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  • Agrar- & Ernährungspolitik
  • 06/2025
  • Sara Worku

Von Malabo nach Kampala: Paradigmenwechsel in Afrikas Landwirtschaftsstrategie

Am Anfang stand die Landwirtschaft als Treiber von Wachstum. Eine wichtige politische Kursänderung schwenkt nun auf Agrar- und Ernährungssysteme ein – und rückt die Ernährung in den Mittelpunkt.

Beim Sondergipfel der AU in Kampala wurde das umfassende Programm zur Entwicklung der Landwirtschaft Afrikas (CAADP) als Rahmen für die Agrartransformation weiterentwickelt. © UBC

Als sich führende afrikanische Politiker*innen im Januar 2025 in der ugandischen Hauptstadt Kampala zum Sondergipfel der Afrikanischen Union (AU) versammelten, waren sie sich der dringlichen Lage bewusst. Dies führte zur Verabschiedung der Erklärung von Kampala über den Aufbau widerstandsfähiger und nachhaltiger Agrar- und Ernährungssysteme in Afrika. Dabei handelt es sich um eine ambitionierte, den gesamten Kontinent umfassende Absichtserklärung, die von allen 55 Staaten Afrikas unterstützt wird. Im Kern beschreibt das Dokument eine vereinheitlichte, inklusive und nach vorne gerichtete Strategieplanung zur Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme in Afrika, die auf die derzeitigen Realitäten eingeht, sich aber auf neu entstehende Herausforderungen vorbereitet.

Das Besondere an der Erklärung von Kampala ist, dass sie auf einem bestehenden Fundament aufbaut, aber einen tieferen und systemischeren Wandel fordert. Sie bestätigt das Umfassende Programm zur Entwicklung der Landwirtschaft Afrikas (CAADP) als den grundsätzlichen Rahmen für die Agrar-Transformation. Aber sie signalisiert auch eine wichtige Kursänderung: Die Landwirtschaft soll nicht mehr nur Treiber des Wachstums sein, sondern es wird eine breitere Strategie für die Agrar- und Ernährungssysteme verfolgt. Dieses Umdenken erkennt die vielfältig verwobenen Abhängigkeiten zwischen Nahrungsmittelproduktion, Ernährung, Handel, Umweltschutz und sozialer wie wirtschaftlicher Entwicklung an. Es geht nicht mehr nur darum, mehr Nahrung zu produzieren, sondern um die Schaffung widerstandsfähiger, inklusiver und nachhaltiger Agrarsysteme, die die Menschen ernähren, die Volkswirtschaften stärken und die natürlichen Ressourcen bewahren. Dieser Paradigmenwechsel steht im Einklang mit der Vision der Agenda 2063 der AU, die ein wohlhabendes, inklusives und sich selbst versorgendes Afrika im Blick hat.

Die Erklärung von Kampala unterstreicht die strategische Weiterentwicklung des CAADP. Sie gibt Antworten auf das Versagen beim Erreichen vergangener Ziele, will Investitionen absichern und Existenzgrundlagen verbessern, indem sie eine ganzheitliche Agrarsysteme-Strategie verfolgt. Diese neue Strategie legt einen Schwerpunkt auf Klimaresilienz, Ernährungssicherheit und Inklusivität für Kleinbauern, Frauen und Jugendliche. Will man diese Versprechen in Handlungen übersetzen, sind dafür unerschütterlicher politischer Wille und wachsende finanzielle Mittel in den jeweiligen nationalen Budgets erforderlich.

Entscheidend ist eine breitere Kenntnis – nicht nur bei den Bürger*innen, sondern auch bei den zivilgesellschaftlichen Organisationen, die bisher unzureichend über den Inhalt der Erklärung und die aus ihr abzuleitenden Schritte informiert sind. Die Medien können bei der Verbreitung dieser Erkenntnisse eine aktive Rolle spielen, damit die Bevölkerung und ihre Vertreter*innen ertüchtigt werden, die Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen. So sichern sie die wirksame, den Umständen angepasste Umsetzung des CAADP-Programms in den nationalen Entwicklungsplänen. Die aktive Fürsprache der Zivilgesellschaft auf allen Ebenen ist unerlässlich, um die Kluft zwischen Politik und alltäglicher Realität zu überbrücken. Eine solche umfassende Herangehensweise, die den Sprung von der reinen Rhetorik zu öffentlicher Beteiligung und Rechenschaftspflicht macht, ist entscheidend für echte Teilhabe und nachhaltigen Fortschritt.

Die Erklärung von Kampala baut auf der Erklärung von Malabo von 2014 auf. Sie stellt für die zehn Jahre von 2026 bis 2035 einen neuen Rahmen für Strategien und Ergebnisse vor. Dieser aktualisierte Rahmen will bestehende und zukünftige Herausforderungen anpacken, darunter demografischen Druck, Armut, Klimawandel und Ernährungsunsicherheit.

Die Erklärung umreißt sechs strategische Ziele:

Diese Ziele entsprechen den Wünschen der Landwirte, der Jugend und der Unternehmen. Sie unterstützen auch die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs), besonders Ziel 2 (Ende des Hungers) und Ziel 13 (Klimaschutz).

Die Erklärung von Kampala unterscheidet sich von früheren Dokumenten vor allem durch ihre Verpflichtung zur Prüfung, ob klare, auch zeitlich definierte Zielpunkte, die bis 2035 erreicht werden sollen, auch eingehalten werden. Zu ihnen gehören:

Ernährung ist ein zweiter wesentlicher Schwerpunkt. Die Erklärung nennt als Ziel:

Inklusion ist nicht nur eine Leitlinie, sie ist ein wesentlicher Eckpunkt der Erklärung von Kampala. Sie verpflichtet sich darauf, dass Frauen, Jugendliche und marginalisierte Bevölkerungsgruppen mindestens 30 Prozent derer ausmachen, die in den Wertschöpfungsketten der agrarischen Lebensmittelproduktion neue Teilhabe erhalten. Ebenso wichtig ist die Betonung der Ökologie, denn es wird angestrebt, 30 Prozent des landwirtschaftlich genutzten Bodens nachhaltig zu bewirtschaften. Diese Verpflichtungen spiegeln die Notwendigkeit, dass die Ernährungssysteme in Afrika nicht nur vielfältig und gleichberechtigt, sondern auch produktiv und widerstandsfähig sind.

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Im Rahmen eines Ifad-Projekts in Kenia arbeiten Mitglieder einer Jugendgruppe in der regionalen Verarbeitung und Vermarktung von Banananmehl. © IFAD / Edward Echwalu

Ein neues Niveau des Monitoring

Diese ehrgeizigen Ansprüche in die Realität umzusetzen, erfordert bisher ungekannte Zusammenarbeit. Die Erklärung richtet sich an die Mitgliedstaaten der AU, an die regionalen Wirtschaftsgemeinschaften (RECs), die Zivilgesellschaft, den privaten Sektor, die Entwicklungspartner*innen und Forschungsorganisationen. Diese sollen ihre Bemühungen, Investitionen und Strategien zur Umsetzung untereinander abstimmen. Die Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, bis 2028 die Prinzipien und Ziele der Kampala-Erklärung in die nationalen und regionalen Investitionspläne zu integrieren. Sie haben sich auch darauf festgelegt, im Einklang mit den Grundsätzen des CAADP Prinzipien der guten Regierungsführung anzuwenden. Die zweijährige CAADP-Überprüfung macht die Kampala-Erklärung zum wichtigsten Mechanismus, um Fortschritte zu verfolgen, Veränderungen einzuschätzen und die gegenseitige Rechenschaft zu fördern. Diesen Prozess betont der Bericht der AU von 2023 als zentral. Eine solches Niveau des Monitoring sichert, dass alle sich zur Transparenz und zu einer faktenzentrierten Politik bekennen.

Insgesamt stellt die Erklärung von Kampala eine mutige, umsetzbare Vision für widerstandsfähige und inklusive Agrar- und Ernährungssysteme auf dem Kontinent dar. Im Vergleich zu der älteren Malabo-Erklärung ist die Kampala-Erklärung ein bedeutender Fortschritt. Beide fügen sich in den Rahmen des CAADP ein, aber in Kampala wurde eine stärker integrierte Herangehensweise vorangetrieben, weil das Konzept der Agrar- und Ernährungssysteme in seiner Gänze übernommen wird. Das heißt, dass die gesamte Wertschöpfungskette der Nahrungserzeugung in den Blick genommen wird – von den Ausgangsstoffen über den Anbau zur Verarbeitung und Vermarktung bis hin zum Konsum. Betont wird die enge Verbindung von Ernährungssicherheit, wirtschaftlicher Entwicklung, ökologischer Nachhaltigkeit und Gesundheitsversorgung.

Bemerkenswert ist, dass Ernährung nun in den Mittelpunkt gerückt wurde, während sie in Malabo eher am Rande stand. Explizite Ziele bei der Bekämpfung der Unterernährung und der Absicherung des Zugangs zu gesunder Ernährung positionieren Nahrungsmittel- und Ernährungssicherheit als wesentliche Prioritäten der Entwicklung, entsprechend den globalen Zielvorgaben wie dem SDG 2. Inzwischen sind Nachhaltigkeit und Resilienz als politische Ziele verankert worden, wobei durch die Kampala-Erklärung messbare Vorgaben für nachhaltige Landnutzung und Umweltschutz festgelegt worden sind. Dies zeigt, dass aus der zurückliegenden Dekade Lehren gezogen wurden und dass die globalen Klimaziele beachtet werden.

Auch beim innerafrikanischen Handel ist deutlicher Fortschritt erkennbar. Die Malabo-Erklärung hob sein Potenzial hervor, aber in Kampala verpflichtete man sich, den Agrarhandel innerhalb des Kontinents bis 2035 zu verdreifachen. Diese Absicht unterstützt die breiter angelegten Ziele der Afrikanischen kontinentalen Freihandelszone (AfCFTA). Die Erklärung von Kampala legt obendrein einen Fokus auf die Integration von Kleinbauern, Frauen und der Jugend in die Wertschöpfungsketten, da sie es sind, die die Transformation vorantreiben.

Die Erklärung von Kampala versprüht neuen Enthusiasmus, aber ihre Umsetzung steht erst am Anfang.

Sara Worku WHH-Büro Äthiopien

Einer der auffälligsten Aspekte der Erklärung von Kampala ist der bei der Finanzierung gezeigte Ehrgeiz: Malabo bestätigte, dass zehn Prozent des Budgets in die Landwirtschaft fließen sollte, aber Kampala will im kommenden Jahrzehnt 100 Mrd. Dollar staatliche und private Mittel mobilisieren. Außerdem sind die Kontrollmechanismen nicht mehr nur eine allgemeine Forderung, sondern eine strategische Stütze: Die Erklärung fordert gestärkte Institutionen, klare Rechenschaft und erhöhte Transparenz durch robuste Überprüfungssysteme, insbesondere die zweijährige CAADP-Überprüfung.

Die Erklärung von Kampala versprüht neuen Enthusiasmus, aber ihre Umsetzung steht erst am Anfang. Zwar trat der Strategie- und Handlungsplan des CAADP für 2026 bis 2035 offiziell schon im Mai 2025 in Kraft, aber in diesem Monat waren nur wenige Anzeichen erkennbar, dass einzelne Länder konkrete Schritte im Zusammenhang mit dem neuen Rahmenplan unternommen haben. Derzeit geht es vor allem um die Bekanntmachung der Erklärung und um den Aufruf, dass die Länder deren Prinzipien in ihre nationalen Investitionspläne einfügen.

Äthiopien hat sich als erstes auf den Weg gemacht. Nach dem UN-Gipfel zu Ernährungssystemen (UNFSS) von 2021 beschloss Äthiopien seine Strategie zur Transformation der Ernährungssysteme. Darauf aufbauend hat das Land nun 24 „bahnbrechende“ Lösungen identifiziert, die sich auf sechs strategische Cluster verteilen, welche globalen Handlungspfaden entsprechen. Die Regierung entwickelt auch einen Plan zur Beobachtung und Evaluierung (M&E), um Fortschritte bei den Kampala-Zielen festzuhalten. Es löst so die Forderung nach robusten Rechenschaftsmechanismen ein.

Die Schlüsselrolle der Welthungerhilfe

Auch die NGO Welthungerhilfe (WHH) hat eine Schlüsselrolle bei der Ausarbeitung der Erklärung von Kampala eingenommen. Seit 2023 war die Organisation aktiv an dem von der AU geführten Beratungsprozess beteiligt, um den Strategie- und Handlungsplan des CAADP 2026-2035 zu erarbeiten. Die WHH war Mitglied der Technischen Arbeitsgruppe zu Inklusivität und Gleichheit und hat so sichergestellt, dass Geschlechtergerechtigkeit, Jugendförderung und die Rechte marginalisierter Gruppen im Zentrum der Strategie eingebettet sind. Sie nahm 2024 auch am Beratungs- und Validierungs-Workshop in Lusaka teil, wo Vertreter*innen aus Zivilgesellschaft, Regierung und Regionen der Endfassung der Erklärung den letzten Schliff gaben, und begleitete den AU-Sondergipfel im Januar 2025, wo sie das langfristige Engagement für inklusive, rechtsbasierte Agrar- und Ernährungssysteme in Afrika unterstrich.

Im Blick nach vorne hängt das transformative Potenzial der Erklärung von Kampala von starkem politischen Willen, koordiniertem Handeln und substanziellen finanziellen Investitionen auf dem gesamten Kontinent ab. Die unmittelbare Priorität gilt der nationalen Umsetzung der Erklärung durch die Anpassung der Planung für die Ernährungssysteme an die Strategie- und Handlungsvorgaben des CAADP für 2026 bis 2035. Äthiopien hat damit bereits begonnen, und es dient als vielversprechendes Modell für faktenbasierte Planung und ergebnisorientierte Umsetzung entlang der Ziele und Indikatoren von CAADP und UNFSS.

Entscheidend ist auch, dass mehr Länder die standardisierten Monitoring-Methoden übernehmen und so die Transparenz verbessern, kohärente Politik sicherstellen und wertvolle Lernprozesse zwischen den Staaten erleichtern. Darüber hinaus eröffnen die Parallelen zur AfCFTA aufregende Möglichkeiten zur Stärkung des regionalen Handels, der Schaffung von Mehrwert durch lokale Produzenten und zum Aufbau widerstandsfähigerer Ernährungssysteme. Soll das ehrgeizige Ziel von 100 Mrd. Dollar Investitionen erreicht werden, müssen funktionierende öffentlich-private Partnerschaften aufgebaut und innovative Finanzmechanismen geprüft werden. So können neue Chancen für lokale Gemeinschaften eröffnet und nachhaltiges Wachstum erzeugt werden. Um die nächste Welle der Transformation von Agrarsystemen voranzubringen, müssen in erster Linie neue Technologien erprobt, jugendliches Unternehmertum gefördert und klimaangepasste Landwirtschaft ausgeweitet werden.

Wie kann Afrika die Erklärung in realen Fortschritt ummünzen?

Die Antwort auf diese entscheidende Frage lautet: Erforderlich ist eine starke politische Bereitschaft, eine bessere Finanzierung aus den nationalen Haushalten und schlagkräftige Institutionen, um geplante Maßnahmen durchzuführen und zu überprüfen. Regierungen müssen die Erklärung zum Bestandteil ihrer nationalen und regionalen Entwicklungspläne machen und die Ergebnisse mit eindeutigen Monitoring-Systemen wie der zweijährigen CAADP-Überprüfung kontrollieren. Nicht weniger wichtig ist die Beteiligung der Bevölkerung: Wenn das Bewusstsein geschaffen ist und Bürger*innen zum Engagement ermutigt werden, kann die politische Führung zur Rechenschaft gezogen werden. Zivilgesellschaftliche Gruppen spielen eine Schlüsselrolle, damit die staatliche Politik sich an den lokalen Bedürfnissen ausrichtet. Staaten sollten auch Gelerntes untereinander teilen, sich digitaler Mittel bedienen und ihre Bemühungen an breiter gefasste afrikanische Ziele wie der AfCFTA und der Agenda 2063 anpassen. Wenn diese Schritte ernsthaft angegangen werden, kann die Kampala-Erklärung widerstandsfähige, faire und nachhaltige Ernährungssysteme auf dem afrikanischen Kontinent herbeiführen.

Sara Worku Welthungerhilfe (WHH) Äthiopien
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