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  • Agrar- & Ernährungspolitik
  • 02/2023
  • Jonathan Mockshell
Schwerpunkt

Achtung Gesundheitsgefahr: Afrikas Städte ernähren sich zunehmend einseitig

Die fortschreitende Urbanisierung verändert die Essgewohnheiten der Afrikaner: Städter nehmen weniger Obst und Gemüse zu sich. Neue Strategien gegen Fehlernährung und ihre Folgen sind gefragt.

Ein Markt für erntefrische Bananen in einem Vorort von Kigali. Bei den Essgewohnheiten gibt es ein Stadt-Land-Gefälle. © IMF Photo/Kim Haughton

Die Parameter für die Ernährung in Afrika verändern sich rasch aufgrund der Urbanisierung, die vom Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung und der Migration vom Land in die Stadt angetrieben wird. Dieser Wandel ist eine Herausforderung für die Ernährungssicherheit und die Nährstoffversorgung in städtischen Gebieten und den Megastädten Afrikas wie Accra, Kinshasa, Lagos und Nairobi, da die Verbraucher zunehmend Arbeit sparende, verarbeitete Lebensmittel verlangen. Mit der Supermarktrevolution werden in den Städten immer mehr erschwingliche hochverarbeitete Lebensmittel angeboten. Die Folge ist ein Anstieg von Fehlernährung in dreierlei Hinsicht: Übergewicht, Mangelernährung und Mangel an Mikronährstoffenmit ernährungsbedingten Erkrankungen als Konsequenz.

Eine kürzlich durchgeführte Studie untersuchte die Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Erschwinglichkeit von Lebensmitteln in drei Städten Ghanas sowie das Ausmaß, in dem Lebensmittel verarbeitet werden. Die Ergebnisse deuten auf schwerwiegende potenzielle Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung. Die Studie stellt eine Reihe von Politikinstrumenten vor, um dem Ziel der Ernährungssicherheit in städtischen Gebieten näher zu kommen.

In vielen Entwicklungsländern ändern sich Ernährungssysteme und Ernährungsgewohnheiten schnell. Urbanisierung, Beschäftigungs- und Einkommenswachstum, Modernisierung des Einzelhandelssektors und der Wunsch nach möglichst bequemem Einkaufen verändern das Lebensmittelangebot und damit auch die Essgewohnheiten. Jüngste Schätzungen zeigen, dass 10 bis 30 Prozent der verarbeiteten Lebensmittel in städtischen Umgebungen ultra-verarbeitet sind (also industriell produziert wurden) 1. Gleichzeitig werden in in städtischen Gebieten extrem wenig Obst und Gemüse verzehrt. Eine Studie, die Ernährungsmuster in städtischen Gebieten in Ghana untersucht, zeigt, dass nur 14,5 Prozent im Lauf der vergangenen 24 Stunden Gemüse und 8,0 Prozent Obst gegessen haben2.

Die Bevölkerung in Entwicklungsländern bewegt sich zunehmend weg von einer traditionellen Ernährung, die reich an komplexen Kohlenhydraten und Ballaststoffen ist, hin zu einer Ernährung im westlichen Stil mit höheren Anteilen an Zucker, Fetten und tierischen Lebensmitteln3. Die meisten Verbraucher, die niedrige Einkommen haben, aber mit hohen Nahrungspreisen konfrontiert sind, haben kaum Alternativen zu den verfügbaren und erschwinglichen verarbeiteten Lebensmitteln.

Diese Verschiebungen wirken sich auf die öffentliche Gesundheit aus. In den urbanen Städten vieler afrikanischer Länder werden die veränderten Ernährungsgewohnheiten mit immer mehr Krankheiten wie Fettleibigkeit, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmten Krebsarten in Verbindung gebracht. Dazu kommen aus Unterernährung und Mangel an Mikronährstoffen resultierende Probleme wie verkümmertes Wachstum und Auszehrung 4,5. In vielen afrikanischen Ländern steigt die Fettleibigkeit und betrifft zwischen 13 und 31 Prozent der Bevölkerung. In Ghana nahmen Adipositas und Übergewicht von 2014 auf 2015 um 25 Prozent zu. Dieses gleichzeitige Auftreten von Überernährung, Unterernährung und Mangel an Mikronährstoffen wird oft als „dreifache Belastung durch Mangelernährung“ bezeichnet und hat schwerwiegende Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit in Subsahara-Afrika (SSA) 6,7.

Bequemes Einkaufen in Ghana. Tankstelle und Supermarkt gehören zusammen. © IMF Photo/Andrew Caballero-Reynolds via Flickr

Um einen Einblick in die städtischen Ernährungsgewohnheiten zu erhalten und zu beurteilen, wie Maßnahmen zur Eindämmung der dreifachen Belastung durch Fehlernährung umgesetzt werden könnten, haben wir kürzlich eine in World Development Perspectives  veröffentlichte Studie durchgeführt, um das Ernährungsverhalten in drei Städten in Ghana zu bewerten. Insgesamt 123 Geschäfte des Lebensmitteleinzelhandels wurden in städtischen Gebieten in Accra, Cape Coast und Koforidua, deren Bevölkerung über hohe oder niedrige Einkommen verfügen, untersucht. Die Bestandsaufnahme sollte Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Erschwinglichkeit von Lebensmitteln sowie deren Verarbeitungsgrad aufzeigen.

Mit geschätzten 57 Prozent der Bevölkerung, die in städtischen Zentren leben, und einer Fettleibigkeitsrate bei Erwachsenen, die sich zwischen 1980 und 2015 verfünffacht hat, steht Ghana stellvertretend für viele der demografischen, epidemiologischen und wirtschaftlichen Trends, die in anderen SSA-Ländern zu finden sind. Deshalb eignet es sich für eine strategische Fallstudie für die gesamte Region 8, 9, 10.

Sind nahrhafte Lebensmittel im urbanen Ghana weit verbreitet?

Wir untersuchten vier Hauptkategorien von Lebensmitteln: (1) unverarbeitete oder minimal verarbeitete Lebensmittel (Samen, Früchte, Wurzeln, Blätter, Fleisch, Eier, Milch, Pilze), (2) verarbeitete Zutaten (Öle, Butter, Zucker), (3) verarbeitete Lebensmittel (Brot, Käse, Fischkonserven) und (4) ultra-verarbeitete Lebensmittel (Chips, herzhafte verpackte Snacks, Erfrischungsgetränke).

In Bezug auf Lebensmittelquellen werden unverarbeitete Lebensmittel hauptsächlich oder überwiegend aus Einzelhandelsgeschäften, Supermärkten und an Marktständen für Frischwaren bezogen. Ultra-verarbeitete Nahrung ist erwartungsgemäß hauptsächlich an Tankstellen, in Supermärkten oder normalen Geschäften und Kiosken zu finden, aber auch an manchen Marktständen. Beispielsweise sind von den 33 Anbietern, deren Bestand überwiegend ultra-verarbeitete Lebensmittel enthält, neun Supermärkte, 13 Tankstellen, acht Lebensmittelgeschäfte und drei Marktstände. Verarbeitete Zutaten und verarbeitete Lebensmittel werden hauptsächlich von Marktständen bezogen. (siehe Abb. 1)

Während die hohe Verfügbarkeit von unverarbeiteten Lebensmitteln in Ghanas städtischer Umgebung zu begrüßen ist, kann die weit verbreitete Verfügbarkeit von ultra-verarbeiteten und verarbeiteten Lebensmitteln den übermäßigen Konsum von kalorienreichen Lebensmitteln fördern, mit ernsthaften Problemen für die allgemeine Gesundheit als Folge.

Abb.1 Kategorien von Lebensmitteln nach Städten und Verkaufsstellen

Das Diagramm zeigt die Beziehung zwischen urbanen Räumen (Accra, Koforidua und Cape coast), Gruppen von Lebensmitteln (unverarbeitet, Zutaten, verarbeitet und ultra-verarbeitet), und Kategorien im Einzelhandel (Supermärkte, offene Märkte etc. ). Zahlen stehen für Größe der Proben. Quelle: Mockshell et. al. 2022: Seite 4 © Mockshell et. al. 2022: Seite 4

Wie zugänglich und erschwinglich ist die gesunde Wahl?

Damit Verbraucher die Artikel kaufen können, die sie für eine gesunde Ernährung brauchen, müssen nahrhafte Lebensmittel nicht nur in ausreichenden Mengen angeboten werden, sondern auch leicht zu finden und zu einem angemessenen Preis zu haben sein. Um diese beiden Dimensionen der Ernährungssicherheit zu testen, wurden auch die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit der vier Lebensmittelkategorien bewertet.

Die Erkenntnisse deuten darauf hin, dass jede Lebensmittelkategorie, von unverarbeitet bis ultra-verarbeitet, in den von uns untersuchten Märkten entweder gut zugänglich oder zugänglich ist. Dem Trend folgend, sind auch ultra-verarbeitete und unverarbeitete Lebensmittel leicht erhältlich, wobei verarbeitete Zutaten und verarbeitete Lebensmittel etwas weniger erhältlich sind.

Da Ernährungsweisen mit einem starken Fokus auf unverarbeiteten Lebensmitteln, etwa frischem Obst und Gemüse, pflanzlichen Fetten und Proteinen, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten und Nüssen, oft als Teil einer gesunden Ernährung empfohlen werden, ist die hohe Zugänglichkeit unverarbeiteter Lebensmittel positiv zu bewerten. Dass ultra-verarbeitete Lebensmittel ebenso gut zugänglich sind, gibt jedoch Anlass zur Sorge wegen der genannten Gesundheitsrisiken wie Fettleibigkeit, die aus dem erhöhten Verzehr dieser Snacks und Softdrinks resultieren.

Um unsere Ergebnisse zu untermauern, haben wir den Anteil jeder Lebensmittelkategorie im Bestand der Einzelhandelsgeschäfte analysiert und festgestellt, dass der kombinierte Anteil an verarbeiteten oder ultra-verarbeiteten Lebensmitteln und verarbeiteten Zutaten den Großteil (55 Prozent) der Nahrungsmittel Ghanas ausmacht, während der Anteil ultra-verarbeiteter Lebensmittel 30 Prozent beträgt.

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass ultra-verarbeitete Lebensmittel genauso verfügbar, zugänglich und erschwinglich sind wie andere Lebensmittelkategorien. Manchmal sind sie sogar noch weiter verbreitet, zugänglich oder erschwinglich als weniger verarbeitete Nahrung. Und verarbeitete Lebensmittel aller Art machen den überwiegenden Anteil aller Kategorien in Ghana aus.

Wie ist ein Angebot gesunder und nahrhafter Ernährung in Städten zu sichern?

Da ultra-verarbeitete Lebensmittel im städtischen Ghana so breiten Raum einnehmen, nehmen Krankheiten im Zusammenhang mit Überernährung wie Fettleibigkeit und Diabetes zu, während durch Unterernährung bedingte Krankheiten weiterhin häufig vorkommen. Was kann also getan werden, um diese Belastungen für die Gesundheit der Bevölkerung zu verringern und eine gesunde Ernährungsumwelt zu gewährleisten?

Eine mögliche Lösung sind Steuern auf ungesunde Lebensmittel („Sündensteuer“) und Subventionen für nahrhafte Lebensmittel. Da die Nachfrage nach ultra-verarbeiteten Lebensmitteln häufig stärker von Preisänderungen zu beeinflussen ist, haben Steuern im allgemeinen die gewünschten Auswirkungen auf Preise und Konsum ungesunder Lebensmittel. Steuern auf ultra-verarbeitete Lebensmittel erhöhen die Verbraucherpreise und verringern so die Nachfrage. Durch Steuern kann somit die Dreifachbelastung durch Fehlernährung reduziert werden11, 12. Ebenso werden Subventionen für gesunde Lebensmittel wie frisches Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte und Nüsse deren Konsum steigern. Somit wäre eine Kombination von Steuern und Subventionen nützlich und politisch sinnvoll13.

Lebensmittel- und Getränkeunternehmen können auch dazu ermutigt werden, ihre Werbung verantwortungsbewusster zu gestalten, vor allem sollte sich Reklame für weniger gesunde Lebensmittel nicht an Kinder richten. Zudem sollte die Lesbarkeit der Etiketten verbessert werden, damit Verbraucher die Nährwertinformationen der Produkte leichter nutzen können.

Schließlich können Regierungen handeln, indem sie genaue Angaben auf Lebensmitteletiketten oder sogar Warnhinweise auf der Vorderseite der Verpackung vorschreiben, um das Verständnis der Verbraucher für Nährwertinformationen zu verbessern. Lokale Behörden können auch die Dichte der Einzelhändler, die ungesunde Lebensmittel verkaufen, in bestimmten Gebieten begrenzen. Verkaufsstellen für gesunde Lebensmittel insbesondere auf den öffentlichen Märkten sollten gefördert werden, was die Nachfrage und schließlich das Angebot an ungesunden Lebensmittelprodukten einschränken und die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von nahrhaften Optionen erhöhen würde14. Investitionen in die Forschung und Entwicklung für Obst und Gemüse sowie in die Versorgungsinfrastruktur von Lebensmitteln, also Strom, Wasser und Kühlketten, tragen ebenfalls dazu bei, die saisonale Verfügbarkeit von verderblichen Lebensmitteln und hochwertigen Lebensmitteln zu fördern.

Diese Forschung wurde mit Mitteln der CGIAR National Policies and Strategies for Food, Land, and Water Systems Transformation (NPS) Initiative durchgeführt.

 

Jonathan Mockshell International Center for Tropical Agriculture (CIAT)

Referenzen:

1Reardon, T., Echeverria, R., Berdegué, J., Minten, B., Liverpool-Tasie, S., Tschirley, D., & Zilberman, D. (2019). Rapid transformation of food systems in developing regions: highlighting the role of agricultural research & innovations. Agricultural systems, 172, 47–59.

2Holdsworth, M., Pradeilles, R., Tandoh, A., et al. 2020. Unhealthy eating practices of city Dwelling Africans in deprived neighbourhoods: Evidence for policy action from Ghana and Kenya. Global Food Security, 26, 100452.

3 A. Drewnowski, B.M. Popkin. The nutrition transition: New trends in the global diet Nutrition Reviews, 55 (2) (1997), pp. 31-43

4 R. Wanyama, T. Gödecke, C.G. Chege, M. Qaim How important are supermarkets for the diets of the urban poor in Africa? Food Security, 11 (6) (2019), pp. 1339-1353

5 T. Reardon, D. Tschirley, L.S.O. Liverpool-Tasie, T. Awokuse, J. Fanzo, B. Minten, ..., B.M. Popkin The processed food revolution in African food systems and the double burden of malnutrition Global Food Security, 28 (2021), p. 100466

6 P. Pinstrup-Andersen. Agricultural research and policy for better health and nutrition in developing countries: A food systems approach Agricultural Economics, 37 (2007), pp. 187-198

7J.V. Meenakshi Trends and patterns in the triple burden of malnutrition in India Agricultural Economics, 47 (S1) (2016), pp. 115-134

8 UNDESA (United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division). (2018). World Urbanization Prospects: The 2018 Revision (ST/ESA/SER.A/420). New York: United Nations

9 UNDESA (United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division) World Population Prospects: The 2019 Revision United Nations, New York (2019)

10 A. Laar, A. Barnes, R. Aryeetey, A. Tandoh, K. Bash, K. Mensah, ..., M. Holdsworth Implementation of healthy food environment policies to prevent nutrition-related non-communicable diseases in Ghana: National experts’ assessment of government action Food Policy, 93 (2020), p. 101907

11 N. Stacey, A. Tugendhaft, K. Hofman Sugary beverage taxation in South Africa: Household expenditure, demand system elasticities, and policy implications Preventive Medicine, 105 (2017), pp. S26-S31

12 L.L. Hagenaars, P.P.T. Jeurissen, N.S. Klazinga The taxation of unhealthy energy-dense foods (EDFs) and sugar-sweetened beverages (SSBs): An overview of patterns observed in the policy content and policy context of 13 case studies Health Policy, 121 (8) (2017), pp. 887-894

13 R. An, D. Patel, D. Segal, R. Sturm Eating better for less: A national discount program for healthy food purchases in South Africa American Journal of Health Behavior, 37 (1) (2013), pp. 56-61

14 Sturm, R., & Cohen, D. A. (2009). Zoning for health? The year-old ban on new fast-food restaurants in South LA: The ordinance isn’t a promising approach to attacking obesity. Health Affairs, 28(Suppl1), w1088-w1097

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