsfinanzierung verdoppeln: Vor allem für Anpassungsmaßnahmen, die zur vermehrter Resilienz für die Bevölkerungen einkommensschwacher und besonders gefährdeter Länder führen, muss mehr Geld bereitgestellt werden. Trotz eindeutiger Anzeichen einer Beschleunigung der Klimarisiken und -auswirkungen weltweit wird die Finanzierungslücke immer größer.
- Erhöhung der Ambitionen: Länder müssen ihre national festgelegten Beiträge (NDCs) zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen erhöhen und in Baku oder spätestens 2025 konkrete Maßnahmen zur Umsetzung dieser Ziele präsentieren, wie im Pariser Abkommen festgelegt.
- Fonds für Verluste und Schäden: Die vollständige Operationalisierung des Fonds ist notwendig, um die Bedürfnisse der am stärksten betroffenen Länder abzudecken. Der aktuelle Bedarf für den Fonds wird auf mehrere hundert Milliarden USD geschätzt. Seit der Fonds 2022 ins Leben gerufen wurde, sind von reichen Staaten lediglich 700 Millionen USD bereitgestellt worden.