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  • Agrar- & Ernährungspolitik
  • 08/2020
  • Athur Mabiso, Rui Benfica

Kehrt Afrikas Jugend der Landwirtschaft den Rücken?

Nein. Aber Investitionen müssen für einen zukunftssicheren Sektor Hürden und Stressfaktoren abbauen.

Studenten beim Gärtnern, Kenia.
Auf einem Schulacker des Mukurweini Technical Training Institute in der Region Nyeri in Kenia arbeiten Studenten. Das Krautfeld bewirtschaften sie mithilfe erlernter Techniken zum Sammeln von Regenwasser. © IFAD / Edward Echwalu

Afrika hat weltweit die jüngste und am schnellsten wachsende Bevölkerung. Das Durchschnittsalter südlich der Sahara liegt bei 18,3 Jahren, in Asien sind es 30 Jahre. Die Zahl der Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren wird in Sub-Sahara Afrika bis 2050 auf 350 Millionen steigen, im Jahr 2010 waren es noch 150 Millionen.

Von vielen wird dieses beispiellose Bevölkerungswachstum, besonders in den ländlichen Gebieten, mit gemischten Gefühlen betrachtet. Manche sprechen von einem ‘Jugendüberschuss’, was einen negativen Beigeschmack hat und Assoziationen zu massiver Arbeitslosigkeit, zunehmender Armut, Ernährungsunsicherheit und sozialen Unruhen weckt.

Andere betrachten die wachsende junge Bevölkerung in den ländlichen Gebieten als Chance für eine ‘demografische Dividende’. Sie werde zu größerer Produktivität und höheren Einkommen und damit zur lang erwarteten Transformation des Kontinents und zu mehr Wohlstand in den ländlichen Regionen führen. Wir sollten nicht vergessen, dass die jungen Frauen und Männer auf dem Land eine wichtige Rolle dabei spielen, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu erreichen.

Fehlinvestitionen vermeiden

Die wachsende junge Landbevölkerung Afrikas muss allerdings nie dagewesene Herausforderungen bewältigen, darunter den Klimawandel, kriegerische Konflikte und die Folgen der Corona-Krise. Diese Stressfaktoren zeigen, wie dringend erforderlich substanzielle Investitionen sind, um bestehende und in der Zukunft drohende Krisen abzuwenden. Diese Investitionen müssen evidenzbasiert sein und dazu dienen, die Lebensbedingungen der jungen Menschen auf dem Land deutlich zu verbessern. Nur auf Daten und Fakten basierende Investitionen können helfen, gravierende Fehlinvestitionen zu vermeiden.

Der Jahresbericht über Ländliche Entwicklung des internationalen Fonds IFAD, der 2019 der Jugend der 15-24-Jährigen gewidmet war, hebt klar hervor, dass afrikanische Jugendliche heute und auch in den kommenden Jahren im Mittelpunkt der Landwirtschaft, der landwirtschaftlichen Unternehmen und der ländlichen Entwicklung stehen werden.

Falsche Mythen von Abwanderung

Forschungsergebnisse zeigen, dass die absolute Zahl der in der Landwirtschaft beschäftigten Jugendlichen weiter ansteigen wird. Heute arbeiten mehr als die Hälfte der 18-24-Jährigen in Afrika auf dem Land. Die Mehrheit derjenigen, die nicht in der Landwirtschaft arbeiten, findet vermutlich in anderen Sektoren des Ernährungssystems eine Beschäftigung. Investitionen in die Landwirtschaft sind daher äußerst wichtig, um Jugendlichen bessere Chancen zu ermöglichen.

Dem widerspricht allerdings die allgemeinen Überzeugung, dass die Mehrheit der Jugendlichen aus den ländlichen Gegenden in die Elendsgebiete der Städte oder ins Ausland abwandern, auf der Suche nach informellen, schlecht bezahlten Jobs. Migration ländlicher Jugend findet natürlich statt, allerdings lange nicht in dem Ausmaß, wie es in Medienberichten oft dargestellt wird. Abwanderung ist oftmals der letzte Ausweg für Jugendliche, die in gescheiterten Systemen keine Perspektive mehr sehen, und denen es an besseren Lebenschancen mangelt. 

Lebenswichtige wirtschaftliche Chancen bieten Jugendlichen in den ländlichen Regionen deshalb nicht nur Beschäftigung in Ackerbau und Viehzucht selbst, sondern auch in den nachgeordneten Sektoren der Agrar- und Ernährungssysteme. Dazu zählen der Kauf und Verkauf landwirtschaftlicher Produkte auf informellen Märkten sowie die Arbeit in Geschäften, die landwirtschaftliche Betriebsmittel verkaufen, oder für Mittler, die Kleinbauern Kredite anbieten.

 

Vater und Sohn mit Ziege
Assad Mohammed Idriss vom Dorf Kaja im Sudan hat eine Ausbildung zum Veterinärpfleger bekommen, die ihm mehr Einkommen und Status verschafft. Das Wissen gibt er beim Impfen der Tiere an die Jugend weiter. © IFAD / Marco Salustro

Schätzungsweise rund 60 Prozent des Arbeitsaufkommens auf dem Land wird außerhalb der Höfe geleistet, rund 40 Prozent davon im Agrar- und Ernährungssystem. Verschiedene Analysen zeigen, dass Tätigkeiten außerhalb der Farm auch jungen Frauen vom Land bessere wirtschaftliche Chancen bieten.

Die Bedeutung der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft für Jugendliche in Afrika wird in Zukunft weiter zunehmen. Der Grund dafür sind eine höhere Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten, besonders in städtischen und halbstädtischen Gebieten, stärkere Abwanderung in die Städte, allmählich wachsende Einkommen sowie der steigende interkontinentale Handel. Gezielte Investitionen in die Agrar- und Ernährungssysteme sind deshalb geboten, um die Chancen zu erhöhen, die die Landwirtschaft den Jugendlichen bietet.

Diese Chancen lassen sich aber nur verwirklichen, wenn die Investitionen die Agrar- und Ernährungssysteme auch für zukünftige Schocks widerstandsfähiger machen. Die Corona-Krise hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, verstärkt in die Resilienz dieser Systeme zu investieren.

Soziale Ungleichheiten abbauen

Investitionen sollten sich dabei auch auf die oft starken gesellschaftlichen Ungleichheiten konzentrieren. Dies gilt vor allem für die Chancenungerechtigkeit der Geschlechter unter den Jugendlichen im ländlichen Raum. Junge Frauen sind besonders schwer benachteiligt, ihnen stehen zahlreiche sozio-kulturelle Hürden im Weg.

Jungen werden beispielsweise oft bevorzugt, wenn eine Familie es sich nicht leisten kann, alle Kinder zur Schule zu schicken. Mädchen müssen Hausarbeit erledigen, nicht aber Jungen. Frühe Schwangerschaften und Ehen benachteiligen junge Frauen zusätzlich. Für diese Problematiken müssen Lösungen gefunden werden. Erforderlich sind politische Reformen und Investitionen, die mehr Chancengleichheit für junge Frauen in ländlichen Räumen schaffen.

 

Frauen arbeiten auf einem Feld.
Landarbeiterinnen in Sierra Leone. Jungen Frauen stehen in der Landwirtschaft weniger Entwicklungschancen offen als Männern. © Sebastian Liste / NOOR for FAO

Wenn Afrika seine ‘demografische Dividende’ verwirklichen will, muss es in junge Frauen auf dem Land investieren. Deshalb ist es zudem sehr wichtig, Projekte zu entwickeln, die die Grundursachen der Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen analysieren. So müssen auch institutionelle Vorurteile bekämpfet werden, die die beruflichen Entwicklungschancen junger Frauen behindern.

Zugang zu Land erleichtern

Jugendliche im ländlichen Raum Afrikas haben oft auch kaum angemessenen Zugang zu Land, Wasser und Krediten. Frauen sind hier besonders benachteiligt. Politische Reformen sind unbedingt erforderlich, damit Jugendliche leichter an Land kommen, das sie bewirtschaften können.

Die Landwirtschaft mit gezielten Investitionen insgesamt klima-resistenter zu machen, ist auch für die Jugendlichen von höchster Bedeutung, da in Zukunft immer mehr von ihnen von der Landwirtschaft abhängig sein werden. Klimaprognosen gehen davon aus, dass Afrikas Landwirtschaft stärker unter Klimaschocks leiden und insgesamt verwundbarer sein wird, wenn nicht rechtzeitig und stärker investiert wird.

 

Kenia_Jugendprojekt_Bananenmehl
Mitglieder der G-Star Jugendgruppe wiegen Banananmehl für die Verpackung ab. Das Ifad-Projekt im Zentrum von Kenia kauft Bananen aus der Umgebung für die Weiterverarbeitung und verkauft das Produkt regional. © IFAD / Edward Echwalu

Mangelnde digitale Kenntnisse

Auch für die digitale Landwirtschaft werden Investitionen benötigt. Hier sollte sich die politische Debatte allerdings auf Fakten und nicht auf Mythen stützen. Die Annahme, dass Jugendliche per se besonders technisch versiert sind, und dass die ländliche Jugend in Afrika mit digitalen Techniken dazu gebracht werden kann, verstärkt in der Landwirtschaft zu arbeiten, geht an der Realität vorbei. Der Mangel an digitalen Kenntnissen unter Jugendlichen ist eher eine große Hürde für den Einsatz digitaler Anwendungen in der Landwirtschaft.

Es gibt außerdem Anzeichen dafür, dass digitale Techniken möglicherweise die Ungleichgewichte zwischen den Geschlechtern verstärken, da Mädchen und junge Frauen oft keine ebenbürtigen Zugangsmöglichkeiten zu den Digitaltechniken haben. Hier sind weitere wissenschaftliche Untersuchungen erforderlich, um Investitionen in diesem Bereich sinnvoll steuern zu können.

Investitionen in die digitale Landwirtschaft Afrikas sollten nicht als Lockmittel für Jugendliche benutzt werden, um in der Landwirtschaft zu arbeiten. Sie müssen evidenzbasiert und eingebettet als Teil einer breiteren ‘guten Entwicklung’ getätigt werden.

Fokus auf gravierende Barrieren legen

Wenn Gelder in diesen Bereich fließen, sind sie daher dort am besten angelegt, wo sie versuchen, wirklich gravierende Barrieren abzubauen, die den Jugendlichen zu schaffen machen. Dazu gehören in jedem Fall unzulängliche Internetverbindungen und Infrastruktur für digitale Landwirtschaft. Die 4G-Technologie deckt in Afrika nur 34 Prozent ab, und das vorrangig in städtischen Gebieten. Derweil planen viele andere Länder längst die Einführung der 5G Netze.

 

Viele Handys laden an einer Aufladestation, Sierra Leone.
Eine Ladestation in Sierra Leone. Mobiltelefone sind sind in Afrika weiter verbreitet als Smartphones. © Welthungerhilfe

Zugleich ist für viele Afrikaner auch ein einfachen Mobiltelefons immer noch unerschwinglich. Und selbst wenn sich Jugendliche das Handy leisten können, sind die Betriebskosten in ländlichen Gebieten zehn Mal höher als in Europa oder Zentralasien, wo auch die Gehälter insgesamt höher sind. Das bedeutet, dass die ländliche Jugend in Afrika deutlich mehr für Mobilverbindungen zahlt – bei gleichzeitig qualitativ schlechterer Netzqualität.

Investieren und reformieren

Um die Chancen von Jugendlichen in ländlichen Regionen zu verbessern, sind somit mehr Investitionen und politische Reformen nötig. Diese Investitionen müssen so sozial inklusiv wie möglich sein, sich auf die große Zahl von Ungleichheiten fokussieren, und gleichzeitig die Widerstands- und Zukunftsfähigkeit der Agrar- und Ernährungssysteme stärken, um diese auf klimabedingte Schocks vorzubereiten. Die Zahl der Jugendlichen in Afrika südlich der Sahara wird weiter rasch steigen, deshalb muss so schnell wie möglich und dringend mehr in die Agrar- und Ernährungssysteme investiert werden.

 

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