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  • Entwicklungspolitik & Agenda 2030
  • 05/2020

Wenn Hunger zur Kriegswaffe wird

Die grausame Methode der Kriegsführung schien allmählich der Vergangenheit anzugehören. Doch seit einigen Jahren kommt sie wieder vermehrt zum Einsatz. Ein Kommentar der Welthungerhilfe aus dem Bericht "Kompass 2020".

Bericht zur Wirklichkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit

Viele der dramatischsten Hungerkatastrophen sind die Folgen politischen Kalküls: angefangen beim Aushungern der historischen Stadt Karthago bis hin zur heutigen Bürgerkriegssituation im Jemen. In den letzten 30 Jahren schien es, als gehöre diese grausame Methode der Kriegsführung allmählich der Vergangenheit an. Doch seit einigen Jahren kommt sie wieder vermehrt zum Einsatz. Deshalb erklärte sie die UN im Jahr 2018 in der Resolution 2417 zu einem Kriegsverbrechen. Im Zuge der deutschen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat gibt es die Chance, gemeinsam mit möglichst vielen Staaten Maßnahmen zur konkreten Umsetzung dieser Resolution zu ratifizieren und konkrete Schritte einzuleiten. 

Einleitung

Im Welthunger-Index 2019 (WHI 2019) werden die ungleichmäßigen Fortschritte bei der Hungerbekämpfung unterstrichen, denn trotz einiger Verbesserungen in Ländern wie Angola, Ruanda und Äthiopien1 leiden weltweit immer mehr Menschen Hunger. So liegt die Zahl der Unterernährten wieder auf dem hohen Niveau von 2010/2011.2 Konflikte und Gewalt haben zudem zur Vertreibung von Millionen Menschen geführt, wodurch es in den Gebieten, in denen sie aufgenommen wurden, zu Ernährungsunsicherheit kam oder sich diese dorthin verlagerte.

Die 820 Millionen Menschen, die im Jahr 2019 an Hunger leiden, stehen im Widerspruch zur Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, insbesondere zu deren Ziel 2 „Kein Hunger“, das besagt: 

„Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern.“

Agenda 2030

Einige der wichtigsten Ursachen für den Anstieg des Welthungers liegen in der Zunahme langwieriger bewaffneter Konflikte, wie sie im Jemen, in Syrien, im Südsudan,3 in Nigeria und in der Zentralafrikanischen Republik zu beobachten sind, sowie in der vermehrt schlechten Regierungsführung und in gewaltsamen Protesten wie in Venezuela und Simbabwe, um nur wenige zu nennen. Diese Krisen werden durch die Folgen des Klimawandels noch verschärft und von Konflikten über Weide- und Agrarflächen und mangelnde Ressourcen überlagert.

Unterernährung und Hunger sind seit Langem eng mit Konflikten verknüpft4, wohingegen eine neue, bedrohliche Entwicklung das zunehmende vorsätzliche und systematische Aushungern als Methode der Kriegsführung in den heutigen bewaffneten Konflikten betrifft. Damit wird sowohl gegen die Zivilbevölkerung als auch gegen humanitäre Helfende vorgegangen. Sie werden angegriffen oder anderweitig am Zugang zu Notleidenden gehindert. Sollte die wiederaufgekommene Methode des Aushungerns nicht beendet werden, ist nicht nur das nachhaltige Entwicklungsziel 2 in Gefahr, sondern grundlegende völkerrechtliche Schutzbestimmungen werden sträflich missachtet.5

Begriffsdefinition "Aushungern"

In diesem Bericht wird der Begriff „Aushungern“ verwendet, um das vorsätzliche Vorgehen zu beschreiben, wenn Kriegsparteien den Betroffenen den Zugang zu lebensnotwendigen Objekten verwehren. Dabei ist hervorzuheben, dass Mittel zur Befriedigung der Grundbedürfnisse und der Begriff „lebensnotwendige Objekte“ auch Güter und Leistungen umfassen, die über die reine Ernährung hinausgehen, also auch Wasser (Trinkwasserversorgungsanlagen und -vorräte sowie Bewässerungsanlagen)6, Medikamente, Kleidung7, Obdach8, Treibstoff und Elektrizität.9 Die Mittel zur Befriedigung der Grundbedürfnisse und der Begriff „lebensnotwendige Objekte“ werden hier prinzipiell weiter gefasst und sind nicht durch eine vorgeschriebene Liste beschränkt. Vielmehr werden sie fallspezifisch ausgelegt, denn was für ein Kind im Südsudan lebensnotwendig ist, unterscheidet sich erheblich von den Bedürfnissen einer Schwangeren, die im syrischen Winter unter einer Belagerung leidet. Der Terminus „Aushungern“ impliziert grundsätzlich Vorsatz.

Deutschland kommt eine entscheidende Rolle zu bei der Stärkung des Völkerrechts, beim Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten und der Einhaltung seiner Zusagen bezüglich der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030. Die Bundesregierung ist weltweit der zweitgrößte Geber von humanitärer Hilfe und Mitglied in internationalen Gremien wie dem UN-Sicherheitsrat, dem UN-Menschenrechtsrat, und im zweiten Halbjahr 2020 hat sie die EU-Ratspräsidentschaft inne. 

In dieser Kompass-Ausgabe werden vier Hauptempfehlungen formuliert. Im Mittelpunkt dieser Empfehlungen stehen unterschiedliche Strategien mit Blick auf die Umsetzung der im Mai 2018 einstimmig verabschiedeten Resolution 2417 des UN-Sicherheitsrats UNSC S/RES/2417 (UNSC 2417). In dieser Resolution werden Aushungern als Kriegstaktik und die vorsätzliche Blockierung des Zugangs für humanitäre Hilfe ausdrücklich verurteilt und zu Kriegsverbrechen erklärt, für die die Täter*innen zur Rechenschaft gezogen werden können.

Die Umsetzung der Resolution geht weit über die rein juristischen Fragen hinaus und hat signifikante praktische Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung sowie die humanitären Helfenden in Kriegssituationen. Auch dank der Verurteilung von Aushungern in der Resolution 2417 wurde bei der Versammlung der Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs am 6. Dezember 2019 das Römische Statut geändert, sodass Aushungern nun nicht nur in internationalen, sondern auch in nationalen bewaffneten Konflikten als Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgt werden kann. Deutschland kann dieses Momentum nutzen, um die Agenda im Rahmen der Menschenrechte und Nachhaltigkeitsziele voranzutreiben.

Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen 

Als Grundlage für unsere Empfehlungen bieten wir im Folgenden einen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf Aushungern und das Recht auf Nahrung.10

Das Recht auf Nahrung  

Der Status des Rechts auf Nahrung als Menschenrecht gemäß dem Völkerrecht ist unbestritten.11 Sowohl in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR)12 als auch im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR)13 wird das Recht auf Nahrung als Teil des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard anerkannt. Im IPWSKR wird bekräftigt, dass „das Recht auf Nahrung untrennbar mit dem inhärenten Recht auf Menschenwürde verbunden und für die Erfüllung der anderen in der Internationalen Charta der Menschenrechte verankerten Menschenrechte unabdingbar ist“14. Auch der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat gefordert, dass das Recht auf Leben mit Maßnahmen gegen „extremen Hunger und Mangelernährung“ geschützt werden muss.15 Im Rahmen der Menschenrechte ist jeder Staat verpflichtet, das Recht auf angemessene Nahrung sowie das Recht, frei von Hunger zu sein – gemeinsam bilden diese das Recht auf Nahrung –, „zu respektieren, zu schützen und zu erfüllen“16

Im Gegensatz zu vielen anderen Menschenrechtsverträgen enthält der IPWSKR keine ausdrücklich abweichenden Klauseln.17 Die Minimalverpflichtung, also die Sicherstellung des Rechts, frei von Hunger zu sein, ist unumstößlich, und ihre Nichteinhaltung kann unter keinen Umständen (auch nicht in Notsituationen wie bei einem Konflikt) gerechtfertigt werden.18 Folglich kann ein Verstoß gegen den IPWSKR vorliegen, wenn ein Staat durch sein Handeln oder Unterlassen die Befriedigung des Grundbedürfnisses der Zivilbevölkerung – nämlich das Recht, frei von Hunger zu sein, zu respektieren, zu schützen und zu erfüllen – nicht gewährleistet.19

Humanitäres Völkerrecht  

Das humanitäre Völkerrecht bildet den rechtlichen Rahmen, der in Kriegszeiten gilt. Laut den Bestimmungen des humanitären Völkerrechts in Bezug auf das Recht auf Nahrung in Kriegssituationen ist es verboten, humanitäre Hilfe zu behindern, lebensnotwendige Objekte anzugreifen20und Belagerungen oder Blockaden als Kriegstaktiken anzuwenden.21

Das Verbot, lebensnotwendige Objekte anzugreifen,22 gilt für Angriffe, die zur Folge haben, dass der Zivilbevölkerung der Zugang zu Nahrungsmitteln, zu für die Erzeugung von Nahrungsmitteln genutzten landwirtschaftlichen Gebieten, zu Ernte- und Viehbeständen, Trinkwasserversorgungsanlagen und -vorräten sowie zu Bewässerungssystemen23 entzogen wird und dass die Versorgung mit lebensnotwendigen Objekten wie Arzneimitteln, Kleidung24, Bettzeug, Material für die Übernachtung25, Brennstoff und Elektrizität26 verhindert wird. Solche Taktiken verletzen nicht nur das humanitäre Völkerrecht, sondern stellen auch eine Verletzung des Rechts auf Nahrung dar.27

Besonders zu beachten ist ferner, dass das humanitäre Völkerrecht zudem damit verbundene Handlungsverpflichtungen vorschreibt, wonach Kriegsparteien humanitären Organisationen Zugang gewähren müssen, damit sie humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung leisten können.28

Internationales Strafrecht  

Das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), in dem vorsätzliche Aushungern erstmals auf internationaler Ebene als Kriegsverbrechen aufgeführt ist, trat 2002 in Kraft. Artikel 8 Abs. 2 Buchstabe b (xxv) des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs lautet:

[...] das vorsätzliche Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegführung durch das Vorenthalten der für sie lebensnotwendigen Gegenstände, einschließlich der vorsätzlichen Behinderung von Hilfslieferungen, wie sie nach den Genfer Abkommen vorgesehen sind[.]

Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs

Bemerkenswert ist: Aushungern als Kriegsverbrechen erfordert nicht den Beweis, dass Zivilpersonen tatsächlich verhungert sind.19

Wie oben dargelegt, ist der IStGH nach dem einstimmigen Beschluss vom 6. Dezember 2019 zur Änderung des Römischen Statuts nun in Einklang mit dem Völkergewohnheitsrecht20und wertet Aushungern sowohl in internationalen als auch in nicht internationalen bewaffneten Konflikten als Verbrechen.21 Das Neue ist also, dass dieses Recht auch in Bürgerkriegen und anderen internen Konflikten Anwendung findet und nicht nur in Kriegen zwischen einzelnen Ländern. Diese bedeutsame Änderung hat den globalen Konsens gestärkt, dass Aushungern als Methode der Kriegsführung unabhängig von der Klassifizierung des Konflikts verboten ist.

Wiederaufleben von Hungersnöten durch Zunahme von Konflikten und Hunger 

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, stellt vorsätzliches Aushungern kein neues Phänomen dar, sondern ist eine vor allem im Mittelalter verbreitete Praxis, die ausgiebig als Methode der Kriegsführung eingesetzt wurde.32 Neu ist indes, dass diese Praxis in aktuellen Konflikten eingesetzt wird und für das Wiederauftreten von Hungersnöten und den Anstieg des Welthungers verantwortlich ist. Heute ist jede Hungersnot und Ernährungsunsicherheit im Wesentlichen von Menschen verursacht, und das gegenwärtige Ausmaß an daraus resultierendem Leid und Tod ist beispiellos in der modernen Geschichte.  

Fatales Wechselspiel zwischen Konflikten und Hunger 

Zwischen Konflikten und Hunger besteht ein folgenschweres Wechselspiel: Konflikte bilden eine Ursache für einen Großteil der in letzter Zeit zunehmenden Ernährungsunsicherheit33, während Hunger wie auch Unterernährung deutlich schlimmer sind, wenn die Konflikte länger andauern und Institutionen schwächen.34 Aushungern wiederum hat vielfältige Auswirkungen auf den internationalen Frieden und die globale Sicherheit. Zu den dokumentierten Folgen des Aushungerns gehören soziale Zerrüttung, generationenübergreifende physische und kognitive Schäden35 sowie schwere wirtschaftliche Schäden36, die häufig dazu führen, dass Staaten, die nach einem Konflikt zusammenbrechen, weitere Investitionen und wirtschaftliche Unterstützung von internationalen Gebern benötigen. Massenvertreibung37 stellt ebenfalls ein wesentliches Merkmal von Aushungern dar; vor allem in Syrien38, im Südsudan39 und in Myanmar40 gab es massenhafte Vertreibungen. Auch während des Regimes der Roten Khmer in Kambodscha, die ebenso Methoden des Aushungerns anwandten, war es zu Vertreibungen gekommen.41 

Diese Effekte wirken sich in Kombination auch auf Länder außerhalb des Konflikts aus, unter anderem auf solche, die zu Zielen von Massenmigration geworden sind. Dies erfolgt in einem Ausmaß, dass de facto die Last des Schutzes und der Achtung der Menschenrechte von Kriegsopfern in Drittländer ausgelagert wird.  

Darüber hinaus leistet Deutschland als zweitgrößter globaler Unterstützer42 in erheblichem Umfang humanitäre Hilfe für Länder, die von Konflikten und Hunger betroffen sind. Das Umlenken, die Behinderung und Zerstörung humanitärer Hilfeleistungen sind häufig Teil der Methodik, mit der Kriegsparteien versuchen, die Zivilbevölkerung auszuhungern. Dies schwächt die Reaktionsmaßnahmen der internationalen humanitären Gemeinschaft, zwingt die humanitären Hilfsorganisationen häufig dazu, ihre Programme aufgrund der Sicherheitsbedenken auszusetzen,43 kostet wertvolle Reaktionszeit, verschärft die prekären Bedingungen für die Zivilbevölkerung vor Ort und hat zur Folge, dass Einsätze scheitern. Es ist daher wichtig, der Blockade von humanitären Hilfeleistungen entgegenzuwirken, um sicherzustellen, dass die deutsche humanitäre Hilfe all jene Menschen erreicht, die sie am meisten benötigen, sowie ein Bollwerk gegen vorsätzliches Aushungern zu formieren. 

Geschlechtsspezifische Auswirkungen des Aushungerns 

Die Auswirkungen von Konflikten und Hunger sind für Frauen und Mädchen weitaus gravierender als für Männer und Jungen. Nachstehend ein paar Beispiele, was Ernährungsunsicherheit in Konflikten für Frauen und Mädchen bedeutet: Gesundheitsprobleme bei Müttern und gestiegene Müttersterblichkeit; geschlechtsspezifische Vorzugsbehandlung bei der Verteilung von Nahrungsmitteln, wodurch Frauen oder Mädchen in Zeiten der Nahrungsmittelknappheit der Zugang zu Nahrungsmitteln eingeschränkt werden könnte;44 kulturelle Beschränkungen, die Frauen und Mädchen daran hindern können, in Abwesenheit eines Mannes allein zu reisen, die sich bei Konflikten vermutlich noch stärker auswirken, wenn die männlichen Familienmitglieder in Kämpfe verwickelt oder nicht verfügbar sind;45 erhöhtes Risiko sekundärer Gewalt, einschließlich sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt; eine Zunahme negativer Bewältigungsstrategien wie etwa Kinderheiraten. Um diese entscheidenden, geschlechtsspezifischen Unterschiede zu verstehen, ist es wichtig, dass weibliche Mitglieder der Gemeinschaft in die Konfliktverhütung und Friedenskonsolidierung in Konfliktregionen, die von Aushungern und Hunger betroffen sind, einbezogen werden.46

Aushungern als globaler Trend 

In einer Reihe von Ländern, in denen die Welthungerhilfe tätig ist, kommt es zu vorsätzlichem Aushungern und Verletzungen des Rechts auf Nahrung. In Syrien wurde die Taktik „Aufgeben oder Verhungern“, bei der Hilfslieferungen unterbunden wurden, gegen belagerte Zivilpersonen angewandt,47 und es gab Blockaden, um die humanitäre Hilfe zu behindern. Überdies wurden im Jemen,48 in Somalia, Nordost-Nigeria49 und im Sudan50 landwirtschaftliche Gebiete angegriffen. In Venezuela ist der Zugang zu Land weitgehend blockiert; die Regierung verleiht Nahrungsmittel an die Bevölkerung selektiv, was zu einer enormen humanitären Krise angesichts des wirtschaftlichen Zusammenbruchs des Landes beiträgt.51

Länderstudien

Hunger und vorsätzliches Aushungern sind ein globales Problem und entgegen einem weitverbreiteten Irrtum nicht auf Afrika beschränkt. Ungeachtet dessen nimmt der Hunger in fast allen afrikanischen Subregionen zu, sodass Afrika mit fast 20 Prozent der Gesamtbevölkerung die Weltregion mit dem höchsten Anteil an unterernährten Menschen ist.52 Dieser Umstand –- in Kombination mit den umfangreichen Aktivitäten der Welthungerhilfe in Afrika –- war der Grund, für die Länderstudien Südsudan und Mali auszuwählen. Darüber hinaus ermöglichte der Kontrast zwischen diesen beiden Ländern wichtige vergleichende Analysen und Empfehlungen für vorbeugende Maßnahmen. Der Südsudan hat den Konflikt scheinbar eingedämmt, kämpft aber aufgrund einer kürzlich erklärten Hungersnot mit erheblichen Sterblichkeitsraten; Mali schlittert derzeit in eine humanitäre Krise. 

Die folgenden Informationen wurden aus detaillierten Datenerhebungen zwischen Juli und Dezember 2019 gewonnen, ebenso aus zweitägigen Workshops in den Ländern, Konsultationen und bilateralen Gesprächen mit einer Reihe verschiedener humanitärer Organisationen, UN-Organisationen, lokalen Landesexpert*innen und Führungspersonen von Gemeinschaften in Mali und im Südsudan im Oktober und November 2019. Die Konsultationen wurden von der Welthungerhilfe mit Unterstützung der Völkerrechtsexpert*innen der Global Rights Compliance (GRC) durchgeführt.53 Nach dem Workshop wurden weitere Rückmeldungen eingeholt. Dieses Rohmaterial wurde um Open-Source-Informationen ergänzt, die sich in erster Linie auf zuverlässige UN-Quellen stützten. Der methodische Ansatz wurde so gewählt, dass er einen genauen Überblick über die Ernährungskrisen und die empfohlenen Reaktionen auf Gemeinschaftsebene ermöglicht. 

Südsudan 

Die Welthungerhilfe ist seit den 1990er-Jahren in Sudan tätig und hat nach der südsudanesischen Unabhängigkeit im Jahr 2011 verschiedene Projekte im Südsudan fortgeführt. Die für den Südsudan bereitgestellten Mittel beliefen sich 2018 auf 9,85 Millionen Euro; dabei handelt es sich um eines der größten Programme der Welthungerhilfe, in acht Projekten werden 517.000 Menschen erreicht. 

Konfliktübersicht 

Der aktuelle bewaffnete Konflikt im Südsudan begann 2013 und folgte auf den langen Bürgerkrieg von 1983 bis 2005. Millionen Menschen wurden in diesem Bürgerkrieg getötet, in dem ethische Grundsätze, die als Leitlinien gelten sollten, ignoriert, und Gesetze gezielt gebrochen wurden, um taktische Vorteile zu erlangen.54 Trotz der offensichtlichen Brutalität blieb der Südsudan-Konflikt von den Medien weitgehend unbeachtet. Außerhalb des Blickfeldes der öffentlichen und politischen Aufmerksamkeit wurden die straffälligen Parteien des bewaffneten Konflikts, der den Südsudan seit Jahrzehnten fast fortwährend im Griff hat, weder öffentlich noch juristisch wirkungsvoll zur Rechenschaft gezogen.  

Im September 2018 unterzeichneten die regionalen Führungspersonen das „wiederbelebte Abkommen über die Beilegung des Konflikts in der Republik Südsudan“ (R-ARCSS).55 Durch diese Vereinbarung wurde die Intensität der Feindseligkeiten in einigen Teilen Südsudans teilweise erfolgreich verringert und ein Waffenstillstand erzielt. Die dort vereinbarte Übergangsregierung, der auch Mitglieder der Opposition angehören, wurde im Februar 2020 gebildet, der auch Mitglieder der Opposition angehören. Mit der Übergangsregierung ist die Hoffnung verbunden, dass Vertriebene in der Übergangsphase in den kommenden drei Jahren nach Hause zurückkehren können.

Konfliktbedingter Hunger 

Ernährungsunsicherheit stellt in vielen Teilen des Südsudans nach wie vor ein ernstes Problem dar. Die Hauptursachen hierfür sind gemäß der integrierten Phasenklassifikation zur Ernährungssicherheit (IPC) konfliktbedingte Vertreibung, niedrige Ernteerträge, die allgemeine Wirtschaftskrise, Klimaschocks und die Schwierigkeiten beim Zugang für humanitäre Hilfe.56

Die Ernährungslage im Südsudan hat sich Anfang 2019 verschärft – im Januar dieses Jahres befanden sich Schätzungen zufolge 6,5 Millionen Menschen in akuter Ernährungsunsicherheit, davon litten 45.000 Menschen unter einer Hungersnot.57 Dies war ein starker Anstieg gegenüber den 5,1 Millionen Menschen, die im Januar 2018 von Ernährungsunsicherheit betroffen waren.58 Hunger wurde im Südsudan als Taktik eingesetzt, um die „andere Seite“ zu brechen; dabei wurde das Recht auf angemessene Nahrung, Wasser und Gesundheitsversorgung wiederholt verletzt.59

Zugleich wurden humanitäre Hilfeleistungen blockiert, gestohlen oder manipuliert und Mitarbeitende von Hilfsorganisationen angegriffen.60Nach Angaben der Teilnehmenden der Konsultationen vor Ort manipulierten alle Parteien die humanitären Operationen, um gezielt Hilfsgüter für Soldat/innen und die verbündete Zivilbevölkerung an sich zu reißen, während jene Zivilpersonen leer ausgingen, die sich unter der Herrschaft des Gegners befanden. 

Während nur wenige Gebiete laut der IPC-Skala in eine Hungersnot (Stufe 5) gerieten, litten sehr große Bevölkerungsgruppen im jüngsten Krieg unter Ernährungsunsicherheit im Ausmaß einer Krise (Stufe 3) oder gar eines humanitären Notfalls (Stufe 4).61 Zwischen dem Ausbruch des Krieges im Jahr 2013 und Mitte 2018 starben schätzungsweise 383.000 Menschen an dessen Folgen;62 etwa die Hälfte dieser Todesfälle ist auf Hunger und Krankheiten zurückzuführen.63

Zu beklagen ist nicht nur das massenhafte Sterben, sondern auch die immense Anzahl Geflüchteter, von denen zur Zeit der Drucklegung 2,3 Millionen in den Nachbarstaaten und rund 1,5 Millionen als Binnenvertriebene im Südsudan leben.64 Das Land, das die meisten südsudanesischen Flüchtlinge aufgenommen hat, ist Uganda. Allein zwischen Juli und September 2017 kamen täglich über 4000 Südsudanes*innen in Uganda an, während viele weitere auf dem Weg dorthin verhungerten, verdursteten oder wegen mangelnder medizinischer Versorgung starben.65 

Unity State 

Zwischen 2013 und 2015 führten die Sudan People’s Liberation Army (SPLA) und die SPLA-In Opposition (SPLA-IO), auch bekannt als Anti-Regierungskräfte (Anti-Governmental Forces, AGF), wiederholt Offensiven in den südlichen Bezirken des südsudanesischen Bundesstaats Unity State durch. Die regierungstreuen Milizen nutzten diese Offensiven als Gelegenheit, um Vieh zu stehlen, zu plündern und Frauen zu entführen.66 Die Sachverständigengruppe des UN-Sicherheitsrats für den Südsudan stellte fest, dass bei diesen Angriffen Zivilpersonen getötet und Ernten, Nahrungsmittel, Medizinprodukte, Gesundheitseinrichtungen sowie ganze Dörfer vernichtet worden waren.67 Der Zeitpunkt der Angriffe verhinderte überdies die Aussaat für die nächste Erntesaison, wodurch der Bevölkerung ihre Nahrungsgrundlage entzogen wurde.68   

Bis Ende 2015 waren etwa 560.000 Menschen, also 90 Prozent der Bevölkerung des Unity State, gewaltsam vertrieben worden.69 Viele Vertriebene hatten sich zwar in den Sümpfen versteckt, doch sollen dort unzählige von ihnen ertrunken sein.70 Die südlichen Bezirke des Bundesstaats befanden sich während dieser Zeit anhaltend auf IPC-Stufe 4 (humanitärer Notfall), während die Bezirke Leer und Mayendit 2017 sogar auf Stufe 5 (Hungersnot) abfielen. 

Zum Zeitpunkt der Drucklegung herrschte im Unity State nicht mehr als ein fragiler Frieden – diese instabile Sicherheitslage wirkt sich negativ auf den Zugang für humanitäre Hilfe und Ernährungsprogramme aus. Unity State ist in von der Regierung und der SPLA-IO kontrollierte Gebiete geteilt, was die Umsetzung der Ernährungsprogramme der Welthungerhilfe, die in Zusammenarbeit mit dem Welternährungsprogramm erfolgt, enorm erschwert.  

Bürokratische Hindernisse für humanitäre Hilfe71

Die Länderkonsultationen, durchgeführt von der Welthungerhilfe und Global Rights Compliance, offenbarten, dass im Jahr 2019 das größte Hindernis für humanitäre Hilfe bürokratische Hürden bildeten.  Physische Behinderung, Manipulation oder Umlenkung von Hilfslieferungen haben hingegen in der heißesten Phase des Konflikts und während der Hungersnot 2017 für Probleme gesorgt. Diese Erschwerungen – beispielsweise beim Import von Hilfsgütern, in Form von Gebühren an Kontrollpunkten und der Besteuerung des Personals – verursachen nicht nur beträchtliche Verzögerungen und Blockaden, sondern zugleich erheblich höhere Kosten für die humanitäre Hilfe; langwierige Akkreditierungsverfahren und hohe Gebühren für den Zugang zu bestimmten Gebieten zählen ebenso dazu.72 Die Befragungen ergaben ferner, dass diese bürokratischen Hürden zur Umlenkung von Hilfslieferungen zu bevorzugten Bevölkerungsgruppen und in politisch relevante Regionen genutzt werden und durch den Wunsch motiviert sind, humanitäre Hilfe zum eigenen Vorteil zu nutzen.  

Mali 

Die Welthungerhilfe führt seit ihrer Gründung 1962 Programme zur Ernährungssicherung in ganz Mali (und der Sahelzone) durch. Durch siebzehn laufende Projekte mit einem bereitgestellten Budget für 2019 von 6,38 Millionen Euro erreichte die Welthungerhilfe in dem Jahr rund 490.000 bedürftige Malier*innen. Allerdings wurden ihre Aktivitäten und die mit Partnerorganisationen durchgeführten Programme durch die sich rapide verschlechternde Sicherheitslage, insbesondere in den Regionen Timbuktu und Mopti, stark beeinträchtigt. In Mopti und Gao wurden Standorte, an denen die Welthungerhilfe humanitäre Hilfe leistete, direkt angegriffen. Das Programm wurde eingestellt.73

Konfliktübersicht  

Mali hat sich relativ schnell von einem politisch vergleichsweise stabilen Land in Afrika zu einem von Gewalt geplagten Land entwickelt.74 Zwischen 2011 und 2013 kam es aufgrund einer gewalttätigen separatistischen Rebellion im Norden zu einer komplexen politischen, Sicherheits- und humanitären Krise; dabei wurden die Separatist*innen im Kampf gegen die Regierungstruppen von terroristischen Netzwerken75 unterstützt. Um die terroristische Bedrohung zu bekämpfen, wurden 2013 ausländische Truppen nach Mali entsandt. Darüber hinaus wurde im selben Jahr die mehrdimensionale integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA) auf Basis der Resolution 2100 des UN-Sicherheitsrats eingerichtet, um die politischen Prozesse in Mali einschließlich des Friedensabkommens von 2015 zu unterstützen und eine Reihe von sicherheitsrelevanten Aufgaben zu erfüllen.76 Im Jahr 2017 wurde die „Gemeinsame Einsatztruppe der G5 Sahel“ ins Leben gerufen, eine regionale Gruppierung der Länder Mali, Mauretanien, Niger, Burkina Faso und Tschad, um Sicherheitsbedrohungen in den Grenzregionen entgegenzuwirken. Im August 2019 wurde auf dem G7-Gipfel eine neue Partnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich zur Stärkung der Sicherheit und Stabilität angekündigt, die die gemeinsame Einsatztruppe stärken soll.77

Auch über die Sahelzone hinaus eskalieren die gewalttätigen Angriffe von Dschihadist*innen und kriminellen Gruppierungen. Neben Mali sind Burkina Faso und Niger am stärksten betroffen, und zusätzlich verstärken unkontrollierte Migrationsbewegungen die unsichere Lage.78 Mitte 2019 waren ca. 148.000 Malier*innen binnenvertrieben (etwa doppelt so viele wie 2018) und etwa 140.000 in Nachbarstaaten migriert.79 Die Länder in der Region zeigen sich zunehmend besorgt über neue terroristische Gruppen, die im Sahel vermehrt Fuß fassen. Die Destabilisierung Westafrikas und der Sahelzone bildet einen neuen Schwerpunkt der globalen Dschihad-Organisationen.80 Daher ist ein regionaler Ansatz zur Bekämpfung des konfliktbedingten Hungers ein Schlüssel zur wirtschaftlichen Entwicklung, politischen Stabilität und wirksamen Terrorismusbekämpfung in Mali.81

Konfliktbedingter Hunger 

Im Welthunger-Index 2019 belegt Mali den 83. Platz von 117 berücksichtigten Staaten.82 Die unsichere Ernährungslage in Mali wird unter anderem auf häufige Dürren, bewaffnete Gewalt und Bodenverschlechterung zurückgeführt, was landwirtschaftliche Aktivitäten einschränkt.83 Durchschnittlich sind 20 Prozent der Bevölkerung Malis von Ernährungsunsicherheit betroffen, und jedes vierte Kind ist stark unterernährt.84Ernährungsexpert*innen schätzen, dass in ganz Mali fast 554.000 Menschen Nahrungsmittelhilfe benötigen werden sowie 160.000 Kinder, die voraussichtlich unter schwerer akuter Mangelernährung leiden werden.85

Im Juli 2019 wurde die durch den Konflikt verschärfte Ernährungssicherheit in Mali mit Stufe 2 (angespannt) klassifiziert.86 ​​​​Diese Lage hat sich bis April 2020 in den vom Konflikt betroffenen Gebieten, also den nördlichen und zentralen Regionen, sowie den Zufluchtsregionen der Vertriebenen, deutlich verschärft87​​​​​​​.

Bei den Konsultationen im November 2019 wurden die negativen Auswirkungen der Sicherheitslage in den zentralen und nördlichen Regionen auf den Zugang für humanitäre Hilfe konkret benannt: direkte Angriffe auf humanitäre Helfende durch radikalisierte Gruppen. Die Angriffe wurden mit der Vermutung begründet, es gebe eine Verbindung zwischen humanitären Organisationen, der MINUSMA und den internationalen Streitkräften);88​​​​​​​ gewaltsame Behinderung und Plünderung humanitärer Hilfslieferungen; Einschüchterung von Bäuerinnen und Bauern durch Entführung ihrer Kinder als Druckmittel; Zerstörung von zivilem Eigentum einschließlich Wasserstellen, Ernten und Märkten.89​​​​​​​ Die belagerungsähnliche Kriegsführung wurde wiederholt und übereinstimmend von allen Teilnehmenden beklagt. An drei Fällen werden die Folgen für die Ernährungssicherheit beleuchtet.  

Die Belagerung von Mondoro 

Der in der Region Mopti gelegene Distrikt Mondoro ist wegen des Konflikts und der Gefahr durch Sprengsätze in der Umgebung des Dorfes Mondoro vom Zugang für humanitäre Hilfe abgeschnitten. OCHA entsandte eine medizinische Evaluierungsmission, um das Ausmaß der Ernährungskrise in Mondoro und in drei weiteren Dörfern in Mopti zu bewerten, deren Bewohner*innen seit etwa sieben Monaten vom Rest des Landes abgeschnitten sind und nur begrenzt Zugang zu Gesundheitsversorgung und Nahrung haben. Im August 2019 wurden MINUSMA-Hubschrauber für Nothilfelieferungen nach Mondoro eingesetzt, um die Bedürftigen zu versorgen.90 Während der Konsultationen wurden die Belagerung von Mondoro und die Zugangsbeschränkungen und Risiken durchweg bestätigt.

„Die mangelnde Sicherheit im Distrikt Mondoro behindert den Zugang der Bevölkerung zu humanitärer Hilfe und existenzieller Grundversorgung. Schätzungen zufolge sind davon rund 13.000 Menschen betroffen, die in den Dörfern Dona, Niangassadiou, Tiguila, Toikana und Banai leben. Die völlige Isolation des Gebiets hat zur Verschlechterung der Ernährungssituation, Schließung von Schulen und zur Zwangsumsiedlung eines Teils der Bevölkerung geführt. OCHA setzt die Verhandlungen mit den Gesprächspartner*innen vor Ort fort, um den Zugang für humanitäre Hilfe und tragfähige Lösungen zur Befriedigung der Grundbedürfnisse sicherzustellen.“ sagte die OCHA-Landesdirektorin Mali im Interview mit der Welthungerhilfe und GRC im November 2019.

Plünderung von Schulkantinen 

Andere, bisher nicht gemeldete Erkenntnisse betreffen zehn Schulkantinen in Mopti, die vom Welternährungsprogramm (WFP) betreut wurden und die im Jahr 2019 wiederholt von bewaffneten Gruppen angegriffen und geplündert worden waren.92 Im Jahr 2018 wurden 163.000 Schulkinder in Mali mit Mahlzeiten des WFP versorgt.93 Darüber hinaus haben derartige Angriffe negative Effekte auf den Schulbesuch und Lehrpersonen, die für die Arbeit ihr Leben riskieren.94

Blockierung humanitärer Hilfe 

Die Behinderung von humanitärer Hilfe wurde von verschiedenen Institutionen untersucht und kommentiert, unter anderem von der Sachverständigengruppe des UN-Sicherheitsrats für Mali. Teilnehmer der Konsultationen in Mali bekräftigten die von den UN-Sachverständigen geäußerten Sorgen und betonten, dass humanitäre Hilfslieferungen und ihre Verteilung häufig blockiert oder verzögert werden oder bei extrem unsicherer Lage ganz eingestellt werden müssen.95 Behindert oder blockiert wird humanitäre Hilfe ferner durch das Auslegen von Sprengvorrichtungen entlang von Straßen, illegale Kontrollposten und Besteuerung. Dazu kommen Einschüchterung, Drohungen, Manipulationsversuche bei der Durchführung von Aktivitäten, Einschränkung der Bewegungsfreiheit sowie militärische Operationen.96 Im Jahr 2018 registrierte OCHA 215 derartige Vorfälle.97

Trends im Südsudan und in Mali 

Abgesehen von den ungleichen Sicherheitskontexten und unterschiedlichen Kausalfaktoren im Südsudan und in Mali befinden sich die Staaten in sehr unterschiedlichen Konfliktphasen. Die Situation im Südsudan wandelt sich nach einer besonders brutalen Phase des Bürgerkriegs langsam hin zu einem zaghaften und fragilen Frieden. Mali indes schlittert anscheinend ungebremst in einen langwierigen, durch Terrorismus verschärften Regionalkonflikt.  

Dennoch weisen beide Länder zwei auffällige Gemeinsamkeiten auf: Zum einen werden dieselben Methoden des Aushungerns, die auf dem Höhepunkt der jüngsten Ernährungskrisen im Südsudan zwischen 2013 und 2017 angewandt wurden, auch in Mali eingesetzt; zum anderen benötigen beide Länder dringend internationale Hilfe von Deutschland und gleichgesinnten Staaten, um die Friedenskonsolidierung und/oder Konfliktintervention zu unterstützen. Die derzeit in beiden Krisenländern vorhandenen Strukturen und Organisationen der humanitären Hilfe reichen nicht aus, um die politischen Versäumnisse, die komplexe Versicherheitlichung und den Terrorismus zu bewältigen. Zudem ist es offensichtlich, dass die Verwischung von humanitären Mandaten in beiden Ländern sowohl die Sicherheit der humanitären Helfenden vor Ort als auch ihre Möglichkeiten gefährdet, wirksam lebenserhaltende Hilfe zu leisten.   

In den Konsultationen wurde der Wunsch sehr deutlich, dass sich Deutschland in beiden Ländern, aber vor allem im Südsudan, stärker und proaktiver engagieren sollte.  

Als langjähriger Förderer des Multilateralismus wird Deutschlands Unterstützung mehr denn je gebraucht, um sicherzustellen, dass die Umsetzung der Regelungen des Abkommens über die Beilegung des Konflikts in der Republik Südsudan (R-ARCSS) nicht länger verzögert wird und sich stattdessen sowohl Frieden als auch eine Übergangsjustiz im Südsudan und in Mali durchsetzen können; überdies soll verhindert werden, dass die Konflikte mit schwerwiegenden regionalen und globalen Folgen außer Kontrolle geraten. Es besteht dringender Bedarf an Unterstützung, um die Ursachen dieser Konflikte und die daraus resultierenden humanitären und Ernährungskrisen zu bekämpfen. 

Das Momentum der Konflikt- und Hungerdebatte nutzen 

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gibt es für die weltweite Allianz gegen konfliktbedingten Hunger und vorsätzliches Aushungern ein politisches Momentum. Die jüngste Ergänzung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs bildet den Grundstein für dessen Kompetenzerweiterung, das Aushungern untersuchen, strafrechtlich verfolgen und sanktionieren zu können. Sie ist die jüngste einer Reihe politischer Entscheidungen, mit denen das Aushungern als Methode der Kriegsführung entschieden verurteilt wird. Auf Basis der UN-Sicherheitsratsresolution 2417 und mit Rückenwind der globalen Nachhaltigkeitsziele bietet sich Deutschland derzeit eine außerordentliche Gelegenheit, sich für die Erreichung des SDG 2 und den weltweiten Kampf gegen Aushungern einzusetzen.  

Resolution 2417 des UN-Sicherheitsrats 

Mit der Resolution 2417 erkennt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erstmals den Zusammenhang zwischen Konflikten und Hunger an. Dadurch wurde die Debatte über Konflikte und Hunger in den Themenkomplex Frieden und Sicherheit verlagert und eine Reaktion des UN-Sicherheitsrats wie auch anderer Organe der UN ermöglicht. Die UN-Sicherheitsratsresolution 2417 unterstreicht, dass konfliktbedingter Hunger ein Verbrechen darstellt, und fordert die Staaten nachdrücklich auf, bei der Verletzung dieser Normen in einem ordentlichen Verfahren zu prüfen, ob Aushungern vorliegt. Im gegebenen Fall muss dann gegen die Verantwortlichen vorgegangen werden.98

Der UN-Sicherheitsrat drückt damit seine anhaltende Besorgnis aus und ersucht den UN-Generalsekretär, im Rahmen seiner regelmäßigen länderspezifischen Berichterstattung, weiterhin Informationen über die Gefahr von Hungersnöten und Ernährungsunsicherheit in Ländern mit bewaffneten Konflikten vorzulegen sowie rasch zu berichten, wenn die Gefahr einer konfliktbedingten Hungersnot und weitverbreiteten Ernährungsunsicherheit in bewaffneten Konflikten besteht. Eine Berichterstattung über die Umsetzung der Resolution 2417 des UN-Sicherheitsrats ist jeweils im Rahmen der alljährlichen Unterrichtung des UN-Sicherheitsrats über den Schutz der Zivilbevölkerung vorgesehen. 

Die Verabschiedung der Resolution 2417 hat in dreifacher Hinsicht dazu gedient, die Aufmerksamkeit auf konfliktbedingten Hunger zu lenken: Sie dient als Advocacy-Instrument, um die Ächtung von konfliktbedingtem Hunger zu stärken;99 zur Sanktionierung infolge der zu dieser Resolution von OCHA im Jahr 2018 publizierten Weißbücher betreffend Südsudan und Jemen100 und durch Untersuchungs- und Rechenschaftsmechanismen, die den entschiedenen und unmissverständlichen Aufruf der Resolution 2417 an die Staaten bekräftigen, Untersuchungen einzuleiten.101 

Die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 (SDG) 

Die UN-Sicherheitsratsresolution 2417 ist auch im Kontext der globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 (SDG) zu sehen, für deren Erreichung nur noch zehn Jahre bleiben.  

Die 2015 verabschiedeten SDG sind Ausdruck des weltweiten Engagements für die Menschenrechte und spiegeln die völkerrechtlichen Verpflichtungen auf staatlicher Ebene wider, einschließlich der Verpflichtung, die Menschenrechte zu achten, zu schützen und zu erfüllen. Die SDG und die Förderung von Menschenrechtsstandards sind zwei sich gegenseitig verstärkende Agenden: Der Menschenrechtsrahmen kann sowohl eine rechtliche Grundlage als auch eine Orientierungshilfe bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele bieten, während diese ihrerseits die Umsetzung des Rechts auf Nahrung gemäß den internationalen Menschenrechtsnormen begünstigen können.  

Im aktuellen Welthunger-Index (2019) wird dargelegt, dass in mehreren Ländern die Hungersituation heute schlimmer ist als 2010, und zugleich prognostiziert, dass es circa 45 Länder nicht schaffen werden, das „Zero Hunger“-Ziel bis 2030 zu erreichen.102 Deutschland muss sein Engagement bezüglich SDG 2 auf die sich verändernde Form des konfliktbedingten Hungers anpassen. 

Deutschlands Bemühungen um die Umsetzung 

Entsprechend der Verpflichtungszusage in der Agenda 2030, „niemanden zurückzulassen“,103 legte Deutschland seinen Schwerpunkt auf die Bekämpfung der strukturellen Ursachen von Hunger, Unter- und Mangelernährung sowie die Beseitigung extremer Armut.104 Um einen dauerhaften Frieden als Voraussetzung für die vollständige Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele zu gewährleisten, engagiert sich Deutschland zudem in der Konfliktprävention, Stabilisierung und nachhaltigen Friedenssicherung, sowohl durch bilateralen Austausch als auch im Rahmen der Vereinten Nationen.105 

Dabei hält Deutschland weiterhin an dem Ziel fest, innerhalb des Zeitrahmens der Agenda 2030 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden. Mit Blick auf die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernährungssicherheit ist es auch für die Entwicklung der Hungerbekämpfungspolitik von Bedeutung, dass Deutschland seinen Finanzbeitrag zum internationalen Klimaschutz bis 2020 (bezogen auf 2014) verdoppeln will.106

Die Realisierung der globalen Nachhaltigkeitsziele ist davon abhängig, dass die internationale Staatengemeinschaft die Anstrengungen zur Beseitigung von Hunger und Mangelernährung mit entsprechenden Mitteln ausstattet. Die Staaten haben gemäß der Charta der Vereinten Nationen eine gemeinsame und individuelle Verantwortung, in Notsituationen bei der Katastrophen- und humanitären Hilfe zusammenzuarbeiten.107 Die Behinderung humanitärer Hilfe gefährdet nicht nur die Zivilbevölkerung und die humanitären Helfenden, sie untergräbt auch die Bemühungen von Drittländern, Hilfe in Kriegsgebiete zu bringen, und macht die Bemühungen zur Erreichung der Agenda 2030 zunichte. Als eines der weltweit führenden humanitären Geberländer muss Deutschland sicherstellen, dass die vorsätzliche Behinderung von in Konflikten üblichen Hilfeleistungen verhindert, angeprangert und gegebenenfalls untersucht wird. Geberländer, die sich im Kampf gegen den Hunger engagieren, sollten einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen und dafür sorgen, dass ihre Bemühungen zur Erreichung des Nachhaltigkeitsziels 2 nicht durch Taktiken von Kriegsparteien untergraben werden.  

Um vorsätzliches Aushungern wirksam zu bekämpfen, bedarf es Deutschlands Führung im Rahmen von mehrgleisigen politischen und diplomatischen Interventionen. Im Folgenden werden vier Hauptempfehlungen ausgeführt, die sich jeweils auf die innenpolitische, EU- und UN-Ebene verteilen.108

1. UN-Sicherheitsratsresolution 2417 umsetzen:  

durch entschiedenes Eintreten für die Rechtsverfolgung von Aushungern, durch Berichterstattung an den UN-Sicherheitsrat über die Lage in bestimmten Ländern und durch den Einsatz für eine stärkere Fokussierung bestehender und zukünftiger Sanktionsregime auf das Verbrechen Aushungern. 

Untersuchungen und Rechtsverfolgung 

Umsetzung der UN-Sicherheitsratsresolution 2417, in der die Staaten aufgefordert werden, in unabhängiger Weise umfassende, unverzügliche, unparteiische und wirksame Untersuchungen von Aushungern durchzuführen.109 Einer der entscheidenden Schritte zur Verhinderung von Aushungern besteht darin, Untersuchungen sowie die Rechtsverfolgung von Aushungern und die damit verbundenen Verstöße gegen internationale Menschenrechtsnormen zu forcieren; dies gewährleistet eine wirksame strafrechtliche Sanktionierung und eine angemessene Stigmatisierung des zugrunde liegenden Fehlverhaltens. 

Internationale Rechtsverfolgung: die (finanzielle) Unterstützung von UN-Institutionen fortsetzen, die eine Rechtsverfolgung ermöglichen 

Deutschland sollte sich dafür einsetzen, dass auch das Kriegsverbrechen Aushungern Teil des Ermittlungsmandats von internationalen Untersuchungskommissionen wie etwa der UN-Sachverständigengruppe für Mali, den Südsudan und Jemen wird. Die Bundesrepublik sollte sich im Übrigen fortgesetzt für die Arbeit des internationalen, unparteiischen und unabhängigen Mechanismus zur Unterstützung der Ermittlungen gegen die Verantwortlichen für die seit März 2011 in der Arabischen Republik Syrien begangenen schwersten völkerrechtlichen Verbrechen und ihrer strafrechtlichen Verfolgung sowie anderer Rechenschaftsmechanismen zur Untersuchung von Konflikten (auch finanziell) einsetzen, in denen Methoden der Aushungerung eingesetzt werden.110 

Innerstaatliche Rechtsverfolgung: weiterhin Mittel für die Zentralstelle zur Bekämpfung von Kriegsverbrechen (ZBKV) bereitstellen, die bei Straftaten gegen das Völkerstrafrecht ermittelt 

Deutschland hält bereits eine starke Führungsrolle bei der innerstaatlichen Verfolgung von Verbrechen gegen das Völkerrecht inne, es ist international als Vorreiter für eine entsprechende universelle Gerichtsbarkeit anerkannt, für die in Deutschland das Völkerstrafgesetzbuch herangezogen wird. Deutschland sollte nicht nur seine Expertise, sondern auch zwei weitere wesentliche Vorteile nutzen, um die Rechtsverfolgung von vorsätzlichem Aushungern zu stärken: Erstens ist Deutschland eines von zwei Ländern, die mit einer „reinen Universalgerichtsbarkeit“ operieren, bei der keine spezifische Verbindung zwischen dem ausländischen Staat und Deutschland erforderlich ist, was den Handlungsspielraum bei der Strafverfolgung erweitert; und zweitens verfügt Deutschland bereits über ein fortschrittliches Strafgesetzbuch und ist eines von nur sieben Ländern weltweit, in deren Strafgesetzbüchern das Aushungern in internationalen wie auch nicht internationalen bewaffneten Konflikten als Kriegsverbrechen aufgeführt ist.111  

Den UN-Generalsekretär auffordern, über Mali zu berichten 

Angesichts der Eskalation der Feindseligkeiten, Terroranschläge und allgemeinen Instabilität, die sich auf die humanitären Interventionen und die Ernährungssicherheit in Mali auswirken, wird Deutschland empfohlen, dass es sein letztes Jahr als Mitglied des UN-Sicherheitsrats dazu nutzt, den Generalsekretär zu ersuchen, dem UN-Sicherheitsrat gemäß Ziffer 12 der UN-Sicherheitsratsresolution 2417 zügig über die Gefahr einer weitverbreiteten Ernährungsunsicherheit im bewaffneten Konflikt in Mali zu berichten.112 Darüber hinaus sollte die Situation in Mali im Rahmen der regelmäßigen Berichterstattung des Generalsekretärs (gemäß Ziffer 11 der vorstehend genannten Resolution) stärker herausgestellt werden, damit konsistente und konsolidierte Informationen über die humanitäre Lage und das Risiko einer Ernährungsunsicherheit vorliegen.113​​​​​​​

Für eine stärkere Fokussierung bestehender und zukünftiger Sanktionsregime auf das Verbrechen Aushungern eintreten 

Deutschland sollte seine strategische Position in der EU und im UN-Sicherheitsrat nutzen, um sich für die Verabschiedung gezielter Sanktionen gegen die Verantwortlichen von Aushungern im Rahmen von bestehenden oder zukünftigen Sanktionsregimen einzusetzen.114​​​​​​​ Dies würde für eine striktere Einhaltung des Völkerrechts sorgen.115​​​​​​​

2. Das Völkerrecht und den Schutz der Zivilbevölkerung stärken: 

durch die Ratifizierung der Ergänzung des Römischen Statuts, in der das Aushungern als Kriegsverbrechen nun auch in einem nationalen bewaffneten Konflikt definiert wird, das vom Internationalen Strafgerichtshof geahndet werden kann. Die Kapazitäten des Strafgerichtshofes, solche Fälle zu untersuchen, sollten adäquat mit weiteren Ressourcen erhöht werden, da es sich um komplexe Fälle handelt. 

Deutschland sollte die Änderung zügig ratifizieren, um eine kohärente gesetzliche Regelung einzuführen, und sich dafür einsetzen, dass auch andere Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs die Änderung bestätigen und wie Deutschland sicherstellen, dass ihre jeweilige nationale Rechtsprechung die völkerrechtliche Position widerspiegelt. 

3. Regionale Strukturen und Mechanismen in den von Konflikten und Hunger betroffenen Ländern unterstützen: 

durch Ausbildung und Investitionen, durch den Aufbau lokaler und regionaler Kapazitäten und durch multilaterale politische Unterstützung von Friedensprozessen und Bemühungen um Übergangsjustizbarkeiten. 

Deutschland sollte Initiativen unterstützen, die die Kapazitäten lokaler und regionaler Organisationen zu erhöhen, weil diese wirksamer und nachhaltiger kontrollieren und intervenieren können.116 Unterstützt werden könnten: die wichtigsten Protokolle der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS), die sich mit Konflikten und Hunger befassen;11das wiederbelebte Abkommen über die Beilegung des Konflikts in der Republik Südsudan (R-ARCSS); der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte und Rechte der Völker, der sich mit vorsätzlichem Aushungern und dem Recht auf Nahrung befassen kann;118 die Dialoge des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen (ECOSOC) und der Kommission für Friedenskonsolidierung.119

Mit der Bereitschaft zur Finanzierung und Unterstützung könnten namhafte deutsche Organisationen120 darin geschult werden, ihrerseits Orientierungshilfe für die Kontrolle und Untersuchung von vorsätzlichem Aushungern und der dazugehörigen Berichterstattung zu geben. Dies könnte zur Förderung der Achtung des Völkerrechts beitragen und so die deutsche wie auch internationale humanitäre Arbeit stärken.121

4. Die Rolle von Frauen bei der Konfliktverhütung und Friedenskonsolidierung in den von Konflikten und Hunger betroffenen Ländern stärken:

Obwohl Ernährungsunsicherheit in humanitären Krisen oft die größten Auswirkungen auf Frauen hat,122 wird ihre Gefährdung paradoxerweise am häufigsten übersehen.123 Anhand von verschiedenen Indikatoren wurde gezeigt, dass die Priorisierung der Ermächtigung von Frauen in solchen Situationen die Unterstützung und den Schutz der gesamten Familie festigen kann.124 Die  Unterstützung von frauengeführten Initiativen sollte forciert werden.

Schlussfolgerung 

Die Kombination dieser Interventionen bietet das Potenzial, den erforderlichen politischen Druck zu erzeugen, um die öffentlichen Verpflichtungszusagen gemäß der Agenda 2030 in die Tat umzusetzen, eine wirksame humanitäre Hilfe nachhaltig zu unterstützen und das Völkerrecht zu stärken, das Aushungern als Kriegsverbrechen definiert. Im Kampf gegen Hunger und Unterernährung gibt es noch viele weitere Herausforderungen, da Hunger in vielen Teilen der Welt nach wie vor durch extreme Klimaereignisse, Gewaltkonflikte, konjunkturelle Abschwünge und Krisen befeuert wird.125 Zudem lebt fast die Hälfte der an Hunger leidenden Weltbevölkerung in kriegsgeplagten Ländern.126 Wenn dieser Anstieg des Hungers und das zunehmende vorsätzliche Aushungerns wirksam bekämpft werden sollen, müssen die verantwortlichen Akteure sich dringend mit den eigentlichen Ursachen befassen: den Gewaltkonflikten. Deutschland muss eindringlich die Eliminierung von Aushungern als Methode der Kriegsführung vorantreiben und das Nachhaltigkeitsziel „Kein Hunger“ engagiert verfolgen. 

Dieser Bericht wurde von den Rechtsberaterinnen der Menschenrechtsorganisation Global Rights Compliance (GRC) erstellt, Catriona Murdoch und Margherita Stevoli, mit maßgeblicher Unterstützung durch Joe Holmes, Niriksha Sanghvi, Shivani Sanghavi und Aubrey Collins. Die GRC bedankt sich bei Alex de Waal für seine eingebrachte Expertise, redaktionelle Begleitung und die Überprüfung dieses Berichts. Die deutsche Übersetzung wurde überarbeitet und angepasst.

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Bericht "Kompass 2020"

Zum 27. Mal veröffentlichen Welthungerhilfe und terre des hommes Deutschland einen Bericht „Zur Wirklichkeit der deutschen Entwicklungspolitik“.

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Fußnoten

1) K. von Grebmer et al.: „Welthunger-Index 2019“ (englisch), Welthungerhilfe/Concern Worldwide, Dublin/Bonn, 2019, S. 7, 18. 
2) FAO, IFAD, UNICEF, WFP and WHO: „The State of Food Security and Nutrition in the World 2019. Safeguarding against economic slowdowns and downturns“, Rome, 2019
3) Aufsätze (englisch) der GRC zu Syrien, Südsudan und Jemen (2019), verfügbar auf https://starvationaccountability.org.
4) Siehe W. Jordash, C. Murdoch, J. Holmes: „Strategies for Prosecuting Mass Starvation“, in Journal of International Criminal Justice, Oxford, 2019; S. Watts: „Under Siege: International Humanitarian Law and Security Council Practice concerning Urban Siege Operations“, 2014; Harvard Law School: „Counterterrorism and Humanitarian Engagement Project“, Harvard, 2014, S. 3–4; K. J. Riordan, „Shelling, sniping and starvation: the law of armed conflict and the lessons of the siege of Sarajevo“, Victoria University Wellington Law Review, 2010; E. Rosenblad, Starvation as a Method of Warfare – Conditions for Regulation by Convention, in The International Lawyer, 1973.
5) In diesem Bericht wird der Begriff „Aushungern“ verwendet, um das vorsätzliche Vorgehen zu beschreiben, wenn die Verursachenden den Betroffenen den Zugang zu lebensnotwendigen Objekten verwehren. Diese Kennzeichnung ist wichtig, weil Begriffe wie „Hunger“, „Hungersnot“, „Ernährungsunsicherheit“ zwar die Lage angemessen beschreiben, aber nicht das vorsätzliche Verhalten widerspiegeln, das ihm fast immer zugrunde liegt und womit gegen die internationalen Menschenrechtsnormen oder das humanitäre Völkerrecht verstoßen wird. Durch die ständige und angemessene Ächtung der vorsätzlichen Entziehung von lebensnotwendigen Objekten wird sichergestellt, dass derartiges Verhalten entsprechend erkannt wird, was dazu beiträgt, dass Aushungerungstaktiken verhindert, verboten und strafrechtlich verfolgt werden. Mehr zur Definition von „Aushungern“ in A. de Waal: „Mass Starvation: The History and Future of Famine“, Cambridge, 2017; siehe auch W. Jordash et al., 2019; B. Conley, A. de Waal: „The Purposes of Starvation: Historical and Contemporary Uses of Starvation“ in Journal of International Criminal Justice, Oxford, 2019; A. de Waal: „Mass Starvation Is a Crime – It’s Time We Treated It That Way“ in Boston Review, 14. Januar 2019. 
6) Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen, 1977, Artikel 54 ZP I und Artikel 14 ZP II. 
7) 
Artikel 59 GA IV, der als Teil des Völkergewohnheitsrechts (VGR) gilt, findet auch bei nicht internationalen bewaffneten Konflikten (NIBK) Anwendung (Regel 55 der Gewohnheitsrechtlichen Regeln des humanitären Völkerrechts des IKRK). Siehe auch Artikel 23 GA IV, in dem die Rede ist von „Kleidung und von Stärkungsmitteln, die Kindern unter 15 Jahren, schwangeren Frauen und Wöchnerinnen vorbehalten sind“.
8) Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen, 1977, Artikel 69 ZP I.
9) O. Triffterer und K. Ambos (eds.): „The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary“ (3rd ed.), Oxford, 2016, Ziff. 771 auf S. 513. Siehe auch M. Bothe, K. J. Partsch and W. A. Solf: „New Rules for Victims of Armed Conflicts: Commentary on the Two 1977 Protocols Additional to the Geneva Conventions of 1949“ (2nd ed.), 2013, S. 382; K. Dörmann, L. E. Doswald-Beck, Kolb, Robert: „Elements of War Crimes under the Rome Statute of the International Criminal Court – Sources and Commentary“, Cambridge, 2003, S. 363–364; Resolution 2451 (2018) des UN-Sicherheitsrats, in der die Achtung medizinischer Einrichtungen mit dem Schutz der Zivilbevölkerung vor Aushungern verbunden und ein Kontext zu lebensnotwendigen Objekten hergestellt wird; siehe ferner Ziffer 10 mit der Feststellung, dass die Definition von „lebensnotwendigen Objekten“ etwas weiter gefasst zu sein scheint und solche Einrichtungen einbezieht, „die für die Nahrungsmittelverteilung, -verarbeitung und -lagerung erforderlich sind“. In einem Folgebeitrag von Susanne Jaspers zum Thema Aushungern und Nahrungsmittelhilfe wird die Frage diskutiert, ob die Ermöglichung der Versorgung von Kleinkindern als „lebensnotwendiges Objekt“ verstanden werden kann. In den meisten Konflikten zählen vorrangig Kleinkinder zu den Todesopfern. Das liegt in erheblichem Maße daran, dass es Müttern unmöglich gemacht wird, ihre Kinder zu stillen oder anderweitig zu versorgen.
10) Eine detaillierte Analyse des Rechtsrahmens in Bezug auf Aushungern findet sich in W. Jordash et al., 2019, außerdem leitet die GRC gemeinsam mit der World Peace Foundation (WPF) ein Projekt mit dem Titel „Mass Starvation: Testing the Limits of the Law“, das vom niederländischen Außenministerium unterstützt wird, 2019 ein Kompendium mit von Expert/innen verfassten Grundsatzpapieren mit dem Titel „Accountability for Mass Starvation: Testing the Limits of the Law (GRC-WPF Starvation Compendium)“ erstellte und einen Ausblick auf die baldige Veröffentlichung des Leitfadens zum Thema Aushungern (Starvation Manual) gibt, der ersten amtlichen Bewertung von Aushungern für Praktiker/innen im internationalen Recht, politische Entscheidungsträger/innen und betroffene humanitäre Stakeholder. Siehe dazu das Grundsatzpapier der GRC zum Rechtsrahmen in Bezug auf Aushungern, verfügbar auf starvationaccountability.org.
11) C. Golay: „The Right to Food and Access to Justice: Examples at the national regional and international levels“ ‚Rom, 2009, S. 9. Eine detaillierte Analyse zu Aushungern und zum Recht auf Nahrung in: S. Hutter: „Starvation as a Weapon“, Leiden, 2015, und S. Hutter: „Starvation In Armed Conflicts – An Analysis Based on the Right to Food“ in Journal of International Criminal Justice, Oxford, 2019).
12) Artikel 25 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) besagt: „Jeder Mensch hat das Recht auf einen Lebensstandard, der Gesundheit und Wohl für sich selbst und die eigene Familie gewährleistet, einschließlich Nahrung [...]“. Laut Artikel 25 Abs. 2 der AEMR haben „Mütter und Kinder [...] Anspruch auf besondere Fürsorge und Unterstützung“.
13) In Artikel 11 Abs. 1 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR) werden ausreichende Ernährung und Unterbringung zu den universellen Rechten für einen angemessenen Lebensstandard gezählt.
14) Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der UN (CESCR): „General Comment No. 12“, 1999 (Das Recht auf angemessene Nahrung), Ziffer 4.
15) UN-Menschenrechtsausschuss (UNHR): „General Comment No. 36“, 2018 (Das Recht auf Leben), Ziff. 26.
16) Erstellt 1987 von Asbjørn Eide, dem früheren UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung (UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1987/23, 7. Juli 1987); General Comment No. 12, Ziff. 15; siehe auch die Maastrichter Richtlinien über Verletzungen der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, (Januar 1997); S. Hutter, 2015).
17) S. Hutter, 2019).
18) CESCR: „General Comment No. 14“, 2000, Ziff. 47. Siehe auch CESCR: „General Comment No. 15“, 2003, Ziff. 40. Zu beachten ist jedoch, dass es in den internationalen Menschenrechtsnormen Beschränkungsklauseln gibt; siehe Artikel 4 des IPWSKR, der es Staaten erlaubt, den Geltungsbereich der geschützten Menschenrechte rechtmäßig zu begrenzen, um die öffentliche Gesundheit, öffentliche Sicherheit und die Moral zu schützen, die Ordnung wiederherzustellen und die Grundrechte und -freiheiten anderer zu schützen. Im Gegensatz zur Ausnahmeregelung (d. h. der zeitweiligen Aussetzung eines Rechts in seiner Ganzheit in öffentlichen Notsituationen) sind Einschränkungen nicht auf Ausnahmesituationen beschränkt und gelten als grundsätzliche Elemente des Menschenrechtsvertragswerks und der Artikel 12, 18–9, 21–2 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, wenn die Gründe für die Einschränkung der Menschenrechte „öffentliches Interesse“, „öffentliche Ordnung“ oder „nationale Sicherheit“ sind. Es ist unwahrscheinlich, dass sich Beschränkungsklauseln auf das Grundrecht auf Nahrung auswirken und die Existenz oder das Überleben gefährden, siehe Die Limburger Prinzipien über die Umsetzung des Internationalen Pakts über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, UN Doc. E/CN.4/1987/17 (Januar 1987), Ziff. 46; siehe Hutter, 2015 und 2019.
19) CESCR: „General Comment No. 12“, 1999, Ziff. 14, 17; siehe auch: CESCR: „General Comment No. 3“, 1990 (The Nature of States Parties‘ Obligations), Ziff. 10. 
20) 
Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen, 1977, Artikel 54 ZP I, Artikel 14 ZP II, Studie des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) zu den Gewohnheitsrechtlichen Regeln des humanitären Völkerrechts, Regel 54.
21) Zur Durchführung von Belagerungen als Methode der Kriegsführung siehe IKRK-Kommentar zu den Zusatzprotokollen (ZP), Ziff. 2096, und Regel 53 der Gewohnheitsrechtlichen Regeln des humanitären Völkerrechts des IKRK. Zu Blockaden als Methode der Kriegsführung siehe Artikel 23 des Genfer Abkommens IV (GC IV), IKRK-Kommentar zu den ZP, Ziff. 2092–2095 und Ziff. 93–104 des Handbuchs von San Remo.
22) Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen, 1977, Artikel 54 ZP I, Artikel 14 ZP II, IKRK-Studie zu den Gewohnheitsrechtlichen Regeln des humanitären Völkerrechts, Regel 54.
23) Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen, 1977, Artikel 54 ZP I und Artikel 14 ZP II.
24) Artikel 59 GA IV, der als Teil des Völkergewohnheitsrechts (VGR) gilt, findet auch bei nicht internationalen bewaffneten Konflikten (NIBK) Anwendung (Regel 55 der Gewohnheitsrechtlichen Regeln des humanitären Völkerrechts des IKRK). Siehe auch Artikel 23 GA IV, in dem die Rede von „Kleidung und von Stärkungsmitteln, die Kindern unter 15 Jahren, schwangeren Frauen und Wöchnerinnen vorbehalten sind“, ist. 
25) Artikel 69 ZP I.
26) O. Triffterer und K. Ambos (eds.), 2016. Siehe auch M. Bothe, K. J. Partsch and W. A. Solf, 2013; K. Dörmann, L. E. Doswald-Beck, R. Kolb, 2003; Resolution 2451 (2018) des UN-Sicherheitsrats, in der die Achtung medizinischer Einrichtungen mit dem Schutz der Zivilbevölkerung vor Aushungern verbunden und ein Kontext zu lebensnotwendigen Objekten hergestellt wird; siehe ferner Ziffer 10 mit der Feststellung, dass die Definition von „lebensnotwendigen Objekten“ etwas weiter gefasst zu sein scheint und solche Einrichtungen einbezieht, „die für die Nahrungsmittelverteilung, -verarbeitung und -lagerung erforderlich sind“. In einem Folgebeitrag von Susanne Jaspers zum Thema Aushungern und Nahrungsmittelhilfe wird die Frage diskutiert, ob die Ermöglichung der Versorgung von Kleinkindern als „lebensnotwendiges Objekt“ verstanden werden kann. In den meisten Konflikten zählen vorrangig Kleinkinder zu den Todesopfern. Das liegt in erheblichem Maße daran, dass es Müttern unmöglich gemacht wird, ihre Kinder zu stillen oder anderweitig zu versorgen. 
27) CESCR: „General Comment No. 12“, 1999, Ziff. 19.
28) Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen, 1977, Artikel 70 Abs. 2 ZP I und Artikel 59 und 61 (für besetzte Gebiete) GA IV, Artikel 18 Abs. 2 ZP II, Regel 55 der Gewohnheitsrechtlichen Regeln des humanitären Völkerrechts des IKRK. Bezüglich Blockaden siehe Ziff. 103–104 im Handbuch von San Remo.
29) Eine detaillierte Analyse des Kriegsverbrechens Aushungern, seiner Elemente und der besonderen Absicht findet sich in W. Jordash et al., 2019. 
30) Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen, 1977, Artikel 54 ZP I, Artikel 14 ZP II und Regel 53 der Gewohnheitsrechtlichen Regeln des humanitären Völkerrechts des IKRK.
31) Das Projekt der GRC und WPF „Accountability for Mass Starvation: Testing the limits of the law“ hat diese Ergänzung aktiv vorangetrieben. Insbesondere die GRC arbeitete das ganze Jahr 2019 über mit den Schweizer/innen zusammen, und die Ergänzung bildet die Bestätigung für die Bemühungen seitens GRC zum Thema Aushungern, wie etwa Veranstaltungen mit hochrangigen Gruppen, einschließlich des Co-Sponsorings der einzigen Nebenveranstaltung während der 18. Sitzung der Versammlung der Vertragsstaaten (ASP 18), bei der es vorrangig um die Hinzufügung des Verbrechens Aushungern ging; Grundsatzpapiere, Advocacy, Interviews und Analysen. Die Hinzufügung von Aushungern als Verbrechen erfolgt unter Artikel 8 Abs. 2 Buchst. e. Mehr hierzu auf www.starvationaccountability.org
32) S. Watts, 2014; K. J. Riordan, 2010; E. Rosenblad, 1973; GRC-WPF: „Starvation Compendium“; siehe A. de Waal, 2017 und 2019; siehe auch United States v. Wilhelm von Leeb („High Command Case“) in „Trials of War Criminals Before the Nuremberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10, Oktober 1946–April 1949“, Volume X, 1950, S. 563; G. A. Mudge: „Starvation as a Means of Warfare“ in The International Lawyer, 1970, S. 228–268; „General Orders No. 100: The Lieber Code, Instructions for the Government of Armies of the United States in the Field“, 1863, Article 17; Y. Dinstein: „The Conduct of Hostilities under the Law of International Armed Conflict“,Cambridge, 2004, S. 133.
33) SOFI (FAO, IFAD, UNICEF, WFP and WHO: „The State of Food Security and Nutrition in the World 2019. Safeguarding against economic slowdowns and downturns“, Rome, 2019), S. ii.
34) SOFI, 2019, S. ii.
35) N. M. Zagre und G. Quince: „Child hunger and its long-term effects“, UNICEF connect, 2014; P. E. Kamper et al.: „Independent and additive association of prenatal famine exposure and intermediary life conditions with adult mortality between age 18–63 years“ in Social Science & Medicine, 2014.
36) P. E. Kamper, 2014; Europäisches Parlament: „The social and economic consequences of malnutrition in ACP countries“ Hintergrunddokument zum Beschluss von 2014; siehe auch World Bank: „Famine Action Mechanism (FAM)“, 2018, online verfügbar auf www.worldbank.org/en/programs/famine-early-action-mechanism.
37) Migration Data Portal: Forced Migration or Displacement, 2020.
38) Mehr als 5,5 Millionen Flüchtlinge sind aus dem Land geflohen, und mehr als 6,5 Millionen binnenvertriebene Zivilpersonen leben in der Arabischen Republik Syrien. UNHRC: „Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic“, UN Doc. A/HRC/39/65 (12. September 2018), Ziff. 64.
39) „Millionen Zivilpersonen wurden vertrieben, und Tausende suchten Schutz im Busch, was zu unzähligen Todesfällen durch Hunger, Durst, Gefahrensituationen und mangelnden Zugang zu medizinischer Versorgung führte. Solche Todesfälle sind eine direkte und vorhersehbare Folge des Konflikts und ebenso zu den Kriegstoten zu zählen wie Personen, die erschossen, enthauptet, in ihren Tukuls (Strohhütten) verbrannt oder an einem Baum aufgehängt wurden. UNHRC: „Report of the Commission on South Sudan“, UN Doc A/HRC/37/71 (13. März 2018), Ziff. 25.
40) Nach der groß angelegten Militäraktion im August 2017 floh über eine halbe Million Rohingya in das benachbarte Bangladesch, um den massenweise begangenen Gräueltaten zu entkommen. Die GRC arbeitet an zahlreichen Projekten zugunsten der Rohingya. Ende Mai 2018 reichte die GRC Anträge im Namen von 400 Rohingya-Frauen und -Kindern beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) ein, in denen der Gerichtshof aufgefordert wurde, seine Zuständigkeit anzuerkennen und die Verbrechen Völkermord, Deportation, Apartheid und Verfolgung, die von den myanmarischen Behörden gegen die Rohingya mutmaßlich begangen worden waren, zu untersuchen und gegebenenfalls strafrechtlich zu verfolgen. Der IStGH nahm diese Anträge an, erweiterte seine Zuständigkeit und ermächtigte am 14. November 2019 die Staatsanwaltschaft des IStGH, Ermittlungen zu diesen mutmaßlichen Verbrechen einzuleiten. Die GRC führt derzeit mit Organisationen in Bangladesch ein Musterprozess-Programm durch, um die Funktionalität und Inhalte der neuen Basic Investigative Standards (BIS) App zu testen. Mehr zur GRC-Initiative gegen Aushungern und ihrem Projekt zur Aufarbeitung der Verbrechen an den Rohingya auf der GRC-Website und auf starvationaccountability.org. 
41) 
Weitere Informationen dazu in: R. C. DeFalco: „Justice and Starvation in Cambodia: International Criminal Law and the Khmer Rouge Famine“, 2013 (LLM Thesis, vorgelegt an der University of Toronto Faculty of Law, Canada), online abrufbar unter http://hdl.handle.net/1807/67245, S. 32–34. 
42) DW: „Germany boosts foreign aid amid rising global crisis“ (5. November 2019).
43)  Für den Jemen siehe Welternährungsprogramm (WEP): „World Food Programme beings partial suspension of aid in Yemen“, 2019; für den Südsudan siehe Reuters: „IOM suspends some Ebola screening after three aid workers killed in South Sudan“, 30. Oktober 2019. 
44) IKRK: „Addressing the Needs of Women Affected by Armed Conflict“, 2004, S. 50. 
45) 
IKRK, 2004, S. 43.
46) Mehr zu geschlechtsspezifischen Unterschieden in Hungerkrisen in GRC: „The Starvation Training Manual“, 2019, das einen einzigartigen Leitfaden für gefährdete Opfer und Zeug/innen von Aushungerungsmaßnahmen enthält; Helen Young: „Oxfam Practical Guide on Food Scarcity and Famine“, 2006; Global Network to the Right to Food and Nutrition: „Women’s Power in Food Struggles“, 2019, und UNFPA: „Essential Health Needs of Women Often Neglected in Assistance after Natural Disasters, Conflicts“ (3. Dezember 2015).
47) GRC-WPF Compendium on Syria. Die Strategie „Aufgeben oder Verhungern“ wurde zunächst vom Assad-Regime in Homs und kurz darauf in ganz Syrien angewandt, wo die Warnung „Aufgeben oder Verhungern“ an jenen Häuserwänden zu lesen war, an denen das Assad-Regime Checkpoints an den Grenzen der unter seiner Kontrolle liegenden Gebiete eingerichtet hatte. Dieses Vorgehen wurde Teil von Assads Zermürbungsstrategie, um die von der Opposition gehaltenen städtischen Enklaven zur Unterwerfung zu zwingen. Es beinhaltete (a) die Abriegelung belagerter Gebiete, die Verweigerung des Zugangs zu Nahrungsmitteln und anderen lebensnotwendigen Objekten wie Wasser, Gesundheitsversorgung, Strom und Gas, Beschäftigung und Geld; in Kombination mit (b) gezielten Angriffen auf Bäckereien, Gesundheitseinrichtungen, Märkte, Existenzgrundlagen und die Landwirtschaft; und (c) mit der Einschränkung oder Blockierung humanitärer Hilfe sowie mit Angriffen auf Mitarbeitende von Hilfsorganisationen.
48) Human Rights Watch: „‚They Burned It All‘: Destruction of Villages, Killings, and Sexual Violence in Unity State South Sudan“, 2015. Das Yemen Data Project erfasste zwischen März 2015 und März 2018 Daten zum Jemen-Krieg, u. a. 16.449 Luftangriffe, von denen mehrheitlich Sa’ada und Sana’a betroffen waren; siehe auch M. Mundy: „dThe Strategies of the Coalition in the Yemen War: Aerial Bombardment and Food War“, WPF, 2018; UNHRC: „Report of the Group of Eminent International and Regional Experts as submitted to the UN High Commissioner for Human Rights“, UN Doc. A/HRC/42/17, 2019, Ziff. 51–56; Amnesty International: „Syria: Surrender or starve strategy displacing thousands of amounts to crimes against humanity“, 2017; der verurteilende Bericht des UN-Menschenrechtsrats von 2014, in dem Verstöße gegen das Völkerrecht detailliert aufgeführt wurden, mit dem Titel „Living Under Siege: The Syrian Arab Republic“. Weitere detaillierte Analysen in Zusammenarbeit mit Länderexpert/innen für den Südsudan, Syrien und den Jemen in: „GRC-WPF Starvation Compendium“, verfügbar auf starvationaccountability.org.
49) FAO, WEP: „Monitoring food security in countries with conflict situations: A joint FAO/WFP update for the United Nations Security Council, 2019; Famine Early Warning System Network, fews.net/west-africa/nigeria/food-security-outlook-update/april-2019 (letzter Zugriff: 15.05.2019); UN News: „With Devastating Impact on Civilians, Conflict is a ‚Major Cause of Famine‘ – UN Security Council“, 2017.
50)  Prosecutor v. Omar Hassan Ahmad Al-Bashir, Case No.: ICC-02/05-01/09, Zweite Entscheidung (englisch) über den Haftbefehl (4. März 2009 und 12. Juli 2010), nachdem ein Zusammenhang zwischen der Vernichtung von Nahrungsmitteln und anderen lebensnotwendigen Objekten, der Vergiftung von Brunnen, der Vertreibung sowie der Verweigerung und Behinderung humanitärer Hilfe mit einem Teil des Völkermordplans festgestellt worden war.
51) Siehe Studie der GRC und WPF über Venezuela vom April 2019 (auf Anfrage erhältlich). Verschiedene Berichte zeigen, dass Kinder in erschreckendem Maße an Hunger sterben, und Mediziner/innen stießen auf fast 2800 Fälle von Mangelernährung bei Kindern, die zu etwa 400 Todesfällen führten. Der fehlende Zugang zu Nahrung und anderen lebenswichtigen Gütern ist weitverbreitet; siehe OAS: „Report of the General Secretariat of the Organization of American States and the Panel of Independent International Experts on the Possible Commission of Crimes against Humanity in Venezuela“, Washington, D. C., 2018; Human Rights Watch: „Venezuela: Las cifras evidencian una crisis de salud“, 2018; UN: „Report by the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights Human rights violations and abuses in the context of protests in the Bolivarian Republic of Venezuela from 1 April to 31 July 2017“, 2017); ICC: „Statement of the Prosecutor of the International Criminal Court, Ms Fatou Bensouda, on opening Preliminary Examinations into the situations in the Philippines and in Venezuela“, 8. Februar 2018.
52) SOFI, 2019.
53) ACTED, Concern, Helvetas, Save the Children, CRS, Humanitarian Dialogue, lokale NRO-Vertretende, Vertretende der Universität Bamako, Landesdirektor/innen von WEP, OCHA und WHH, Feldmitarbeitende und Projektleiter/innen waren anwesend.
54)  Alex de Waal beschreibt den Konflikt als eine „ethiklose Zone“ (GRC, WPF: „Policy Brief No. 2“, Den Haag/Somerville, 2019, S. 7), siehe www.starvationaccountability.org.
55) Das R-ARCSS folgte auf das Abkommen über die Beilegung des Konflikts in der Republik Südsudan von 2015 (ARCSS), das eine ambitionierte Übergangsperiode nach dem Konflikt vorsah, einschließlich Reformen in den Bereichen Sicherheit, Staatsführung und Justiz, der Einrichtung von Mechanismen für die Übergangsjustiz, einschließlich eines Hybriden Gerichtshofs für Südsudan (HCSS) und einer ständigen Verfassung. Nur wenige Monate nach der Unterzeichnung des ARCSS war es gescheitert, und die Feindseligkeiten begannen aufs Neue. Siehe auch Amnesty International: „‚Do you think we will prosecute ourselves?‘. No prospects for accountability in South Sudan“, 2019 („Amnesty Report“), S. 8–9.
56) IPC: „South Sudan: Acute Food Insecurity and Acute Malnutrition Situation for August 2019 – April 2020“, 2019); UNSC POE: „Panel of Experts Interim Report on South Sudan“, 22. November 2019 (S/2019/897), S. 21. 
57) IPC: „South Sudan: Acute Food Insecurity and Malnutrition Situation January - July 2019“, 2019.
58) IPC: IPC Alert - South Sudan: Food insecurity and malnutrition situation remains at dire levels across South Sudan, 2018.
59) United Nations Commission on Human Rights in South Sudan (März 2016–März 2019), Ziff. 132.
60) Siehe UNHRC: „Report of the Commission on Human Rights in South Sudan“ (A/HRC/34/63), 6. März 2017). Siehe auch „Hindernisse für den Zugang für humanitäre Hilfe, einschließlich der Risiken für die Sicherheit der humanitären Helfenden, die als eines der Haupthindernisse für die Bewältigung der zunehmenden Ernährungsunsicherheit, insbesondere in Teilen von Western Bahr el-Ghazal, Western Equatoria, Upper Nile und Unity“, genannt werden; und „die Sachverständigengruppe stellt fest, dass der Zugang für humanitäre Hilfe in ganz Südsudan weiterhin von allen Konfliktparteien ebenso wie von zivilen Behörden und kriminellen Netzwerken eingeschränkt wird. Humanitäre Helfende sind weiterhin Ziel von Plünderungen und Gewalt im ganzen Land; im August soll es in Central Equatoria, Jonglei und Eastern Equatoria zu solchen Vorfällen gekommen sein.“ (Interim report of the Panel of Experts on South Sudan submitted pursuant to resolution 2428 (2018), S/2018/1049, 26. November 2018, Ziff. 48 und 53–54.) Eine detaillierte Analyse der bürokratischen Hindernisse, die von den Parteien eingesetzt werden, findet sich in der UN-Sicherheitsratsresolution 292 (2018) auf den Seiten 17–21 sowie unter Ziffer 67 auf Seite 23.
61) GRC, WPF: „Policy Brief No. 2“, Den Haag/Somerville, 2019, S. 1, 5; siehe https://starvationaccountability.org/ 
62) GRC, WPF 2019.
63) GRC, WPF, 2019.
64) UNSC POE: „Panel of Experts Interim Report on South Sudan“, 22. November 2019 (S/2019/897); siehe auch UNHCR-Statement vom Juni 2019, dass mehr als vier Millionen Südsudanes/innen infolge des Konflikts und der damit verbundenen Gewalt zwangsweise aus dem Land oder innerhalb Südsudans (schätzungsweise 1,8 Millionen) vertrieben wurden.
65) UNHRC: „Report of the Commission on Human Rights in South Sudan“ (A/HRC/37/71), 14. März 2018, Ziff. 42. Zu beachten ist außerdem, dass in der ersten Hälfte des Jahres 2018 registrierte 30.954 südsudanesische Flüchtlinge Schutz in Uganda suchten. UNHRC: „Uganda: South Sudan Regional RRP 2018 Mid Year Report – January–June 2018“, 1. Oktober 2018.
66) GRC, WPF, 2019.
67) UNSC POE: „Panel of Experts Interim Report on South Sudan“, 22. November 2019, (S/2019/897), Annex 1, S. 49. 
68) Siehe J. Craze, J. Tubiana, C. Gramizzi: „A State of Disunity: Conflict Dynamics in Unity State, South Sudan, 2013–15“, Genf, 2016. Als Vergleich dazu, wie ähnlich die Vernichtung von Ernten und die Zerstörungen von Häusern von der African Commission of Human Rights (Afrikanische Menschrechtskommission) wahrgenommen werden, siehe den Fall SERAC v. Nigeria 155/1996 (2001) und den Beschluss der African Human Rights Commission, Communication No. 296/2005, Centre on Housing Rights and Evictions v. Sudan, der bei der 45. ordentlichen Sitzung (13. bis 27. Mai 2009) verabschiedet wurde, Ziffern 209–211.
69) „Die Kommission hat Grund zu der Annahme, dass die vierte Division der SPLA, die SPLA-IO (TD) und Milizen aus dem Bezirk Koch zwischen April und Juni 2018 in den Bezirken Mayendit und Leer an Tötungen, Vergewaltigungen, Verprügelungen, Entführungen sowie an Plünderungen und Zerstörungen von Eigentum beteiligt waren. Die der Kommission vorliegenden Beweise geben berechtigten Grund zu der Annahme, dass diese Kräfte Angriffe gegen die Zivilbevölkerung geführt haben und dies mit der Absicht taten, die Zivilbevölkerung gewaltsam zu vertreiben.“ (UNHRC: „Report of the Commission on Human Rights in South Sudan“ (A/HRC/40/69), 12. März 2019, Ziff. 73.)
70) „Zivilist/innen flohen zwar in die Sumpfgebiete, wurden aber von amphibischen Militärfahrzeugen verfolgt und vorsätzlich beschossen. Einige versteckten sich einen Monat lang in den Sümpfen und aßen Seerosen, um zu überleben. Manche ertranken.“ UNHRC: „Report of the Commission on Human Rights in South Sudan“ (A/HRC/40/69), 12. März 2019, Ziff. 69. Siehe auch das Interview mit der preisgekrönten Journalistin Jane Ferguson, die in PBS News über Aushungerungstaktiken im Südsudan berichtete, verfügbar auf https://starvationaccountability.org (Jane Ferguson, PBS Special Correspondent, on the role of media in conflict zones affected by mass starvation and her experience as a frontline journalist in Yemen and South Sudan).
71) Auch die schlechte Infrastruktur und der miserable Zustand der Straßen wurden bei den Grunddatenerhebungen häufig angeführt und bei den Beratungen im Südsudan diskutiert. Durch diese Erschwernisse kann es zu ernsthaften Verzögerungen bei Interventionen kommen, da einige Gebiete nicht mehr erreicht werden können. 
72) Siehe auch UNSC POE: „Panel of Experts Interim Report on South Sudan“ (S/2019/897), 22. November 2019, Annex 1, S. 20. Die Berichte über solche Behinderungen stiegen von einem Monatsdurchschnitt von zwölf Prozent im Jahr 2018 auf 31 Prozent im Januar 2019; siehe auch OCHA: „Bureaucratic Access Impediments To Humanitarian Operations in South Sudan“, 2017.
73) Mehrere massive Sicherheitsvorfälle in der Region Timbuktu im Jahr 2016, bewaffneter Raubüberfall eines Fahrzeugs auf der Straße nach Takabaout; 2017 und erneut 2018 bewaffneter Raubüberfall und Plünderung eines Lagerraums in Nibkit, Timbuktu. Außerdem in der Region Mopti: bewaffneter Überfall und Tötung einer Mitarbeiterin einer Partnerorganisation im April 2019. Im November 2019: Einschüchterung mit Waffengewalt von Mitarbeitenden in der Region Mopti bei einem Straßenbauprojekt, weswegen das Projekt abgebrochen werden musste.
74) E. Tronc, R. Grace, A. Nahikian: „Realities and Myths of the ,Triple Nexus‘, Local Perspectives on Peacebuilding, Development, and Humanitarian Action in Mali“, Harvard Humanitarian Initiative (ATHA), 2019.
75) Detailliertere Analysen des Konflikts einschließlich seiner Entstehung in Congressional Research Service: „Conflict in Mali“ (16. August 2019); G. Chauzal, T. Van Damme: „CRU Report: The Roots of Mali’s Conflict“, 2015); Human Rights Watch: „Mali Conflict and Aftermath: Compendium of Human Rights Watch Reporting, 2012–2017“, 2017.
76) UN-Sicherheitsratsresolution 2100 (2013).
77) UN-Sicherheitsratsresolution 868 (2019), Ziff. 38.
78) UN-Sicherheitsratsresolution 636 (2019). 
79) Congressional Research Service, Conflict in Mali. 
80) UN-Sicherheitsratsresolution 868 (2019), Ziff. 37. Im Land gab es 2016 183 terroristische Anschläge, 2017 stieg die Zahl auf 226. Im Jahr 2018 beliefen sie sich auf 237, siehe Resolution 207 (2019) des UN-Sicherheitsrats.
81) ODI: „The Impact of cross-border transhumance on sustainable peace and development in West Africa and the Sahel“, 2019; UN ECOSOC: „Joint Meeting of the Economic and Social Council (ECOSOC) and the Peacebuilding Commission (PBC) – ,The Impact of Cross-border Transhumance on Sustainable Peace and Development in West Africa and the Sahel‘“ (3. Dezember 2019).
82) K. von Grebmer et al., 2019. 
83) World Food Programme: „Mali“, 2020. 
84) World Food Programme: „Changing Lives, Scaling up Resilience in Mali“, Juni 2019. 
85) USAID: „Food Assistance Fact Sheet Mali: Updated July 29, 2019“, 2019.
86) Famine Early Warning Systems Network (FEWS): „West Africa: Mali“, Juli 2019. 
87) WFP: Zahl der Hungernden im Sahel steigt während COVID-19 ausbricht (Pressemitteilung), 2. April 2020
88) UNSC: „Panel of Experts Mid-term Report“ zu Mali (S/2019/137), 21. Februar 2019, S. 84.
89) UNSC: „Panel of Experts Mid-term Report“ zu Mali (S/2019/137), 21. Februar 2019, S. 83. 
90) OCHA: „Humanitarian Bulletin Mali“, Juli–August 2019, S. 6.
91) OCHA-Landesdirektorin Mali, Interview mit WHH und GRC im November 2019.
92) Anhörungen von WHH und GRC in Mali im November 2019, die aus Grunddatenerhebungen, Vor-Ort-Workshops und bilateralen Treffen mit Vertretenden malischer und internationaler Nichtregierungsorganisationen bestehen.
93) World Food Programme, 2020.
94) Äußerung von Ute Kollies, OCHA-Landesdirektorin Mali.
95) Im Juni 2018 wurden neun vom WEP beauftragte Lkw samt Hilfsgütern zum Ziel einer Autoentführung, siehe UNSC: „Panel of Experts Final Report“ zu Mali, 8. August 2018, S. 42.
96) UNSC: „Panel of Experts Mid-term Report“ zu Mali (S/2019/137), 21. Februar 2019, Annex 31.
97) UNSC: „Panel of Experts Mid-term Report“ zu Mali (S/2019/137), 21. Februar 2019, Annex 31.
98) UN-Sicherheitsratsresolution 2417, Ziff. 7. 
99) UN Press: „International Community Must Take Action to Stop Catastrophic Famine in Yemen, Top Humanitarian Affairs Official Tells Security Council“, 28. Oktober 2018; Swedish Statement at the UN Security Council Briefing on Yemen (23. Oktober 2018). Der UN-Sonderberater für die Verhütung von Völkermord verwies im Zusammenhang mit dem Jemen ebenfalls auf die UN-Sicherheitsratsresolution 2417 und machte auf den Zusammenhang zwischen Nahrungsentzug und Völkermord aufmerksam; siehe Erklärung von Adama Dieng, Sonderberater der Vereinten Nationen für die Verhütung von Völkermord, zur Situation in Hudaydah, Jemen, vom 14. Juni 2018, verfügbar auf: www.un.org/sg/en/content/sg/note-correspondents/2018-06-14/note-correspondents-statement-adama-dieng-united-nations.
100) Beide Weißbücher waren vertraulich, siehe What’s in Blue, South Sudan Consultations (9. August 2018) und UN Security Council Report, Yemen (Oktober 2018). 
101) Siehe UN: „Letter dated 25 January 2019 from the Panel of Experts on Yemen addressed to the President of the Security Council“ (Final report of the Panel of Experts on Yemen), Ziff. 750 und 941; bezüglich der Belagerungen in Syrien siehe Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic: „Sieges as a Weapon of War, Encircle, Starve, Surrender, Evacuate“, 29. Mai 2018.
102) K. von Grebmer et al., 2019.
103) UN Press: „Leaving no one behind“, 17. August 2018. 
104) Siehe Deutschlands Verpflichtungszusagen in Hinblick auf SDG 2, Kein Hunger und SDG 1, Keine Armut.
105) Bericht der Bundesregierung zum High-Level Political Forum on Sustainable Development 2016 (12. Juli 2016), S. 4.
106) Bericht der Bundesregierung zum High-Level Political Forum on Sustainable Development 2016 (12. Juli 2016), S. 3.
107) CESCR: „General Comment No. 12“, Ziff. 38.
108) Es sei darauf hingewiesen, dass die Teilnehmenden, mit denen die WHH und GRC im Rahmen der Grunddatenerhebungen und Feldkonsultationen sprachen, eine Reihe detaillierter und wichtiger Empfehlungen gaben, von denen viele nicht in diese endgültige Ausgabe aufgenommen werden konnten. Um eine Liste dieser Empfehlungen oder weitere Daten aus den Grunddatenerhebungen und den Anhörungen zu erhalten, kontaktieren Sie bitte die WHH oder GRC.
109) UN-Sicherheitsratsresolution 2417, Ziff. 12. 
110) Wie unter anderem die UN Commission on Human Rights in South Sudan, die Group of Eminent Experts in Yemen (GEE) und die Independent international fact-finding mission on Myanmar.
111) Gesetz zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuchs vom 26. Juni 2002. In § 11 Völkerstrafgesetzbuch (englisch) (VStGB) sind „Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung“ aufgeführt: „(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt [...] (5.) das Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegsführung einsetzt, indem er ihnen die für sie lebensnotwendigen Gegenstände vorenthält oder Hilfslieferungen unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht behindert, [...] wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.“ Unsere Recherchen ergaben, dass in den Strafgesetzbüchern folgender Länder Aushungern in beiden Konfliktsituationen (international oder nichtinternational) ausdrücklich als Verbrechen aufgeführt ist: Kroatien, El Salvador, Frankreich, Deutschland, Korea, Niederlande und Nicaragua.
112) UN-Sicherheitsratsresolution 2417, Ziff. 12: „[...] ersucht den Generalsekretär ferner, dem Rat zügig Bericht zu erstatten, wenn die Gefahr einer konfliktbedingten Hungersnot und weitverbreiteter Ernährungsunsicherheit im Kontext eines bewaffneten Konflikts eintritt, und bekundet seine Absicht, solchen Informationen des Generalsekretärs seine volle Aufmerksamkeit zu widmen, wenn ihm derartige Situationen zur Kenntnis gebracht werden“.
113) UN-Sicherheitsratsresolution 2417, Ziff. 11: „Ersucht den Generalsekretär, im Rahmen seiner regelmäßigen Berichterstattung über länderspezifische Situationen auch weiterhin Informationen über die humanitäre Lage und die humanitären Maßnahmen bereitzustellen, einschließlich über die Gefahr einer Hungersnot und der Ernährungsunsicherheit in Ländern mit bewaffneten Konflikten.“ Vorgenannte Bestimmung wurde 2018 auf diese Weise zweimal mit Bezug auf den Jemen und Südsudan verwendet, nachdem OCHA Weißbücher über die Verschärfung der Ernährungskrisen in beiden Ländern und die extreme Unterernährung in Umlauf gebracht hatte, siehe What’s in Blue, South Sudan Consultations (9. August 2018); UN-Sicherheitsratsresolution 2428 (2018); Bericht des Sicherheitsrats: Yemen (Oktober 2018).
114) Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die geplante Entwicklung einer globalen Sanktionsregelung der EU zur Bekämpfung schwerer Menschenrechtsverletzungen ähnlich dem Magnitsky Act der USA. Die Vorbereitungsarbeiten werden vom Europäischen Auswärtigen Dienst eingeleitet.
115) Unseren Recherchen zufolge gibt es derzeit keine spezifischen Sanktionen gegen jene, die für Aushungerungsmaßnahmen gegen die Zivilbevölkerung verantwortlich sind. Diese würden auch die Umsetzung der UN-Sicherheitsratsresolution 2417 stärken, die besagt, dass „Sanktionsmaßnahmen [...] auf Personen oder Einrichtungen angewandt werden können, die die Bereitstellung humanitärer Hilfsgüter, den Zugang zu humanitärer Hilfe oder die Verteilung humanitärer Hilfsgüter behindern“, siehe UN-Sicherheitsratsresolution 2417, Ziff. 9.
116) Wie bei den Konsultationen empfohlen, könnte dies auch die Übersetzung der wichtigsten Referenztexte, Resolutionen und der Artikel des Völkerrechts, die sich mit dem Thema Aushungern und dem Recht auf Nahrung befassen, in lokale Sprachen und Dialekte beinhalten, um eine angemessene Verbreitung zu gewährleisten.
117) Erstens das 1993 ECOWAS Protocol on Democracy and Good Governance, dessen spezifische Bestimmungen zur Armutsbekämpfung zu sozialer Zusammenarbeit/Beratung aufrufen, um eine bessere Entwicklung der Mitgliedstaaten zu erreichen sowie die Armut und damit die Folgen der Armut zu lindern, wie beispielsweise Krankheiten, Hungersnöte, Konflikte etc. Das Recht auf Nahrung fällt unter Artikel 26 des Protokolls und wird als grundlegendes menschliches Bedürfnis erachtet. Falls die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse nicht befriedigt werden, wäre das ein Verstoß gegen die vorgenannte Bestimmung; zweitens sieht Artikel 40 des Protocol relating to the Mechanism for Conflict Prevention, Management, Resolution, Peace-Keeping and Security vor, dass die ECOWAS bei Krisen, Konflikten und Katastrophen intervenieren muss, um das Leid der Bevölkerung zu mäßigen und das Leben zu normalisieren. Ferner wird in Artikel 43 des Protokolls ausdrücklich das Verhalten von Kriegsparteien für die Dauer von Feindseligkeiten adressiert. Von diesen wird erwartet, Verhaltensweisen/Strategien zu bevorzugen, die „die Verschlechterung der sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen auf ein Minimum begrenzen“. Dies schließt ebenso die Minimierung des Leids der Menschen ein, die während der Feindseligkeiten zwischen den Fronten gefangen sind. Ein Hungernlassen solcher Bevölkerungen – als Kriegsfolge oder als vorsätzlich eingesetzte Methode der Kriegsführung – würde eine Verletzung dieser Bestimmung bedeuten.
118) In der Gründungsakte der Afrikanischen Union (AU) werden die Förderung und der Schutz der Menschenrechte als eines der Hauptziele der AU hervorgehoben und wird betont, dass die AU im Einklang mit den Menschenrechtsprinzipien arbeitet. Darüber hinaus hat die Afrikanische Kommission einige der weltweit führenden Beschlüsse zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten erarbeitet; siehe S. Sceats: „Africa’s New Human Rights Court: Whistling in the Wind?“, London, 2009, S. 3.
119) cxix Der ECOSOC und die Kommission für Friedenskonsolidierung stehen seit 2017 in einem ausführlichen, informellen Dialog, um über Friedenskonsolidierung und nachhaltigen Frieden in der Sahelregion zu beraten. Auf der gemeinsamen Sitzung am 28. Juni 2017 wurde betont, dass die grundlegenden Ursachen von Konflikten wie sozioökonomische Ungleichheiten, Regierungsführung, Klimawandel, Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten und Arbeitsplätzen in Angriff genommen werden müssen und eine regionale und grenzübergreifende Zusammenarbeit für Stabilität, Widerstandsfähigkeit und langfristige Entwicklung zu etablieren ist. In der gemeinsamen Sitzung am 13. November 2018 wurden die Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Frieden, Sicherheit und Entwicklung unterstrichen; zugleich wurde zur regionalen Zusammenarbeit aufgerufen, um die zusätzlichen Herausforderungen zu meistern, die durch die aktuellen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme entstanden sind. Siehe außerdem UN Support Plan for the Sahel – ‚Working Together for a Prosperous and Peaceful Sahel‘, 2018.
120) Wie zum Beispiel das Berliner Zentrum für internationale Friedenseinsätze, https://www.zif-berlin.org/en.html, und das Centre for Humanitarian Action, http://chaberlin.org/en/about-cha/. 
121) 
Maßgeschneiderte Ausbildungsmodule könnten in deutschen Ausbildungszentren und an Universitäten, bei der ZBKV, Rechtsorganen und dem Militär entwickelt und eingesetzt werden. Initiativen wie das „Starvation Training Manual“ der GRC könnten die Grundlage solcher Trainingsmodule bilden. Das im November 2019 vorgestellte „Starvation Training Manual“ ist ein einzigartiges Instrumentarium, das sich an ein breites Publikum richtet (u. a. an professionelle Ermittler/innen, Menschenrechtsverteidiger/innen, Journalist/innen, zivilgesellschaftliche Organisationen, Wissenschaftler/innen, Militärs und Polizist/innen sowie humanitäre Helfende). Es thematisiert die Identifizierung, Überwachung und Reaktion auf vorsätzliches Aushungern, die Stärkung von Schutzstrategien und die Isolierung solcher Operationen, was wiederum die Rechtsstaatlichkeit bezüglich Aushungerns und das Recht auf Nahrung festigt. Das Handbuch ist für Praktiker/innen derzeit sowohl gedruckt als auch online verfügbar und enthält einen Rahmenleitfaden zu Völkerrechtsverbrechen bezüglich Aushungerns, einen Überblick über die einschlägigen Anknüpfungspunkte der UN-Sicherheitsratsresolution 2417, die grundlegenden Ermittlungsstandards sowie einen Abschnitt über die Rechtsmittel und darüber, wie die Zusammenarbeit mit dem IStGH und anderen Rechtsorganen abläuft. Das Starvation Manual wird als mobile App verfügbar sein, in der die App Basic Investigative Standards (BIS) von GRC (kostenloser Download für Apple- und Android-Geräte) für den Feldeinsatz mit Mobiltelefonen oder Tablets gespiegelt ist (noch in Entwicklung). Weitere Informationen zum Starvation Training Manual auf www.starvationaccountability.org.
122) UNFPA: „10 things you should know about women & the world’s humanitarian crises“, 2016. „Bei Katastrophen und in humanitären Notsituationen ist das Risiko, unter Ernährungsunsicherheit zu leiden, für Frauen wesentlich größer als für Männer. Obwohl Frauen mehr als die Hälfte der weltweiten Nahrungsmittel produzieren, sind 70 Prozent der Hungernden auf der Welt weiblich.“ 
123) 
UNFPA: „Essential Health Needs of Women Often Neglected in Assistance after Natural Disasters, Conflicts“, Dezember 2015.
124) cxxiv Behördenübergreifendes Positionspapier „Women’s and girls’ rights and agency in humanitarian action: A life-saving priority“, 2019; J. Blessing, „Empowering Women in Humanitarian Crisis“, UN Volunteers, 2016; UN Women: „Promoting the Rights, Needs and Agency of Women and Girls in Humanitarian Action“, 2016; Care International: „Empowering Women and girls affected by Crisis“, 2016. 
125) K. von Grebmer et al., 2019. 
126) 
FAO, WEP, 2019; FAO: „Hunger in conflict zones continues to intensify“, 29. Januar 2018. 

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