Britische Entwicklungspolitik: Wie sollte das Angebot einer neuen Regierung aussehen?
Renommierter Außen- und Entwicklungsexperte empfiehlt nach dem Labour-Sieg eine Neuaufstellung der Institutionen – auch mit einer BIZ.
Viertgrößter OECD-Geber
Großbritannien rangierte 2023 mit staatlichen Entwicklungsleistungen von 19,1 Mrd. Dollar (15,4 Mrd. Pfund) an vierter Stelle der Industrienationen und erreichte damit eine ODA-Quote von 0,58 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE). Der Anteil heimischer Kosten für Flüchtlinge an der ODA stieg auf 28 Prozent. Humanitäre Hilfen sanken um 20 Prozent zum Vorjahr. Beobachter sehen geringen finanziellen Spielraum für die neue Labour-Regierung, ihr EZ-Budget spürbar anzuheben.
Das mit Beschluss von Juni 2020 unter Premierminister Boris Johnson abgeschaffte Entwicklungsministerium war als eigenständiges Ressort (DFID) ein wirksames und innovatives organisatorisches Modell. Aber seine Wurzeln stammten aus der Zeit unmittelbar nach dem Kalten Krieg. Heute – in der Mitte der 2020er Jahre – ist ein auf Werten (der Armutsbekämpfung) basierendes Entwicklungsangebot bei den Partnern schlicht nicht mehr glaubwürdig, denn wir leben in einer zunehmend multipolaren Welt, in der der Anteil des Vereinigten Königreichs an der Weltwirtschaft schrumpft und das Vertrauen zwischen "dem Westen" und dem globalen Süden an einem Tiefpunkt angelangt ist.
Das neue Foreign, Commonwealth and Development Office (FCDO) wurde als Ministerium für Auswärtiges, Angelegenheiten des Commonwealth und Entwicklungspolitik in aller Eile eingerichtet – und hat sich seitdem schwer getan. Die Prioritäten der Außenpolitik haben die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) übertrumpft. Letztere verlagerte sich zunehmend auf kurzfristige Ziele; zugrundeliegende Fakten und die Wirkung erhielten geringere Aufmerksamkeit. Die Gesamtzahl der Mitarbeiter, die im Bereich der EZ tätig sind, wurde reduziert, das Fachwissen ging verloren, und es gab für die besten Köpfe sogar Anreize, von der Entwicklungsarbeit in die Außenpolitik zu wechseln. Der Gewichtsverlust im internationalen Aktionsfeld der Entwicklungspolitik wurde noch erheblich beschleunigt durch die sinkenden Budgets staatlicher Entwicklungsleistungen (ODA) und den rasch steigenden Anteil, der dafür an Kosten für die inländische Versorgung von Flüchtlingen angerechnet wurde.
Aber wie könnte mit Blick auf die Zukunft ein angemessenes Entwicklungsangebot des Vereinigten Königreichs aussehen? Dieser Impuls-Beitrag soll eine Debatte über die Gestaltung des künftigen internationalen Angebots der Entwicklungs- und Klimapolitik im Vereinigten Königreich anstoßen.
Die Ziele des Vereinigten Königreichs müssen klar formuliert werden:
- Einfluss nehmen auf Themen, die für den langfristigen Wohlstand und die Sicherheit des Königreichs von Bedeutung sind: Dies erfordert eine Konzentration auf Prioritäten wie die internationale wirtschaftliche Instabilität und das Wirtschaftswachstum (einschließlich der armen Länder), auf Ungleichheit (einschließlich der Geschlechterfrage), auf den Klimaschutz sowie auf Konflikte und Sicherheit.
- Gewicht im internationalen System gewinnen: Dies bedeutet, dass der Schwerpunkt auf Investitionen in wichtige multilaterale und regionale Gremien gelegt wird, sowie auf die Zusammenarbeit mit Partnern mit dem Ziel, diese zukunftsfähiger zu machen.
- Einfluss bei Schlüsselländern unter den Entwicklungspartnern: Der Fokus sollte auf Zuschüsse an ausgewählte Niedrigeinkommensländer (LICs) und die Entwicklung von Instrumenten ohne Vorzugsbedingungen für Mitteleinkommensländer (MICs) gelegt werden. Zudem gilt es länderspezifische Strategien/Prioritäten zu unterstützen (Stichwort Lokalisierung)
Was bedeutet dies für die Struktur des britischen Entwicklungsangebots?
I. Die Aufsicht über internationale Angelegenheiten, einschließlich Entwicklung und Klimaschutz, sollte in einem einzigen Ministerium vereint bleiben, um politische Kohärenz zu gewährleisten: Dies beinhaltet eine einheitliche politische Aufsicht, die Formulierung von Strategien und die Entscheidungsmacht über politische und allgemeine Ausgaben (d.h. Mittelzuweisungen für multilaterale und bilaterale Programmprioritäten). Für die politische Verantwortlichkeit sollte ein Staatssekretär für internationales Klima und Entwicklung auf Kabinettsebene geschaffen werden sowie ein zweiter ständiger Sekretär mit umfassender Rechenschaftspflicht für alle ODA-Ausgaben (einschließlich Personal). Ihre Funktionen würden neben dem Außenminister und dessen Staatssekretär und im Gesetztesrahmen des International Development Act angesiedelt.
II. Zweitens wird ein bilaterales Umsetzungsmodell entwickelt, mit unterschiedlichen Instrumenten für Entwicklungs- und Klimaangelegenheiten, das wie eine kohärente Gruppe von Agenturen/Gremien (wie Einzelhandelsgeschäfte) gemanagt wird. Der Großteil des Personals sollte im Ausland und nicht im Vereinigten Königreich tätig ist, um eine nachhaltige Wirksamkeit zu erzielen. Dazu gehören:
a) eine neue bilaterale Institution British International Cooperation, die Zuschüsse von UKaid zugunsten von entwicklungs- und klimabezogener technischer Zusammenarbeit (TZ) in ausgewählten Ländern mit niedrigem Einkommen (und möglicherweise LMICs) verwaltet sowie bilaterale humanitäre Hilfe. Ihr Personal in Übersee würde weiterhin aus den Botschaften heraus arbeiten. Die Argumente für eine neue Agentur speisen sich aus folgenden Erwägungen:
- Sie folgt einem klaren Mandat, das auf die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und des Wohlstands der Entwicklungsländer ausgerichtet ist
- dass nach Ministerbeschluss die Entscheidungen über die Programmdurchführung bei der BIC liegen und auf programmatischen Betrachtungen basieren sollten (d.h. Evidenz, Zielerfüllung und Wirksamkeit)
- die Durchführungsorganisation verankert regierungsinternes Fachwissen und Fähigkeiten sowie die Nutzung von Daten und Messgrößen im Bereich Entwicklung und Klima
- sie bedient alle Ministerien, bietet also ein konsolidiertes Durchführungsmodell für alle ODA-Leistungen der Regierung, einschließlich dem FCDO, dem Ressort für Energiesicherheit und Klimaneutralität (DESNZ) und dem Ressort für Umwelt, Ernährung und ländlichen Raum (DEFRA) u.a.
- sie konsolidiert die Kapazitäten in den Bereichen Zuschüsse, Beschaffung, Personal und Projektmanagement und sorgt somit dafür, dass ein größerer Teil der Durchführungskette in die Strukturen der Regierung verlagert wird – statt über Subunternehmen und Vertragspartner abzuwickeln (was derzeit bei den meisten Vorhaben der technischen Zusammenarbeit und humanitären Hilfe der Fall ist)
- sie sorgt so für ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis für die britischen Steuerzahler und eine größere Glaubwürdigkeit bei den Partnern
b) Eine British International Investment Bank als Entwicklungsbank, die aus der British International Investment (BII, zur Förderung von Unternehmen in Entwicklungsländern) (und möglicherweise der UK Infrastructure Bank) hervorgeht. Sie sollte das Recht haben, Anleihen auf den Kapitalmärkten zu begeben, damit die gesammelten Investitionsflüsse ein Vielfaches der bisherigen ODA-Ausgaben der britischen Regierung erreichen können. Die Argumente für eine Entwicklungsbank begründen sich wie folgt:
- Ein erweitertes Mandat umfasst die wirtschaftliche Entwicklung und den Klimaschutz in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen.
- Es ermöglicht auch die staatliche Kreditvergabe, um so die bestehenden Instrumente der British International Investment (BII) für den Privatsektor zu ergänzen.
- Es kann eine Vielfalt von Instrumenten angeboten werden, die mit angemessenen Konditionen ("Vorzugsbedingungen" und "nicht-konzessionäre", Eigenkapital und Darlehen, technische Hilfe) auf verschieden Gruppen von Kunden/Partnern eingehen können.
- Es können Kofinanzierungen mit der Behörde für außenwirtschaftliche Exportfinanzierung (UKEF) und anderen internationalen Institutionen der Entwicklungsfinanzierung entwickelt werden.
- Die Entwicklungsbank wird so strukturiert, dass ihre Anleihen (entweder durch Kapitalbeteiligung, Risikomanagement oder andere Modalitäten nicht die staatliche Verschuldung des Vereinigten Königreichs erhöht.
c) Der British Council erhält ein klares Mandat und eine klare Mittelausstattung (einschließlich aus Nicht-ODA-Mitteln), um sich auf die Förderung von Kultur- und Bildungspartnerschaften in Übersee zu konzentrieren.
d) Die Westminster Foundation for Democracy wird in "British..." umbenannt und erhält ein erweitertes Mandat sowie Ressourcen, um sich international auf die Stärkung guter Regierungsführung, von Menschenrechten und von demokratischen Verfahren zu fokusieren.
III. Zur Umsetzung der internationalen Prioritäten des Vereinigten Königreichs sollte drittens zu einer mittelfristigen Verpflichtung übergegangen werden, mindestens 1 Prozent des BNE für geplante internationale Ausgaben einschließlich der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) auszugeben – und das neben der Verpflichtung, 2 Prozent für die Verteidigung auszugeben. Alle größeren ungeplanten Ausgaben sollten aus der Reserve des Zentralhaushalts bestritten werden, wie dies bei unvorhergesehenen militärischen/sicherheitspolitischen Operationen bereits der Fall ist.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Website des Thinktanks Oversees Development Institute (ODI).
Moazzam Malik war Generaldirektor im britischen Außen- und Entwicklungsministerium (FCDO und DFID), diente als Botschafter der Regierung in Indonesien und bei der ASEAN-Staatengruppe, und ist Mitautor des Buches ‘The World in 2040: Renewing the UK’s Approach to International Affairs’, unter anderem mit Unterstützung von Mark Miller vom Thinktank ODI.