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Entwicklungsfinanzierung in Zeiten der Pandemie

Deutschland gehört zu den Geberländern, die auf die Pandemie zielgerichtet mit Aufstockungen der ODA reagiert haben. Die Mittel für Entwicklungs­zusammenarbeit und humanitäre Hilfe für die kommenden Jahre sind aber nicht gesichert.

Corona-Krise in Indien. Ein Mädchen mit Mund-Nase-Schutz hält einen Teller und einen Topf, in welchen ein Mann Essen füllt. Oben rechts ist das Kompass 2021 Logo.
Essensausgabe in einem Slum in Delhi durch Helfer der NGO Jan Pahal. Hier leben Arbeitsmigrant*innen, die wegen der Corona-Pandemie ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen können. © Lang/Welthungerhilfe

Dieser Artikel ist Teil des Berichts Kompass 2021, der von der Welthungerhilfe und terre des hommes herausgegeben wird.

Nach vier Jahren Stagnation sind die globalen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Aid, ODA) gestiegen. Die am 13. April 2020 vom Development Assistance Committee (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichten Zahlen zeigen einen Anstieg von 151 Milliarden US-Dollar 2019 auf 161 Milliarden US-Dollar 2020 an. Laut vorläufigen Berechnungen sind davon zwölf Milliarden US-Dollar die Ausgaben in Reaktion auf COVID-19-Pandemie. Somit haben die DAC-Geberländer ihr Versprechen gehalten, die ODA-Etats in der Pandemie nicht zugunsten anderer notwendiger Ausgaben zu kürzen; sie haben die ODA sogar erhöht.01

Allerdings ging 2020 ein größerer Anteil als in den Vorjahren auf Kredite zurück, was die Gefahr einer höheren Verschuldung der Empfängerländer mit sich bringt. Um die Pandemie zu bekämpfen, verhängten Regierungen weltweit ab März 2020 Bewegungsbeschränkungen. Dies drosselte die Wirtschaft und ließ die Nachfrage nach Rohstoffen drastisch schrumpfen; die am Export orientierten Lieferketten gerieten ins Stocken, und die Tourismusbranche kam zum Stillstand; dadurch verschärfte sich die Finanzierungslücke. In dieser Lage sind viele Entwicklungsländer gezwungen, weitere Kredite aufzunehmen, obwohl der Verschuldungsstand der Entwicklungsländer schon 2019 auf dem höchsten Niveau seit der Entschuldung im Rahmen der HIPC-Initiative (Heavily Indebted Poor Countries) war.02 Darüber hinaus floss ein Großteil der zusätzlichen Mittel an Länder mit mittlerem Einkommen. Die ODA an Länder mit niedrigem Einkommen ist leicht gesunken, ebenfalls ODA an die Länder in Subsahara-Afrika.

Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IMF) ist die Weltwirtschaft 2020 um 3,5 Prozent geschrumpft.03 Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzt, dass 2020 ungefähr neun Prozent der globalen Arbeitszeit und etwa acht Prozent der Einkommen aus formeller oder informeller Arbeit verloren gegangen sind.04 Während Länder mit hohen Einkommen und einfachem Zugang zu Finanzmärkten in großem Umfang Mittel für Konjunkturpakete bereitstellen, haben viele Entwicklungsländer kaum haushaltspolitischen Spielraum, um die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen abzufangen. 

Auch ohne pandemiebedingten Wirtschaftseinbruch reichten ihre Steuereinnahmen nicht aus, um Gesundheit, Bildung und soziale Sicherung ausreichend zu finanzieren. Um den gestiegenen Bedarf an Entwicklungsfinanzierung zu decken, müsste das ODA-Niveau in den kommenden Jahren noch weiter steigen. Die Aussichten für kommende Jahre bleiben jedoch unbestimmt.

Reaktion auf die Pandemie

Deutschland gehört zu den Geberländern, die auf die Pandemie zielgerichtet mit Aufstockungen der ODA reagiert haben. Im März 2020 hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) über Umschichtungen im eigenen Etat etwa eine Milliarde Euro für den Kampf gegen COVID-19 mobilisiert. 300 Millionen Euro für die COVID-19-bedingte humanitäre Hilfe wurden im April 2020 im Etat des Auswärtigen Amtes (AA) bereitgestellt. Im Mai 2020 legte das BMZ das COVID-19-Sofortprogramm vor, welches weitere Maßnahmen im Umfang von drei Milliarden Euro umfasste. Die Bundesregierung stattete das Programm mit 1,5 Milliarden Euro aus dem im Juni 2020 verabschiedeten Nachtragshaushalt aus. Weitere 1,5 Milliarden Euro kamen im Zuge der Haushaltsberatungen in dem BMZ Etat für das Jahr 2021 hinzu. So hat die deutsche ODA 2020 mit 24,9 Milliarden Euro die höchste Gesamtsumme bisher erreicht und verbleibt 2021 voraussichtlich auf vergleichbarem Niveau. 

Darüber hinaus trägt Deutschland wesentliche Mittel zum „Access to COVID-19 Tools Accelerator“ (ACT-A) bei. Diese globale Initiative wurde mit dem Ziel gegründet, die Entwicklung und Produktion von Impfstoffen, Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten für COVID-19 zu beschleunigen sowie einen gerechten Zugang dazu weltweit sicherzustellen. Eine der vier Säulen der Initiative ist die Einkaufsgemeinschaft für Impfstoffe unter dem Namen COVAX, die besondere Relevanz für die Versorgung der ärmeren Länder mit Impfstoffen hat. Deutschland unterstützte ACT-A 2020 mit 600 Millionen Euro und kündigte 2021 weitere 1,5 Milliarden Euro Unterstützung an.05 Diese Mittel stammen aus einer Haushaltreserve für die durch die Pandemie verursachten Mehrausgaben. Da ACTA im Interesse aller Länder der Welt handelt, werden diese Ausgaben nicht vollständig an die ODA angerechnet, allerdings kommt ein wesentlicher Anteil davon den Entwicklungsländern zugute.

Entwicklung der deutschen ODA

Dank dieser außerordentlichen Anstrengungen hat Deutschland 2020 zum zweiten Mal das international vereinbarte Ziel erreicht, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für die Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen. Im Jahr 2016 gelang dies vor allem, weil die Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen im Inland so hoch waren; die Anrechnung dieser Inlandskosten ist DAC-konform. 2020 haben die Inlandskosten keine entscheidende Rolle gespielt, das Ziel wurde vor allem durch verstärkte Finanzierung der internationalen Organisationen erreicht. Allerdings ist das Bruttonationaleinkommen 2020 auch leicht geschrumpft, wodurch die Zielmarke in absoluten Zahlen etwas gesenkt wurde und leichter erreicht werden konnte.

Tatsächlich ist die deutsche ODA ohne Anrechnung von Inland-Ausgaben in den vergangenen zwei Amtsperioden kontinuierlich gestiegen. Nach acht Jahren Großer Koalition verfügt das BMZ über einen verdoppelten Etat. Die Mittel für humanitäre Hilfe, die im Etat des AA angelegt sind, sind in den vergangenen acht Jahren um das Siebenfache gestiegen. Damit hat Deutschland seine Stelle auf Platz zwei unter den Geberländern weltweit gefestigt und die Distanz zu anderen Gebern noch vergrößert. Vor acht Jahren stammte etwa jeder zehnte Euro der offiziellen Entwicklungs­zusammenarbeit aus Deutschland, inzwischen ist es schon jeder sechste.

Einige Geberländer kürzen auf der Suche nach Einsparungen im Haushalt die Entwicklungsetats. Insbesondere Großbritannien, das in den vergangenen Jahren immer als drittgrößte Geber dabei war, liegt nun mit signifikantem Abstand zu Frankreich auf Platz vier. Die britische Regierung hat im Januar 2021 angekündigt, dass sie den ODA-Ausgaben temporär eine Obergrenze von 0,5 Prozent des BNE setzt.06 Andererseits hat die Pandemie einigen Geberländern dazu gebracht, ihr Engagement für multilaterale Initiativen, insbesondere im Gesundheitsbereich, zu stärken. In den kommenden Jahren wird es von immer größerer Bedeutung, ob Deutschland international Mitstreiter für globale Entwicklungsfinanzierung mobilisieren kann. 

50 Jahre 0,7 Prozent – brauchen wir eine neue Zielsetzung?

“Each economically advanced country will progressively increase its official development assistance to the developing countries and will exert its best efforts to reach a minimum net amount of 0.7 per cent of its gross national product at market prices by the middle of the decade.” – UN General Assembly Resolution, 25/2626 (XXV.), 1970

Als das 0,7-Prozent-Ziel 1970 gesetzt wurde, waren das Verständnis von Entwicklungszusammenarbeit sowie die Erwartungen daran anders als heutzutage. Entwicklungsforscher*innen kritisieren, dass das zugrunde liegende ökonomische Modell viel zu einfach gedacht war und das Bruttonationaleinkommen der Geberländer als Referenzwert schlecht durchdacht.11 Der globale Wirtschaftsabschwung verschafft einen neuen Impuls für die Diskussion über eine alternative Zielmarke.

Trotz allen Vorbehalten ist ein Ziel sinnvoll, das als Anteil am Einkommen der Geberländer definiert wird, in unterschiedlicher Hinsicht: Zum einem lässt sich damit das Niveau der finanziellen Anstrengungen verschiedener Regierungen vergleichen. Es drückt das Grundprinzip aus, dass größere und wirtschaftsstarke Geberländer mehr leisten sollen als die kleineren. Zum anderen lässt ein solches Ziel die Leistungen der einzelnen Geber über die Zeit vergleichen. Basierend darauf kann festgestellt werden, ob das Engagement in globaler Entwicklung gesteigert oder reduziert wird, auch im Vergleich zu anderen politischen Handlungsfeldern.

Allerdings führt dies dazu, dass sich in einer globalen Rezession die Verpflichtungen der Geberländer durch ein an das BNE geknüpftes Ziel verringern; dabei erhöhen sich durch den Wirtschaftsabschwung die Bedarfe der ärmeren Länder.

Eine Vielzahl von Krisen treibt die Bedarfe an Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe in die Höhe. Deshalb wäre es wünschenswert, dass sich neue Zielmarken vom Ausmaß dieser Bedarfe ableiten. Die Bestrebungen, Kosten der verschiedenen UN-Nachhaltigkeitsziele zu beziffern, wurden bereits von verschiedenen Instituten und internationalen Organisationen in Gang gesetzt. Ein Beispiel sind die im Oktober 2020 veröffentlichten Studien von Welternährungsorganisation (FAO) und des Zentrums für Entwicklungsforschung (ZEF) sowie der CERES-2030-Initiative, die beide zeigen, dass die Ausgaben für Ernährungssicherung verdoppelt werden müssten, um Hunger bis 2030 zu beseitigen.12 Auch die bestehenden Kostenanalysen für UN-Nachhaltigkeitsziele in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Zugang zu Wasser weisen auf wesentliche Finanzierungslücken hin.13, 14 Dabei bezieht keine von diesen Berechnungen die durch die COVID- 19-Pandemie verursachten Mehrbedarfe mit ein. Es ist also davon auszugehen, dass ein bedarfsbasierter ODA-Zielwert nicht geringer ausfallen würde als bestehende Zielwerte.

Es ist herausfordernd und unpräzise, die Kosten einer komplexen Vision wie der Agenda 2030 zu berechnen, was auch von den damit beauftragten Institutionen offengelegt wird.15, 16 Zum einem tragen viele entwicklungspolitische Vorhaben zu mehreren Zielen gleichzeitig bei beziehungsweise haben Nebeneffekte in verwandten Sektoren, was bei der Zusammenzählung der Sektoranalysen zu berücksichtigen ist. Zum anderen stützen sich die Kostenanalysen auf zahlreiche Annahmen bezüglich z.B. eines politischen und makroökonomischen Umfelds, der Bedingungen in internationaler Handelspolitik oder der Finanzmärkte – oft wird hier die Stabilität vorausgesetzt, die allerdings nicht gesichert ist.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Akteure die Kosten tragen sollen. Private und öffentliche Akteure in den Entwicklungsländern steuern die meisten Mittel bei, die für Finanzierung der Bildung, Gesundheit, Ernährung, Infrastruktur und andere Bereichen der Entwicklung nötig sind. Den öffentlichen Mitteln – wie der ODA – kommt in Krisenzeiten eine wichtigere Rolle als sonst zu, die Finanzierungslücken zu schließen, insbesondere wenn es um die Grundbedürfnisse der Menschen geht.

Auch wenn sich die Kosten nicht genau beziffern lassen, ist es falsch, die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit an gar kein Maß zu binden. Die Langlebigkeit des 0,7-Prozent-Ziels liegt wohl auch daran, dass über die Jahre kaum ein anderer bindender Wert international vereinbart wurde. Deutschland sowie andere Geberländer müssen sich bereit erklären, weitere konkretere Verpflichtungen einzugehen und sich daran messen zu lassen. Dabei ist es sinnvoll, womöglich auf die Sektoranalysen für bestimmte UN-Nachhaltigkeitsziele zurückzugreifen, sodass die Finanzierungsversprechen klar an Zwecken gebunden werden können. Dazu braucht es gleichzeitig entsprechende Monitoring- und Rechenschafts-Mechanismen, um den Einsatz der Mittel und deren Wirksamkeit nachzuverfolgen.

Mit der wachsenden Erkenntnis über globale Zusammenhänge und Abhängigkeiten sowie der wieder gestiegenen Aufmerksamkeit für globale Vertrags- bzw. Regelwerke wie den Pariser Klimavertrag wird mehr ODA für den Schutz der globalen Gemeingüter (global public goods) verwendet. Es handelt sich hier um Güter, von denen Menschen unabhängig von Nationalstaaten und Privatbesitz überall in der Welt profitieren sollten, wie eine intakte Umwelt, ein stabiles Klima, saubere Ozeane, stabile Finanzmärkte, Frieden oder, angesichts der Pandemie besonders relevant, Prävention und Therapie ansteckender Krankheiten.07 In diese Bereiche zu investieren ist sowohl ein Gebot der Solidarität als auch des nationalen Interesses. Beklagenswert wäre jedoch, wenn dies zu einer Mittelverschiebung führen sollte, die Investitionen in Gesundheit, Bildung und Ernährungssicherung für die Ärmsten reduzieren würde. Die Finanzierung globaler Gemeingüter darf nicht auf Kosten der Armutsbekämpfung gehen.08 Wird die Definition von Entwicklungsfinanzierung ausgeweitet, müssen die Mittel erhöht werden. Daher wäre es richtig, die ODA für den Schutz der Gemeingüter zusätzlich zu dem 0,7-Prozent-Ziel zu veranschlagen. 

Vor diesem Hintergrund ist die mittelfristige Finanzplanung des Bundes verbesserungsbedürftig. Der aktuelle Entwurf sieht eine Kürzung des BMZ-Etats um 13 Prozent im Jahr 2022 vor. Nach Aussagen des Bundesministeriums wird die Stabilität trotzdem gewährleistet dank eines Anteiles an der im Bundeshaushalt festgelegten Pauschale für die Mehrausgaben aufgrund der COVID-19-Pandemie. Ob das BMZ Zugriff auf diese Mittel erhält, und wie sie eingeplant werden, bleibt jedoch unklar. Nach aktueller Planung ist der BMZ Etat im Jahr 2023 um 25 Prozent verringert im Vergleich zu 2021.

Tatsächlich haben sich ein Jahr nach Beginn der COVID-19-Pandemie viele Befürchtungen in Bezug auf die Zunahme von Hunger und Armut bestätigt. Analysen von internationalen Institutionen wie den Vereinten Nationen und der Weltbank zeigen drastische negative Auswirkungen für die Menschen, und damit auf die UN-Nachhaltigkeitsziele, insbesondere das Ende von Hunger und Armut. Sie wirft die Entwicklung um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zurück. Die Finanzierung sollte daher für die nächsten Jahre wenigstens auf einem stabilen Niveau gesichert werden.

ODA an die am wenigsten entwickelte Länder

In den am wenigsten entwickelten Ländern (Least Developed Countries, LDC) ist die Finanzierungslücke zum Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele am größten. Seit mehreren Jahren ist deutlich geworden, dass sich die Armut in dieser Ländergruppe konzentriert und sie damit auf diesem niedrigen Niveau verharren und in der Entwicklung abgehängt zu werden drohen. Mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie wurden auch in vielen Ländern mit mittleren Einkommen Fortschritte zunichte gemacht. In den am wenigsten entwickelten Ländern gibt es jedoch die wenigsten inländischen Ressourcen zur Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen, wenn es um Grundversorgung mit Bildung, Gesundheit und sozialer Sicherheit geht. Zudem waren die Staatseinnahmen in diesen Ländern in den vergangenen zehn Jahren rückgängig.09 Gleichzeitig hat die Pandemie alle verfügbare Finanzierungsströme aus dem Ausland beeinträchtigt. Insbesondere die Überweisungen von Arbeitsmigrant*innen aus dem Ausland, die direkt ihre Familien unterstützen und zu den verlässlichsten Finanzierungsquellen gehören, wurden durch Bewegungseinschränkungen, Entlassungen und Grenzschließungen beeinträchtigt. Stark betroffen sind zum Beispiel Haiti, Kirgistan, Nepal, Südsudan und Tadschikistan, wo die Rücküberweisungen 2019 zwischen 25 und 36 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachten.10

Die ODA kann und soll zum Einsatz kommen, um diese Lücken zu verringern. 2019 haben nur vier DAC-Geberländer die ODA-Zielmarke für die ärmsten Länder von 0,2 Prozent des BNE erreicht oder überschritten. Es waren dieselben Geberländer, die kontinuierlich das 0,7-Prozent-Ziel erfüllen: Luxemburg, Schweden, Norwegen, Dänemark und Großbritannien. Während Deutschland insgesamt zweitgrößtes Geberland ist, steht es in Bezug auf die ODA an die ärmsten Länder in absoluten Zahlen nur an fünfter Stelle. Im Ranking in Bezug auf die ODA-Quote von 0,2 Prozent liegt es im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld.

Auch wenn in den vergangenen Jahren die deutschen ODA-Zahlungen an diese Länder leicht gestiegen sind, setzte sich dieser Trend 2019 nicht fort, im Gegenteil: Mit 0,11 Prozent des BNE entfernte sich Deutschland wieder ein Stück weit vom 0,2-Prozent-Ziel. 2019 forderte die Opposition die Bundesregierung auf, einen Stufenplan für die Erreichung dieses Ziels zu vereinbaren, die Initiative scheiterte jedoch im Bundestag. Es bleibt die Kritik, dass sich die Entwicklungspolitik der Bundesregierung mit der neuen Strategie „BMZ 2030“ aus der bilateralen Zusammenarbeit mit mehreren der am wenigsten entwickelten Länder zurückzieht und sich verstärkt den vergleichsweise entwickelten Staaten zuwendet. Wünschenwert wäre, dass eine neu gewählte Bundesregierung hier wieder gegensteuert. Dies ist nicht nur ein Gebot der Solidarität, sondern liegt auch im eigenen staatlichen Interesse. Die Pandemie hat das Verständnis für globale Zusammenhänge geschärft; auch die Migrations- und Klimakrise zeigen, dass globale Herausforderungen nur gemeinsam bewältigt werden.

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Fußnoten

1. Joint Statement by the Development Assistance Committee (DAC) of the Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD): COVID-19 GLOBAL PANDEMIC.

2. Entwicklung braucht Entschuldung e.V., Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e.V. (2021): Schuldenbericht 2021

3. International Monetary Fund (2021): World Economic Outlook Update. Policy Support and Vaccines Expected to Lift Activity

4. International Labour Organization (2021): ILO Monitor: COVID-19 and the world of work. 7th edition

5. Das Deutschland-Portal (10.03.2021): Covax – eine Initiative für alle

6. Bond (26.11.2020): Government to bring legislation to the house to end 0.7% commitment

7. Siehe zum Beispiel: United Nations; Department of Economic and Social Affairs (2020): Recovering from COVID-19: the importance of investing in global public goods for health

8. Center for Global Development; Kenny, Charles (2020): Official Development Assistance, Global Public Goods and Implications for Climate Finance

9. Development initiatives (2020): Adapting aid to end poverty. Delivering the commitment to leave no one behind in the context of Covid-19

10. Ebd.

11. Center for Global Development; Clemens, Michael A.; Moss, Todd J.  (2005): Ghost of 0.7% - origins and relevance of the international aid target

12. Von Braun, Joachim;  Chichaibelu, Bezawit Beyene; Torero Cullen, Maximo; Laborde, David;  Smaller, Carin (2020): Ending Hunger by 2030 – Policy actions and costs

13. Dodd, Amy; Caio, Cecilia; Meeks, Polly (2020): The cost of achieving SDG 3 and SDG 4: How complete are financing estimates for the health and education goals?

14. Hutton, Guy; Varughese, Mili (2016): The Costs of Meeting the 2030 Sustainable Development Goal Targets on Drinking Water, Sanitation, and Hygiene

15. United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) (2014): The World Investment Report 2014 (WIR14)

16. UN Sustainable Development Solutions Network (SDSN) (2019): SDG costing & financing for low-income developing countries

Autor*innen dieses Artikels

Justyna Szambelan

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