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  • Entwicklungspolitik & Agenda 2030
  • 02/2021
  • Charles Martin-Shields

Neue Stimme für Menschenrechte und gute Regierungsführung

Die USA werden unter Präsident Biden eine Entwicklungspolitik verfolgen, die rechtebasiert ist und Demokratie fördert.

Eine Dose Speiseöl, darauf das Logo der USAID.
Ein starker Akteur in der internationalen humanitären Hilfe. Speiseöl von USAID zur Verteilung an Geflüchtete in Südsudan. © Stefanie Glinski / Welthungerhilfe

Der Amtsantritt von Präsident Joe Biden markiert eine Kehrtwende weg von der Regierungsführung des Vorgängers. Anstelle der abgeschotteten "America First"-Strategie von Donald Trump wird Bidens Team die Zusammenarbeit mit multilateralen Organisationen wieder aufnehmen und zu den unter Barack Obama unterzeichneten Abkommen zurückkehren. Als Teil der außenpolitischen Agenda der Vereinigten Staaten wird auch die Entwicklungszusammenarbeit eine größere Rolle in der Biden-Regierung spielen.

Während Trump den Direktor der Behörde USAID komplett ignorierte, hat Biden die Position zu einem ständigen Mitglied im Nationalen Sicherheitsrat (NSC) des Weißen Hauses erhoben. Dies ist eine außergewöhnliche Entwicklung, da USAID traditionell kein zentrales Mitglied des NSC ist. Es wird in der Praxis bedeuten, dass die Interessen der US-Entwicklungszusammenarbeit bei außenpolitischen Besprechungen auf Kabinettsebene vertreten sein werden.

Damit ist zu erwarten, dass sich die Entwicklungspolitik nicht nur auf traditionelle Themen wie Wirtschaftswachstum, Ernährungssicherheit und öffentliche Gesundheit konzentrieren wird, sondern auch eine maßgebliche Rolle bei der amerikanischen Förderung von Menschenrechten und Demokratie in Entwicklungsländern spielen wird.

Aufwertung im Weißen Haus

Dabei ist der Chef von USAID dem Nationalen Sicherheitsrat nicht ganz unbekannt. Unter früheren Präsidenten gehörte er dem Stellvertreterausschuss an – eine Stufe unter dem Hauptausschuss, in dem der Außen- und Verteidigungsminister sowie andere Kabinettsmitglieder die Außenpolitik bestimmen. Die Mitglieder des Stellvertreterausschusses nehmen nur auf Einladung teil, wenn der Nationale Sicherheitsrat tagt – sofern es sich um relevante Themen handelt.

Die Beförderung von USAID in den Hauptausschuss bedeutet, dass die Perspektive der Entwicklungszusammenarbeit nicht nur von Kabinettsmitgliedern, sondern auch von Bidens Nationalem Sicherheitsberater und dem Stabschef des Weißen Hauses routinemäßig gehört wird. Angesichts der Nähe der beiden zum Präsidenten ist damit klar, dass der Präsident die Entwicklungszusammenarbeit als eine außenpolitische Komponente ernst nehmen wird und über sie informiert sein will.

Biden_Flag_Washington
Mit dem Amtsantritt von Präsident Joe Biden erwarten viele Partner der USA eine Rückkehr zum Multilateralismus. © Gayatri Malhotra on Unsplash

Darum ist es interessant, die Personalien in der Führung von Außenministerium und USAID gemeinsam zu betrachten, da beide eine Schlüsselrolle dabei spielen werden, wie Biden die Entwicklungszusammenarbeit in die allgemeine außenpolitische Agenda der USA einbindet.

Fokus Menschenrechte und Demokratie

Die Berufungen von Antony Blinken zum Außenminister und von Samantha Power zur Leiterin des Entwicklungsprogramms signalisieren, dass Biden nicht nur das multilaterale Engagement und die Entwicklungskooperation in der Weltpolitik ernster nehmen wird, sondern dies insbesondere mit Blick auf die Förderung von Menschenrechten und Demokratie tun will. Power, die als UN-Botschafterin von Obama diente und einen Pulitzer-Preis für Beiträge über Völkermord und andere Gräueltaten gewann, ist eine äußerst bemerkenswerte Wahl in einer Zeit, in der Klima und globale Gesundheit so brennende Anliegen sind.

Eine mögliche Lesart ist, dass die Biden-Regierung diese  Anliegen als untrennbar von guter Regierungsführung und Menschenrechten sieht. Um sie zu lösen, müssen die Bemühungen der Entwicklungszusammenarbeit gleichermaßen die Governance- und die sozialen Probleme angehen, wegen der die extrem Armen und die politisch Benachteiligten so ungleich größeren Risiken ausgesetzt sind. Wie Biden in seiner ersten großen außenpolitischen Rede betonte, muss das, was die USA in die Welt hinaustragen, innenpolitisch seine Entsprechung finden.

Mehrere Menschen stehen auf einer Wiese.
Kennt das UN-System: die ehemalige UN-Botschafterin und nominierte Chefin der amerikanischen Entwicklungsagentur USAID auf Mission in Liberia 2014. © Lance Cpl. Andre Dakis, Public domain, via Wikimedia Commons

Wenn die Wahl von Power darauf basiert, einen auf Rechte und gute Regierungsführung basierten Ansatz in Sektoren wie globale Gesundheit und Klimawandel einzubringen, dann passt das zu Bidens innenpolitischen Weichenstellungen in der Umwelt- und Gesundheitspolitik. Zum Beispiel ist Michael Regan, der die US-Umweltschutzbehörde leiten wird, sowohl Wissenschaftler wie auch Verfechter eines rechtebasierten Ansatzes beim Klimawandel. Grundsätzlich will sich der Anspruch der USA in der Entwicklungszusammenarbeit auch innenpolitisch begründen, und das spiegelt sich in unterschiedlichen Personalien einschließlich Samantha Power wider.

Umgang mit Konflikten

In mancher Hinsicht werden Menschenrechte und Demokratie unumgänglich sein, wie etwa im Verhältnis zu Myanmar, wo USAID sowohl in der Demokratieförderung wie auch in der anhaltenden Friedens- und Versöhnungsarbeit tätig ist. Dies sind Schlüsselbereiche, in denen Samantha Power Expertin ist und seit über einem Jahrzehnt arbeitet. Wenn die Regierung Biden hofft, die aktuellen humanitären und gesundheitlichen Krisen zu bewältigen, wird es auch darauf ankommen, einen menschenrechts- und governance-basierten Zugang zu Feldern wie der Ernährungssicherheit und der globalen Gesundheit zu etablieren. Am Beispiel Jemen lässt sich verdeutlichen, dass USAID keine Grundversorgung mit Nahrungsmitteln gewährleisten kann, wenn es nicht parallel Programme für Friedenssicherung und Konfliktlösung auflegt.

Ein weiterer Sektor, in dem die Stärkung guter Regierungsführung und Demokratieförderung von zentraler Bedeutung sein wird, ist die globale Gesundheit. Hier ist USAID federführend bei der COVID-Unterstützung in Entwicklungsländern. In Tansania hat der zunehmende Autoritarismus zum Beispiel den Boden dafür bereitet, dass die Existenz von Covid-19 schlicht geleugnet und die Einfuhr von Impfstoffen verweigert wird. Ohne die zugrunde liegende Problematik von Menschenrechten, Frieden und Konfliktlösung sowie der demokratischen Rechenschaftspflicht zu thematisieren, wird USAID nur schwerlich in anderen Feldern der technischen Zusammenarbeit vorankommen.

Abkehr von Technikfokus?

Im Vergleich zu den letzten beiden USAID-Leitern, die Experten für öffentliche Gesundheit und Verwaltung waren, steht die Entscheidung für Power für eine wahrscheinliche Wende zu einem deutlicheren politischen Fokus auf Menschenrechten und gute Regierungsführung. Dies markiert auch eine Abkehr vom Engagement der Obama-Regierung für öffentlich-private Partnerschaften, insbesondere im Hinblick auf Technologie und Innovation.

Unter Rijiv Shah, dem USAID-Administrator der Obama-Regierung, wurde entwicklungspolitisch viel Wert auf Partnerschaften mit dem Privatsektor sowie auf Wissenschaft und Technologie gelegt. Somit hatte USAID einen stark technischen Fokus auf Big Data und Digitalisierung, der in vielerlei Hinsicht die ernstere Politik der Menschenrechts- und Demokratieförderung vernachlässigte. Ein wichtiger Akt von Obama war die Schaffung des U.S. Global Development Lab eigens für die Koordinierung dieser Agenda und unabhängig von den zentralen USAID-Büros. Beim Umbau von USAID unter Donald Trump wurde das Lab als Innovation, Technology, and Research Hub dem Büro für Entwicklung, Demokratie und Innovation (DDI) zugeschlagen, das die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft steigern sollte. Es wird interessant sein, wie sich die Digitalisierungs- und Technologiepolitik von USAID in die wahrscheinlich starke Betonung von Menschenrechten und Governance einfügt.

Wasserpaletten, die nach Thailand geliefert werden.
USAID liefert Wasserpaletten nach Thailand, die nach einem verheerenden Unwetter in Myanmar verteilt werden sollen. © U.S. Marine Corps photo by Lance Cpl. Robert A. Harding (Released), Public Domain, via Wikimedia Commons

UN-System wieder ernster nehmen

Wichtig für eine übergreifende Entwicklungspolitik wird sein, dass die USA sich wieder mit multilateralen Organisationen verbinden. Bis jetzt hat die Biden-Regierung ihre Ernsthaftigkeit in dieser Frage durch die Rückkehr in die Weltgesundheitsorganisation und in das Pariser Klimaabkommen unter Beweis gestellt. Die Regierung könnte auch der UNESCO wieder beitreten und Organisationen wie UNDP mit neuen Ressourcen und Führung aufwerten. Darüber wurde öffentlich noch nicht gesprochen. Dass Biden die von Trump erneuerte "Global Gag Rule" aufhebt, die Gelder für Organisationen sperrt, die über Abtreibungen aufklären, ebnet auch den Weg zurück zum Bevölkerungsfonds der UN.

Samantha Power kennt als ehemalige UN-Botschafterin das UN-System sehr genau, was in jedem Fall hilfreich sein kann. Entscheidungen und Ergebnisse sind nach weniger als einem Monat Amtszeit von Biden noch schwer absehbar. Aber die Besetzung der Entwicklungsbehörde mit jemandem wie Power und mit Blinken als übergeordnetem Außenminister sprechen auf jeden Fall für eine Rückkehr zum Multilateralismus und zur Zusammenarbeit mit Verbündeten.

Noch ist die derzeit größte Herausforderung, die Posten zur Umsetzung der entwicklungspolitischen Agenda auch zu füllen. Power muss vom US-Senat bestätigt werden, und es wurden auch noch keine Kandidaten für die Leitungen der USAID-Büros genannt. Während die bisherigen Mitarbeiter diese Funktionen "kommissarisch" weiter ausüben und oft aus dem nicht-politischen öffentlichen Dienst kommen, brauchen sie ein neues Mandat.

Für die Gestaltung einer ehrgeizigen entwicklungspolitischen Agenda muss die Regierung deshalb vor allem rasch die Besetzung der politischen Ämter in der Behörde vorantreiben. Mit welcher Priorität das in den kommenden Monaten geschieht, wird uns viel darüber verraten, wie stark die Rhetorik der Regierung sich mit ihrem tatsächlichen Engagement für eine robuste, nachhaltige Agenda der Entwicklungszusammenarbeit deckt.

Martin Shields vom DIE.
Charles Martin-Shields German Institute of Development and Sustainability (IDOS)

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