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  • Entwicklungspolitik & Agenda 2030
  • 12/2019
  • Marina Zapf

AidWatch: Europa vernachlässigt ärmste Länder

Der Trend läuft in Finanzierung und Fokus dem Leitgedanken „Niemanden zurücklassen“ der Agenda 2030 zuwider. Eine Graphik zeigt die bedürftigsten Ländergruppen

Das Gebäude der EU-Kommission in Brüssel, nun mit dem neuen Team von Präsidentin Ursula von der Leyen, das in den nächsten Monaten die Haushaltsverhandlungen mit den Mitgliedstaaten führen wird. © European Union / Mauro Bottaro

Alljährlich veröffentlicht der europäische Dachverband entwicklungspolitischer Organisationen Concord den Bericht AidWatch. In diesem Jahr enthält dieser zwei ernüchternde Botschaften: Die EU-Mittel für Entwicklungszusammenarbeit schrumpfen. Und sie erreichen nur zu einem geringen Anteil jene Länder, die am dringendsten auf Unterstützung in der Armutsbekämpfung angewiesen sind.

Laut dem AidWatch-Bericht gingen die Mittel 2018 um 5,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. Die Europäische Union sendet mit dem Abwärtstrend ein verheerendes Signal, kritisierte der hiesige Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (Venro): „In einer zunehmend von Nationalismus geprägten Welt ist es wichtiger denn je, dass die EU ihr Engagement zur Bekämpfung von extremer Armut verstärkt und sich nicht aus ihrer internationalen Verantwortung zurückzieht.“

Die Betonung liegt auf „extremer Armut“. Denn Concord identifiziert 16 Länder, die in der Armutsbekämpfung vor besonderen Herausforderungen stehen, und deren Chance, die UN-Entwicklungsziele (SDG) zu erreichen, am schlechtesten sind. In diese 16 Länder mit größter Armut, Fragilität und Ungleichheit fließen nur acht Prozent der EU-Mittel. Nur zwei davon – Afghanistan und Somalia – sind unter den zehn Ländern, die das Gros europäischer Fördermittel erhalten. Dem Leitgedanken der Agenda 2030, „niemanden zurückzulassen“, laufe dieser Trend zuwider.

Die bedürftigsten Länder filtert Aidwatch aus vier Gruppen heraus. Länder, die am weitesten von den SDG entfernt sind (Severely Off-track Countries) sind geprägt von schwacher Regierung, die Privatwirtschaft scheut sich zu investieren, es herrscht Verunsicherung durch Gewalt und Umweltkatastrophen. Acht von zehn Menschen in extremer Armut werden in diesen 31 abgeschlagenen Ländern leben. Doch sie erhalten weniger als ein Viertel der ODA von EU und ihren Mitgliedstaaten.

In der zweiten Gruppe finden sich 28 Länder mit dem höchsten Anteil extremer Armut an der Bevölkerung (Severely Poverty Challenged Countries): Mehr als jeder Fünfte wird 2030 über eine Kaufkraft von 1,90 Dollar am Tag nicht hinauskommen. Die dritte Ländergruppe versammelt die geballte Armut: In ihr werden voraussichtlich 80 Prozent der Armen leben (Countries Being Left Behind). Die Schnittmenge der drei Gruppen umfasst 20 Länder mit besonderer Armutsproblematik, die aber nur zehn Prozent der EU-ODA und ihrer Mitgliedstaaten erhalten. Alle bis auf eines gehören zu den am wenigsten entwickelten Ländern (LDC), bis auf fünf sind es fragile Staaten.

Umsteuern zugunsten der bedürftigsten Länder

In Beziehung zu einer weiteren Gruppe, deren Regierungen weniger als die Hälfte der Finanzmittel einnehmen, als sie für eine Grundversorgung mit Bildung, Gesundheit und Sozialdiensten aufbringen müssten (Severely Financially Challenged), ergibt sich eine Schnittmenge von 16 Ländern, die am dringendsten externe Hilfe benötigen. Diese gefährdeten Partner dürften nicht aus dem Blick verloren werden, mahnt Aidwatch. Eine Botschaft die, auch für die bilaterale deutsche Entwicklungszusammenarbeit Relevanz birgt: Das Entwicklungsministerium will Anfang 2020 die Empfänger bilateraler staatlicher Zusammenarbeit neu festlegen.

Grundsätzlich zielt das Leitprinzip „niemanden zurücklassen“ auf besonders benachteiligte Personengruppen, darunter indigene Völker, Frauen, Kinder, ältere oder behinderte Menschen. Doch wird das Konzept in verschiedenen Studien ebenso auf Länder bezogen, die Gefahr laufen, in der Erfüllung der SDG abgehängt zu werden. Denn einige der ärmsten und von Ungleichheit geprägten Länder machten in den vergangenen Jahren nur minimale Fortschritte in der Entwicklung, mahnt Concord, mit wenig Aussicht auf Besserung. So verschärfe sich die Ungleichheit zwischen den Staaten, mit dem eklatanten Ergebnis, dass die Länder, die aus größter Not heraus die SDG anstreben, am wenigsten Weg gutmachen. 

Marina Zapf, Journalistin, berichtet seit 20 Jahren aus Berlin über Themen der Außen, Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik.
Marina Zapf Team Welternährung.de
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