Wut, Verzweiflung und Angst - Flucht aus Tigray
Die Lage in Tigray ist äußerst kritisch. In der äthiopischen Region eskalieren die Kämpfe. Viele Menschen sind verzweifelt und flüchten in den Sudan.
„Schauen Sie sich doch um hier, wir haben nichts!“ Der ältere Mann gestikuliert mit seinen Armen und zeigt auf die am Boden sitzenden Menschen. Sie sind erschöpft, hungrig und verzweifelt. Der Mann ist wütend, seine Stimme klingt sehr aufgeregt. Er ist der Vorsteher einer Gemeinde in Tigray, Äthiopien, aus der er mit vielen Menschen vor dem bewaffneten Konflikt über die Grenze in den Sudan geflohen ist. Er fühlt sich verantwortlich für diese Menschen.
Hintergrund: Im Norden Äthiopiens eskaliert der Konflikt zwischen der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) und dem äthiopischen Militär. Experten warnen vor einem Zerfall des Landes.
Zuhause ist jetzt eine Krisenregion. In großer Angst haben Tausende Äthiopier aus Tigray ihre Heimat verlassen und alles zurückgelassen. Jetzt sind sie in Hamdayet, im Sudan, angekommen. Hier sind sie zumindest auf sicherem Boden, auf staubigem Boden. Das Gelände des Aufnahmezentrums ist weitläufig. Mit Planen über sich und Matten zum Sitzen, lassen sich die Menschen hier nieder.
Der Gemeindevorsteher ist verzweifelt, dass die Menschen nicht genügend versorgt werden können. „Sehen Sie doch, all die Frauen und Kinder, wir haben keine Toiletten, wir haben nichts zu essen, wir haben nichts!“ Seine Wut mischt sich zunehmend mit Verzweiflung. Er ist doch ihr Vorsteher und möchte sie versorgt wissen. Dort, wo die Menschen herkommen, hatten sie ein Zuhause. Jetzt sind sie auf Hilfe angewiesen.
Die Situation im Aufnahmezentrum für Geflüchtete in Hamdayet ist wirklich dramatisch. Shadrack Mutiso, Welthungerhilfe Koordinator in Kassala, Sudan, berichtet, dass es zunächst nur vier Latrinen auf dem Gelände für die immer mehr werdenden Menschen gab. Inzwischen werden zwar weitere Behelfslatrinen aufgebaut, so gibt es wenigstens ein bisschen Würde und Schutz, aber es reicht längst nicht aus. Die Welthungerhilfe und andere Hilfsorganisationen sind im Dauereinsatz. „Wir brauchen aber viel, viel mehr. Die Menschen stehen hier in langen Schlangen an, um sich offiziell als Geflüchtete registrieren zu lassen. Und es werden ständig mehr“, beschreibt Shadrack die Situation.
Hilfe für Flüchtlinge aus Tigray
- Die Welthungerhilfe verteilte zunächst Hilfsmittel wie Matten und Planen und versorgt rund 8.000 Menschen mit sauberem Trinkwasser sowie Kochgeschirr, Decken und Kleidung.
- Mindestens 8.000 Menschen erhalten Notunterkünfte.
- Um die katastrophalen hygienischen Verhältnisse zu verbessern und Krankheiten wie unter anderem COVID-19 vorzubeugen, werden Sanitäranlagen errichtet und Hygienekampagnen durchgeführt.
- Frauen und Mädchen bekommen Hygiene-Kits, die grundlegend notwendige Artikel wie Damenbinden und Seife enthalten.
- Mehr als 10.000 Geflüchtete konnten bereits in ein ehemaliges Flüchtlingscamp umgesiedelt werden.
- Dort verteilt die Welthungerhilfe lebenswichtige Hilfsgüter für den täglichen Gebrauch für die am stärksten gefährdeten Flüchtlinge.
- Es entstehen dort außerdem zwei Empfangsbereiche und ein Gemeinschaftsraum für Frauen.
Die Herausforderungen wachsen: Mehr und mehr Hilfe gilt es jetzt zu organisieren und auch die Corona-Pandemie stellt die im Dauereinsatz tätigen Helfer*innen vor neue Aufgaben: Abstände sind einzuhalten und zu kontrollieren, die Hygienevoraussetzungen sind katastrophal. Aber Shadrack appelliert: „Wir können die Leute hier doch nicht im Stich lassen! Wir werden unsere Hilfe verstärken und so vielen wie möglich helfen.“ Auch ihm geht die Situation trotz aller Professionalität nah. „Hier sind so viele Frauen und Kinder und ältere Menschen. Sie haben kein Dach über dem Kopf, schlafen draußen. Es gibt keine Toiletten nur für Frauen. Das ist so unwürdig!“ sagt er und geht wieder an die Arbeit.