Der Klimawandel verschärft die Ernährungssituation vieler Menschen: Durch Extremwetterereignisse wie starke Regenfälle und Dürren gehen Ernten und Einkommen verloren.
Klimawandel, Wetterextreme und Hunger
Weltweit steigt die Zahl der Wetterextreme. Als Folgen des Klimawandels haben Dürren oder Überflutungen unmittelbare Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit von Millionen Menschen.
Bei einem Wetterextrem handelt es sich um ein Wetterereignis mit einer starken Abweichung vom lokalen Durchschnitt. Das bedeutet: Für den Ort, an dem das Ereignis auftritt, ist es eigentlich eher eine Seltenheit. So würden Temperaturen, die am Äquator normal sind, beispielsweise eine Hitzewelle bedeuten, wenn sie am Nordpol auftreten würden.
Wetterextreme wie Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen oder Stürme hat es in der Weltgeschichte schon immer gegeben. Doch das Klima wandelt sich: In der jüngeren Zeit, besonders im letzten Jahrzehnt, traten Wetterextreme gehäuft auf. Und das mit unmittelbaren, negativen Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit vieler Menschen.
Extremwetterereignisse
Tropenstürme
Zu den tropischen Stürmen gehören Wirbelstürme wie z.B. der Hurrikan, der Taifun oder der Zyklon. Stürme ab Windstärke 12 auf der Beaufortskala, mit also mehr als 118 km/h, werden je nach Entstehungsort unterschiedlich bezeichnet. Diese Stürme entstehen durch Verdunstungen großer Wassermengen an der Meeresoberfläche. Durch die Corioliskraft fangen die Stürme an sich zu drehen und ein Wirbel entsteht.
Starkniederschläge & Fluten
Der Deutsche Wetterdienst definiert Starkniederschlag ab einer Regenmenge von 25 mm pro Stunde. Es handelt sich dabei um einen selten auftretenden Niederschlag mit zerstörerischen Folgen, wie beispielsweise Überflutungen. Stärkere Niederschläge entstehen durch höhere Verdunstungen, die wiederum durch höhere Temperaturen verursacht werden.
Hitzewellen & Dürren
Eine Hitzewelle ist eine lange Periode mit außergewöhnlich hohen Temperaturen, die für die jeweilige Region untypisch ist. Hitzewellen haben weitreichende Folgen für die Umwelt: Waldbrände und Wasserknappheit sind eine Bedrohung für die Landwirtschaft; die Luftfeuchtigkeit während dieser Zeit kann für die betroffenen Menschen eine gesundheitliche Gefahr darstellen.
Gibt es mehr Extremwetterereignisse durch den Klimawandel?
Schon eine globale Erhöhung der Durchschnittstemperatur von einem Grad kann durchaus große Auswirkungen auf Faktoren haben, die unser Wetter beeinflussen:
- Hohe Temperaturen führen zu einer erhöhten Wasserverdunstung aus Böden, Pflanzen oder Wasserflächen. Das kann die Häufigkeit und Intensität von Dürren beeinflussen.
- Erwärmt sich die Atmosphäre, kann sie potenziell mehr Wasserdampf speichern. Heutzutage enthält unsere Atmosphäre schätzungsweise vier Prozent mehr Wasserdampf als noch vor 40 Jahren. Die Folge: Das Risiko extremer Niederschläge hat sich merklich erhöht.
- Auch die sogenannten Oberflächentemperaturen der Ozeane stehen in Verbindung mit Extremwettern. So haben Veränderungen dieser Temperaturen Unregelmäßigkeiten in der atmosphärischen Zirkulation von Niederschlägen verursacht, wodurch es in bestimmten Teilen der Welt vermehrt zu Dürren kommen kann.
Studien belegen, dass der Klimawandel die Häufigkeit der Extremwetterereignisse insgesamt erhöht und langanhaltende Klimaextreme ermöglicht. So hat sich die Anzahl von Extremwetterereignissen, wie etwa Stürmen, Dürren, Bränden und Überflutungen seit den Anfängen der 1990er Jahre verdoppelt. Der Global Report on Food Crises gibt an, dass sich im Jahr 2021 etwa 23,5 Millionen Menschen in 8 Ländern aufgrund von Klimaereignissen nicht mehr ausreichend ernähren konnten.
Die Folgen des Klimawandels treffen weltweit am stärksten die Bevölkerungsgruppen, die am wenigsten dafür verantwortlich sind.
Marlehn Thieme Präsidentin der WelthungerhilfeMit gezinktem Würfel
In der Wissenschaft hat sich die Metapher des „Spiels mit gezinktem Würfel“ etabliert. Bei einem gezinkten Würfel erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Wert durch Manipulation von außen. Im Fall „Wetterextreme“ ist der menschengemachte Klimawandel der Manipulator.
Es ist mittlerweile möglich, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Häufigkeit und durchschnittliche Intensität von Extremwettern abzuschätzen. Dabei zeigen wissenschaftliche Erkenntnisse, dass sich einige Wetterbedingungen bereits verschoben haben: So sind beispielsweise kalte Nächte weltweit zurückgegangen, während warme Nächte zugenommen haben. Dürren, die Intensität von Stürmen sowie Hitzewellen haben zugenommen und werden dies voraussichtlich auch weiterhin tun. Forscher*innen erwarten, dass die meisten Kategorien von extremen Wetterereignissen, mit Ausnahme von Kältewellen, durch die globale Erwärmung weiterhin zunehmen werden. In Mitteleuropa sind neue Hitzerekorde im Sommer beispielsweise seit geraumer Zeit zur Normalität geworden.
Wie Wetterextreme für Hunger sorgen
Der Hunger weltweit ist nach wie vor ein ernstzunehmendes Problem: Schätzungsweise 733 Millionen Menschen müssen Hunger leiden. Darunter sind 148 Millionen Kinder unter fünf Jahren, die aufgrund von Mangelernährung Wachstumsverzögerungen aufweisen.
Auch dort, wo es augenscheinlich genug zu essen gibt, betrifft der sogenannte „verborgene Hunger“ rund zwei Milliarden Menschen: Sie leiden unter massiven Nährstoffdefiziten aufgrund einseitiger Ernährung.
Die Welthungerhilfe arbeitet gemeinsam mit ihren Partnern daran, dem weltweiten Hunger ein Ende zu setzen. Diese Arbeit wird allerdings durch zunehmende Extremwetterereignisse, die in Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen, nachhaltig erschwert. Stürme, Dürren, Hitzewellen, Starkregen und damit verbundene Naturkatastrophen wie Brände oder Überschwemmungen kommen seit den 1990er Jahren häufiger vor und nehmen größere Ausmaße an. Heute machen sie 80 Prozent aller Katastrophen weltweit aus.
Wetterextreme gefährden die Ernährungssicherung
- Hitzewellen, starke Regenfälle, Dürren und Überschwemmungen gefährden die Nahrungsmittelproduktion. Die Erträge wichtiger Nutzpflanzen bleiben aus, was in der Folge auch dazu führt, dass Nutztiere verhungern. Das treibt viele Menschen nicht nur in den Hunger, sondern oft auch in den Ruin, weil sie als Selbstversorger ihre Existenzgrundlage verlieren.
- Extremwetterereignisse gefährden den Zugang zu Nahrungsmitteln. Bei ausbleibenden Ernten und knapper werdenden Gütern schießen die Preise für Nahrungsmittel in die Höhe. Das trifft vor allem die Ärmsten, die abhängig von stabilen Nahrungsmittelpreisen sind. Sie können sich nicht mehr ausreichend ernähren und müssen Hunger leiden.
- Neben Ernteeinbußen wirken sich Extremwetter negativ auf Qualität und Sicherheit der Lebensmittel aus. Aus Studien geht hervor, dass die Konzentration bestimmter Mikronährstoffe in Pflanzen nicht ausreichend sein kann. Das führt bei mehr Menschen zum „stillen Hunger“. Außerdem bilden sich bei zu hoher Niederschlagsrate giftige Schimmelpilze auf den Feldpflanzen, die bei Kindern zur Verzögerung des Wachstums führen können.
Teufelskreis Wetterextreme und Hunger
Die Folgen der zunehmenden Wetterextreme treffen vor allem die Länder, die über die wenigsten Ressourcen verfügen, um der Bedrohung durch Hunger etwas entgegenzusetzen. Als Resultat erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Konflikte, Migration und politische Instabilität, die ihrerseits wiederum Co-Faktoren für Hunger sind.
Was muss getan werden?
Wenn wir nicht nachhaltig handeln, werden auch durch Wetterextreme Hunger und Unterernährung in vielen Regionen weiter zunehmen. Wir brauchen ambitionierte Herangehensweisen und Maßnahmen, um klimabedingte Herausforderungen zu stemmen. Jede einzelne Stellschraube ist dabei von großer Wichtigkeit.
Ansätze der Welthungerhilfe
Die Maßnahmen der Welthungerhilfe gliedern sich in verschiedene Projekte zur Akuthilfe und Prävention bei Wetterextremen. Aus unserer Erfahrung wissen wir: Prävention ist auf lange Sicht effektiver als Reaktion. In Ländern mit einem hohen Risiko für Extremwetterereignisse verknüpfen wir daher akute Nothilfe im Extremfall mit langfristigen Strategien zur Verhütung künftiger Notstände.
Ein Stichwort dabei lautet Resilienz. Die Welthungerhilfe definiert Resilienz als die “Fähigkeit von Personen, Gemeinden oder Institutionen, sich von extremen Belastungen rasch zu erholen und Strategien zu entwickeln, mit wiederkehrenden Herausforderungen umzugehen.” Um das zu gewährleisten, haben unsere Projekte das Ziel, Menschen für die Zukunft zu wappnen und widerstandsfähiger zu machen. Das ist nicht nur kosteneffizienter, sondern verringert dazu das Ausmaß potenzieller Notlagen und Schäden.
Weitere Stichworte lauten Early Warning und Early Action als Prinzipien der Katastrophenvorsorge. Für jede Region werden dabei akute Risiken identifiziert und das Gefahrenpotenzial der Wetterextreme evaluiert. Im Anschluss treffen wir zusammen mit lokalen Partnern und Regierungsstellen vorausschauende Maßnahmen zur Katastrophenverhütung.
Von Extremwettern besonders betroffene Projektländer der Welthungerhilfe sind Myanmar, Nepal, Bangladesch und Sierra Leone, sowie die Länder am Horn von Afrika, wie z.B. Äthiopien. Allerdings zeichnet sich in nahezu allen Projektländern eine Zunahme von extremen Wetterereignissen ab. Oft sind nun auch Länder betroffen, in denen bisher nicht mit Extremwettern zu rechnen war, wie beispielsweise Somaliland. Insgesamt nimmt also auch die Zahl der Länder zu, die unter extremem Wetter leiden.
Bewährte Strategien zur Vorsorge
- Risiken erkennen und einschätzen: Um die Ursachen für Krisen zu überwinden, müssen sie zunächst erkannt und ihre Relevanz eingeschätzt werden.
- Die gefährdete Bevölkerung einbeziehen: Die Bewohner*innen werden sich dadurch sowohl der Herausforderungen, als auch ihrer eigenen Fähigkeiten bewusst.
- Auf Extremereignisse vorbereiten: Mit Prävention durch Frühwarnsysteme und Notfallpläne können sowohl vorhersehbare Katastrophen (slow onset development) wie Dürren, als auch kurzfristige Ereignisse wie Tsunamis oder Überschwemmungen effektiv bewältigt werden. Zur Reduzierung von Erdbebenschäden ist erdbebensicheres Bauen eine adäquate Strategie.