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Die deutsche Entwicklungsfinanzierung – auf einem guten Weg?

Deutschland hat im zweiten Jahr in Folge – vor allem dank der zusätzlichen Corona-Hilfen – das 0,7-Prozent-Ziel erreicht. Die mittelfristige Finanzplanung des Bundes bis 2026 lässt allerdings offen, ob das Mindestziel von 0,7 Prozent auch in den kommenden Jahren erreicht werden kann.

Lebensmittelverteilung in Kabul, Afghanistan. Männer schieben Schubkarren mit Nahrungsmitteln. Oben rechts ist das Logo des Kompass 2022 auf dem Bild.
Lebensmittelverteilung in Kabul, Afghanistan: Familien erhalten Nahrungsmittel wie Weizenmehl, Reis aus der Region, Pflanzenöl, Hülsenfrüchte, Salz und Zucker. © Sabawoon/Welthungerhilfe

Dieser Artikel ist Teil des Berichts Kompass 2022, der von der Welthungerhilfe und terre des hommes herausgegeben wird.

Team Policy & External Relations

Die internationale Staatengemeinschaft steht derzeit vor einer Vielzahl globaler Herausforderungen. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat sich die Zahl der bewaffneten Konflikte in der Welt in etwa verdoppelt. 01 Die Auswirkungen des Klimawandels machen sich in der Natur, der Wirtschaft und unserer Gesellschaft bemerkbar.

Und seit zwei Jahren leben wir mit der Corona-Pandemie, deren Langzeitfolgen sich in den Ländern des globalen Südens in den kommenden Jahren besonders stark abzeichnen dürften. Der rasante Anstieg der Düngemittelpreise, die pandemiebedingten Einschränkungen bei Anbau, Transport, Weiterverarbeitung und Handel von Lebensmitteln sowie Wetterextreme und Ernteausfälle aufgrund des Klimawandels haben zu einer Nahrungsmittelpreiskrise geführt, die durch den gewaltsamen Konflikt in der Ukraine noch weiter verschärft wird. 02

All diese Krisen treiben die Zahl der hungernden Menschen – die bereits seit 2015 stetig wächst – weiter in die Höhe. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen rechnet damit, dass durch den Krieg in der Ukraine die Zahl der Menschen, die unter akutem Hunger leiden, um bis zu 47 Millionen steigt. 03 Laut dem jüngsten Bericht des Global Network against Food Crises 04 befanden sich 2021 bereits 193 Millionen Menschen in einer akuten Ernährungskrise. Und das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) rechnet damit, dass in diesem Jahr 296 Millionen Menschen (Stand März 2022) humanitäre Hilfe benötigen werden – die höchste prognostizierte Zahl seit Jahrzehnten. 05

ODA-Ausgaben der OECD-DAC-Mitgliedstaaten

Angesichts dieser großen Herausforderungen ist eine ausreichende finanzielle Unterstützung sowohl im Bereich der humanitären Hilfe und Übergangshilfe als auch im Rahmen langfristiger Entwicklungsmaßnahmen dringend nötig. Gefragt sind hier vor allem die Länder, die sich im Entwicklungsausschuss (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammengeschlossen haben. Im Jahr 2021 haben die DAC-Geberländer insgesamt 178,9 Milliarden US-Dollar (USD) für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) ausgegeben. Das ist ein Anstieg um 4,4 Prozent (in konstanten Preisen von 2020) im Vergleich zum Vorjahr und das bisher höchste ermittelte Niveau an ODA-Ausgaben seitens der DAC-Mitgliedstaaten. Wie schon im Jahr zuvor lässt sich der Anstieg vor allem durch die Sondermittel erklären, die zur Bekämpfung der Auswirkungen der Corona-Pandemie bereitgestellt wurden; sie machen einen Anteil von knapp 10,5 Prozent aller ODA-Mittel aus.

Grafik aus dem Kompass 2022: ODA der OECD-DAC-Mitgliedstaaten im Jahr 2021

Bereits im Jahr 1970 haben die Vereinten Nationen die Industrieländer aufgefordert, 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe aufzuwenden. Mit Luxemburg (0,99 Prozent), Norwegen (0,93 Prozent), Schweden (0,92 Prozent), Deutschland (0,74 Prozent) und Dänemark (0,7 Prozent) erreichten im Jahr 2021 fünf Geberländer das 0,7-Prozent-Ziel. Von den insgesamt 29 DAC Geberländern berichten 18 Länder, dass sie ihre ODA-Ausgaben gemessen am BNE im Vergleich zum Vorjahr erhöht haben. Dies ist ein positives Signal und mit Blick auf die oben genannten aktuellen Herausforderungen auch dringend notwendig.

Die G7-Staaten (Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, USA und Vereinigtes Königreich) haben 2021 zusammen 135,7 Milliarden USD für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben und stellen damit mehr als drei Viertel (76 Prozent) der gesamten ODA-Mittel. Im Jahr 2022 hat Deutschland den G7-Vorsitz inne. Vor sieben Jahren, während Deutschlands letzter G7-Präsidentschaft, hat sich die G7-Staatengemeinschaft darauf geeinigt, 500 Millionen Menschen bis zum Jahr2030 von Hunger zu befreien. Mit Blick auf die wachsenden Hungerzahlen müssen die G7-Staaten dringend ihren Selbstverpflichtungen nachkommen und ihre finanziellen Zusagen auf ein ordentliches Fundament stellen (mehr dazu in Kapitel IV).

Grafik aus dem Kompass 2022: Entwicklung der deutschen ODA

Entwicklung der deutschen ODA

Auch 2021 bleibt Deutschland – nach den USA – zweitgrößter Geber von ODA-Mitteln. Deutschlands Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe verzeichneten 2021 mit knapp 27,3 Milliarden Euro einen Rekordwert und waren mehr als doppelt so hoch wie noch vor zehn Jahren. Auch hat Deutschland 2021 im zweiten Jahr in Folge – vor allem dank der zusätzlichen Corona-Hilfen – das 0,7-Prozent-Ziel erreicht: Es hat insgesamt 0,74 Prozent seines BNE für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe ausgegeben. Rechnet man die Kosten für Inlandsflüchtlinge (2,3 Milliarden Euro), die sich teilweise als ODA-Ausgaben deklarieren lassen, heraus, würde die ODA-Quote jedoch nur noch 0,68 Prozent betragen. Zwar wird das BNE als Referenzwert für Entwicklungsausgaben von vielen Entwicklungsforschenden kritisiert, doch gibt es international bisher keinen Konsens zu einem anderen bindenden Wert (siehe auch Kompass 2021, S. 10: „50 Jahre 0,7 Prozent – brauchen wir eine neue Zielsetzung?“). Eine aktuelle Studie des Dachverbands der deutschen entwicklungspolitischen und humanitären Nichtregierungsorganisationen (VENRO) zeigt, dass der Unterstützungsbedarf der betroffenen Länder derzeit deutlich über der 0,7-Prozent-Marke liegt. 06

Die mittelfristige Finanzplanung des Bundes bis 2026 lässt allerdings offen, ob das Mindestziel von 0,7 Prozent auch in den kommenden Jahren erreicht werden kann. Vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine hatte der Haushaltsentwurf des Bundesfinanzministeriums für 2022 Etatkürzungen im Entwicklungshaushalt von knapp 13 Prozent vorgesehen. Mittelfristig sollte der Etat des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) in den Jahren 2023 bis 2026 um weitere fünf Prozent sinken, der Etat des Auswärtigen Amts (das für die humanitäre Hilfe verantwortlich ist) sogar um 21 Prozent. Kürzungen waren vor allem in der Übergangshilfe geplant, und auch die humanitäre Hilfe musste mit Einbußen rechnen – und das, obwohl die Bedarfe in diesen Bereichen schon vor dem Krieg in der Ukraine besonders groß waren. Im Themenbereich „ländliche Entwicklung“ gab es 2021 mit 2,5 Milliarden Euro zwar einen neuen Höchstwert, im Haushaltsentwurf 2022 waren jedoch trotz steigender Armuts- und Hungerzahlen auch in diesem Themenfeld Kürzungen geplant.

Grafik aus dem Kompass 2022: deutsche ODA für ländliche Entwicklung

Der Krieg in der Ukraine hat den Bundeshaushalt vor neue Herausforderungen gestellt. Das geplante Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro als Reaktion auf den Angriff auf die Ukraine bei gleichzeitigen Mittelabsenkungen in der mittelfristigen Finanzplanung für die Etats von BMZ und Auswärtigem Amt zeigt einmal mehr, dass Entwicklungszusammenarbeit, Übergangshilfe und humanitäre Hilfe als friedenschaffende Maßnahmen und Mittel der Konfliktprävention unterschätzt werden. Zwar werden im Haushaltsentwurf 2022 zusätzliche Mittel in Höhe von einer Milliarde Euro für Maßnahmen der humanitären Hilfe, der Krisenbewältigung und der Ernährungssicherheit im Kontext des Ukraine-Krieges als globale Mehrausgaben zur Verfügung gestellt, und auch der Ergänzungshaushalt – mit Mehrausgaben in Höhe von 26,3 Milliarden Euro – sieht knapp 1,5 Milliarden Euro zusätzlich für die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe vor, um möglichen Auswirkungen des Krieges entgegenzuwirken.

Über diese Umwege erreicht der BMZ-Etat letztlich also doch das Niveau von 2021. Neben kurzfristigen Aufstockungen und Umschichtungen in Krisenzeiten sind jedoch auch eine flexible Finanzierung und langfristige Planungsperspektiven für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe notwendig, um resiliente Strukturen als Bestandteil der Konfliktprävention aufbauen und gleichzeitig mit mehr verfügbaren Mitteln schneller und vorausschauender reagieren und Katastrophen vorbeugen zu können. Zudem müssen die Ministerien eine größere Risikobereitschaft zeigen und mehr Projekte in fragilen und sich schnell verändernden Kontexten umsetzen, um auch die vulnerabelsten Menschen zu erreichen.

Wie eine von der Welthungerhilfe in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage im Februar 2022 ergeben hat, befürworten rund drei Viertel der deutschen Bevölkerung, dass die Bundesregierung Entwicklungszusammenarbeit leistet; nur zwei Prozent der Befragten sind entschieden dagegen. 07 Die Ergebnisse zeigen, dass sich die deutsche Bevölkerung ein starkes Engagement Deutschlands in der Entwicklungszusammenarbeit wünscht. Finanzielle Unterstützung allein wird jedoch nicht ausreichen. Nur wenn die notwendigen politischen und institutionellen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die strukturellen Ursachen der Probleme zu überwinden, kann finanzielle Hilfe nachhaltig greifen. Es muss eine Gesamtaufgabe der Bundesregierung und ein gemeinsames Bemühen der verantwortlichen Ministerien sein, politische Lösungen herbeizuführen.

Deutsche ODA für die am wenigsten entwickelten Länder

Die neue Bundesregierung hat angekündigt, an dem 2020 von der Vorgängerregierung verabschiedeten Reformkonzept „BMZ 2030“ festzuhalten. Dieses sieht in der bilateralen Zusammenarbeit unter anderem eine Reduzierung der Partnerländer von 85 auf 61 vor. Unter den Ländern, mit denen bilaterale Partnerschaften im Zuge der Reform beendet werden sollen, sind auch acht sogenannte am wenigsten entwickelte Länder (LDCs). Dies ist insofern kritisch zu betrachten, als davon auszugehen ist, dass sich Armut und Hunger langfristig – wenn auch nicht ausschließlich – weiter in den ärmsten Ländern konzentrieren werden. Deutschland ist es bisher nicht gelungen, das 2015 im Rahmen der Agenda 2030 vereinbarte Ziel zu erreichen, den LDCs 0,2 Prozent seines BNE zukommen zu lassen. Im Jahr 2020 lag der deutsche Anteil am BNE für diese Ländergruppe bei 0,14 Prozent. Damit ist Deutschland der Zielmarke näher als in den vergangenen Jahren und übertrifft auch den DAC-Durchschnitt (0,09 Prozent), bleibt jedoch noch immer hinter dem vereinbarten Ziel zurück. Dabei ist die Not in den LDCs aktuell besonders groß: Im Jahr 2020 ist die Anzahl der Menschen, die unter extremer Armut leiden, zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder angestiegen. 08

Grafik aus dem Kompass 2022: Deutsche ODA für die am wenigsten entwickelten Länder

40 Prozent aller von Armut betroffenen Menschen und fast 80 Prozent aller Kinder weltweit, die unter chronischer Mangelernährung leiden, leben in Konfliktländern. 09 Bei vielen davon handelt es sich um LDCs. Durch den Anstieg der Kosten für Nahrungsmittel, Energieversorgung und Düngemittel verschlechtert sich die Lebenssituation dieser Menschen noch weiter. Zudem hat die Corona- Pandemie – zusammen mit den Folgen des Klimawandels und zunehmender Konflikte – viele Fortschritte der vergangenen Jahre zunichte gemacht. Laut dem „Global Economic Prospects Report“ 10 der Weltbank vom Januar dieses Jahres werden alle fortgeschrittenen Volkswirtschaften bis 2023 eine vollständige Erholung der Produktion und ein Wirtschaftsniveau wie das vor der Pandemie erreichen, während Schwellen- und Entwicklungsländer 4,0 bis 8,5 Prozent unter dem Niveau bleiben werden, das sie vor der Pandemie hatten. Die stärksten Einbußen erleiden Ökonomien, die von Konflikten betroffen sind, und kleinere Inselstaaten. Der Krieg in der Ukraine wird diese Prognosen womöglich noch einmal völlig durcheinanderwürfeln. Im Dezember 2021 läuft zudem das von den G20-Staaten im April 2020 beschlossene Schuldenmoratorium (DSSI) aus, sodass Länder mit niedrigem Einkommen die Rückzahlung ihrer bilateralen Schulden nicht länger aussetzen können. Inwieweit dies die bereits durch die Pandemie verschärfte Schuldenkrise vieler LDCs weiter befeuert, wird sich erst noch zeigen.

Der Unterstützungsbedarf zahlreicher Länder ist groß, und entsprechend ambitioniert sollten die Ziele der Bundesregierung sein. Um diejenigen zu erreichen, bei denen die Not am größten ist, braucht es nicht nur mindestens eine Quote von 0,2 Prozent des BNE, sondern auch eine bessere Koordination der Aktivitäten des BMZ und des Auswärtigen Amts. Dies betrifft, wie auch im „OECD Development Co-operation Peer Review“ 2021 für Deutschland 12 festgehalten, insbesondere die Kooperation in von Krisen betroffenen Kontexten: Durch eine effiziente Nutzung von Synergien zwischen humanitären, entwicklungspolitischen und friedenspolitischen Maßnahmen können nachhaltigere Lösungen gefördert werden. Die strukturbildende Übergangshilfe sollte mit den notwendigen Mitteln ausgestattet und die Liste der Länder, die Übergangshilfe erhalten, erweitert werden. Der Nexus-Ansatz, der zwar zu einer besseren Abstimmung zwischen den Fördertiteln für Übergangshilfe und für humanitäre Hilfe geführt hat, darf nicht als Ausschlusskriterium für Maßnahmen oder gar Projekte gelten, die geeignet wären, aus beiden Fördertiteln finanziert zu werden. Insbesondere im Zuge der steigenden Anzahl von Krisen können Bedarfe vor Ort sowohl humanitärer als auch strukturbildender Natur sein und daher komplementäre Förderung benötigen. Hier muss Silodenken dringend überwunden werden. Etatkürzungen und Reformkonzepte dürfen nicht diejenigen zurücklassen, die unsere Unterstützung am dringendsten brauchen.

Grafik aus dem Kompass 2022: Deutsche ODA-Ausgaben für zivilgesellschaftliche Organisationen

Entwicklungszusammenarbeit braucht eine starke Zivilgesellschaft

Für das Erreichen der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) ist – neben Regierungen, internationalen Organisationen und dem Privatsektor – die Zivilgesellschaft einer der fundamentalen Akteure. Sie zeichnet sich durch den Anspruch an sich selbst aus, „freiwillig, vielfältig, unabhängig, selbstständig und gewaltfrei tätig zu sein.“ 13 In der Entwicklungszusammenarbeit können zivilgesellschaftliche Organisationen unterschiedliche Rollen einnehmen: Sie können als Impulsgeberinnen eigene Projekte umsetzen, als Bindeglied zwischen Bevölkerung und Staat die Anliegen der Menschen einfordern, als Watchdog die Einhaltung der Menschenrechte und der staatlichen Rechenschaftspflicht generell sicherstellen oder als Dienstleisterinnen unterstützende Maßnahmen zur Basisversorgung durchführen. In der Zusammenarbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen des globalen Nordens mit solchen des globalen Südens ist es wichtig, dass die Selbstbestimmung Letzterer bewahrt wird und sie in ihrer Eigenverantwortlichkeit gestärkt werden.

2020 haben die DAC-Mitglieder durchschnittlich 14,6 Prozent ihrer bilateralen ODA-Mittel für zivilgesellschaftliche Organisationen bereitgestellt. Spanien wendete hierfür mit 56,4 Prozent seiner bilateralen ODA-Mittel den verhältnismäßig größten Anteil auf, während die USA mit 6,4 Milliarden Euro den höchsten Betrag in absoluten Zahlen stellten. Deutschland hat der Zivilgesellschaft im selben Jahr Mittel in Höhe von 1,7 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, das entspricht fast 7,3 Prozent seiner bilateralen ODA-Mittel. Damit liegt das Land weit unter dem prozentualen OECD-Durchschnitt. 14

Der Anteil deutscher ODA-Direktzuwendungen für zivilgesellschaftliche Organisation im globalen Süden steigt zwar seit einigen Jahren kontinuierlich an, doch werden nach wie vor fast 98,5 Prozent der ODA-Mittel für die Zivilgesellschaft an Organisationen im globalen Norden ausgezahlt. In vielen Fällen können wichtige Fördertitel allerdings nur dann genutzt werden, wenn Partnerverträge mit Süd-Organisationen vorliegen (z. B. BMZ-Fördertitel „Förderung entwicklungswichtiger Vorhaben privater deutscher Träger“). Über diesen Weg gelangt ein großer Teil der Mittel also auch an die lokalen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Letztere kennen die kulturellen und politischen Kontexte vor Ort am besten, und sie können den gesellschaftlichen Wandel und die Entwicklung in ihrem Land nachhaltig gestalten und sichern. Zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem globalen Norden können sie in dieser Rolle unterstützen, indem sie zur Stärkung ihrer Kapazitäten sowie ihrer Autonomie und Selbstbestimmung beitragen und als Vermittlerinnen den Süd-Süd-Austausch und die Vernetzung mit globalen Akteur*innen fördern.

Um das große Potenzial der Zivilgesellschaft und die Kooperation untereinander effizienter nutzen zu können, müssen die Förderrichtlinien entbürokratisiert, verschlankt und flexibilisiert werden. VENRO hat dazu in den vergangenen Jahren und zuletzt wieder 2021 zahlreiche Vorschläge unterbreitet. 15 Besonders wichtig ist: Die Förderkonditionen sollten so angepasst werden, dass sie den Rahmenbedingungen, unter denen die lokale Zivilgesellschaft agieren muss, Rechnung tragen. Dies gilt insbesondere für die zunehmenden Restriktionen, die deren Handlungsspielraum einengen. 16 Gerade fragile Kontexte und die Friedensförderung erfordern eine enge Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Partnerorganisationen; diese können beispielsweise auch dann noch aktiv Hilfe leisten, wenn sich die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit aus Staaten zurückgezogen hat. Allzu oft können sie jedoch nicht die Bedingungen eines eng definierten Förderungskonzepts erfüllen.

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Fußnoten

01 Pettersson, Therese/ Davis, Shawn/ Deniz, Amber/ Engström, Garoun/ Hawach, Nanar/ Högbladh, Stina/ Sollenberg, Margareta/ Öberg, Magnus (2021). Organized violence 1989–2020, with a special emphasis on Syria. Journal of Peace Research 58(4). In: https://ucdp.uu.se/downloads/charts/?msclkid=c7c05404a92a11eca3d-736508b69fa9b (letzter Zugriff: 20.04.2022).

02 Welthungerhilfe (2022). Preisanstieg der Lebensmittel verschärft Hunger. In: https://www.welthungerhilfe.de/hunger/lebensmittelpreisanstieg-hunger (letzter Zugriff: 20.04.2022).

03 Greb, Friederike/ Husain, Arif/ Meyer, Stefan (2022). Projected increase in acute food insecurity due to war in Ukraine. In: https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/WFP-0000138155.pdf (letzter Zugriff: 20.04.2022).

04 FSIN/ Global Network against Food Crises (2022). Global Report on Food Crises 2022. Joint Analysis for better Decisions. In: https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000138913/download/?_ga=2.137912560.1565813418.1651736115-417460440.1644918808 (letzter Zugriff: 05.05.2022).

05 UNOCHA (2022). Global Humanitarian Overview 2022. March Update. In: https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/GHO_Monthly_Update_
31March2022.pdf
(letzter Zugriff: 20.04.2022).

06 VENRO (2022). Ist Deutschlands Beitrag zur Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit und Humanitärer Hilfe ausreichend? Analyse und Vorausschau der Official Development Assistance (ODA) für die 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages. In: https://venro.org/fileadmin/user_upload/Dateien/Daten/Publikationen/Studien_Berichte/
VENRO_ODA_Studie_2022.pdf
(letzter Zugriff: 20.04.2022).

07 Institut für Demoskopie Allensbach. Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 12049. Die Studie stützt sich auf insgesamt 1.033 mündlich-persönliche Interviews mit einem repräsentativen Querschnitt der deutschen Bevölkerung ab 16 Jahre. Die Befragung wurde zwischen dem 3. und dem 16. Februar 2022 durchgeführt.

08 World Bank (2020). Poverty and Shared Prosperity 2020: Reversals of Fortune. In: https://openknowledge.worldbank.org/bitstream/handle/10986/34496/9781464816024.pdf (letzter Zugriff: 20.04.2022).

09 FAO, IFAD, UNICEF, WFP and WHO (2021). The State of Food Security and Nutrition in the World 2021. Transforming food systems for food security, improved nutrition and affordable healthy diets for all. In: https://doi.org/10.4060/cb4474en (letzter Zugriff: 20.04.2022).

10 World Bank (2022). Global Economic Prospects. In: https://openknowledge.worldbank.org/bitstream/handle/10986/36519/9781464817601.pdf (letzter Zugriff: 20.04.2022).

11 Ellmers, Bodo (2022). Entwicklungsfinanzierung und Coronakrise – Zentrale Herausforderungen für G7 und G20 in 2022. Global Policy Forum. In: https://www.globalpolicy.org/de/news/2022-01-24/entwicklungsfinanzierung-und-coronakrise-zentrale-herausforderungen-fuer-g7-und-g20 (letzter Zugriff: 20.04.2022).

12 OECD (2021). OECD Development Co-operation Peer Reviews: Germany 2021. In: https://doi.org/10.1787/bb32a97d-en (letzter Zugriff: 20.04.2022).

13 Welthungerhilfe (2012). Förderung der Zivilgesellschaft. In: https://www.welthungerhilfe.de/aktuelles/publikation/detail/foerderung-der-zivilgesellschaft (letzter Zugriff: 20.04.2022).

14 OECD (2021). Aid for Civil Society Organisations. Statistics based on DAC member’s reporting to the Creditor Reporting System (CRS), 2018–2019. In: https://www.oecd.org/dac/financing-sustainable-development/development-finance-topics/Aid-for-CSOs-2021.pdf (letzter Zugriff: 21.04.2022).

15 VENRO (2021). Zivilgesellschaft stärken durch verbesserte Förderbedingungen. In: https://venro.org/publikationen/detail/zivilgesellschaft-staerken-durch-verbesserte-foerderbedingungen (letzter Zugriff: 02.05.2022).

16 CIVICUS/ Brot für die Welt (2022). Atlas der Zivilgesellschaft 2022. Freiheitsrechte unter Druck. Schwerpunkt Digitalisierung. Zahlen. Analysen. Interviews. Weltweit. München: Oekom-Verlag.

Autor*innen dieses Artikels

Darina Döbler

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