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18.04.2023 | Blog

Krieg in der Ukraine: Das Trauma verarbeiten

Über sechs Millionen Menschen sind in der Ukraine auf der Flucht. Viele von ihnen machten Furchtbares durch, bevor sie an zumindest derzeit sicheren Orten unterkamen. Von der Welthungerhilfe und ihren Partnern finanziert, unterstützen in der Stadt Ternopil Psycholog*innen Erwachsene und Kinder dabei, das Erlebte zu verarbeiten.

Stefanie Glinski Journalistin

Die Heimat von Viktoria Dimchenko und Alex Vorobyor liegt in unterschiedlichen Regionen der Ukraine. Zusammengetroffen sind sie in Ternopil, einer Stadt im Westen des Landes. Beide schafften es, den Raketenangriffen in ihren Heimatstädten zu entfliehen und leben nun mit ihren Familien an sichereren Orten. Beide arbeiten seit Sommer 2022 im von der Welthungerhilfe geleiteten JERU-Team (Joint Emergency Response in Ukraine), zusammen mit Nothilfespezialist*innen des Partners Concern Worldwide. Beide teilen dieselbe Mission: Sie wollen Menschen helfen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten und teils Unvorstellbares erlebten.

Ukrainische Psycholog*innen geben Hoffnung 

Kinderpsychologin Viktoria Dimchenko stammt ursprünglich aus Cherson, wo sie monatelang unter russischer Besetzung lebte. „In dieser Zeit habe ich schreckliche Dinge gesehen. Menschen wurden auf der Straße erschossen und immer wieder mussten wir in unserem Keller Schutz vor Angriffen suchen.” Lange versuchte sie auszuharren, bei Freunden und der Familie, doch Viktorias achtjähriger Sohn hielt es nicht mehr aus. „Von Tag zu Tag wurde er nervöser, er konnte kaum noch schlafen und sich nicht mehr konzentrieren. Es war eindeutig: Er brauchte eine andere, geschütztere Umgebung.“ Mit dem Umzug nach Ternopil gab Viktoria auch ihre langjährige Praxis für psychologische Beratung auf. Wie es weitergehen sollte und wo sie eine neue Arbeitsstelle finden würde, war völlig unklar. Klar war nur, sie mussten fort, so bald wie möglich.

Alex Vorobyor ist Psychologe aus Charkiw im Nordosten der Ukraine, eine Stadt, die heute in Trümmern liegt. Mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen schaffte er vergangenen März die Flucht. Gerade noch rechtzeitig, denn die Wohnsiedlung, in der die Familie früher lebte, wurde fast völlig zerstört. Wie durch ein Wunder blieb sein Haus bis jetzt unversehrt. Ob das so bleiben wird, kann er nur hoffen. „Das Schwierigste an unserem Umzug war nicht nur, dass wir unser Haus und unser Leben – unsere Routine und Freunde – zurücklassen mussten, sondern auch, dass die Flucht erst einmal Arbeitslosigkeit für meine Frau und mich bedeutete”, sagt Alex.

Seit ich zusammen mit der Welthungerhilfe arbeite, habe ich wieder Hoffnung geschöpft. Ich merke, dass ich hier gebraucht werde, und das tut gut.

Alex Vorobyor

Viktoria und Alex betreuen geflüchtete Erwachsene und Kinder. In Partnerschaften mit Kindergärten begleiten sie Mädchen und Jungen, die schwer unter der Flucht von zu Hause gelitten haben. „In den letzten Monaten wurde uns sehr viel geholfen: Wir erhielten finanzielle und auch emotionale Unterstützung. Jetzt wollen wir anderen Menschen helfen, ihre Kriegstraumata zu verarbeiten”, sagt Alex. In Ternopil leben viele der Geflüchteten in Studentenwohnheimen, die von der Stadt bereitgestellt wurden. In einem davon verbringen Viktoria und Alex die meiste Zeit. Die Gänge des Heimes sind dunkel, jeder Schritt hallt. Seit Wochen gibt es nur begrenzt Strom, zum Glück funktionieren die Heizungen. Draußen liegt frischer Schnee, die Kälte beißt. Derzeit leben hier 125 Menschen auf engstem Raum. Ganze Familie sind in kleinen Studentenzimmern untergebracht, Küche und Badezimmer werden mit Dutzenden anderen Einwohner*innen geteilt.

Alleinerziehende Mutter Mariana aus Saporischschja

Die 43-jährige Mariana steht in der Gemeinschaftsküche. Mit ihrer Tochter Sofia, 12, lebt sie in einem der Zimmer. Beide haben sich entschieden, die von der Welthungerhilfe angebotene psychologische Unterstützung anzunehmen. Die alleinerziehende Mutter kommt aus Saporischschja, doch schon zu Beginn des Krieges flüchtete sie mit ihrer Tochter. „Die Entscheidung musste ich damals innerhalb von Minuten treffen. Nachbardörfer wurden bereits beschossen und mir war klar: Ich will meine Tochter beschützen”, erinnert sich Mariana. In Ternopil wollen die beiden warten, bis sie in die Heimat zurückkehren können. „Psychologische Unterstützung hatte ich vorher nie in Erwägung gezogen, aber es hilft mir sehr, die letzten Monate zu verarbeiten”, fügt sie noch hinzu. „Der Verlust der Heimat ist das Thema, was die meisten Menschen aufgreifen“, erklärt Alex. „Es ist verwirrend und schwierig. Viele Geflüchtete erleben schlaflose Nächte, oft auch psychosomatische Symptome wie hohen Blutdruck oder Haarausfall.“ Die Möglichkeit, Menschen zu helfen, die Ähnliches erlebt haben wie er, hilft auch Alex selbst. Viktoria bestätigt dies: „Der Krieg – das ist nun leider unsere Geschichte, die Realität in unserem Land“, sagt sie. „Wir müssen also lernen, damit umzugehen, wir haben gar keine andere Wahl.“

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