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  • Agrar- & Ernährungspolitik
  • 04/2021
  • Bharat Dogra

Bauern in Aufruhr – ihre Bewegung bringt Einheit und Hoffnung

In einer der größten Protestwellen in Indiens Geschichte wehren sich Landwirte gegen Gesetze, die Mindestpreise abschaffen und Ernährungsprogramme in Gefahr bringen.

Ein Protestmarsch von Bauern in Indien. Seit dem Herbst 2020 demonstrieren Landwirte vor allem an den Toren der Hauptstadt Delhi gegen die Liberalisierung des staatlichen Preis- und Vermarktungssystems. © CC 1.0 Wikimedia / Randeep Maddoke

Der November ist normalerweise ein Monat des angenehmen Wetters und der Feste in Neu-Delhi, aber in der letzten Woche dieses Monats im Jahr 2020 nahmen die Ereignisse eine ganz andere Wendung. Als Bauern zu Tausenden versuchten, in die Hauptstadt Indiens zu ziehen, um ihre Stimme zu erheben, wurden sie an den Stadtgrenzen von einem riesigen Polizeiaufgebot gestoppt. Mit Tränengasgranaten, Wasserwerfern und Schlagstöcken ging die Polizei hart gegen die Bauern vor. Die ließen sich in ihrer Entschlossenheit aber nicht einschüchtern. An verschiedenen Plätzen der Randbezirke begannen sie einen Sitzstreik (Dharna).

Seitdem hat diese Bauernbewegung in Indien hohe Aufmerksamkeit erregt. Obgleich Solidaritätsaktionen fast im ganzen Land stattfanden, hat sich die Bewegung am eindrucksvollsten an den Grenzen Delhis formiert: Bauern und Bäuerinnen versammeln sich und halten eine ständige Wache. Abhängig von Feiertagen und notwendiger Feldarbeit schwankte ihre Präsenz zwischen zehn- und hunderttausenden. Der Protest ist ungebrochen.

Die Mobilisierung kommt nicht von ungefähr. Indiens Bauern haben ein schweres Los, häufig türmen sich erdrückende Schulden auf, für die sie ihr Land und ihre Existenz aufs Spiel setzen. Mehr als acht von zehn landwirtschaftlichen Betrieben sind Kleinbauern auf Parzellen unter zwei Hektar. Sie werden erdrückt, von dem, was als Preis der grünen Revolution gilt: stetig und zuletzt steil steigende Kosten für Kunstdünger und Pestizide, um auf zunehmend ausgelaugten Böden irgendwie den Ertrag zu halten.

Zu dem Raubbau an der Natur gesellt sich ein ausbeuterisches Umfeld: In den Dörfern entscheiden Geldverleiher, wer noch Kredit bekommt, und das zu höheren Zinsen als in Banken. Sie sind auch meist die Zwischenhändler, die den Kleinbauern die Früchte ihrer Arbeit abkaufen – zu den von ihnen bestimmten Preisen. Brächten diese ihre bescheidene Ernte, die häufig nur ein Zubrot ist, selbst zum Markt, bekämen sie vielleicht einen gerechteren Preis. Aber der Aufwand lohnt nicht.

Unter der Bauernschaft hat sich zugleich der Eindruck verfestigt, dass die landwirtschaftliche Entwicklung zunehmend und vornehmlich in die Hände der Großbetriebe spielt. Den vorläufigen Höhepunkt, der dann auch den Zündstoff zu den Protesten lieferte, bilden drei Gesetze der Regierung Narendra Modi, die in einem Paket im vergangenen Jahr verabschiedet wurden. Im Kern zielen sie auf die schnelle Öffnung von bisher geschützten Märkten für landwirtschaftliche Erzeugnisse, wobei die Bauernverbände befürchten, dass vor allem mächtige Agrarkonzerne in die Lücke stoßen und auf einem liberalisierten Markt alleinige Gewinner sein werden.

Massives Bauernsterben befürchtet

Sie sehen die kleinen und mittleren Betriebe als drohende Verlierer, obgleich die Regierung höhere Einkommen verspricht. Sowohl der Zentralregierung wie auch den Bundesstaaten begegnen die Verbände mit Misstrauen, weil sie sich schon in der Vergangenheit auf die Seite von Konzernen und Baulöwen geschlagen haben, wenn es um die Umwandlung von Agrar- in Bau- oder Industrieland ging. Tatsächlich ist die Zahl der Haushalte von Bauern nach der jüngsten Volkszählung um 8,6 Millionen von 2001 bis 2011 gefallen. Das bedeutet, dass jede Stunde hundert Bauern Land verlieren, während die Zahl landloser ländlicher Haushalte steigt.

Die weit verbreitete Verschuldung indischer Kleinerzeuger ist eines der strukturellen Probleme der Landwirtschaft. Zum einen erdrücken die Kosten der grünen Revolution, zum anderen fehlt es an Anpassungshilfen gegen die zunehmenden Wetterkapriolen in Zeiten der Klimakrise. Häufig entsteht ein Teufelskreis aus Überschuldung, untragfähigen Zinsen und Notverkauf, der schließlich zum Verlust von Land führt. Andere Faktoren, die zum Bauernsterben beitragen, sind Vertreibung durch Bauprojekte, Trennungen von Familien, Degradierung der Bodenqualität, zunehmende Wasserknappheit oder niedrige Preise für Produkte.

Indien war 2019 wertmäßig der größte Reisexporteur und international nach China das größte Anbauland des Grundnahrungsmittels. © WHH

Die Forderung nach der Rücknahme der drei umstrittenen Landwirtschaftsgesetze ist neben verschiedenen von den Bauern aufgeworfenen Fragen die zentrale des größten Teils der Bewegung. Was sie umtreibt ist die Sorge, dass die drei Gesetze zusammen einen Wandel in Gang setzen, der es den Bauern noch schwerer machen wird, ihr Land zu behalten und ihren Lebensunterhalt zu verteidigen.

Über die Köpfe der Bauern hinweg

Schon als die Regierung Modi Anfang 2020 – zu Beginn der Covid-Krise – drei Verordnungen erließ, ohne auch nur eine Parlamentssitzung abzuwarten, wurde dies als ein willkürlicher Akt angesehen. Eine sinnvolle Konsultation der Landwirte fand nicht statt. Ebensowenig wurden nennenswerte Anstrengungen unternommen, die Zustimmung der Bundesstaaten einzuholen – schon gar nicht der von Oppositionsparteien regierten –, obwohl die indische Verfassung ihnen ein wichtiges Mitspracherecht in der Landwirtschaft einräumt. Erste Bauernproteste wurden ignoriert.

Mit noch ungebührlicherer Eile wurden die Verordnungen in parlamentarische Gesetze gegossen. Wie Experten bemängeln, ohne Anhörungen von Betroffenen, einschließlich der Landwirte, oder der Bundesregierungen. "Die Krise ist der Tatsache geschuldet, dass es kein proaktives Engagements mit den betroffenen Parteien gab", sagt M.R. Madhavan, Präsident von PRS Legislative Research. "Drei Bundesstaaten, alle mit Oppositionsregierungen, haben ihre eigenen Gesetze verabschiedet, um einige der Bestimmungen der zentralen Gesetze zu konterkarieren."

Das im September vom Präsidenten gebilligte Paket umfasst nun das Gesetz zur Ermächtigung und zum Schutz der Bauern durch vertraglich festgelegte Preisgarantien und Dienstleistungen, das Gesetz zur Förderung und Erleichterung von Handel und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte, und schließlich das Gesetz über lebensnotwendige Güter.

Schutz vor dem freien Markt

Um die Reformabsicht zu verstehen, muss man zunächst den bisher regulierten Markt erklären. Die meisten indischen Bauern verkaufen – geschützt vor dem »freien Markt« – den Großteil ihrer Erzeugnisse auf staatlich kontrollierten Großhandelsmärkten oder Mandis – und zwar zu Basis- oder Mindestpreisen, die vor jeder Aussaat zentral für ganz Indien festgelegt werden. Die Mandis werden von den Bundesstaaten gemäß dem Gesetz des Agricultural Produce Marketing Committee (APMC) reguliert. Demnach erfolgt der Verkauf von Agrarrohstoffen in einem System von Lizenzen, Steuern und Abgaben nur an diesen Börsen, an denen Großgrundbesitzer, große Getreidehändler und Verkaufsagenten mitwirken.

Menschenrecht

In Indien garantiert seit 2013 das „National Food Security Act“ landesweit Ernährungssicherung "durch Zugang zu ausreichenden Mengen an hochwertiger Nahrung zu erschwinglichen Preisen“. Damit sollen „Menschen ein Leben in Würde führen können“. Vor allem aber wird der Zugang zu Nahrung als Menschenrecht verstanden und der Staat in der Pflicht gesehen, bestimmte grundlegende Ansprüche zu befriedigen. So decken die Nahrungsmittel, die über staatliche Beschaffung und Verteilung zur Verfügung stehen, zwar den Kalorienbedarf Bedürftiger. Das System verändert allerdings auch die Gewohnheiten: Menschen sind auf Reis und Weizen angewiesen, die traditionelle Diversität ihrer Nahrung geht verloren.

Die drei Gesetze verstärken nun in ihrem inneren Zusammenhang die Marktmacht der Agrar- und Lebensmittelindustrie. Das erste Gesetz (FAPAFS) soll die Vertragslandwirtschaft (contract farming) erleichtern. Das System vertraglich garantierter Anbau- und Ernteabnahmen direkt zwischen Landwirten und Aufkäufern ist aus Sicht der Regierung eine freiwillige Absprache und sollte somit den Bauern keine Nachteile bringen.

Aber diejenigen mit Erfahrungen mit Großunternehmen befürchten Einschnitte in ihre Eigenständigkeit und Freiheit – und dass sie willkürlichen Zwängen ausgeliefert sind, wie etwa zu noch teureren Betriebsmitteln und Maschinen, oder dass ihre für den Verkauf angebauten Nutzpflanzen unter einem fairen Gegenwert eingestuft wird. Im Ergebnis wird noch mehr angebaut, was große landwirtschaftliche Unternehmen abnehmen, unabhängig vom Bedarf an vielfältigen Grundnahrungsmitteln zur Wahrung der eigenen Ernährungssicherheit. Die laufen vielmehr Gefahr, durch Exportware oder Luxuspflanzen verdrängt zu werden.

Das zweite Gesetz sieht ein leichtgängigeres Marktsystem ohne Steuern und Abgaben außerhalb des regulierten Marktes vor. Was sollte falsch sein an einer zusätzlichen Option, fragt die Regierung, solange das alte System erhalten bleibt. Das sagt sie zu. Die Landwirte hingegen erwidern misstrauisch, dass ein von Lasten und Abgaben befreites System zwangsläufig an Bedeutung und Dominanz gewinnt, noch dazu, wenn es gefördert wird, um allmählich den regulierten Markt zu verdrängen.

Ein Großhandelsmarkt oder Mandi in Uttar Pradesh. Bauern befürchten, dass die Vermarktung außerhalb des "Mandi-Systems" zum Ende dieser Märkte und der gesicherten Preise führen wird. © via Facebook

Die dritte Änderung betrifft die Lagerhaltung – bislang auch eine staatliche Domäne, mit unzureichender Infrastruktur und überquellenden Getreidesilos. Große Unternehmen erhalten forthin die Möglichkeit, Grundnahrungsmittel zu horten, ohne dass sie über den tatsächlichen Bedarf Rechenschaft ablegen müssen. Die Regierung will so Investitionen für Lager- und Vermarktungsstrukturen anziehen. Bauernverbände sehen darin eher eine Quelle des Profits als der Deckung des Grundbedarfs, auch mit subventionierten Lebensmitteln.

Größere Marktmacht

Sowohl in der Produktion, wie auch in der Lagerung und Vermarktung ist die Privatwirtschaft also auf dem Weg, an Marktmacht zu gewinnen. Eine Heerschar von Bauern bangt derweil, dass sie keineswegs an Freiheit gewinnen wird und dass sichere Preise bald der Vergangenheit angehören. Zwar gelten die Mindestpreise (MSP) nur für 23 Nahrungsmittel und lange nicht für alle Bauern. Wohl aber für eine Mehrheit. Wieviele es genau sind, variiert stark von Region zu Region, zwischen kleinen und großen Erzeugern, ihrem Einfluss, und nach den vorrangig gepflanzten Sorten.

In den fruchtbaren Gebieten der grünen Revolution von Punjab, Haryana und dem westlichen Uttar Pradesh, die in der Protestbewegung ganz vorn dabei sein, hängt ein großer Teil der Farmer von dem Mandi-System ab. In entlegeneren Gegenden sind es weniger. Der Effekt reicht jedoch über die Landwirte hinaus, die in APMC-regulierten Gebieten tatsächlich zum Garantiepreis verkaufen: Die Regierung setzt damit auch den Maßstab für die gesamte Preisgestaltung und stabilisiert den Preis auf einem relativ hohen Niveau. So mag die eigentliche Reichweite des MSP nur begrenzt sein, aber Landwirte vertrauen darauf, dass der Garantiepreis zu gegebener Zeit auch für sie gelten wird. Daher wird das System auf breiter Basis wertgeschätzt.

Auch in anderer Hinsicht hat sich die staatliche Beschaffung insbesondere von Weizen und Reis – und in geringerem Umfang auch von anderen Grundnahrungsmitteln – zu Mindestpreisen bewährt. So sind angemessene Vorräte gewährleistet, und die Regierung kann daraus reichlich und unkompliziert verbilligte Nahrungsrationen für bedürftige Familien unter der Armutsgrenze verteilen. Das geschieht im Rahmen des indischen Sozialprogramms PDS (Public Distribution System/öffentliches Versorgungssystem) und anderer Ernährungsprogramme. Wird die Art der  Beschaffung bedroht, gefährdet das auch die kontinuierliche Versorgung der Armen und Unterernährten.

Während die Regierung die Reform damit begründet, die Produktivität auf dem Subkontinent steigern zu wollen, argwöhnen Bauernverbände, dass sich hinter dem Rückzug aus der Regulierung eigentlich eine Agenda der Stärkung von Agrarkonzernen verbirgt. Das schürt auch Ängste vor dem Verlust von Land. Zwar enthalten die drei Gesetze nichts, was den Landwirten direkt das Land wegnehmen würde – eine Tatsache, die von der Regierung auch betont wird. Aber sie verstärken – etwa durch die Stärkung von Contract Farming– doch Trends, unter denen Parzellenbauern und Kleinlandwirte in der Vergangenheit landlos geworden sind.

Rückendeckung erhalten sie von Experten wie Kavitha Kuruganti von der Alliance  for Sustainable and Holistic Agriculture (ASHA), die sich der Protestbewegung angeschlossen hat. Er plädiert dafür, die Gesetzesinhalte, die Bauern ihrer relativen Autonomie und der Sicherheit eines fairen Preises berauben, zu überprüfen. Auch die führende Aktivistin Medha Patkar unterstützt die Rücknahme der Gesetze, weil sie die Interessen der Bauern zugunsten der Agroindustrie schwächen. Vor allem stützen viele Experten die Ängste der Bauernbewegung, dass am Ende die Ernährungssicherheit leidet, wenn gewinnorientierte Großkonzerne das öffentliche Versorgungssystem ins Wanken bringen. Aus der Sicht Kurugantis legitimert die Reform, dass künftig Konzerne lebensnotwendige Vorräte anhäufen, um ihre Gewinne zu steigern.

Anbaugebiete der grünen Revolution stehen auf

In vorderster Front der Proteste befinden sich Landwirte aus dem Punjab, Haryana und westlichen Teilen von Uttar Pradesh, denen das System der Mindestpreise über die hohen und steigenden Kosten infolge der Grünen Revolution hinweggeholfen hat. In diesen Gebieten intensiver landwirtschaftlicher Nutzung sind Böden ausgelaugt, Wasserpegel sinken, die Kosten für Betriebsmittel steigen, und viele Bauern sind wirtschaftlich in Schwierigkeiten oder verschuldet. Solidarität zeigen aber auch Bauern aus anderen Staaten wie Rajastan oder Madhya Pradesh. Die Schar der Unterstützer ist bedeutend. Wenn die Protestbewegung auch ihre Grenzen hat, so hofft die Bauernschaft doch, mit ihrer wachsenden Einheit mehr Einfluss zu gewinnen.

Ihrer Forderung nach einer Rücknahme der Gesetze ist die Regierung nicht gefolgt. Sie werden nicht angewandt. Über mehrere Verhandlungsrunden gab die Regierung zu erkennen, sie könnte Teile der Reform verändern. Offiziell wird jedoch nicht mehr verhandelt. Nach Auskunft einiger Verbandsführer finden dennoch inoffizielle Gespräche mit ausgesuchten Bauernvertretern statt. Ein Kompromis, der die Reform vielleicht teilweise eingefroren lässt, scheint nicht unmöglich.

Bauern im Bundesstaat Jharkand trocknen Reis in der Sonne. Der aufgetürmte Reisstroh im Hintergrund dient als Tierfutter. © Welthungerhilfe / Rommel

Denn die Anliegen der Bauern finden breite Unterstützung in verschiedenen sozialen Bewegungen, darunter die National Alliance of People's Movements (NAPM), sowie einigen Jugend-, Frauen- und Arbeiterorganisationen. Die Bewegung genießt Aufmerksamkeit und Anerkennung für die engagierte Teilnahme vieler Freiwilliger, darunter Frauen, für das kostenlose Verteilen von Lebensmitteln, für die steigende Verbundenheit von Landwirten und Arbeitern, für die Überwindung der strengen Trennung von Religionen, Regionen und Kasten. Landfrauen werden stärker geachtet. Insgesamt fühlen sich Bauern und Bäuerinnen selbstbewusster und und trauen sich, ihre Probleme zu äußern.

Preisgestaltung und Ökologisierung verbinden

Während dies eine positive Entwicklung ist, so fehlt der Bewegung doch das dringend notwendige Engagement, die indische Landwirtschaft auch in ökologisch tragfähige Bahnen zu lenken. Obwohl dieses Problem mit der schärfer werdenen Klimakrise immer dringlicher wird, befasst sich die Protestbewegung vordringlich damit, rechtliche Garantien zu bekommen, dass es weiterhin ein staatliches System der Mindestpreise geben wird.

Der Weg in die Zukunft wird darin bestehen, die Kosten deutlich zu senken – insbesondere durch geringere Abhängigkeiten von teurem Saatgut, Chemiedünger, Pflanzen- und Insektenschutzmitteln, Diesel usw. – und gleichzeitig auf Agrarökologie und ökologisch schonende Anbaumethoden zu setzen. Sind die Kosten erst einmal geringer, wird es viel einfacher, den Landwirten einen fairen Preis zu sichern, der weit darüber liegt. Daher sollten die Garantiepreise mit einer umweltfreundlichen und nachhaltigen Landwirtschaft verbunden werden.

Ein Markt in Jahmshedpur, Jharkand.
Landlose aus Dörfern finden Arbeit als Tagelöhner oder Träger auf den größeren Märkten der Stadt, wie hier in Jahmshedpur, Jharkand. © Welthungerhilfe / Rommel

Die wahre Herausforderung besteht jedoch darin, Umweltbelange mit denen der millionenfachen bäuerlichen Armut und Problemen der Ungleicheit in Einklang zu bringen. Mehr als zwei Drittel der indischen Bevölkerung lebt in Dörfern, und Land ist ein wichtiger Faktor für den Lebensunterhalt. Was den Landbesitz angeht, machen die unteren 50 Prozent der ländlichen Haushalte nur etwa 0,4 Prozent aus. 1987-88 waren es noch vier Prozent. Die oberen zehn Prozent der Landbesitzer kontrollieren hingegen 50 Prozent der Agrarflächen.

Auch zu diesem Thema der Umverteilung von Land an die Landlosen hat die Protestbewegung keine klare Haltung. Dabei müssten Reformen zu diesem Problembereich ebenfalls ganz oben auf der Agenda stehen. Denn das dafür zumindest bis in die 1980er Jahre bestehende Engagement der Regierungen hat drastisch nachgelassen. 

Indiens Landwirtschaft braucht eine Kombination aus Umweltschutz, Maßnahmen zur Eindämmung und zur Anpassung an den Klimawandel, und einem auf Gerechtigkeit fußenden System, das auch Landlosen etwas Land zuschlägt. Die Bauernbewegung verdient bei allen Limitierungen breite Unterstützung, da ihr Grundanliegen begründet ist. Ob sie das Potenzial hat, die Gesetze zu stoppen, ist offen. Aber die Entschlossenheit und die Ausdauer der Proteste in schwierigen Zeiten hat viele Menschen beeindruckt. Noch wertvoller wäre der Protest, wenn er sich ebenso klar zu einer ökologisch orientierten Landwirtschaft bekennen würde. Nicht nur, um die Degradierung und die Schäden der grünen Revolution zu stoppen, sondern um sich für die Zukunft zu rüsten.

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