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  • Agrar- & Ernährungspolitik
  • 12/2022
  • Bettina Ide

Der lange Schatten von Covid in Haushalten armer Länder

Eine Umfrage im globalen Süden zeigt, wie schwer angeschlagene Familien sich von den Folgen der Pandemie erholen – und dass staatliche Hilfen besser moderiert werden müssen.

Im Slum Kibera in der Vorstadt von Nairobi holt eine Mutter im Sommer 2020 Lebensmittelspenden. © Natalia Jidovanu/Welthungerhilfe

Die Folgen der Pandemie werden häufig als Gründe für die sich weiter oder wieder verschlechternden Lebensumstände der Menschen im globalen Süden angeführt – gepaart mit den Folgen des Krieges gegen die Ukraine. Nun da die SDGs zum Halbzeitstand zwischen 2015 und 2030 wieder stärker in die Wahrnehmung rücken, gehört auch eine genauere Betrachtung der Pandemiefolgen zu einer seriösen Bewertung der Erfolge oder auch Misserfolge. Die im Folgenden beschriebene Initiative der Alliance2015 kann zu dieser Bewertung einen Beitrag leisten.

Der Zusammenschluss von sieben europäischen NRO im Bereich der humanitären Hilfe und Entwicklung, darunter die Welthungerhilfe, veröffentlichte im September die Ergebnisse der zweiten Runde ihres globalen Covid-19 Surveys „Community Resilience and the Ongoing Impacts of COVID-19 on Vulnerable Households“. In einer zweiten Runde zur ersten Umfrage Ende 2020 wurden zwischen März und Mai 2022 – also etwa 22 Monate nach Ausbruch der Pandemie – Daten erhoben, in denen die Mitgliedsorganisationen der Alliance2015 tätig sind. Ziel der Befragung war es, Erkenntnisse über die Auswirkungen der Pandemie in den Bereichen Zugang zu Nahrungsmitteln, Entwicklung der Haushaltseinkommen, Bewältigungsstrategien sowie  Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung zu liefern.

Der globale Covid-19 Survey

Befragt wurden Vorstehende von 8.461 Haushalten in 18 Ländern in Lateinamerika (Honduras, El Salvador, Peru, Bolivien), Afrika (Mali, Niger, Burkina Faso, Sierra Leone, Liberia, Zentralafrikanische Republik/ZAR, Kongo, Uganda, Burundi, Chad), sowie in Nepal, Syrien und Georgien. Alle teilnehmenden Haushalte werden von Hilfs- oder Entwicklungsmaßnahmen der sieben Organisationen erreicht. 55 Prozent der Befragten sind Frauen; knapp 70 Prozent leben im ländlichen Raum, 20 Prozent in Städten, knapp 11 Prozent in peri-urbanen städtischen Randgebieten und 9 Prozent in Flüchtlingslagern. Eine Auswahl an Ergebnissen der Umfrage kann in diesem Data Dashboard Microsoft Power BI abgerufen werden.

Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass die Auswirkungen von Covid-19 in vielen Gemeinden noch sehr präsent sind und in vielen Schlüsselbereichen die Widerstandsfähigkeit von Haushalten gegenüber Krise untergraben – auch wenn die Pandemiesituation selbst sich verbessert hat und bevor die negativen Effekte durch die des Ukrainekrieges abgelöst wurden. Im gegenwärtigen Kontext von sich überschneidenden Krisen – Klimawandel, Wirtschaftsabschwung, Preisanstieg von Nahrungsmitteln und Energie, Konflikte und Kriege – bedeutet die geschwächte Reaktionsfähigkeit von ohnehin armen Haushalten, dass immer mehr Menschen dem Hunger ausgesetzt und auf externe Hilfe angewiesen sind.

Die Mitglieder der Alliance2015 sprechen von einem neuen „strukturellen Krisenmodus“. Die Bewältigung von Krisen ist mangelhaft, weil die Ernährungssysteme strukturelle Probleme aufweisen und Regierungen es vielerorts an Reaktionsfähigkeit fehlen lassen. Die gesammelten Daten geben Hinweise auf die fatale Verkettung dieser Faktoren und Umstände, die dazu führen, dass Haushalte in Hunger und extreme Armut abrutschen.  

Verkettung von Faktoren der Ernährungssicherheit

Die erhobenen Daten zeigen die dreifache Belastung der Haushalte im Zuge der globalen Pandemie: Verringerte Haushaltseinkommen gekoppelt mit deutlich gestiegenen Nahrungsmittelpreisen und einer sinkenden Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln in lokalen Märkten. Die Last setzt sich trotz der Fortschritte bei der Bekämpfung der Pandemie fort – und wurde vor dem Beginn der stärksten globalen Auswirkungen des Ukrainekriegs gemessen, der noch zu einer weiteren Zuspitzung dieser Faktoren für die befragten Haushalte geführt haben dürfte.

Mehr als jeder zweite Haushalt gab an, dass sein Einkommen auch 22 Monate nach dem Einsetzen der Pandemie unter dem Vor-Pandemie Niveau liegt. Weiterhin ist zu beobachten, dass die Haushalte, die zu Beginn der Pandemie am stärksten von Einkommensrückgängen betroffen waren, sich auch am schwersten erholen: Sie verzeichnen die geringste Verbesserung ihrer Einkommenslage im Halbjahr vor der Befragung (Oktober 21-März 2022). Dies gibt einen Eindruck, wie stark externe Schocks die Resilienz der Haushalte langfristig beeinträchtigen können, und einen Hinweis auf die mögliche Rolle von negativen Bewältigungsstrategien.

Gleichzeitig wurden die Haushalte vielerorts von steigenden Preisen für Grundnahrungsmittel getroffen, während Lebensmittel in lokalen Märkten in verringertem Maße verfügbar waren oder blieben. So gaben 94 Prozent der Befragten an, dass sich die Preise für Nahrungsmittel erhöht haben. 50 Prozent berichteten sogar von einer Verdopplung der Preise!

Quelle: Alliance2015 / Eigene Darstellung © Welthungerhilfe

Strukturprobleme lokaler und nationaler Ernährungssysteme

54 Prozent der Haushalt berichteten, dass in lokalen Märkten weniger Nahrungsmittel verfügbar waren. Diese Tendenz zeigte sich in allen Ländern, mit der stärksten Ausprägung in Mali (76 Prozent), Uganda (75) und Kongo (72). Insgesamt jeder dritte Haushalt beobachtete verschlechterte Qualität, besonders in Sambia (53 Prozent), Mali (52) und Peru (47). Ebenfalls 33 Prozent hatten durch pandemie-bedingte Einschränkungen von Transport- und Bewegungsfreiheit Probleme, Markt- und Verkaufsstellen zu erreichen. Dies betraf Nepal und Bolivien am stärksten, mit je 68 und 50 Prozent der Haushalte. Insgesamt fand jeder fünfte Haushalt seine bevorzugten Nahrungsmittel in lokal erreichbaren Märkten nicht mehr vor – eine Folge, die sich besonders in der ZAR (49 Prozent), Burundi (47) und Kongo (39) zeigte. Lediglich in Georgien schien die Verfügbarkeit oder der räumliche Zugang zu Nahrungsmitteln unproblematisch – sie waren aber weniger erschwinglich.

Anders als zu erwarten, lag die höchste Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln nicht etwa im ländlichen Raum, wo ein Großteil produziert wird. Am besten versorgt waren die Städte – am wenigsten die städtischen Randgebiete. Diese peri-urbanen Gebiete schneiden bei den meisten Indikatoren der Umfrage am schlechtesten ab, da es sich um schnell wachsende Vorstädte und Slums handelt. Sie sind häufig von Überfüllung, Informalität und unzureichender Infrastruktur geprägt – und verfügen weder über eine eigene Lebensmittelproduktion noch über eine funktionierende urbane Struktur.

Mehr als die Hälfte der Haushalte (57 Prozent) gab an, dass ihr derzeitiges Einkommen nicht ausreicht, um ihren Bedarf an Nahrungsmitten zu decken. Der verschlechterte Zugang zeigt deutliche Auswirkungen: Bei einem Drittel der befragten Haushalte gingen in den ersten Monaten dieses Jahres Familienmitglieder hungrig zu Bett. Mehr als die Hälfte der Haushalte (51 Prozent) verzehrt Lebensmittel von schlechterer Qualität und sechs von zehn haben weniger auf dem Teller als vor der Pandemie.

Quelle: Alliance2015 / Eigene Darstellung © Welthungerhilfe

Bezeichnend ist, dass sich diese Werte seit der ersten Befragung Ende 2020 verschlechtert haben. Damals gaben vier von zehn Haushalten an, weniger Nahrungsmittel zur Verfügung zu haben als vor der Pandemie (62 Prozent heute). Dieser Umstand deutet trotz der verbesserten pandemischen Lage auf eine langfristige Verschlechterung der Ernährungssicherheit für betroffene Bevölkerungsgruppen seit dem Ausbruch der Pandemie hin.

Nach dem Beginn des Angriffskriegs von Russland auf die Ukraine am 24. Februar 2022 war die Befragung von März bis Mai 2022 noch weitestgehend unbeeinflusst durch den folgenden zusätzlichen Anstieg der globalen Nahrungsmittelpreise und deren Verfügbarkeit. Das erlaubt noch eine deutliche Abgrenzung der Effekte der Covid-19-Pandemie auf die Situation armer Haushalte von den Effekten des Ukrainekrieges.

Dieser verschlechterte Zugang zu Nahrung – weil sowohl weniger erschwinglich wie auch räumlich weniger zugänglich – für substanzielle Teile der befragten Haushalte in 18 Ländern stützt die These, dass Ernährungssysteme, so wie sie aktuell konzipiert sind, vielerorts zu empfindlich sind für externe Schock. Häufig fehlt es an Vorbeugung, um Folgen externer Schocks auf die Lebensmittel- und Ernährungssicherheit abzuwehren. Sind größere, globale Ernährungssysteme gestört – wie im Falle der Pandemie (und anschließend des Ukrainekriegs –, wirkt sich dies zusätzlich nachteilig auf nationale und lokale Systeme aus. Die Umfrageergebnisse unterstützen die Annahme, dass arme Menschen im Globalen Süden, vor allem Kleinproduzent*innen und Viehzüchter*innen in ihrer Ernährungssicherheit und in ihren Lebensgrundlagen am stärksten gefährdet sind.(1)

Rückschritte bei Bildung – gemischtes Bild bei Gesundheit

Im Bereich Bildung unterstützen die Umfrageergebnisse die Befürchtung, die Pandemie habe Fortschritte in disem Bereich um Jahre zurückgeworfen. Jedes fünfte Kind in den befragten Haushalten, das vor der Pandemie zur Schule ging, tut dies heute nicht mehr. Wohl blieben Schulen pandemie-bedingt in den 18 Ländern durchschnittlich sechs Monate lang geschlossen. Der Hauptgrund, Kinder aus der Schule zu nehmen und/oder sie nicht zurückkehren zu lassen, war jedoch finanziell. Beide Faktoren verringerten den Zugang zu Dienstleistungen für gefährdete Schüler*innen: Schulspeisung, Beförderung, sanitäre Einrichtungen und gesundheitliche Fürsorge, die in der Regel dazu beitragen, die finanzielle Belastung der Familien zu verringern und das Umfeld für das Lernen zu verbessern.

Leider zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche, die bereits vor der Pandemie gefährdet waren, erheblich stärker von Bildungsverlust betroffen waren als andere. Dies bedeutet in vielen Fällen, dass junge Menschen die Gelegenheit verpassen, über Gesundheitsrechte, Fortpflanzung, Familienplanung, oder Hygiene (WASH) aufgeklärt zu werden.

Schulessen in Burundi – für Schüler bisweilen die einzige warme Mahlzeit. Während der Corona-Pandemie schlossen viele Schulen. © Welthungerhilfe

In Bezug auf den Gesundheitssektor berichtet fast die Hälfte der Befragten (46,7%), dass sich die Gesundheitsdienste in ihrem Umfeld seit Beginn der Pandemie verbessert haben. Allerdings schoben den Angaben zufolge in 31 Prozent der Haushalte Personen in den letzten sechs Monaten einen notwendigen medizinischen Termin auf oder nahmen ihn nicht wahr – vor allem wegen hoher Kosten. 53 Prozent der Haushalte konnten sich medizinische Versorgung aus Kostengründen nicht leisten; besonders in den afrikanischen Ländern lag dieser Anteil zwischen 53 und 79 Prozent, aber auch in Syrien bei 79 Prozent. Ein häufiges Problem, das auch wieder die afrikanischen Länder am stärksten betraf, war die zu weite Entfernung zu Kliniken und Gesundheitseinrichtungen – so zu 60 Prozent in der ZAR, Liberia (58) und Tschad (46).

Insgesamt gab fast jeder vierte Haushalt an, medizinische Termine aus Angst vor einer Ansteckung mit Covid-19 nicht wahrgenommen zu haben, 11 Prozent begründeten es mit zu langen Wartezeiten oder unterbesetzten Kliniken. Letzteres betraf vor allem die lateinamerikanischen Länder.

Multiple Shocks und Bewältigungsstrategien

Neben den Entwicklungen in der Pandemie gaben vier von zehn befragten Haushalten an, im Berichtszeitraum von einem zusätzlichen externen Schock getroffen worden zu sein. Am häufigsten genannt wurden Naturkatastrophen oder Extremwetterereignisse (41 Prozent), gefolgt von Ernteeinbrüchen oder Nutzviehverlusten (40), makroökonomischen Krisen (35) sowie dem Verlust eines Einkommens im Haushalt durch Krankheit (29) oder Gewalt und Vertreibung (22).

Als Folge dieser multiple Krisensituation mussten 63 Prozent der Haushalte ihre Ausgaben reduzieren. 82 Prozent kürzten Ausgaben für Lebensmittel, gefolgt von anderen essenziellen Ausgaben wie Kleidung oder Medizin (63). Fast alle Haushalte (93 Prozent) haben sich im Berichtszeitraum Geld geliehen. Die meisten Kreditgeber waren Nachbarn oder Freunde (in 57 Prozent der Fälle), Familie (28) oder Gemeindegruppen (34), was hervorhebt, wie starke lokale Netzwerke und Gemeinschaften die Resilienz fördern. Kommerzielle Kreditgeber mit zumeist unvorteilhaften Bedingungen konnten in den meisten Fällen vermieden werden.

Dass Menschen in Gelegenheitsarbeit und informellem Kleingewerbe und/oder aus Stadtrandgebieten mit begrenztem Zugang zu Dienstleistungen von gesunkener Quantität und Qualität ihrer Lebensmittel berichten, stützt die allgemeine Einschätzung, dass die Pandemie bestehende Armut und Ungleichheiten verschlimmert, indem sie existierende strukturelle Probleme verschärft. Vieles deutet darauf hin, dass die erhöhte Nahrungsmittel- und Ernährungsunsicherheit in den befragten Gemeinden auf Marktstörungen und Preisschwankungen zurückzuführen sind – und damit auf strukturelle Probleme in den Ernährungssystemen.

Haushalt im Norden von Burkina Faso. Eine Mutter füttert ihren Sohn mit Huhn aus eigener Zucht. © Happuc / Welthungerhilfe

Brennpunkt soziale Sicherungssysteme

Auf Hilfsprogramme ihrer Regierungen konnten lediglich 28 Prozent der befragten Haushalte zurückgreifen. Mit bedeutenden Unterschieden zwischen den Ländern: Haushalte in El Salvador und Bolivien hatten in 96 und 73 Prozent der Fälle Zugriff auf soziale Sicherungssysteme, in Peru in 51 Prozent und in Honduras nur noch in 16 Prozent der Fälle. Den geringsten Zugang zu staatlicher Hilfe hatten Burundi (4 Prozent), Tschad (3.6) und Kongo (6). Für die meisten Länder Afrikas fiel der Zugang insgesamt deutlich niedrig aus. In Mali bekamen immerhin 48 Prozent der Haushalte eine Form von Unterstützung, in Sierra Leone und Liberia 38 und 39 Prozent, während Sambia, Uganda, Niger und Burkina Faso im Bereich 24 bis 26 Prozent lagen.

Die häufigste Unterstützung waren Sachleistungen in Form von Nahrungsmittelhilfe (52 Prozent), gefolgt von Impfprogrammen (41) und Cash-Assistance (26) – mit wiederum großen Unterschieden zwischen den Ländern: In Nepal hatte z.B. jeder zweite Haushalt Zugang zu staatlichen Programmen, meist jedoch Impfkampagnen.

Die Daten lassen keine Rückschlüsse darüber zu, wie sich der Zugang zu staatlichen Programmen auf die Resilienz der Haushalte auswirkte. Die Erhebung zeigt aber klar, dass verfügbare staatliche Unterstützung, die die Haushalte erreichte, eher punktueller Natur war. Umfassende, rechtlich gesicherte soziale Sicherungssysteme, wie wir sie aus dem Globalen Norden kennen, kamen praktisch nicht zum Tragen. Dennoch zeigen sich unterschiedliche Reaktionskapazitäten der Regierungen auf Krisen – und dass die Verfügbarkeit staatlicher Unterstützung nicht zwangsläufig an strukturellen Rahmenbedingen hängt.

Ein Blick auf die weltweiten Ausgaben für soziale Sicherungssysteme zeigt, dass die Länder des globalen Südens im Schnitt 1,5 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für solche Sicherungssysteme ausgeben: In Deutschland liegt dieser Wert bei 33,6 Prozent.(2) Weltweit haben 4,1 Milliarden Menschen aktuell keinen Zugang zu sozialen Sicherungssystemen, obwohl sie ein essenzieller Krisen-Modifizierer sind.

Unter den Befragten gaben übrigens 17 Prozent an, dass sie vorhandene Hilfsprogramme aufgrund komplexer Anspruchsberechtigungsverfahren und -dokumente oder aus Mangel an rechtzeitiger Information nicht nutzen konnten – ein Hinweis darauf, dass die Unterstützung zur Inanspruchnahme in Zukunft größere Aufmerksamkeit erhalten sollte. Acht von zehn Haushalten nannten Unterstützung durch internationale NGOs (als Teil der Zielgruppe der Alliance2015), elf Prozent durch nationale NGOs (mit weit variienden 0 Prozent in ZAR, 29 in Kongo, 67 El Salvador).

Notwendige politische Antworten

Die Befragung der Alliance2015 erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Studie, zeigt jedoch wichtige Tendenzen hinsichtlich der Folgen der Covid-19-Pandemie auf. Die langfristige Verschlechterung der Ernährungssicherheit und das durchschnittlich niedrigere Einkommensniveau im Vergleich zu vor der Pandemie verdeutlichen, wie schwer arme Haushalte in Ländern des globalen Südens sich von Krisensituationen erholen. Strukturelle Schwächen in Ernährungssystemen und mangelnde staatliche Reaktionsfähigkeiten weisen auf die Notwendigkeit von politischen Antworten hin, die über Notlagen hinaus strukturelle Probleme angehen.

Die Umwandlung zu diversifizierten, lokalisierten Lebensmittelsystemen, die Schocks wie Konflikte, Klimawandel, Wirtschaftsabschwünge und neue Pandemien abzufedern, ist dringend erforderlich. In diesem Sinne setzt die Umfrage den Impuls, hier weitere Forschung zu betreiben, um politischen Entscheidungsträger*innen solide Entscheidungsgrundlagen zu liefern und NGOs die notwendigen Daten zur strategischen Planung und Umsetzung zu liefern.

Für die beteiligten Hilfsorganisationen sind die hier erhobenen Daten wichtige programmatische Richtungsgeber. Gerade die Unterschiede in ländlichen, peri-urbanen und urbanen Sektoren geben Hinweise für mögliche Anpassungen bei der Zielgruppen- und Maßnahmenselektion. Ungenutzte Staatshilfen zeigen auf, dass Informationsverbreitung und technische Unterstützung bei Anträgen wichtigere Arbeitsfelder werden können. Die Rolle Gemeinde-basierter und lokaler Netzwerke, etwa bei der Vermeidung von Kredithaien und anderen negativen Bewältigungsstrategien wird noch stärker in den Blick rücken.

Um die Kompetenz der NGOs um wissenschaftliche Erkenntnisse zu ergänzen, sind Initiativen, wie die Global Alliance for Food Security (GAFS) grundsätzlich zu begrüßen. Ihr Ziel ist auch, mit dem Fokus auf Ernährungssicherung, wissenschaftliche Grundlagen und Innovationen einem breiten Kreis verfügbar zu machen und so eine gemeinsame Informationsbasis zu schaffen. Bislang befindet sich das sogenannte GAFS-Dashboard aber noch in der Betaphase und muss sich noch bewähren.

Porträtbild von Bettina Ide
Bettina Ide Welthungerhilfe, Team Policy & External Relations

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