Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Seiteninhalt springen Zum Footer springen

  • Agrar- & Ernährungspolitik
  • 08/2021
  • Emily Ongus

Digital wäre normal – auch für Afrikas Jugend in der Landwirtschaft

Es gibt großen Appetit, im Agrarsektor digitale Lösungen zu entwickeln. Ohne gezielte Förderung wird es aber bei Einzelinitiativen bleiben.

Eine digitale Wasserstation im Ort Kwa Luma in Kenia. © Lass/BauerVerlag/Welthungerhilfe

Wenn wir über die digitale Landwirtschaft sprechen, fällt es schwer, sich vorzustellen, dass dies vor einem Jahrzehnt noch kein gängiges Thema war. Der technologische Fortschritt der letzten zehn Jahre hat dafür gesorgt, dass Hightech buchstäblich in allen Bereichen unseres Lebens eine Rolle spielt. Es ist daher nur logisch, dass dies auch in der Ernährungs- und Landwirtschaft der Fall ist.

"Vor 2010 wurde bereits über eine digital gestützte Landwirtschaft  gesprochen – vor allem unter Gebern und multilateralen Organisationen – aber es gab nur sehr wenige D4Ag-Lösungen in Afrika oder weltweit," konstatiert der 2019 veröffentlichte Bericht des Technischen Zentrums für Landwirtschaft und ländliche Kooperation (CTA) über die Digitalisierung in Afrika.

Die Zeitleiste für D4ag (Digitalisierung in der Landwirtschaft) und ICT4ag (Informations- und Kommunikationstechnologie für die Landwirtschaft) (Abb.1) zeigt, wie der Prozess sich von der Anerkennung der "E-Landwirtschaft" hin zu einer fortschreitenden Digitalisierung exponentiell beschleunigt hat.

Die von der EU im Rahmen des Cotonou-Abkommons finanzierte Entwicklungsorganisation mit Sitz in Wageningen, Niederlande, erforschte das Potenzial, mit digitalen Hilfsmaßnahmen nicht individuelle Möglichkeiten zu ergründen sondern im Produktionsprozess und den Lieferketten anzusetzen. Unter Jugendlichen suchte sie Mitstreiter für die Förderung von "Agripreneuren", Jungunternehmern, die sich für Einsatzmöglichkeiten von Informations- und Kommunikationstechniken begeistern wollten, und für die stärkere Einbindung von Frauen über digitale Plattformen. "Der Appetit für D4Ag-Lösungen wächst", heißt es mit Blick auf den "jungen" Sektor. Zahlreiche Einzelbeispiele sind dokumentiert. "Aber ohne den richtigen politischen Fokus und Investitionen, bleibt die Gefahr, dass Entwicklungen Stückwerk bleiben – weder nachhaltig noch inklusiv."

Abb. 1: Timeline indicating digitalization of agriculture – adapted from the CTA Digitalization Report © Ongus

Der nächste logische Schritt ist also die Frage, wie und ob eine digitale Transformation überhaupt systematisch vollzogen werden kann. Ein digitales System ist das Ergebnis einer Vielzahl von Digitalisierungsprozessen (z. B. dem Übergang von Lieferketten zu digitalen Lieferketten) und ein wesentlicher Bestandteil der digitalen Transformation. Unter Digitalisierung versteht man die Befähigung oder Verbesserung von Prozessen durch den Einsatz von digitalen Technologien und digitalisierten Daten. Digitisierung wiederum bezieht sich auf das Erzeugen einer digitalen Darstellung von physischen Objekten oder Merkmalen. 

Der Bericht des CTA über die Digitalisierung der afrikanischen Landwirtschaft gibt einen Überblick über die Prognosen zur Digitalisierung der Landwirtschaft bis zum Jahr 2030. Den Ausblick ergänzt eine Blaupause für digitale klimabezogene Dienstleistungen. Beachtenswert ist jedoch, dass der Schwerpunkt auf Kleinbauern im globalen Süden liegt und dass er die potenziellen Vorteile der digitalen Transformation der Landwirtschaft dort am deutlichsten verortet. Obwohl der potenzielle Nutzen und das Potenzial der Digitalisierung in der Landwirtschaft in Afrika also gut dokumentiert ist, fehlt ein deutlicher Fokus auf die Jugend.

Meiden Jugendliche die Landwirtschaft?

Die Weltbank hat einige Herausforderungen identifiziert, die die Beteiligung junger Menschen an der Landwirtschaft einschränken. Dazu gehören fehlende Ressourcen, d.h. wenig oder kein Zugang zu Land, schwierig zu erlangende Finanzdienstleistungen wie Kredite und Versicherungen, einschließlich von Kapital für Investitionen. Das alles hemme den Unternehmergeist, den Zugang zu Informationen und Kenntnisse über Märkte oder über mögliche Qualifizierungsmaßnahmen. Außerdem fehle es an Beschäftigung in der Landwirtschaft.

Es sind aber auch die schweißtreibende Arbeit und niedrige Rentabilität, die den Sektor für junge Menschen unattraktiv machen. Deswegen, und als Folge der genannten Sachzwänge wandern Jugendliche in städtische Gebiete ab, um dort nach anderen Möglichkeiten für einen besseren Lebensunterhalt zu suchen. Dabei nennt etwa die FAO vielerlei Vorteile der digitalen Landwirtschaft, die dem Trend entgegenwirken können – u.a. höhere Erträge sowie eine bessere Versorgung mit Logistik und Infrastruktur, was faire Löhne gewährleisten kann; dazu die Aussicht auf mehr Austausch von Wissen und verringerte Transaktionskosten.

Dementsprechend müssen wir die Landwirtschaft modernisieren und digitalisieren, damit die Jugend jenseits der bloßen Selbstversorgung eine sinnvolle Existenzgrundlage darin sieht.

Jugend als treibende Kraft?

Junge Menschen haben zwar – wie erwähnt – kein so ausgeprägtes Interesse an der Landwirtschaft. Sie sind jedoch die treibende Kraft hinter digitalen Lösungen in dem Sektor. Der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien bietet nicht nur die Aussicht auf "leichtere" Arbeit, sondern auch die Chance, sich zu vernetzen und Geld zu verdienen. Das lockt junge Menschen an, und sofern staatliche Rahmenbedingungen und privatwirtschaftliche Unterstützung es zulassen, werden sie Ernährungssysteme innovativ ausbauen.

Laut einer Studie in Kenia nutzen 91 Prozent der Jungunternehmen in der Landwirtschaft soziale Medien und Informations- und Kommunikationstechnologien in der einen oder anderen Form. Der von USAID erstellte Bericht Feed the Future hat anhand von Fallstudien in Lateinamerika, Asien und Afrika gezeigt, wie selbstorganisiert junge Menschen ICT4ag für ihre unternehmerischen Vorhaben nutzen. Von der Erfassung von Daten vom Hof, über die Bereitstellung von Informationen über Flächen und Böden bis hin zu Marktbewegungen, Spar- und Kreditangeboten.

Digitale Wetterprognose. Ausgewählte Farmer prüfen die Wetterprognosen auf ihrem Smartphone und hängen analoge Karten an einen Aufsteller im Dorf. © Radermacher / Welthungerhilfe

Die Digitalisierung bietet nicht nur einen attraktiveren Einkommensstatus im Agrarbereich, sondern auch Möglichkeiten als "Infomediäre" oder Wissensvermittler: Jugendliche, die sich als Erbringer von Dienstleistungen anbieten und konventionellen Landwirten digitale Hilfsmittel an die Hand geben. Das kann Verluste auf Betriebsebene durch Präzisionslandwirtschaft oder Geoinformationsdienste reduzieren, es können Lösungen entwickelte werden, wie etwa zur Bewältigung von Nachernteverlusten. Vertriebswege und Beförderungsmittel können klimafreundlicherer gestaltet werden. Digitale Beratungsdienste können die Marktanbindung verbessern.

Mögliche Lösungen durch D4ag für stärkere Beteiligung

Einer der schwerwiegendsten Faktoren, der Jugendliche von einer Existenz in der Landwirtschaft abhält, ist – wie erwähnt – der grundlegende Mangel an Land und Kapital. Jedoch bietet D4ag verschiedene Möglichkeiten, entlang der Wertschöpfungskette anzusetzen und Hindernisse zu umgehen, die junge Menschen abhalten, sich zu engagieren.

Dazu gehören:

Digitale Optionen als Allheilmittel?

Bei verschiedenen Entwicklungen von digitalen Geschäftsideen in der Landwirtschaft stehen junge Menschen in Afrika derzeit an vorderster Front. Sie werden sich in einem Umfeld von sich ständig verändernden Technologien nur dann weiter engagieren, wenn sie auch in Zukunft Vorteile daraus erwarten können – darunter finanzielle und berufliche Sicherheit. In den meisten digitalen Agrarinitiativen organisieren sich die jungen Menschen als Start-up noch selbst und bekommen nicht von Anfang an die richtige Unterstützung für Initiativen, Projekte und Ideen.

Denn im Grunde stoßen junge Menschen mit Interesse an digitalen Werkzeugen an die gleichen Grenzen wie in der konventionellen Landwirtschaft.

Digitale Anwendungen in der Landwirtschaft können in Afrika Brücken bauen, um jungen Menschen die Teilnahme an der Landwirtschaft zu erleichtern. Aber selbst wenn digitale Chancen greifbar sind, so werden junge Menschen nach wie vor in Entscheidungsprozesse im Agrarsektor nicht einbezogen – digital oder konventionell. Stattdessen dienen sie als Vorzeigebeispiele dafür, wie sich Technologie in der Landwirtschaft einsetzen lässt

Die Zukunft der Landwirtschaft ist digital, und junge Menschen leben im digitalen Zeitalter, das ist eine unumstößliche Realität. Wenn die Jugend aber immer weiter mit denselben Hürden konfrontiert ist, sei es Land, Finanzierung oder Inklusion, wird die Beteiligung kaum zunehmen. Junge Menschen sind motiviert und bereit, in ihrer unmittelbaren Umgebung Innovationen in der Landwirtschaft zu schaffen. Um diese Handlungsfähigkeit aufzugreifen, müssten aber Lösungen für bekannte Probleme gefunden werden. Und es müsste über Wertschöpfungsketten hinausgeschaut und erkannt werden, dass junge Menschen sich auf verschiedenen Ebenen beteiligen wollen.

Die digitale Landwirtschaft ist für junge Menschen keine neue Art, Dinge zu tun, sie ist ihre natürliche Art, Dinge zu tun. Daher wird die Bewältigung von Problemen, denen sich die Jugend in der Landwirtschaft gegenübersieht, diese auch für die Jugend attraktiver machen.

Foto Emily Ongus
Emily Ongus Wageningen University und The Global Centre on Adaptation, Rotterdam

Das könnte Sie auch interessieren