Laden Sie hier den Kompass 2024 als PDF-Datei herunter.
Entwicklungspolitische Empfehlungen an die Bundesregierung
Die Welthungerhilfe und terre des hommes formulieren entwicklungspolitische Empfehlungen an die deutsche Bundesregierung.
Dieser Artikel ist Teil des Berichts Kompass 2024, der von der Welthungerhilfe und terre des hommes herausgegeben wird.
Unsere Forderungen
1. Entwicklungsfinanzierung: Kontinuität und verlässliche Zusammenarbeit gewährleisten
2. Afrikapolitik: klare Zielsetzung und Kohärenz sicherstellen
3. Fragile Kontexte: Engagement beibehalten und Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft stärken
5. Menschenrechte: roter Faden für alle Strategien der Entwicklungszusammenarbeit
1. Entwicklungsfinanzierung: Kontinuität und verlässliche Zusammenarbeit gewährleisten
- Als drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt muss Deutschland selbst in einer schwierigen Haushaltslage weiterhin eine wichtige Rolle beim Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) spielen.
- Angesichts des zunehmenden Hungers, der steigenden Zahl gewaltsamer Konflikte und der sich verschärfenden Klimakrise darf die Bundesregierung ihren Beitrag für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) nicht zurückfahren. Sie muss am Ziel, mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) für die ODA bereitzustellen, festhalten.
- Die Entwicklungszusammenarbeit muss dazu beitragen, dass der Hunger in der Welt wieder reduziert wird. Die aktuellen massiven Kürzungen im Bereich Ernährungssicherung müssen daher rückgängig gemacht werden.
- Die ärmsten Länder und fragile Kontexte dürfen nicht aus dem Blick geraten. Das Ziel, 0,2 Prozent des BNE für die sogenannten am wenigsten entwickelten Länder (least developed countries, LDCs) aufzubringen, muss weiterhin gelten.
- Das humanitäre Engagement darf auf keinen Fall verringert werden; ein größerer Schwerpunkt sollte auf vorausschauende Hilfe gelegt werden.
- Vulnerable Gruppen leiden besonders unter den Auswirkungen gewalttätiger Konflikte. Besonders in fragilen Kontexten müssen ausreichende Mittel für diese Gruppen bereitgestellt werden, um ihre Resilienz gegenüber multiplen Krisen langfristig zu stärken und ihre Zukunft zu sichern.
2. Afrikapolitik: klare Zielsetzung und Kohärenz sicherstellen
- Die Bundesregierung sollte klar definieren, welche Ziele sie gemeinsam mit Afrika verfolgen möchte und welche Angebote sie dafür machen kann.
- Die relevanten Ressorts sollten in enger Abstimmung mit afrikanischen Partnern spezifische Länderstrategien entwickeln. Dabei müssen Prioritäten festgelegt und konsequent verfolgt werden. Auf Top-Down-Ansätze sollte verzichtet werden.
- Neue Strategien für die Zusammenarbeit mit dem Kontinent müssen so gestaltet werden, dass sie auch in Krisenzeiten Bestand haben und der zunehmenden Fragilität in den Ländern Rechnung tragen. Dabei müssen realistische Zielsetzungen festgelegt und nachhaltige Wege für die Unterstützung der Bevölkerungen gefunden werden.
- In der Umsetzung der Konzepte und Strategien muss ressortübergreifende Kohärenz sichergestellt werden.
- Die bestehenden Leitlinien zur zivilen Konfliktprävention müssen konsequent angewendet werden.
- In den afrikapolitischen Leitlinien müssen das Recht auf Nahrung und die ländliche Entwicklung stärker verankert werden.
3. Fragile Kontexte: Engagement beibehalten und Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft stärken
- In von Krisen geschüttelten Regionen trägt die Entwicklungszusammenarbeit dazu bei, ein Mindestmaß an Kontinuität und Stabilität zu gewährleisten. Sein Engagement zurückzuziehen würde bedeuten, dass sich Deutschland seiner Verantwortung für die Umsetzung der Agenda 2030 und ihres Prinzips, „niemanden zurückzulassen“, entzieht.
- Um schnell und effektiv auf veränderte Situationen und Bedürfnisse reagieren zu können, sollten Fortschritte bei der Flexibilisierung von Fördermaßnahmen und der Finanzierung im sogenannten Humanitarian-Development-Peace-Nexus, also der Verzahnung von humanitärer Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung, konsolidiert und ausgebaut werden.
- Insbesondere in fragilen Kontexten und dort, wo ein Agieren unabhängig von staatlichen Strukturen nötig ist, spielt die lokale Ebene für nachhaltige Entwicklungsmaßnahmen eine zentrale Rolle. Diese sollte anerkannt und gefördert werden.
- In diesen Kontexten muss die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren intensiviert werden. Hierzu ist es nötig, Anpassungen bei den Förderbedingungen (z.B. im Zuwendungsrecht und in der Risikohaftung) vorzunehmen.
- Auch in fragilen Kontexten darf Deutschland seine Verantwortung in der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe nicht auf zivilgesellschaftliche Akteure abwälzen, sondern muss aktiv und direkt Verantwortung übernehmen.
4. Sahelzone: Ernährungssicherheit und Widerstandsfähigkeit von Ernährungssystemen in den Mittelpunkt stellen
- Um Hunger und Mangelernährung zu beseitigen, müssen die Ernährungssysteme in der Sahelzone dringend unterstützt werden. Dabei sollte die Stärkung einer nachhaltigen und resilienten Landwirtschaft priorisiert werden, mit Fokus auf der Verbesserung der Produktionsbedingungen kleinbäuerlicher Betriebe und der Schaffung von Einkommensmöglichkeiten insbesondere im ländlichen Raum.
- Bei allen Strategien muss berücksichtigt werden, wie jung ein Großteil der Bevölkerung in der Region ist. Dies erfordert den Schutz von Kindern und jungen Menschen vor bewaffneten Konflikten, aber auch Bildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen speziell für die junge Generation.
- Um die Nachhaltigkeit von Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit sicherzustellen, sollte die junge Generation gezielt einbezogen und unterstützt werden.
5. Menschenrechte: roter Faden für alle Strategien der Entwicklungszusammenarbeit
- Systematische Analysen der menschenrechtlichen Lage und die Perspektiven der betroffenen Bevölkerung müssen als feste Bestandteile in allen relevanten Strategien der deutschen Entwicklungszusammenarbeit verankert werden.
- Das Prinzip der Konditionalität sollte im Falle von schlechter Regierungsführung oder Menschenrechtsverletzungen in den Partnerländern nicht zu unmittelbaren Kürzungen der Entwicklungsgelder führen. Stattdessen sollten Strategien und Programme angepasst werden, beispielsweise durch eine verstärkte Unterstützung menschenrechtlicher Akteure in der Zivilgesellschaft.