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  • Entwicklungspolitik & Agenda 2030
  • 06/2025
  • Dr. Hans Dembowski
Schwerpunkt

Der Abschied der USA vom globalen Gemeinwohl

Donald Trump lehnt die Verantwortung für öffentliche Güter ab. Dabei kann sich die Staatengemeinschaft angesichts wachsender Krisen imperiales Großmachtgebaren nicht leisten.

Eine Dose Speiseöl, darauf das Logo der USAID.
Ein starker Akteur in der internationalen humanitären Hilfe. Speiseöl von USAID zur Verteilung an Geflüchtete in Südsudan. © Stefanie Glinski / Welthungerhilfe

Alle in der Welternährung geäußerten Ansichten sind die der Autor*innen und spiegeln nicht zwangsläufig die Ansichten oder die Positionen der Welternährungsredaktion oder der Welthungerhilfe wider.

Wie zu erwarten war, bedeutet die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus für die Entwicklungspolitik nichts Gutes. Kaum vier Wochen im Präsidentenamt, ließ er seine Regierung die bilaterale Geberinstitution USAID abwickeln. Sie strich in großem Stil Geld, entließ Personal und unterstellte die Behörde dem Außenminister Marco Rubio.

Juristen halten dieses Vorgehen für illegal. Der Präsident hat zwar gewisse Spielräume bei der Mittelverwendung, ist aber verpflichtet, vom Kongress bewilligte Budgets auszugeben. Vor allem aber darf er Institutionen, welche der US-Kongress geschaffen hat, nicht eigenmächtig abschaffen.

Exakt beziffern lässt sich, was der Angriff auf USAID bedeutet, aus mehreren Gründen nicht. Das liegt nicht nur an Trumps erratischen Kurswechseln. Unklar ist vor allem, welche Schritte vor den Gerichten Bestand haben werden und in welchem Maße die Regierung sich deren Urteilen beugt. Obendrein war USAID nur für rund 40 Mrd. Dollar Entwicklungshilfe (ODA – Official Development Assistance) zuständig, weitere 20 Mrd. Dollar liefen bisher über andere Ressorts. Auch dieses Geld steht aus Trumps Sicht sicherlich noch zur Disposition.

Ausstieg aus der globalen Verantwortung

Nur die ODA-Zahlen zu betrachten, wäre ohnehin irreführend. Der Angriff auf USAID passt zu Trumps Austritt aus der Klimarahmenkonvention (UNFCCC – UN Framework Convention on Climate Change) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO – World Health Organization). In beiden Fällen sind neben den finanziellen auch die politischen Konsequenzen gravierend. Derweil verdüstert Trumps willkürliche Zollpolitik, die den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO – World Trade Organization) widerspricht, volkswirtschaftliche Aussichten weltweit. Wenn, wie sich abzeichnet, die „Voice of America“ zu einem reinen „America First“-Propagandasender wird, verstummt zudem eine Informationsquelle, die bisher Dinge wie gute Regierungsführung thematisierte.

Obendrein hat auch die Innenpolitik der führenden Weltmacht internationale Konsequenzen. Wenn die US-Regierung die Förderung der medizinischen Forschung reduziert, bremst sie damit Fortschritte in der Gesundheitsversorgung nicht nur im eigenen Land. Dass Washington jetzt Crypto-Währungen fördert, erleichtert illegitime Geldflüsse weltweit und destabilisiert die internationale Finanzarchitektur. Vor allem aber werden autokratische Tendenzen international umso stärker, je mehr es Trump gelingt, daheim Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit und demokratischer Gewaltenteilung obsolet zu machen.

Diese und andere Vorstöße Trumps verbindet eine Gemeinsamkeit: Auf nationaler wie internationaler Ebene verabschiedet sich das Weiße Haus von der Verantwortung für das Gemeinwohl.

Was auf Länder mit niedrigem Einkommen zukommt

Allein das Ausfallen von USAID hat verheerende Folgen für Länder mit niedrigen Einkommen und dort besonders für arme Menschen. Im Gesundheits- und Bildungswesen vieler Staaten klaffen plötzlich große Finanzlücken. Das gilt ähnlich auch für die Förderung der Landwirtschaft und für Nahrungsmittelhilfe.

Angesichts hoher Schulden können viele Entwicklungsländer die Lücken nicht aus eigener Kraft füllen. Die meisten afrikanischen Staaten treiben kaum Steuern ein und haben auch nicht die dafür nötigen Behörden. Wer dort ein funktionstüchtiges Finanzsystem schaffen will, muss mit heftiger Opposition rechnen, denn niemand zahlt gern Steuern. Ohne solch ein System ist es aber unmöglich, dringend nötige Staatseinnahmen zu generieren.

Die Rahmenbedingungen in Entwicklungsländern machen Selbstbereicherung für Menschen in Machtpositionen oft leichter als verantwortungsbewusste Politikgestaltung. Wo Straßen und Stromversorgung fehlen, Behörden zu wenig Fachpersonal haben und Sprachen- und Religionsvielfalt das Zusammengehörigkeitsgefühl stören, ist es schwer, nötige Reformen durchzusetzen. Inländische Politik wird also die meisten Löcher, die sich durch den Rückzug von USAID nun vielerorts auftun, kaum stopfen können.

Was Chinas Entwicklungspolitik auszeichnet 

Heute erhalten viele Entwicklungsländer bekanntlich nicht nur von etablierten Industrienationen Unterstützung, sondern auch von aufstrebenden Schwellenländern. Mit Abstand am wichtigsten ist China: Die Weltmacht Nummer zwei wird umso einflussreicher, je mehr sich die Weltmacht Nummer eins zurückzieht. Die Volksrepublik dürfte versuchen, sich mit großzügiger Unterstützung zu profilieren.

Ihre Entwicklungspolitik ist aber anders als die der etablierten Geberstaaten. Peking wird deshalb dort, wo Washington aus bilateraler Zusammenarbeit aussteigt, allenfalls indirekt Abhilfe schaffen.

Chinas „Belt and Road Initiative“ (BRI) ist auf den Ausbau der Infrastruktur, der Rohstoffförderung und anderer Wirtschaftszweige angelegt. Vorrang haben Straßen, Häfen, Luftfahrt und Eisenbahnen – und zwar besonders, wenn sie für den Außenhandel relevant sind. Zugleich unterstützt China Investitionen in Kraftwerke oder Wasserversorgung – allerdings mehr mit Blick auf Steigerung des ökonomischen Potenzials als auf unmittelbare Armutsbekämpfung.

Diese Initiativen sind volkswirtschaftlich oft sinnvoll. Allerdings schwankt nicht nur das BRI-Finanzvolumen stark, sondern auch die Qualität der Umsetzung, wie afrikanische Fachleute berichten. Problematisch ist ohnehin, dass China nicht transparent agiert, sondern seine Vorhaben mit den jeweiligen Regierungen ohne Beteiligung von Parlamenten oder Öffentlichkeit vereinbart. Peking besteht auch gern auf den Einsatz chinesischer Arbeitskräfte. Die BRI trägt folglich vergleichsweise wenig dazu bei, Arbeitsplätze und Fachkompetenz in den Zielländern zu schaffen.

Aktuell konzentriert sich China bei BRI-Projekten stark auf den Mittleren Osten. Das entspricht der Rivalität mit den USA, denn auch Trump umwirbt die Golfstaaten. Solche Großmachtpolitik ist zwar nichts Neues, auch nach dem Zweiten Weltkrieg standen alle entwicklungspolitischen Initiativen im Kontext der Systemkonkurrenz mit der Sowjetunion. Klar ist nun aber, dass Länder umso mehr auf Geld aus Peking (oder vielleicht auch Washington) hoffen können, je wichtiger sie für die Weltpolitik sind. Armutsbekämpfung ist allenfalls zweit- oder drittrangig.

China gibt sich gern als vorbildlicher Global Citizen, der im Geiste solidarischer Partnerschaft mit allen Ländern des globalen Südens kooperiert. Das stimmt aber nur teilweise. Über das neuartige Coronavirus informierte die Volksrepublik die WHO nur spät und unvollständig. Andernfalls hätte die globale Pandemie vielleicht verhindert, aber sicherlich schneller eingedämmt werden können.

Ähnlich wie China spielt auch Indien gern den solidarischen Partner des globalen Südens, hat aber in der Coronakrise ebenfalls versagt. Es stoppte die Impfstoff-Ausfuhr sofort, als die Infektionszahlen im eigenen Land rasant anstiegen. Indien konnte das Vakzin aber nur produzieren, weil die Universität Oxford dem Land ihr Patent gratis zur Verfügung gestellt hatte – und zwar mit der Bedingung, den globalen Süden zu versorgen.

Die Entwicklungspolitik aller Schwellenländer folgt vorrangig nationalen Interessen. Indien interessiert sich besonders für Länder, in denen südasiatische Diasporagemeinschaften die Wirtschaft prägen. Brasilien engagiert sich stark in afrikanischen Staaten, die Portugiesisch als Amtssprache nutzen. Die Türkei pflegt den Kontakt zu Regionen mit großer muslimischer Bevölkerung. Ähnliche Kalküle prägen selbstverständlich schon immer das Handeln der etablierten Geberstaaten. So setzen London und Paris ODA-Geld gern in früheren Kolonien ein.

Philanthropisches Oligarchengeld

Dass die US-Regierung sich aus internationalen Kontexten herauszieht, bedeutet jedoch nicht, dass Amerika komplett ausfällt. Teilweise versuchen philanthropische Akteure die Schäden der Trump-Politik zu begrenzen. Michael Bloomberg, den sein Medienunternehmen zum Multimilliardär machte, hat versprochen, mit Gleichgesinnten dafür zu sorgen, dass weiter Geld und wissenschaftliche Daten an das UNFCCC-Sekretariat fließen.

Microsoft-Gründer Bill Gates hat kürzlich angekündigt, seine Stiftung werde in den kommenden 20 Jahren doppelt so viel Geld für Gesundheits-, Bildungs- und andere Entwicklungszwecke aufwenden wie seit ihrer Gründung vor 25 Jahren. Bisher hat sie 100 Mrd. Dollar zur Verfügung gestellt, weitere 200 Mrd. Dollar sollen noch fließen, bis sie in 20 Jahren die Arbeit einstellen wird.

Die Gates-Stiftung nimmt mit hohen Spenden schon seit langem Einfluss auf wichtige internationale Institutionen. Für die Welternährung besonders wichtig ist dabei die Consultative Group on International Agricultural Research (CGIAR). Zu ihr gehören renommierte Einrichtungen wie das Internationale Reisforschungsinstitut (IRRI – International Rice Research Institute) in Manila, das Internationale Kartoffelzentrum (CIP – International Potato Center / Centro Internacional de la Papa) in Lima, oder das Internationale Institut für Ernährungspolitik (IFPRI) – International Food Policy Research Institute) in Washington. Ihre Forschungsarbeit schafft die Grundlage für künftige Ernährungssicherheit. Mit riesigen Finanzspritzen prägt die Gates-Stiftung auch die Impfallianz Gavi oder den Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria (GFATM).

Im Gegensatz zu Elon Musk, Jeff Bezos und vielen anderen Plutokraten, zeigt Gates Interesse an den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs). Allerdings nutzt er sein Geld, um ohne demokratische Legitimation Lösungen voranzutreiben, die ihm weltanschaulich gefallen. Unproblematisch ist das nicht. Bei kontroversen Themen – etwa, ob Gentechnik für die Landwirtschaft gut ist, oder ob Atomkraft als saubere Energie gelten kann – neigt Gates zu High-Tech-Lösungen.

Ohne Multilateralismus geht es nicht

Trump beansprucht zwar, Amerika wieder groß zu machen, schwächt tatsächlich aber den Einfluss seines Landes. Sein Glaube, er könne als Staatschef der wichtigsten Weltmacht in bilateralen Deals am meisten herausholen, ist fehlgeleitet. Ohne die USA als verlässlichem Partner steht jedoch die multilaterale Ordnung zur Disposition. Die USA waren eine ihrer zentralen Säulen, profitierten aber auch stark von ihr. Nun verspielt die neue Administration ihre „Soft Power“, also den Einfluss, den sie weltweit nicht ihrer militärischen Macht („Hard Power“), sondern dem Vorbild amerikanischer Institutionen, Kultur und Wirtschaft verdankt.

Es wäre gut, wenn die EU und ihre Mitgliedsländer die Lücken füllten, die Trump international aufreißt. Leider ist das unwahrscheinlich. Vorrang haben derzeit die Rüstungs- und die nationale Wirtschaftspolitik.

Der europäischen Öffentlichkeit ist nicht klar, wieviel Misstrauen uns in Afrika und Asien wegen der Kolonialvergangenheit entgegenschlägt. Es wäre strategisch klug, unsere Glaubwürdigkeit hinsichtlich des globalen Gemeinwohls zu stärken. Stattdessen leidet sie darunter, dass wir Entwicklungspolitik zunehmend vernachlässigen. Anders als die USA verfügt die EU nicht über „Hard Power“, sondern nur über „Soft Power“. Folglich dürfte der Einfluss Brüssels noch schneller schwinden als der Washingtons.

Die bislang zumindest in weiten Teilen regelgebundene Weltordnung scheint zunehmend obsolet. Die Menschheit kann sich allerdings die Art von imperialer Großmächte-Konkurrenz, die das 19. Jahrhundert prägte und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu zwei Weltkriegen führte, nicht leisten. Denn solch ein System nimmt keine Rücksicht auf globale öffentliche Güter, wie sie etwa in den Nachhaltigkeitszielen der UN-Agenda 2030 definiert werden.

Ohne ökologische Stabilität werden indessen auch volkswirtschaftliche Perspektiven und militärische Sicherheit zunehmend prekär. Dass aktuelle Krisen vielerorts gewaltbereite Gruppen beflügeln, ist nur ein Aspekt. Jenseits der bereits absehbaren Kipppunkte wird die Eskalation der Klimakrise für alle Länder katastrophal – und zwar unabhängig von ihrer relativen Stärke im weltweiten Ringen um Einflusssphären.

Dr. Hans Dembowski Journalist

Der Journalist Dr. Hans Dembowski war bis Ende 2024 Chefredakteur von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit

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