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Kompass: Zur Wirklichkeit der deutschen Entwicklungspolitik
Herausgegeben von Deutsche Welthungerhilfe e.V. & terre des hommes Deutschland e.V.
Der Kompass 2024 analysiert die jüngsten Daten zu den öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und formuliert Forderungen an die Bundesregierung. In der diesjährigen Ausgabe des Kompass 2024 in Zusammenarbeit mit terre des hommes liegt besonderes Augenmerk auf:
- der Afrikapolitik der Bundesregierung,
- der fragilen Lage in der Sahelzone,
- sowie menschenrechtlichen Ansätzen.
Vorwort
Seit mehr als drei Jahrzehnten veröffentlichen terre des hommes und die Welthungerhilfe nun den Kompass – Zur Wirklichkeit der deutschen Entwicklungspolitik. In den letzten Jahren sind wir dabei Zeug*innen einer zunehmend multipolar ausgerichteten Weltordnung geworden. Zugleich erleben wir eine Polykrise, die ihr Gesicht in Form einer steigenden Anzahl von Kriegen und Konflikten, der anhaltenden Folgen der Corona-Pandemie, einer sich verschärfenden Klimakrise und wachsender Fragilität zeigt.
Die Auswirkungen sind verheerend, wie die aktuelle Situation in zahlreichen Ländern und Regionen – darunter die Ukraine, Jemen, der Gazastreifen, Sudan und die Sahelzone – verdeutlicht. Rund drei Milliarden Menschen bleibt das fundamentale Menschenrecht auf angemessene Ernährung weiterhin verwehrt, und die Zahl derjenigen, die akut hungern, ist mit 281,6 Millionen alarmierend hoch. Besonders stark betroffen sind dabei Frauen, Jugendliche und Kinder.
Die deutsche Entwicklungspolitik muss geeignete Wege finden, mit der zunehmenden Komplexität umzugehen und ihren Beitrag zu leisten, die wachsenden Bedarfe zu decken. Das kann nur gelingen, wenn sie ihre Anstrengungen weiter verstärkt und bestehende Konzepte an die veränderten Rahmenbedingungen anpasst.
Kompass 2024: Afrikapolitik im Fokus – Partnerschaft statt Krisennarrativ
In diesem Jahr legen wir mit dem Kompass den Fokus auf die Afrikapolitik der Bundesregierung und die Überarbeitung ihrer afrikapolitischen Leitlinien. Dabei gilt es, das überholte Narrativ vom „Krisenkontinent Afrika“ zu überwinden und die Rolle Afrikas als umworbener Partner anzuerkennen. Gleichzeitig müssen neue Strategien für den Umgang mit der zunehmend fragilen Lage gefunden werden, die zahlreiche Länder prägt.
Gerade in der Sahelzone stoßen mehrere sich einander verstärkende Krisen auf klare geo- und sicherheitspolitische Interessen Deutschlands. Steigende Ernährungsunsicherheit und zunehmende humanitäre Bedarfe erhöhen die Notwendigkeit, den Menschen mit lebensrettender Soforthilfe, aber auch mit langfristiger Entwicklungsunterstützung beiseitezustehen, während die politische Volatilität in der Region aber genau dies erschwert.
Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe stärken
Vor diesem Hintergrund betrachten wir den Rückgang der deutschen öffentlichen Entwicklungsleistungen (ODA) im Jahr 2023 mit großer Sorge. Erstmalig seit 2019 sind die ODA-Ausgaben der Bundesregierung gemessen am Bruttonationaleinkommen wieder gesunken; das betrifft insbesondere die bereitgestellten Mittel für Ernährungssicherung und ländliche Entwicklung.
Neueste Berechnungen zeigen, dass jede Verzögerung beim Erreichen von „Zero Hunger“ bis 2030 zu massiven Kostensteigerungen führt. Wurde 2020 noch geschätzt, dass hierfür Investitionen in Höhe von jährlich 30 Milliarden Euro notwendig sind, liegen die Schätzungen heute bereits bei 93 Milliarden Euro jährlich.1 Die aktuellen Haushaltsverhandlungen der Bundesregierung lassen befürchten, dass sich der Abwärtstrend der deutschen ODA durch den verstärkten fiskalischen Druck fortsetzt. Angesichts dessen sind die gezielten Bemühungen bestimmter politischer Kräfte, die Legitimität der Entwicklungszusammenarbeit in den Augen der Öffentlichkeit zu untergraben, äußerst besorgniserregend.
Mit unserem Kompass plädieren wir eindringlich dafür, die geplanten Mittelkürzungen für die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe zurückzunehmen. Aus unserer langjährigen Erfahrung als international tätige Nichtregierungsorganisationen wissen wir, dass es selbst unter den schwierigsten Bedingungen, wie sie in fragilen Kontexten vorherrschen, möglich ist, die Lebensgrundlagen der Menschen, ihre Ernährungssituation und auch die Menschenrechtslage zu verbessern. Dafür braucht es adäquate und kohärente Strategien und einen starken Einsatz der Bundesregierung für die Zivilgesellschaft und für Partnerorganisationen vor Ort. Die Richtschnur dafür hat sie mit ihrem Menschenrechtskonzept selbst vorgegeben.
1 von Braun, Joachim et al. (2024): Cost of Ending Hunger – Consequences of Complacency and Financial Needs for SDG2 Achievement. ZEF Discussion Papers on Development Policy No. 347, Center for Development Research, University of Bonn.