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  • Agrar- & Ernährungspolitik
  • 02/2023
  • Sasha Koo-Oshima
Schwerpunkt

Jeder Tropfen zählt: urbane Landwirtschaft und grüne Infrastruktur in Kreisläufen

Je mehr die Städte wachsen, desto stärker dürsten sie nach Wasser. Ökosysteme von Ballungszentren müssen die Landwirtschaft und die Nutzung von Regen- und Abwasser integrieren – etwa zur Vorsorge für Begrünung.

Frauen und Kinder stehen Schlagen vor einer kommunalen Wasserstelle im Slum Kibera in Kenia. © International Monetary Fund via Flickr

Viele Städte sind im vergangenen Jahrzehnt rasant gewachsen, rund 55 Prozent der Weltbevölkerung leben inzwischen in städtischen Gebieten. Dieser Trend wird sich in Zukunft fortsetzen: Bis 2050 werden voraussichtlich 70 Prozent der Weltbevölkerung in urbanen Ballungsräumen wohnen[1].

Für die Städte hat das Bevölkerungswachstum schwerwiegende wirtschaftliche, soziale und ökologische Folgen: Schon heute verbrauchen sie rund 80 Prozent der globalen Energie und 70 Prozent der weltweiten produzierten Nahrungsmittel, sie stehen für 60 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen und 70 Prozent des Abfalls. Der hohe Verbrauch an Wasser, Energie und Lebensmitteln in Städten führt in vielen Fällen zu einer starken Umweltverschmutzung. Sie trägt dazu bei, dass die landwirtschaftlichen Nutzflächen in Ballungsräumen schrumpfen. Ein nachhaltigerer Entwicklungspfad muss die Städte und die städtische und stadtnahe Landwirtschaft widerstandsfähiger, umweltfreundlicher und produktiver machen.

Harter Wettbewerb zwischen Stadt und Land 

In vielen ländlichen Gebieten nimmt die Ungleichheit zu, die Bedürfnisse der Landwirtschaft schädigen die natürlichen Ressourcen. Dies belastet Wasser, Böden und die biologische Vielfalt erheblich und führt zu umweltschädlichen Produktionsmustern, einschließlich der Abfallentsorgung, Bodenerosion und -degradierung, einer schlechteren Wasserqualität bis hin zur Ressourcenerschöpfung.

Die zunehmende Verstädterung verursacht eine stärkere Nachfrage nach Wasser. Der Konkurrenzkampf zwischen  Landwirtschaft, Industrie und privaten Haushalten um knappe Wasserressourcen wird sich weiter verschärfen. Starke Wasserknappheit führt außerdem zu mehr Wüstenbildung und verstärkt die Abwanderung der Menschen vom Land in die Städte zusätzlich. Dies wirkt sich negativ auf die landwirtschaft genutzte Fläche aus.

Eine wasserintensive Frucht. Tomaten werden vor der Verpackung für den Großmarkt in Ägypten gereinigt. © FAO/Heba Khamis

Eine nachhaltige Entwicklung der Städte, die auch Ernährungs- und Wassersicherheit einschließt, erfordert umweltfreundliche Produktions- und Verbrauchsweisen. In diesem Zusammenhang muss Wasserbewertung in die integrierte Bewirtschaftung der Wasserressourcen eingeschlossen, und müssen Ernährungssysteme von großen CO2-Emittenten zu Kohlenstoffspeichern umgewandelt werden.

Die Städte müssen gleichzeitig die städtische und stadtnahe Wassernutzung, die Wassererhaltung und die Abfall-/Nährstoffrückgewinnung im Kontext des Nexus Wasser-Ernährung-Energie-Ökosystem entwickeln. Die Abwasseraufbereitung, die Rückgewinnung der oft reichlich vorhandenen städtischen Abwässer, auch für die Begrünung städtischer und stadtnaher Gebiete, bietet eine echte Chance, in diesem Sektor eine Kreislaufwirtschaft aufzubauen.

Darüber hinaus können Hybridsysteme aus Aquakultur und Landwirtschaft Brackwasser und wiedergewonnenes Wasser effizient für die Fischzucht, Bewässerung und Kühlung nutzen. Dies gilt auch für Wasser in Privathaushalten, das keine Trinkwasserqualität haben muss. Rückstände aus der Aufbereitung können in größeren, zentralen Aufbereitungsanlagen in Energie umgewandelt und ihre Nährstoffe gewonnen werden.

Gut durchdachte Wirtschafts- und Umweltvorschriften können ein wichtiger Motor für Investitionen in die Wasserinfrastruktur sein und neue Märkte für Innovationen erschließen, zum Beispiel für die Wiederverwendung kommunaler Abwässer und die Rückgewinnung von Nährstoffen für die Bewässerungslandwirtschaft und die Forstwirtschaft. Bessere Regelungen können die Investitionen in einen sicheren und besseren Zugang zu Wasser und die Nachfrage nach Aufbereitungstechnologien für die Wassereinsparung und alternative Wasserversorgungsquellen (Wiederverwendung von Abwässern, Entsalzung und nicht konventionelle Wasserquellen) steigern[2].

Von der linearen zur Kreislaufwirtschaft

Um das Klimaabkommen von Paris zu erfüllen und natürliche Ressourcen wie Wasser umweltfreundlicher zu bewirtschaften, ist eine nachhaltige Entwicklung erforderlich, mit dem Ziel, eine wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können. Dafür müssen die städtische Landwirtschaft und die grüne Infrastruktur für Stadtentwässerung oder Nutzung des Regenwassers in die kommunale Flächennutzung, Planung und Politik integriert werden.

Die nachhaltige Wasser- und Bodenbewirtschaftung spielt eine zentrale Rolle für den Schutz natürlicher Ressourcen, die für die Landwirtschaft, die Ernährungssicherheit und ausgewogene Ernährung, Ökosystemleistungen, die biologische Vielfalt und für die Anpassung an den Klimawandel und dessen Eindämmung unentbehrlich sind. Wasser mit geringem Energieaufwand und erneuerbaren Energien aufzubereiten und wieder zu verwenden sowie  Brack-/Seewasser zu entsalzen trägt ebenfalls dazu bei, die Klimaziele der globalen Landwirtschaft zu erreichen. All dies würde einer nachhaltigen Stadtplanung und -entwicklung zugute kommen.

Wasserknappheit, Überschwemmungen und Dürreperioden

Es gibt zwei große Herausforderungen im Zusammenhang mit Wasser, die die Nachhaltigkeit städtischer Ballungsräume beeinträchtigen: der fehlende Zugang zu hochwertigem (Trink-)Wasser und die zunehmenden wasserbedingten Katastrophen wie Überschwemmungen und Dürren.

Weltweit haben rund 140 Millionen Stadtbewohner keinen Zugang zu Trinkwasser. Darüber hinaus sind rund 40 Prozent der Weltbevölkerung dem Risiko von Überschwemmungen ausgesetzt, da ihre städtischen Behausungen häufig in niedrig gelegenen Küstendeltas liegen. Im Jahre 2022 kamen Berichten zufolge etwa 7 000 Menschen[3] durch Überschwemmungen ums Leben. Überflutungsrisiken dominieren in Gebieten, in denen viele Menschen in niedrig gelegenen Einzugsgebieten von Flüssen wie dem Brahmaputra (Bangladesch), Euphrat und Tigris (Irak), Irrawaddy (Myanmar), Indus (Pakistan), Mekong (Kambodscha, Laos, Vietnam) und Nil (Ägypten, Südsudan) konzentriert sind, sowie in Ländern mit ausufernder Küstenurbanisierung (z.B., Guyana, Vietnam) und in Inselstaaten (z. B. Bahamas, Fidschi)[4].

Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change) schätzt, dass allein in Asien bis zum Jahr 2050 etwa 8,7 Millionen Menschen durch den Anstieg des Meeresspiegels vertrieben werden, wenn sich der derzeitige Trend fortsetzt. Weltweit würde dies rund 280 Millionen Menschen betreffen, so der Bericht, der sich auf 136 Megastädte (Hafenstädte mit mehr als einer Million Einwohnern im Jahr 2005) bezieht.

Ein FAO-Projekt für Bewässerung und Überschwemmungsschutz im stadtnahen Gartenbau in der DR Kongo. © FAO/Olivier Asselin

Die Bevölkerung, die unter Wasserknappheit leidet, würde sich darüber hinaus verdoppeln. Dies würde wegen geringerer Ernten zu einer unsicheren Ernährungslage führen, und mehr Menschen würden vom Land in die Städte abwandern.

Grünere Städte

Städte grüner und umweltfreundlicher zu gestalten ist unerlässlich, um ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken. Gesunde Wertschöpfungsketten von Lebensmitteln zu erhalten und mehr Grünflächen in städtischen und Einzugsgebieten anzulegen wird das Risiko von Dürren und Überschwemmungen verringern. Es ist sehr ermutigend, dass bereits mehr als 800 Millionen Menschen weltweit urbane Landwirtschaft betreiben. Die Vorteile der städtischen und stadtnahen Landwirtschaft liegen auf der Hand: kürzere Versorgungsketten, bessere Verfügbarkeit von frischen Produkten, gesündere Ernährung und bessere lokale Wirtschaftsmöglichkeiten.

Die städtische und stadtnahe Landwirtschaft mit Dach- und Balkongärten, Hydrokulturen, energiesparenden Gewächshäusern und vertikaler Landwirtschaft bietet den ökologischen Vorteil, den Energie- und Wasserverbrauch zu senken, die Luftqualität zu verbessern, Regenwasser aufzufangen und besser zu nutzen, und die Temperaturen bei Hitzewellen zu senken.

Eine verstärkte städtische und stadtnahe Landwirtschaft macht die urbanen Ballungsräume im Falle von unerwarteten Schocks außerdem ernährungssicherer und unabhängiger. Richtig angewandt bieten naturbasierte Lösungen in der Landwirtschaft einen dreifachen Nutzen: sie können die landwirtschaftliche Produktion und Widerstandsfähigkeit steigern, den Klimawandel abmildern und die Natur und die biologische Vielfalt fördern.

In der DR Kongo bauen Familien nahe der Stadt Lubumbashi in der Provinz Katanga Gemüse mit besonders geeignetem Saatgut an. © FAO/Olivier Asselin

Die FAO-Initiative "Grüne Städte" hilft, Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft besser in die städtische Politik und Planung zu integrieren. Sie bietet Geodaten sowie technische Hilfen für nationale Regierungen und kommunale Verwaltungen an, um die städtische Landwirtschaft und grüne Infrastruktur besser zu planen. Sie unterstützt Bauern, die mit Wasser- und Abwasseraufbereitung, Kompostierung von Abfällen und eine nachhaltige Land- und Bodenbewirtschaftung für eine sichere Nahrungsmittelproduktion sorgen wollen.

Ein entscheidender Katalysator für den Wandel ist die Schaffung eines Umfelds, das kontinuierliche Innovation und Anpassung ermöglicht.

Zur Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft ist erforderlich:

  1. Wasser- und Ernährungssicherheit in den Mittelpunkt der Stadtplanung stellen: Die Stadtplanung muss die negativen Einflüsse der Städte auf die Wasserqualität und -menge sowie auf die Energie- und Nahrungsmittelsysteme, einschließlich Lebensmittelverluste und -verschwendung, verringern. Erforderlich sind Vision, Engagement, wirtschaftliche Anreize, Stadtmanagement und Regeln[5].   
  2. Verantwortungsvoller Konsum: Die Städte müssen das Bewusstsein dafür schärfen, dass die Verbraucher im Hinblick auf die von ihnen verursachten beispiellosen Abfall- und Abwassermengen einen großen Einfluss auf die nachhaltige Stadtentwicklung haben. Aufklärungsarbeit und eine gezielte Änderung des Verbraucherverhaltens kann zu einer radikalen Abfallreduzierung führen und Verbrauchsmuster fördern, die die Kreislaufwirtschaft unterstützen.
  3. Rückgewinnung und Aufwertung von organischen Materialien: Die Städte müssen Programme zur besseren Rückgewinnung und Aufwertung organischer Materialien, auch aus Abwässern und Lebensmittelabfällen, entwickeln, um Einnahmen aus der Erzeugung von Energie und Kompost zu erzielen. Verrottetes organisches Material kann als Düngemittel verwendet werden.
  4. Recycling und Wiederverwendung: Die Privatwirtschaft muss die Sammlung, die Wiederverwendung und das Recyceln von gebrauchten Konsumgütern unterstützen, damit aus dem, was normalerweise als Abfall anfällt, neue Waren und Dienstleistungen entstehen können.
  5. Feste Abfälle und Ressourcen effizient nutzen: Die Städte müssen sicherstellen, dass Materialien in allen Phasen ihres Lebenszyklus (Gewinnung, Transport, Herstellung, Verbrauch, Verwertung und Entsorgung) und in der gesamten Lieferkette effizienter genutzt werden.

Eine integrierte Stadt-Land-Planung muss die Bedeutung von Wasser für die Entwicklung stärker anerkennen. Dies würde Werte von der Ernährungssicherheit bis hin zur Klimaresilienz in Einklang bringen, und Multi-Stakeholder-Prozesse ermöglichen, die für eine nachhaltige Stadtentwicklung und die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung wichtig sind, mit dem Ziel, niemanden und keinen Tropfen zurück zu lassen („leave no one and no drop behind“).

Sasha Koo-Oshima FAO, Deputy Director of Land and Water Division

[1] United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division (2019). World Urbanization Prospects: The 2018 Revision (ST/ESA/SER.A/420). New York: United Nations

[2] FAO NonConventional Water Symposium https://www.fao.org/land-water/events/ncwsymposium19/ts1/en/

[3] The Great Flood report of 2022 https://reliefweb.int/report/world/great-flood-rising-waters-and-food-insecurity-october-2022

[4] NATURE COMMUNICATIONS | doi.org/10.1038/s41467-022-30727-4

[5] Ellen MacArthur Foundation. 2019. City governments and their role in enabling a circular economy transition: an overview of urban policy levers

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