Das Factsheet behandelt die aktuelle Lage des Landes, fasst die Arbeit der Welthungerhilfe vor Ort zusammen und gibt einen Ausblick auf die Zukunft.
„Wir dürfen die Menschen nicht dem Hunger überlassen!“
Die Welthungerhilfe warnt im Vorfeld der internationalen Geberkonferenz am 31. März vor einer nochmaligen Verschärfung der ohnehin schon dramatischen Hungerkrise in Afghanistan.
Bonn/Berlin, 29.03.2022. Die Welthungerhilfe warnt im Vorfeld der internationalen Geberkonferenz vor einer nochmaligen Verschärfung der ohnehin schon dramatischen Hungerkrise in Afghanistan. 95% der Bevölkerung können sich nicht mehr ausreichend ernähren. Sieben von zehn Familien befinden sich im permanenten Krisenmodus. Das bedeutet, dass nicht nur ganze Mahlzeiten ausfallen und dringend benötigte Arztbesuche oder Medikamente unbezahlbar sind. In ihrer Not verheiraten Familien Mädchen schon in jungen Jahren und auch die Kinderarbeit nimmt wieder zu. Die katastrophale Situation spitzt sich durch die steigenden Nahrungsmittel- und Treibstoffpreise als Folge des Kriegs in der Ukraine noch einmal dramatisch zu.
„Afghanistan befindet sich im freien Fall: Aufgrund der Sanktionen liegt die Wirtschaft am Boden und es kommt kein Geld ins Land. Die landwirtschaftliche Produktion wird noch weiter zurückgehen, weil die Bauern in Folge der enormen Preissteigerungen kein neues Saatgut und keinen Dünger kaufen können. Viele gut ausgebildete, junge Menschen verlassen das Land, wenn sie können. Wir stecken in einem schrecklichen Dilemma: Die erneute Schließung der weiterbildenden Mädchenschulen hat gezeigt, dass die neue Regierung die Rechte von Frauen nicht respektiert. Das dürfen wir nicht akzeptieren und müssen die Teilhabe von Frauen zur Grundbedingung der Zusammenarbeit machen. Gleichzeitig leidet die Bevölkerung unter Hunger und Armut und wir riskieren die Zukunft einer ganzen Generation, die jetzt nicht ausreichend ernährt ist und keine richtige Schulbildung bekommt. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Menschen in Afghanistan von ihrer Regierung in Geiselhaft genommen werden und dürfen eine ganze Generation nicht dem Hunger überlassen“, fordert Thomas ten Boer, Landesdirektor der Welthungerhilfe in Kabul.
Die Welthungerhilfe fordert im Vorfeld der internationalen Konferenz, die u.a. von Deutschland organisiert wird, ausreichende finanzielle Unterstützung sowohl für humanitäre Überlebenshilfe als auch langfristige Projekte, um zum Beispiel die landwirtschaftliche Selbstversorgung oder einkommensschaffende Maßnahmen zu unterstützen. Eingefrorene Gelder etwa bei der Weltbank sollten teilweise freigeben werden, um auch internationale und lokale Organisationen bei Projekten zur Grundversorgung der Menschen / Familien in Not zu unterstützen. Außerdem sollten spezielle Fördertöpfe zur gezielten Förderung von lokalen Fraueninitiativen geschaffen werden, die flexibel und langfristig einsetzbar sind.
Interviewpartner: Thomas ten Boer, Landesdirektor der Welthungerhilfe in Kabul, steht für Interviews zur Verfügung (englischsprachig).
Die Welthungerhilfe arbeitet seit 1980 in Afghanistan. Im Landesbüro in Kabul sowie vier Regionalbüros in den Provinzen Nangarhar, Samangan, Jawzjan and Kabul koordinieren mehr als 120 Mitarbeiter*innen 19 laufende Projekte, u.a. finanziert von AA, BMZ, FAO und WFP.
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Die Welthungerhilfe wird in diesem Jahr 60 Jahre alt. Sie ist eine der größten privaten Hilfsorganisationen in Deutschland; politisch und konfessionell unabhängig. Sie setzt sich mutig und entschlossen für eine Welt ohne Hunger ein. Seit ihrer Gründung am 14.12.1962 wurden 10.369 Auslandsprojekte in rund 70 Ländern mit 4,2 Milliarden Euro gefördert. Die Welthungerhilfe arbeitet nach dem Grundprinzip der Hilfe zur Selbsthilfe: von der schnellen Katastrophenhilfe über den Wiederaufbau bis zu langfristigen Projekten der Entwicklungszusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnerorganisationen.