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  • Agrar- & Ernährungspolitik
  • 12/2021
  • Dr. Sarah Ruth Sippel

Wenn Agrarland nur noch Rendite bringen soll

Land wird immer mehr zu einer eigenen Klasse der Geldanlage. Mit der fortschreitenden Finanzialisierung des Ernährungssystems zieht das Recht auf Nahrung den Kürzeren.

Indonesiens Torfgebiete, wie hier in Kalimantan, sind seit Jahren Ziel von Investitionen für großflächige Monokulturen. © Nanang Sujana/CIFOR

Ländliche Räume benötigen dringend mehr Investitionen – darüber herrscht oftmals Einigkeit. Doch wie diese Investitionen aussehen und von wem sie getätigt werden sollten ist umstritten. Besonders das Engagement von Finanzorganisationen wie Banken, Staats-, Renten- oder Hedgefonds wird kontrovers diskutiert. Einige sehen den Finanzsektor als geeignete Quelle für notorisch knappes Kapital. Andere sehen im Finanzkapital und der ihm innewohnenden Finanzlogik eine Bedrohung, die Ernährungsunsicherheit, Armut und Ungleichheiten zementiert. Widerstand gegen diese neuartigen Formen der „Finanzialisierung“ der Landwirtschaft und des Ernährungssystems regt sich nicht allein in Kontexten des Globalen Südens. Auch in Deutschland und weiteren „Nordkontexten“ gibt es Proteste und Gegenbewegungen.

Dieser Beitrag gibt zunächst einen Überblick zur Finanzialisierung des Ernährungssystems. Finanzialisierungsdynamiken werden daran anschließend am Beispiel von Investitionen in Agrarland vertieft und mit Blick auf die Rolle des Staats als Regulierer von Landmärkten sowie Aushandlungen auf lokaler Ebene diskutiert. Abschließend werden die Konsequenzen einer zunehmenden Finanzialisierung des Ernährungssystems aufgezeigt.

Finanzialisierung des Ernährungssystems

Seit den 1990er Jahren werden sozio-ökonomische Transformationen zunehmend unter dem Begriff der „Finanzialisierung“ diskutiert. Finanzialisierung bezieht sich im weitesten Sinne auf die Ausdehnung und zunehmende Macht des Finanzsektors und die damit einhergehende Ausbreitung und Akzeptanz finanzökonomischer Denkweisen, Handlungslogiken und Wertvorstellungen. Diese Dynamiken entfalten sich auf vielschichtigen Ebenen – von der Ausrichtung von betriebswirtschaftlichen Entscheidungen globaler Konzerne über die Ausgestaltung staatlicher Politiken bis hin zu Entscheidungen individueller Haushalte.

Innerhalb der wachsenden Finanzialisierungsliteratur lassen sich drei Literaturstränge unterscheiden (Van der Zwan 2014). Erstens wird Finanzialisierung als neues Regime kapitalistischer Akkumulation verstanden, innerhalb dessen Profite zunehmend über Finanzinstrumente generiert werden. Zweitens bezieht sich Finanzialisierung auf eine Unternehmensführung, die verstärkt auf die Interessen von Kapitalanleger:innen ausgerichtet ist (shareholder value capitalism). Finanzialisierung betrachtet drittens wie Haushalte und Individuen zunehmend in Finanzlogiken eingebunden werden, etwa über Privatkredite, private Rentenvorsorgesysteme oder finanzielle Weiterbildung (financial literacy).

Finanzialisierungsprozesse wurden für zahlreiche gesellschaftliche Bereiche beobachtet – von öffentlicher Infrastruktur über Wohnungsmärkte bis hin zu Gesundheit, Bildung und Kultur. Seit Mitte der 2000er Jahre wird ebenfalls von einer Finanzialisierung des Ernährungssystems gesprochen (Clapp 2014, Gertel und Sippel 2016). Über seine historische Rolle als Kapitalgeber hinaus, so die Beobachtung, ist der Finanzsektor zu einem einflussreichen Akteur geworden, der das globale Ernährungssystem machtvoll umgestaltet. Vier Dimensionen der Finanzialisierung des Ernährungssystems lassen sich unterscheiden: (1) die Finanzialisierung von Agrarhandels- und Lebensmittelkonzernen, die sich zunehmend auf Gewinnerzielung für ihre Aktionäre ausrichten, in Finanzprodukte investieren und diese auch selbst anbieten; (2) der Handel mit Derivaten auf Basis von Agrarrohstoffen an Warenterminbörsen; (3) die Neuausrichtung der landwirtschaftlichen Betriebsführung, in deren Zuge Landwirt:innen dazu angeregt werden, Kredite aufzunehmen, Versicherungen abzuschließen und ihr Betriebsmanagement entlang finanzlogischer Werte umzugestalten; und (4) direkte Investitionen in natürliche Ressourcen, allen voran produktives Agrarland, und deren Etablierung als alternative Anlageklasse. Auf letztere wird nachfolgend vertiefend eingegangen.

Eine Farm wird zur Vorbereitung der Kartoffelaussaat umgepflügt, New South Wales, Australien © Sippel

Agrarland als Anlageklasse

War der Finanzsektor historisch zumeist als Finanzgeber landwirtschaftlicher Projekte aktiv, so entstand Mitte der 2000er-Jahre vor dem Hintergrund steigender Rohstoffpreise und schwächelnder „traditioneller“ Anlageklassen (wie Aktien und Wertpapiere) ein verstärktes Interesse an direkten Investitionen in Agrarland und landwirtschaftliche Produktionen (Fairbairn 2020, Sippel und Böhme 2021). Finanzökonomische Annahmen zu den positiven Auswirkungen landwirtschaftlicher Investitionen auf die Renditeentwicklung von Portfolios untermauerten diesen Trend. So waren Investitionen in Agrarland in der Vergangenheit geringeren Wertschwankungen unterworfen als andere Anlageklassen und auch von der globalen Finanzkrise 2008 kaum betroffen. Hervorgehoben wurden weiterhin die begrenzte Verfügbarkeit von Land vor dem Hintergrund des Klimawandels und eine steigende Nachfrage nach Lebensmitteln. Beide Faktoren, so die Idee, machen Land auch in Zukunft wertvoll – und damit zu einer lohnenden Investition.

Nicht zuletzt wird der Anlagewert von Land – im Gegensatz zu anderen Anlageklassen – in der Kombination aus seinen produktiven Eigenschaften und der zu erwartenden Wertsteigerung gesehen. Aus finanztheoretischer Sicht bestehen Landrenditen damit aus zwei Teilen, der Einkommensrendite, die über Einkünfte aus dem landwirtschaftlichen Betrieb generiert wird, und der Kapitalrendite, welche über die Wertentwicklung des Landes erzielt wird. Das „Own-Operate“ Investitionsmodell kombiniert diese beiden Einkommensflüsse, während das „Own-Lease-out“ Modell Kapitalgewinne mit Einkünften aus Verpachtung verbindet.

Investitionsstrategien in Land unterscheiden sich erheblich je nach Finanzakteur und Investitionskontext. Staatsfonds repräsentieren eine verhältnismäßig homogene „nationale“ Form von Kapital und verfolgen – zumindest in der Rhetorik – zumeist längerfristige Investitionsprojekte. Investitionen von Agrarfonds oder Private Equity Fonds sind hingegen ein Schmelztiegel vielfältiger nationaler, öffentlicher und privater Kapitalsorten, die innerhalb eher kurzfristiger Zeithorizonte operieren (fünf bis sieben Jahre) und auf schnelle Wertsteigerung abzielen. Finanzakteure konstruieren darüber hinaus spezifische „Anlagegeographien“: Gewinnbringende Investitionsmöglichkeiten werden auf der Basis der ökonomischen, rechtlichen, politischen, sozialen, infrastrukturellen, landwirtschaftlichen und klimatischen Rahmenbedingungen konstruiert – der Globale Norden (v.a. Nordamerika, Australien, Neuseeland) gilt dabei als weniger „risikobehaftet“ als der Globale Süden, in dem Emerging Markets (Schwellenländer) oder Frontiers von Interesse sind.

De- und Re-Regulierungen von Landmärkten

Als De- und Re-Regulierer von Landmärkten spielen Staaten eine zentrale Rolle für die Finanzialisierung von Agrarland (Sippel und Böhme 2021). Durch die Privatisierung von Land, die Schaffung von Landmärkten und die neoliberale Deregulierung von Kapitalflüssen haben sie über Jahrzehnte hinweg erst die Grundlagen für die aktuellen Landakquisitionen geschaffen. Oft wurden bestehende rechtliche Regelungen, die der Beschränkung von Landkäufen dienten, gelockert und Landmärkte für ausländische Akteure und neue Formen von Kapitalflüssen geöffnet. So wurde die Finanzialisierung von Agrarland in der kanadischen Provinz Saskatchewan erst 2002 durch die Öffnung der Landmärkte für Investoren ermöglicht (Desmarais et al. 2017). Und auch die Landinvestitionen börsennotierter Unternehmen in der Ukraine und in Russland folgten auf staatliche Änderungen der Landgesetzgebungen (Kuns et al. 2016).

Weizenfeld in der Ukraine. Die Getreidewirtschaft ist ein Tummelplatz internationaler Investoren. © Richmondrural via Twitter

In der jüngeren Vergangenheit haben Staaten zugleich auf den innenpolitischen Druck reagiert, den die Zunahme ausländischer Landkäufe ausgelöst hat. Vielerorts wurden die Gesetzgebungen für Direktinvestitionen in Land revidiert und wieder verschärft (Fairbairn 2015). So haben unter anderem Brasilien, Argentinien, die Demokratische Republik Kongo, Benin, Ungarn, Rumänien und Australien strengere Landinvestitionsgesetze verabschiedet.

Die Re-Regulierung der Landmärkte ist allerdings mit Herausforderungen verbunden. Gesetzesänderungen basierten maßgeblich auf Maßnahmen der territorialen Kontrolle „ausländischer Akteure“. Diese werden dem hochgradig fluiden und nur bedingt nationalstaatlich gebundenen Charakter von Finanzkapitalflüssen kaum gerecht, wie Fairbairn im Fall von Brasilien konstatiert: „Nationales Land wird nicht von inländischer Kontrolle auf eine einheitliche ausländische Einheit übertragen, sondern das Land kommt unter die Kontrolle eines Kapitals, dessen nationale Bindung entweder instabil, vielfältig und undurchsichtig ist, oder einfach dazu dient, eine steuerliche Vorzugsbehandlung zu erlangen.“ (Fairbairn, 2015, S. 584; eigene Übersetzung)

Auch in Australien standen ausländische Akteure im Zentrum der öffentlichen Debatte um den „Ausverkauf“ australischen Lands, und ebenso wie in Brasilien gerieten einige – vorwiegend chinesische – Akteure stärker in die Kritik als „westliche“ Akteure. Eine neue Landinvestitionsgesetzgebung zielte entsprechend darauf ab, „ausländisches“, nicht Finanzkapital, stärker zu kontrollieren (Sippel und Weldon 2021). Die Finanzialisierung von Land wird damit jedoch nicht begrenzt.

Lokale Aushandlungen von Agrarinvestitionen

Neben Akteuren aus Staat, Wirtschaft und Finanzindustrie nehmen auch lokale Bevölkerungsgruppen entscheidenden Einfluss darauf, ob und wie Investitionsprojekte in Agrarland umgesetzt werden (Sippel und Böhme 2021). Vor allem im Globalen Süden formierte sich Widerstand gegen die oftmals existenzbedrohenden Auswirkungen großflächiger Landinvestitionen. Das wohl berühmteste Beispiel sind die Massenproteste gegen den 2008 geschlossenen Pachtvertrag des südkoreanischen Konzerns Daewoo über 1,3 Millionen Hektar Ackerland in Madagaskar. Die Proteste führten nicht nur zur Annullierung des Vertrags, sondern gar zum Sturz des madagassischen Präsidenten (Kress 2012).

Prozesse der Finanzialisierung von Agrarland treten jedoch keineswegs immer als „externe“ Gewalt auf, die auf das „Lokale“ hineinbricht. Großflächige Agrarinvestitionen bewegen sich in einem Spannungsfeld zwischen der Mobilisierung von Widerstand gegen Verdrängung und Exklusion, der Forderung nach Teilhabe und Integration bis hin zu aktiver Partizipation und Unterstützung. Lokale Bevölkerungsgruppen sind dabei weder passive Opfer noch kollektiv im Widerstand vereint, sondern weisen heterogene Interessenlagen auf (Borras und Franco 2013).

Ein differenzierter Blick zeigt, dass Konfliktlinien nicht nur zwischen lokalen (klein-)bäuerlichen Gemeinschaften und wirtschaftlichen oder staatlichen Eliten verlaufen, sondern auch innerhalb lokaler Bevölkerungsgruppen selbst (Moreda 2015). Lokale Reaktionen auf die zunehmende Konzentration von Agrarland in der Hand industrieller Agrarunternehmer und Finanzinvestoren sind zudem nicht zwangsläufig von Widerstand und Aufbegehren geprägt. Im Gegenteil können auch Forderungen nach Inklusion und Teilhabe an den agro-industriellen Großprojekten überwiegen (Larder 2015, Vorbrugg 2019).

Forschungen in Regionen mit einer hochindustrialisierten Landwirtschaft wie Australien haben zudem gezeigt, dass Agrarinvestitionen grundsätzlich oftmals begrüßt werden. Bedenken manifestieren sich aber gegenüber spezifischen Akteuren und deren Investmentpraktiken oder -motiven (Sippel et al. 2017). Diese reichten von Landkäufen unter dem „öffentlichen Radar“ und dem Abschluss von Geheimhaltungsverträgen mit Landverkäufer:innen oder -pächter:innen bis hin zu Klagen über mangelnde Beachtung oder sogar bewusste Missachtung von Rechtsvorschriften im Umgang mit Pestiziden.

Peru Regenwald Rodung
Rodungen von Regenwald für großflächige Palmölplantagen in Peru. © Rettet den Regenwald e.V.

Ob und unter welchen Bedingungen lokale Bevölkerungsgruppen tatsächlich von der Inklusion in Landinvestitionsprojekte profitieren können, bleibt allerdings fraglich. Agroindustrielle Produktionen bieten oftmals nur ungenügende Einkommensmöglichkeiten, während für die in Form von Vertragslandwirtschaft eingebundenen Kleinbäuer:innen neue Abhängigkeiten von globalen Konzernen und Weltmarktpreisen und damit verbundenen Risiken entstehen (Sippel 2014). Auch in Kontexten des Globalen Nordens können landwirtschaftliche Familienbetriebe durch die fortschreitende Finanzialisierung der Landwirtschaft in ihrer Existenz bedroht sein.

Konsequenzen der Finanzialisierung des Ernährungssystems

Die Finanzialisierung des Ernährungssystems hat vielschichtige und weitreichende Konsequenzen, die sozial-räumlich differenziert betrachtet werden müssen. Weder Finanzakteure noch Landwirt:innen und Kleinbäuer:innen stellen homogene Gruppen gleichgelagerter Interessen dar und müssen entsprechend kontext-sensibel untersucht werden. Finanzialisierung vergrößert jedoch insgesamt die räumliche und soziale Distanz zwischen Akteuren: Indem Akteure und deren Kapitalinteressen hinzutreten, werden Beziehungen zunehmend komplexer, während zugleich von der sozialen Einbettung von Land und Landwirtschaft abstrahiert wird (Clapp 2014). Räumliche und soziale Bezüge zwischen Akteuren werden abstrakter, anonymer und nur noch mit erheblichem Aufwand nachvollziehbar.

Dies befördert fragmentierte Verantwortlichkeiten und Situationen des „Verantwortungsversagens“ (Gertel 2010). Ein alternativer Ansatz würde darauf abzielen, Land und Landwirtschaft wieder stärker in direkte, unmittelbare und konkrete Interaktions- und Verantwortungszusammenhänge einzubetten. Ein Beispiel hierfür ist das Modell der solidarischen Landwirtschaft, bei der sich Produzent:innen mit Konsument:innen zusammenschließen und sowohl Risiko und Kosten als auch Ernte und Verantwortung teilen.

Frau steht an Stacheldrahtzaun.
Blick über den Stacheldraht: Frauen sind die verwundbarste Gruppe, wenn es um Landrechte geht. © Jason Taylor/ILC

Der Trend zur Finanzialisierung verschärft zugleich die Konkurrenz um natürliche Ressourcen. Ob Globaler Süden oder Norden, Landwirt:innen konkurrieren nicht mehr allein mit anderen Landwirt:innen oder Unternehmen um Land, sondern mit Akteuren, die über die gepoolten Finanzressourcen einer großen Zahl von Anleger:innen oder sogar Staatsreserven verfügen. Damit ergeben sich neugeartete Konkurrenzlagen: Zugänge zu Land werden zu einer kaum mehr zu überwindenden Hürde – landwirtschaftlich tätig sein können oft nur noch jene, die Land geerbt haben. In der Folge würde Landwirtschaft maßgeblich durch Unternehmen und Finanzakteure betrieben und keine Kulturpraxis mehr sein, an der Menschen und Familien mit ihren vielfältigen Identitäten und Leidenschaften für nahrhaftes und „gutes Essen“ beteiligt sind. Wir müssen uns fragen, ob wir dies für eine erstrebenswerte Zukunft der Landwirtschaft halten.

Darüber hinaus erschwert die Finanzialisierung staatliche Regulierung. Das auf nationalstaatliche Räume ausgerichtete traditionelle Kontrollwerkzeug kann die neuen Formen von Kapitalinvestitionen in Land nur begrenzt erfassen, da diese oftmals jenseits der Grenzen operieren oder bestimmte nationale Räume (wie z. B. Steueroasen) strategisch für ihre Zwecke nutzen. Die staatlicherseits geschaffene Hypermobilisierung von Kapitalflüssen, die zunehmend auch Land mit einschließt, verweist den Staat also in seinem ureigenen Territorium – der Kontrolle von Land – in seine Grenzen. Im Umgang mit dieser Problematik ist eine Politik gefragt, die die Besonderheiten von Finanzkapitalströmen in den Blick nimmt und diese reguliert: von der nationalstaatlichen und internationalen (EU, G7, G20) bis hin zur globalen Ebene (Internationaler Währungsfonds, Finanzstabilitätsrat).

Nicht zuletzt zementiert die Finanzialisierung des Ernährungssystems marktbasierte – und damit exkludierende – Zugangsbedingungen zu Land und Lebensmitteln. Diese ändern sich, je nachdem ob wir sie als öffentliches Gut, als Ware oder als Finanzanlage betrachten. Verstehen wir Land und Nahrungsmittel als öffentliche Güter, so sind sie Rechte-basierten Zugangsregelungen unterworfen. Verstehen wir sie hingegen als Waren oder Finanzanlagen, dann dienen sie primär dem Handel und der Gewinnerzielung, und Zugänge gestalten sich über Märkte. Märkte schließen Menschen, die nicht über die entsprechende Kaufkraft verfügen, von Zugang und Nutzung aus. Die jüngsten Ernährungskrisen in der Corona-Pandemie haben dies erneut deutlich gezeigt (Clapp und Moseley 2020). Ein Rechte-basiertes Verständnis hingegen garantiert Zugänge zu Nahrung als Bestandteil der Menschenrechte. Nehmen wir das Recht auf Nahrung ernst, so ist die Finanzialisierung des Ernährungssystems ein Schritt in die falsche Richtung.

Dr. Sarah Ruth Sippel University of Leipzig, Institute of Cultural Anthropology

Literaturverzeichnis

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Clapp, J., und W. G. Moseley (2020) „This food crisis is different: COVID-19 and the fragility of the neoliberal food security order“, The Journal of Peasant Studies, 47 (7), S. 1393–1417.

Desmarais, A. A., D. Qualman, A. Magnan und N. Wiebe (2017) „Investor Ownership or Social Investment? Changing Farmland Ownership in Saskatchewan, Canada“, Agriculture and Human Values, 34 (1), S. 149–166.

Fairbairn, M. (2020) Fields of Gold. Financing the Global Land Rush, Ithaca: Cornell University Press.

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