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  • Entwicklungspolitik & Agenda 2030
  • 10/2020
  • Leah Lynch, Anna Baisch

Wie China mit Auslandshilfe Einfluss nimmt

Was ist chinesische Entwicklungszusammenarbeit und wie ist sie organisiert? Die neue Agentur CIDCA soll für mehr Transparenz sorgen.

Schulkinder in Sambia mit chinesischer Flagge in der Hand.
Schulkinder in Sambia feiern den Erfolg eines chinesischen Projekts für kostenloses Satellitenfernsehen. Das Projekt ist eines von vielen auf der Website der Agentur für Entwicklungszusammenarbeit CIDCA. © Xinhua via CIDCA

Seit den 1950er Jahren wurde die chinesische Auslandshilfe von Chinas Investitions-, Handels- und außenpolitischen Zielen beeinflusst und mit ihnen verknüpft. Zum Teil als Folge davon war sie ziemlich undurchsichtig. Mit der Zunahme des Volumens und der Bedeutung von chinesischen Hilfen (und Darlehen) sowie mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Chinas ist es für Empfängerländer schwieriger geworden, mit dieser Undurchsichtigkeit umzugehen. Die Gründung der chinesischen Agentur für internationale Entwicklungszusammenarbeit (CIDCA) im Jahr 2018 kann als ein gezielter Schritt Chinas gesehen werden, diese Bedenken durch mehr Engagement für eine klarere Unterscheidung verschiedener Arten von chinesischen Geldflüssen zu zerstreuen. Aufgrund der mangelnden Transparenz bleibt es für Empfängerländer jedoch schwierig, sich in dem System zurechtzufinden.

Chinas Zusammenarbeit: Geber oder Süd-Süd-Anbieter?

China ist kein Mitglied des OECD-Ausschusses für Entwicklungshilfe (DAC) und klassifiziert sich selbst als Entwicklungspartner oder Leistungserbringer in der Süd-Süd-Kooperation nicht als "Geber" – obwohl dies nicht unbedingt der Sichtweise der Empfängerländer entspricht. Im Jahr 2014 wurde Chinas Entwicklungshilfe-Volumen offiziell auf über 4 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt – ähnlich hoch wie das Kanadas oder Norwegens und etwa ein Sechstel des deutschen Hilfebudgets.

Nach Angaben der chinesischen Regierung wird die Entwicklungszusammenarbeit in acht verschiedenen Formen geleistet:

Chinas Entwicklungshilfe kann durch eine oder eine Kombination von Finanzvereinbarungen finanziert werden, die dann auch das Management und die Berichterstattung in der Folge beeinflussen (siehe Abb. 2): Zuschüsse oder Schenkungen, zinslose Darlehen und Darlehen zu Vorzugskonditionen.

Die Chinesische Agentur für internationale Entwicklungszusammenarbeit (CIDCA) wurde gegründet, um einige Probleme anzugehen. Die hatten ihre Ursache darin, dass Chinas Hilfe von einer Vielzahl Regierungsstellen verwaltet wurde. Probleme waren die Verteilung der Zuständigkeiten für die Auslandshilfe, begrenzte Aufsichts- und Rechenschaftsmechanismen, falsch ausgerichtete Prioritäten und eine veraltete Architektur der Auslandshilfe. Die Agentur wurde auch gegründet, um Chinas aufstrebende Entwicklungszusammenarbeit zielgerichteter und rationaler zu verwalten.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass CIDCA nicht ein ganzes "Ministerium" auf Kabinettsebene ist, wie das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Stattdessen ist es subsidiär zu Ministerien wie dem Handelsministerium (MOFCOM). Insgesamt berichtet CIDCA jedoch direkt an den chinesischen Staatsrat. Damit ist es weltweit einzigartig, denn es verfügt über eine unabhängige Verwaltungsstruktur, aber zugleich über ein nur begrenztes Budget.

Strategische Pläne statt Projektarbeit

Die Hilfe Chinas wird nicht vollständig von CIDCA verwaltet. Stattdessen wird sie über eine Matrix für die intra-ministerielle Zusammenarbeit abgewickelt (siehe Abb. 1).

Infografik über Chinas "Aid Managemend Process".
Abb.1 Das Management von Chinas bilateralen Entwicklungsprojekten © cgdev

Konkret beaufsichtigt CIDCA die Strategie, die Politik und die Projektgenehmigung. Aber sobald ein Projekt genehmigt ist, leitet das Handelsministerium die detaillierte technische Planung und Überwachung der Projekte. Die Projekte werden dann von einer Reihe von Durchführungsorganisationen umgesetzt, die formell dem Handelsministerium unterstehen. Insgesamt hat CIDCA sieben interne Abteilungen. Der größte Teil des chinesischen Entwicklungshilfebudgets ist formell dem Handelsministerium zugewiesen. Darüber hinaus werden, ähnlich wie bei der deutschen Entwicklungsbank KfW, Chinas Vorzugskredite an Empfängerländer und Finanzbeiträge an multilaterale Organisationen nicht von CIDCA, sondern von der Exim Bank und dem Finanzministerium überwacht.

Handelsministerium steuert Beschaffungsverfahren

Es gibt zwei große Prozesse, bei denen China konzessionäre Darlehen vergibt: Entweder kann eine Empfängerregierung chinesische Banken um ein Darlehen für ein bestimmtes Projekt ersuchen, und wenn das Projekt genehmigt wird, wird es innerhalb Chinas an chinesische Firmen ausgeschrieben. Oder das Projekt kann im Empfängerland im offenen Wettbewerb ausgeschrieben werden. Wenn ein chinesisches Angebot den Zuschlag erhält, wird das Darlehen dennoch als "chinesisches Darlehen" eingestuft.

Innerhalb der Empfängerländer werden Lieferung, Zahlung und Überwachung in der Regel von chinesischen Auftragnehmern oder Unternehmen durchgeführt. Gegenwärtig werden die meisten Zuschüsse und zinslosen Darlehen, die vom Handelsministerium oder anderen Fachministerien gewährt werden, durch ein wettbewerbsorientiertes Beschaffungsverfahren ausgewählt, das von den Ministerien initiiert wird – so wie es die GIZ für Deutschland tut. Im Gegensatz zu China und einigen anderen Gebern steht das deutsche Beschaffungsverfahren jedoch in der Regel auch nicht-deutschen Unternehmen offen. Es ist möglich, dass Chinas Verfahren nach dem neuen Gesetz über ausländische Investitionen von 2019 (FIL) künftig für nicht-chinesische Auftragnehmer weiter geöffnet wird.

Schließlich, und wie in Abbildung 2 unten dargestellt, werden die Entwicklungsexperten, wenn sie auf Länderebene tätig werden, über die ausländischen Büros für Wirtschafts- und Handelsberatung eingeschaltet, die sämtliche Hilfs- und Darlehensprogramme in den Ländern überwachen. Auf diese Weise kommt der Prozess zurück zu MOFCOM und CIDCA, die die Projekte evaluieren und die Implikationen wieder in den Planungs- und Strategieprozess auf Ebene des Staatsrates einspeisen.

Infografik über China "aid management countries".
Abb. 2. Verwaltung chinesischer Hilfs- und Darlehensprogramme in Empfängerländern © cgdev

CIDCA unterzeichnet Vereinbarungen

Die Hauptarbeit von CIDCA konzentrierte sich bisher auf die interne Organisation und den formellen Aufbau von Beziehungen. Bis heute hat CIDCA mit 29 Empfängerländern und zusätzlichen anderen Einheiten "Abkommen über die Entwicklungszusammenarbeit" (DCA) unterzeichnet. Es ist noch nicht klar, welche Rolle die DCAs genau spielen. Es ist unwahrscheinlich, dass China seine Hilfsprojekte auf Unterzeichnerländer beschränken wird. Sie könnten aber Pläne für ein ganzheitlicheres und strategischeres Engagement mit diesen Ländern beinhalten. Vor allem aber bieten sie Empfängerländern eine neue Gelegenheit, ihre "Prioritäten und Forderungen" zu formulieren, um China zu umfangreicherer und qualitativ besserer Entwicklungszusammenarbeit zu ermutigen.

Besteht für Empfängerländer also überhaupt Veranlassung, sich mit CIDCA zu befassen? Die Antwort ist ein klares Ja. Bisher hat die chinesische Regierung nur begrenzte Informationen über die Agentur weitergegeben. Aber es ist davon auszugehen, dass sich ihr Mandat auf Bereiche wie Hilfsstrategien, Pläne, Budgets, Projektevaluierung und die Sammlung von Statistiken erstrecken wird.

China aid CIDCA countries, 2020.
Abb. 3: Länder mit unterzeichneten Abkommen © cgdev

Quelle: Analyse von Development Reimagined auf Basis von Medienberichten und der CIDCA-Website, Stand: März 2020

Entwicklungszusammenarbeit und ‚Belt and Road‘-Initiative

Und was hat Chinas "Belt and Road"-Initiative" damit zu tun? Die vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping 2013 ins Leben gerufene Initative der neuen Seidenstraße gilt dank ihrer großen Reichweite und der massiven Projekte inzwischen als maßgebend für Chinas Engagement in der ganzen Welt, einschließlich seiner Entwicklungszusammenarbeit. Weltweit umfasst die BRI rund 140 Länder (siehe Abb. 4) mit einer Vereinbarung, in denen zusammen zwei Drittel der Weltbevölkerung leben.

Grafik Weltweit umfasst die BRI rund 140 Länder mit einer Vereinbarung, in denen zusammen zwei Drittel der Weltbevölkerung leben.
Abb. 4. Länder mit MOU zum BRI mit China (1) © cgdev

(1) Italien hat ein bilaterales Memorandum unterzeichnet, die Schweiz eines über Dreieckskooperation.

Von den fünf Bereichen der BRI-Kooperation – politische Koordination, Anbindung von Einrichtungen, ungehinderter Handel, menschliche Beziehungen und Kooperationsprioritäten – stimmt keiner direkt oder deckungsgleich mit den oben genannten Arten der Auslandshilfe überein. Dennoch hat China betont, dass die Auslandshilfe ein integraler Bestandteil der BRI-Kooperation sei, zumal die finanzielle Zusammenarbeit der BRI (im Gegensatz zu Handel und ausländischen Direktinvestitionen) bisher weitgehend auf Entwicklungsländer zielte. (Johnston 2018)

Die Bedeutung der BRI für die Entwicklungszusammenarbeit wird nun durch die Aufnahme in das Mandat von CIDCA weiter unterstrichen, wobei von der Agentur erwartet wird, dass sie "die gemeinsame Umsetzung der 'Belt and Road'-Strategie" unterstützt. Nach traditioneller Definition stellt die Auslandshilfe bei BRI-gebundenen Projekten und Fonds das niedrigste Volumen dar. 20,5 Prozent der chinesischen Darlehen an BRI-Länder von 2000 bis 2014 entsprachen ODA-Flüssen, einschließlich humanitärer Hilfe. Dieser Trend scheint sich fortzusetzen, da China weiter von der "traditionellen Hilfe" abweicht – hin zu kommerziell orientierten Investitionen. Im Einklang mit der Idee einer beidseitig vorteilhaften Entwicklungszusammenarbeit.

Mögliche Lehren für Empfänger und Geber

Die Gründung von CIDCA kann als gezielter Schritt gesehen werden, auf Bedenken über die Undurchsichtigkeit seiner Auslandshilfe einzugehen, indem es sich verpflichtet, deutlicher zwischen den verschiedenen Arten chinesischer Finanzströme zu unterscheiden. Interessant dabei ist der Zeitpunkt, während mehrere OECD-Geber sich in die entgegengesetzte Richtung bewegen und Behörden oder außen- und handelspolitische Ziele eher verschmelzen.

Zugleich ist die BRI ein Hinweis, dass die Entwicklungsgelder Chinas insgesamt weiter zunehmen werden. Es wird Zeit brauchen, um CIDCA und die BRI direkter auf die Bedürfnisse der Empfängerländer auszurichten. Welche praktischen Ergebnisse dabei angestrebt werden, ist nach wie vor unklar, zumal eine Vielzahl von Akteuren beteiligt ist. Wenn man davon ausgeht, dass die Strukturen und Anreize der BRI in Zukunft gleichbleiben, wie können dann Empfängerländer und Geber am besten mit China zusammenarbeiten?

Empfängerländer sollten folgendes in Betracht ziehen:

Geber und Entwicklungsorganisationen sollten folgendes berücksichtigen:

Dieser Beitrag beruht auf einer Studie, die im Juli 2020 vom Center for Global Development veröffentlicht (https://www.cgdev.org/publication/chinas-foreign-aid-primer-recipient-countries-donors-and-aid-providers) und von den Autorinnen für das Fachjournal Welternährung angepasst wurde.  

Forschungsanalystin Anna Baisch
Anna Baisch Development Reimagined
Portaitfoto von Leah Lynch, stellvertretende Direktorin, Development Reimagined, und Expertin im China Africa Project.
Leah Lynch Development Reimagined

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