Entwicklungspolitisch unterstützt: Wie bäuerliche Genossenschaftsbanken in Kamerun florieren
Ein dichtes Filialnetz und vertrauenswürdige Strukturen: Die "MUFID" verschafft Farmern und Händlern Zugang zu Finanzierungen – zum halben Zinssatz der örtlichen Kredithaie.

Christian Baforo ist 22 Jahre alt, Kleinbauer in der Nähe von Garoua im Norden Kameruns, und hat sich gerade von seinen Eltern unabhängig gemacht. Für die Gründung eines eigenen landwirtschaftlichen Betriebs mit einer Fläche von zwei Hektar erhielt er einen Kredit von der Genossenschaftsbank MUFID in seiner Heimatstadt Ngong. Er baut Baumwolle, Mais und Erdnüsse an. Mit der kleinen Familie von Frau und Kind will er als nächstes Projekt seine Farm vergrößern und ein festes Haus aus Ziegelsteinen bauen, damit sie aus der kleinen Lehmhütte ausziehen können. Für seine Pläne benötigt er einen weiteren MUFID-Kredit.
MUFID seht für Mutuelles Financières de Développement (Mutual Finance for Development). In Kamerun gibt es derzeit 94 MUFID-Genossenschaftsbanken mit insgesamt 120 Zweigstellen in zehn Regionen. Eine Bank hat durchschnittlich rund 3.000 Mitglieder: hauptsächlich Landwirte, Kleinhändler und mittelgroße Unternehmen. Das Netzwerk hat sich zum Ziel gesetzt, in dem zentralafrikanischen Land führend bei der Finanzierung von Landwirtschaft zu sein – und ein wichtiger Akteur bei der finanziellen Integration und der Finanzierung von Kleinst-, Klein- und Mittelbetrieben. Es ist – auch dank einer strengen Bankenaufsicht – auf gutem Weg, hat aber auch seine Herausforderungen.
Die MUFID-Banken und die deutsche Entwicklungszusammenarbeit
Größtenteils sind die genossenschaftlichen Finanzinstitute eine kamerunische Gründung. Sie finanzieren sich aus den Einlagen ihrer Mitglieder. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) hat die MUFID- Genossenschaftsbanken jedoch von Anfang an begleitet und unterstützt. Dies geschah zunächst über die DEG (Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft), die Anteilseigner der kamerunischen Geschäftsbank war, welche die MUFIDs ursprünglich ins Leben rief. Das Hilfswerk Misereor unterstützte dann nachhaltig die Gründung und Entwicklung neuer MUFIDs, während die GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) Beratung im Bereich der Agrarfinanzierung und Digitalisierung leistete.
Zur Agrarfinanzierung berät bis heute zudem die internationale Abteilung des wiederum finanziell vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) unterstützten Deutschen Genossenschaftsverbands DGRV. Insgesamt konnte die deutsche EZ mit recht begrenzten Mitteln den Aufbau des effizientesten Mikrofinanznetzwerkes in Kamerun unterstützen, das einen entscheidenden Beitrag zur kleinbäuerlichen Agrarfinanzierung leistet. Obwohl Kamerun in der Vergangenheit auch negative Erfahrungen mit Mikrofinanzinstituten gemacht hat, ist seit der Gründung der ersten MUFID-Bank vor 32 Jahren noch keine einzige in Konkurs gegangen.
Genossenschaftliche Dienstleistungen für Mitglieder
Die wichtigste Dienstleistung, die die Bank ihren Mitgliedern anbietet, ist die sichere Anlage ihrer Ersparnisse. So herrscht in den Dörfern im Norden Kameruns große Unsicherheit. Überfälle häufen sich während der Baumwollernte, wenn relativ große Geldsummen in den Dörfern verfügbar sind. Kann die Baumwollgesellschaft hingegen die Einnahmen der Bauern direkt auf deren Konten bei ihrer MUFID überweisen, erhöht sich die Sicherheit erheblich. Aus diesem Grund verfügen alle MUFIDs über Tresorräume mit sehr stabilen, schwer zu knackenden Schließfächern und ausgeklügelten Zugangsregeln. Die gelagerten Barmittel sind außerdem systematisch versichert.
Neben Geld für landwirtschaftliche Inputs erhalten die Mitglieder der Genossenschaften auch günstige Kredite für den täglichen Bedarf, wie Kosten des Arztbesuchs oder für die Schuluniformen der Kinder. Diese Kurzfristkredite werden in der Regel schnell zurückgezahlt. Wie Christian Baforo haben Mitglieder Zugang zu Krediten für Investitionen. Sie ermöglichen den Erwerb von Land, Werkzeugen und Zugtieren. Während der Erntezeit können die Löhne der Landarbeiter vorfinanziert werden. Bei "Warrantage" vergibt die Bank einen Kredit z.B. auf der Grundlage von eingelagertem Mais. So müssen die Bauern diesen nicht während der Erntezeit, in der Mais im Überfluss vorhanden ist, zu sehr niedrigen Preisen verkaufen, sondern können ihn bis zur "Off Season" lagern und dann zu einem viel höheren Preis verkaufen. Frauenkooperativen können als MUFID-Mitglied z.B. den Bau von Ställen für die Kleinviehhaltung oder von Zäunen für ihre Gemüsegärten finanzieren.
Als höchst nützlich hat sich für die Genossenschaftsmitglieder einer MUFID erwiesen, Geld an Familienmitglieder, Freunde und Geschäftspartner in anderen Teilen Kameruns überweisen zu können. Für Möglichkeiten von Mobile-Banking wird derzeit die Zusammenarbeit mit einem der größten Mobilfunkanbieter Kameruns ausgebaut. Nicht zu unterschätzen ist auch der sozialpsychologische Faktor: Eine eigene Bank im Dorf zu haben stärkt den Zusammenhalt, sie ist ein wichtiger Treffpunkt, und die Jahresversammlungen der Mitglieder münden oft in große Feste.
Ausgeklügelte Strukturen
Genossenschaftsbanken gibt es in der ganzen Welt – häufig inspiriert durch das deutsche Raiffeisenmodell –, doch sticht in Kamerun die Rolle traditioneller Führer und religiöser Autoritäten in den Beiräten der einzelnen dörflichen Banken hervor. So wählt die Generalversammlung der Mitglieder neben dem Vorstand und dem Aufsichtsrat auch Ehrenräte, die aus angesehenen Persönlichkeiten des Dorfes bestehen, wie etwa dem Ortspfarrer, dem Imam, oder dem traditionellen Häuptling. Diese ehrenamtlichen Räte vermitteln bei Konflikten, z.B. zwischen Kreditnehmern und der Bank, und sorgen dafür, dass die Werte von MUFID und die genossenschaftlichen Grundsätze eingehalten werden.
Die jährlich stattfindende Generalversammlung wählt auch die Mitglieder der Verwaltungsräte jeder Bank, die für die laufende Geschäftsführung durchschnittlich fünf bis sechs Mitarbeiter in Vollzeit beschäftigen. Diese stammen in der Regel aus den Gemeinden der jeweiligen Bank – durchaus größere Ortschaften mit mehreren zehntausend Einwohnern – und verfügen mindestens über einen Sekundarschulabschluss. Zusätzlich erhalten sie zur Ausübung ihrer Aufgaben eine Grundausbildung und laufende Weiterbildung.
Das Geschäftsmodell von MUFID kommt ohne externe Finanzierungs- oder Kreditlinien aus. Neben der Kapitaleinlage deponieren die Mitglieder ihr laufendes Einkommen und ihre Ersparnisse bei der Bank zu moderaten Zinsen von 2-3 Prozent. Aus diesen liquiden Mitteln finanzieren die MUFID die Kredite an ihre Mitglieder. Diese Zinssätze liegen zwischen 13 und 15 Prozent pro Jahr. Das entspricht ungefähr der Hälfte dessen, was ein lokaler Kredithai verlangt. Für größere Kredite sind Sicherheiten zu hinterlegen: Wertgegenstände, Warenvorräte, Grundstücke oder auch Forderungen aus dem erwarteten Verkauf von Ernten. Es gilt der Grundsatz, dass die Ansparung von Guthaben den Zugang zu Krediten erleichtert.
Wenn die MUFID einen Gewinn erzielt, wird dieser zu 20 Prozent den regulatorischen Reserven der Bank zugewiesen, also dem Eigenkapital. Vom Rest fließen die Hälfte in Rückvergütungen an die Mitglieder, je 20 Prozent in die Verzinsung der Kapitaleinlagen und einen Fonds für Entwicklung und Soziales in der Standortgemeinde (wie den Bau einer Schulklasse, einer Krankenstation o.ä.) sowie 10 Prozent in die Aus- und Weiterbildung der Mitglieder.
Die Dachorganisation: MUFID Union
Kamerun hat ordnungspolitischfür Banken und Mikrofinanzinstitute Lehren aus der Vergangenheit gezogen. Duch Missmanagement und verbreitete Korruption kam es zu zahlreichen Insolvenzen – viele Sparer verloren ihre Einlagen. In der Folge gaben sich Kamerun und die gesamte Zentralafrikanische Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft (CEMAC), deren Einheitswährung der CFA-Franc ist, eine sehr strenge Bankenaufsicht. Diese schreibt auch den kleinsten Finanzinstituten klare finanzielle Indikatoren und aufsichtsrechtliche Standards vor, wie z.B. eine ausreichende Kapitalausstattung. Dies hat zum Ziel, weitere Insolvenzen zu verhindern, was in der Region auch zunehmend gelingt.
Doch hat die Bankenaufsichtsbehörde nicht die Kapazität, jede "kleine" MUFID-Bank einzeln zu prüfen. Sie verlangte von allen Mikrofinanzinstituten, die nur mit ihren Mitgliedern Geschäfte machen, sich in der Rechtsform einer Genossenschaft zu organisieren und sich zu Netzwerken zusammenzuschließen. So gründeten die MUFIDs das Dachorgan MUFID Union, auf welche die Bankenaufsicht ihre Kontrollen hauptsächlich konzentriert. Sie delegiert damit die Verantwortung für die einzelnen MUFID-Banken im Netzwerk, wie es übrigens auch bei den Raiffeisenbanken in Deutschland der Fall ist.
Der MUFID Union fällt es damit zu, die Zahlen der Mitglied-MUFIDs zu konsolidieren, die Rechnungsprüfung und Kontrolle durchzuführen, das Informationssystem zu organisieren und verwalten, die Geschäftstätigkeit zu überwachen, die gegenseitige Unterstützung innerhalb des Netzwerks sicherzustellen, die Interessen der MUFIDs gegenüber Dritten zu vertreten und schließlich Schulungen zu organisieren. Dafür verfügt sie auch über einen Aufsichtsrat aus gewählten Delegierten der MUFIDs an der Basis – und über nur begrenzte finanzielle Ressourcen.
Erst seit kurzem sind alle Mitglied-MUFIDs untereinander und mit der Zentrale in einem Corebanking-System in Echtzeit verbunden. Zuvor mussten Daten zeitaufwändig per USB-Stick übermittelt werden. Nun wird die MUFID Union bald die individuellen Zahlen aller Mitglieder des Netzwerks tagesaktuell und viel effizienter verfolgen, verarbeiten und kontrollieren können. Kunden werden damit ihre Bankgeschäfte im ganzen Land in jeder anderen MUFID-Filiale erledigen können. Mit Hilfe von möglicherweise KI-gestützten Abweichungsanalysen ist auch Missbrauch, Betrug und potenziellen Risiken in den Mitglied-MUFIDs schneller beizukommen. Ein wichtiger Aspekt in einem Land wie Kamerun, das für vielfältige Risiken und Korruption sehr anfällig ist.
Die Herausforderungen der MUFID-Genossenschaftsbanken
Das Bankennetz muss sich der Steigerung der Rentabilität, der Ausweitung der Kreditvergabe und der Senkung der Ausfallraten zuwenden. Betrachtet man die Bilanz der MUFID-Bankengruppe für 2023 – bei einer Bilanzsumme von 150 Mio. Euro mit Eigenkapital von 21 Mio. Euro, Spareinlagen von 112 Mio. Euro, Krediten von 45 Mio. Euro und zweifelhaften Forderungen von 8,4 Mio. Euro bleibt ein Gewinn von 0,3 Mio. Euro – dann wird deutlich, dass MUFID zwar extrem liquide aber wenig rentabel ist. Zudem ist der Anteil an zweifelhaften Krediten hoch.

In der Analyse vergeben die MUFIDs zu wenig Kredite und teilweise an "die falschen" Personen, was u.a. durch die genossenschaftliche Struktur zu erklären ist. Kreditnehmer sind "Genossen" und jeder im Dorf kennt jeden. Nicht immer sind Kredite an große lokale Händler oder Großbauern leicht einzutreiben. Das Ausfallrisiko wiederum nährt die Zurückhaltung der MUFID-Mitarbeiter, neue Kredite zu vergeben. Um den Teufelskreis zu verlassen, brauchen die MUFIDs über die klassische Kreditgewährung hinaus ein größeres Produktangebot, das die Rückzahlungswahrscheinlichkeit erhöht.
Große Chancen für die Entwicklung von „sicheren“ Krediten bietet in Kamerun die Vertragslandwirtschaft, bei der Landwirte an ein großes Agrarunternehmen verkaufen und von diesem technische Unterstützung sowie kleinere landwirtschaftliche Geräte und Betriebsmittel erhalten. So organisiert das Baumwollunternehmen Sodecoton 200.000 Baumwollbauern im nördlichen Teil des Landes. Für gelieferte Baumwolle zahlt Sodecoton den Verkaufserlös entweder in bar oder – immer häufiger – auf die Konten der Bauern bei MUFID – und diese kann schon vor der Ernte einen Kredit auf Basis der Abtretung eines Teils des Verkaufserlöses gewähren. So ein Kreditprodukt ist relativ leicht zu standardisieren, die Kreditfähigkeit gut zu analysieren, das Ausfallrisiko drastisch gesenkt.
Auch in anderen Agrarsektoren wie Palmöl, Kautschuk, Ananas oder in der Geflügelzucht gibt es Vertragsanbau. Im Bereich Kaffee und Kakao haben große Genossenschaften ebenfalls enge vertragliche Bindungen zu ihren Landwirten. In Zukunft möchte das MUFID-Netzwerk diese Strukturen viel stärker für die Kreditvergabe nutzen.
Die einen sparen, die anderen kaufen Vieh
Hinzu kommt, dass es in Kamerun große kulturelle Unterschiede im Sparverhalten gibt. Während die Bamileke im Westen Kameruns in der Regel Nettosparer sind und einen Teil ihres Vermögens auf ihrem Bankkonto ansammeln, legen die Bauern und Viehzüchter im Norden ihre Ersparnisse eher in Vieh an, das sie bei Bedarf wieder verkaufen. Daher haben die MUFIDs in Westkamerun meist eine strukturelle Überliquidität, während im Norden die Kreditnachfrage die Ersparnisse der MUFIDs übersteigt. Die MUFID Union kann hier überschüssige Liquidität gegen Zinsen abschöpfen und in Form von Krediten dort weitergeben, wo sie benötigt wird, um das Kreditgeschäft auszubauen.
Außerdem sind die MUFIDs dabei, neue Produkte im Bereich der Immobilienfinanzierung und Versicherungslösungen zu entwickeln. Auch dies wird die Rentabilität des Systems erhöhen.
Wie sehr die Genossenschaftsbanken in Kamerun dazu beitragen, den in der ländlichen Entwicklung immer wieder beklagten fehlenden Zugang zu Finanzmitteln zu überwinden, ist bislang vor allem an Beispielen wie dem jungen Kleinbauern Christian Baforo zu beobachten. Eine rigorose Wirkungsanalyse mit Vergleichsgruppen, wie sich die Armut innerhalb und außerhalb des MUFID-Netwerkes entwickelt hat, steht noch aus, soll aber mit Unterstützung des Deutschen Genossenschaftsverbands auf den Weg gebracht werden.
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Roger Peltzer ist Volkswirt, Autor, ehemaliger Abteilungsleiter bei der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) und Experte für Entwicklungsfinanzierung und Wertschöpfungsketten im Baumwollsektor.