Der Kompass 2019 analysiert die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit.
Kompass 2019: Deutschland verfehlt Entwicklungshilfeziel
Deutschland hat das ODA-Entwicklungshilfeziel erneut verfehlt. Die Welthungerhilfe und terre des hommes fordern im Kompass 2019, dem Bericht zur "Wirklichkeit der Entwicklungshilfe", von der Bundesregierung mehr Engagement im Kampf gegen Hunger und Armut und eine stärkere Unterstützung der Least Developed Countries.

Zum 26. Mal haben die Welthungerhilfe und terre des hommes ihren Bericht „Zur Wirklichkeit der deutschen Entwicklungspolitik“ veröffentlicht. Die Untersuchung macht klar: Die Bundesregierung ist ein wichtiger Akteur in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Die Studie zeigt aber auch: Deutschland kommt im Kampf gegen Hunger und Armut nach wie vor internationalen Verpflichtungen nicht nach und muss sein Engagement quantitativ und qualitativ verbessern.
22,18 Milliarden Euro hat Deutschland im Jahr 2017 für Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben. Viel Geld, aber nicht genug. Denn die Bundesrepublik hat sich vor 47 Jahren zusammen mit anderen Industriestaaten dazu verpflichtet, 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) für die Verbesserung der Lebensbedingungen in Schwellen- und Entwicklungsländern auszugeben. Bislang ist Deutschland dieser Verpflichtung erst ein einziges Mal nachgekommen – und zwar im Jahr 2016. Mit 0,67 Prozent wurde dieses Ziel nun erneut verfehlt.
Wohin fließt das Geld und wie wird es eingesetzt?
Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland hinter Schweden, Norwegen, Luxemburg, Dänemark und Großbritannien zwar gut ab. Das liegt jedoch vor allem daran, dass die Ausgaben für Geflüchtete in Deutschland angerechnet werden. Mit 5,37 Milliarden Euro machen sie immerhin knapp ein Viertel der Aufwendungen aus. Da diese Ausgaben in den nächsten Jahren voraussichtlich deutlich zurückgehen werden, ist davon auszugehen, dass Deutschlands Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit in den nächsten Jahren weiter sinken wird.
Doch es geht nicht nur darum, wieviel Geld fließt, wichtig ist auch, wohin es fließt. Die Bundesregierung hat sich vor acht Jahren dazu verpflichtet 0,15 bis 0,2 Prozent des BNE für die am wenigsten entwickelten Länder auszugeben. Im Jahr 2017 flossen jedoch nur rund 0,11 Prozent an diese besonders bedürftigen Länder.
Über den Bericht
Zum 26. Mal veröffentlichen Welthungerhilfe und terre des hommes Deutschland den Bericht „Zur Wirklichkeit der deutschen Entwicklungspolitik“. Der Kompass 2019 analysiert die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit. Fokusthemen sind die deutsche Afrikapolitik und die Strategie der Bundesregierung zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten.
Entwicklungszusammenarbeit wirksamer gestalten
Und schließlich geht es natürlich auch darum, wie die Gelder verwendet werden. Deutschland hat sich deshalb im Jahr 2011 der Partnerschaft für effektive Entwicklungszusammenarbeit angeschlossen. Internationale Untersuchungen weisen jedoch auf Nachholbedarf der deutschen Programme in Sachen Wirksamkeit hin. Deutsche Entwicklungszusammenarbeit könnte noch effizienter bereitgestellt, Partner stärker entlastet sowie die Institutionen der Partnerländer stärker gefördert werden.
Doch Hunger kann nicht alleine durch Entwicklungszusammenarbeit bekämpft werden. Damit die ambitionierten Nachhaltigen Entwicklungsziele – die unter anderem vorsehen, Armut bis zum Jahr 2030 weltweit zu beenden – noch erreicht werden können, muss die Bundesregierung auch in der Finanz-, Technologie-, Umwelt-, Handels-, Sicherheits- und Migrationspolitik endlich eine kohärente Politik betreiben, die dazu beiträgt, Lebensbedingungen in ärmeren Ländern zu verbessern.
Ärmste Länder profitieren nicht

Forderungen an die Bundesregierung
Um Hunger und Armut weltweit noch effektiver zu bekämpfen, fordert die Welthungerhilfe die Bundesregierung deshalb auf:
- Ihre internationalen Verpflichtungen für die Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit endlich einzuhalten.
- Sich durch die noch stärkere Förderung (kleinbäuerlicher) Landwirtschaft für eine Verbesserung der Ernährungssituation in Schwellen- und Entwicklungsländern einzusetzen.
- Die „Sonderinitiative Eine Welt ohne Hunger“ des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu verstetigen.
- Im Rahmen des „Niemanden zurücklassen“-Ansatzes ihr Engagement für die am wenig entwickelten Ländern und die ärmsten und verwundbarsten Bevölkerungsgruppen – oft junge Menschen und Frauen - zu steigern.
- Insbesondere in fragilen Staaten mehr Mittel für Katastrophenvorsorge und zivile Konfliktprävention zur Verfügung zu stellen. Denn Vorbeugung kann nicht nur Menschenleben retten und Leid verhindern, sie ist auch viel günstiger als Humanitäre Hilfe nach und während Katastrophen.
- Sich dafür einzusetzen, dass zivilgesellschaftliche Organisationen auch in autoritär regierten Staaten die politischen und finanziellen Freiräume erhalten, die sie brauchen, um sich für Hunger- und Armutsbekämpfung einsetzen zu können.
- Entwicklungszusammenarbeit nicht zu innenpolitischen Zwecken zu instrumentalisierten. Die Mittel sollen dazu verwendet werden, die Lebensbedingungen in den Herkunftsstaaten von Flucht und Migration zu verbessern. Sie dürfen nicht dafür zweckentfremdet werden, Flucht und Migration unter anderem durch Grenzsicherungen zu verhindern.