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Entwicklungspolitische Empfehlungen an die Bundesregierung
Die Welthungerhilfe und Terre des Hommes formulieren entwicklungspolitische Empfehlungen an die deutsche Bundesregierung.
Dieser Artikel ist Teil des Berichts Kompass 2025, der von der Welthungerhilfe und Terre des Hommes herausgegeben wird.
1. Reformen konsequent angehen und umsetzen
- Die Bundesregierung sollte die aktuellen Herausforderungen als Chance nutzen, um die internationale Zusammenarbeit neu auszurichten und effizienter zu gestalten. Eine solche Reform muss gemeinsam mit den Ländern des globalen Südens erarbeitet werden, um nachhaltige Lösungen für eine gerechtere Welt ohne Hunger und Armut zu entwickeln.
- Deutschlands führende Rolle bei der Verwirklichung des Rechts auf Nahrung sollte konsequent beibehalten und die Entwicklungszusammenarbeit stärker auf Ernährungssicherung und ländliche Entwicklung ausgerichtet werden
- Deutschland sollte seine Position als einer der größten Geberstaaten nutzen, um einen substanziellen Beitrag zur Reform des humanitären Systems zu leisten – insbesondere durch aktive Mitgestaltung des „Humanitarian Reset“ und die konsequente Umsetzung des „Grand Bargain“. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass alle humanitären Akteure – einschließlich der lokalen und nationalen Akteure, die in einem zukünftigen System eine Schlüsselrolle spielen müssen – eingebunden werden.
- Um die öffentliche Akzeptanz und politische Relevanz der Entwicklungszusammenarbeit zu stärken, müssen ihre Potenziale, Ziele und Werte – aber auch ihre Grenzen – transparent kommuniziert werden.
2. Interessenpolitik und Menschenrechte zusammen denken
- Eine auf wirtschaftliche Entwicklung und Ressourcensicherung fokussierte Entwicklungszusammenarbeit kann und muss Hunger, Armut und Ungleichheit überwinden. Die Bundesregierung sollte deshalb sicherstellen, dass bei Ressourcengewinnung und wirtschaftlichen Investitionen Menschenrechte – insbesondere das Recht auf angemessene Nahrung – weltweit uneingeschränkt gewahrt werden. Lieferketten- und Sorgfaltspflichtengesetze sind hierfür wirkungsvolle Instrumente.
- Die entwicklungspolitischen Prioritäten und Strategien der Partnerländer müssen die Grundlage der Zusammenarbeit bilden. Lokale Initiativen zur Bekämpfung von Armut und Hunger sind ein zentraler Pfeiler für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und müssen gezielt gestärkt werden.
3. Folgen von Krisen und Konflikten abmildern
- Deutschland muss sich für eine konsequente Achtung des humanitären Völkerrechts und der humanitären Prinzipien sowie für den Zugang zu Hilfe und den Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegen und Konflikten einsetzen. Zudem muss es sich dafür einsetzen, dass Hunger nicht als Waffe eingesetzt wird.
- Die Bundesregierung sollte ihr Engagement zur Überwindung struktureller Konfliktursachen verstärken, um den wachsenden Bedarf an humanitärer Hilfe wirksam zu senken. Dafür müssen Strategien zur zivilen Konfliktprävention, Friedensförderung und Friedensbildung – etwa die Leitlinien zur zivilen Konfliktprävention – kohärent umgesetzt werden, wie in der Nationalen Sicherheitsstrategie gefordert.
- Lokale und internationale Nichtregierungsorganisationen spielen eine zentrale Rolle in der Konfliktprävention – etwa als Vermittlerinnen zwischen Konfliktparteien, beim Aufbau von Kapazitäten zur friedlichen Konfliktlösung und durch die Einbindung marginalisierter Gruppen in Entscheidungsprozesse – und sollten daher gezielt unterstützt werden.
- Die Bundesregierung sollte mit Partnerländern eine umfassende internationale Initiative zum Schutz von Kinder- und Jugendrechten in bewaffneten Konflikten auf den Weg bringen. Ziele sind unter anderem:
- die Stärkung des humanitären Schutzes von Kindern, etwa durch die Umsetzung der „Safe Schools Declaration“ zum Schutz von Bildungseinrichtungen in bewaffneten Konflikten;
- die Erhöhung der Investitionen für Bildung in Krisensituationen und für Friedenserziehung;
- die Schaffung von beruflichen Zukunftsperspektiven für junge Menschen in fragilen Kontexten;
- die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an friedensbildenden Maßnahmen;
- die Bekämpfung der Straflosigkeit von Kinderrechtsverletzungen.
4. Agenden der G20 und der AU stärken
- Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass die G20 ihre Ziele an den Indikatoren der globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) ausrichten und Transparenz sowie Rechenschaftslegung etablieren.
- Internationale Initiativen zur Ernährungssicherheit dürfen keine Doppelstrukturen schaffen. Die Bundesregierung sollte darauf hinwirken, dass die Globale Allianz gegen Hunger und Armut (GAHP) und der UN Food Systems Coordination Hub koordiniert arbeiten und die zentrale Rolle des Welternährungsausschusses (CFS) stärken. Zudem sollte sie sich dafür einsetzen, dass GAHP-Mitgliedstaaten ausreichende Beteiligungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Organisationen und Bauernverbände schaffen, damit diese direkt auf Politikinstrumente Einfluss nehmen können.
- BMZ und BMLEH sollten ihre Unterstützung der CAADP-Kampala-Agenda der Afrikanischen Union am Recht auf Nahrung ausrichten. Gleichzeitig ist die Zivilgesellschaft vor Ort zu stärken, um die Umsetzung der Agenda zu begleiten und von Regierungen Rechenschaft einzufordern.
- Deutschland sollte afrikanische Regierungen gemeinsam mit anderen Gebern ermutigen, mindestens zehn Prozent ihrer Haushalte in Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zu investieren. Öffentliche und private Investitionen sollten den CFS-RAI-Prinzipien für verantwortungsvolle Investitionen in die Landwirtschaft und die Ernährungssysteme entsprechen.
5. Entwicklungsfinanzierung sichern und Verpflichtungen einhalten
- Die Bundesregierung muss sich klar zum 0,7-Prozent-Ziel für öffentliche Entwicklungsleistungen bekennen und es verbindlich im Haushalt absichern – einschließlich der zugesagten 0,2 Prozent für die Länder, die besonders von Hunger und Armut betroffen sind (LDCs).
- Angesichts wachsender humanitärer Bedarfe und sinkender internationaler Finanzierungszusagen darf Deutschland sein humanitäres Engagement nicht etwa reduzieren, sondern muss zusätzliche Mittel für humanitäre Hilfe bereitstellen.
- In Konfliktkontexten sollte sich die Bundesregierung im Kreis der Geber nicht nur für eine ausreichende Finanzierung für Friedensförderung, sondern auch für eine ausgeglichene Aufteilung der Mittel zwischen humanitärer Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung einsetzen.
- In fragilen Kontexten sind verstärkte Investitionen in Klimaanpassung, Resilienzförderung und vorausschauende humanitäre Ansätze notwendig. Hierfür müssen die Mittel deutlich aufgestockt und verlässlich abgesichert werden.
- Kürzungen bei zentralen Förderinstrumenten wie dem Haushaltstitel „Krisenbewältigung und Wiederaufbau, Infrastruktur“ (KWI) und der Sonderinitiative „Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme“ (SI AGER) sind zurückzunehmen.