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  • Entwicklungspolitik & Agenda 2030
  • 06/2025
  • Erwin Northoff
Schwerpunkt

FAO: Wie der Finanzstopp von USAID die Bedrohung durch Tierseuchen erhöht

Der Ex-Chefveterinär der Weltlandwirtschaftsorganisation warnt, die Abwicklung des Notfallzentrums für koordinierte Prävention und Bekämpfung könnte die Ausbreitung neuer von Tieren ausgehenden Pandemien begünstigen.

Extreme Wetterlagen und Tierseuchen sind die Hauptrisiken für mongolische Viehhirten. © FAO/Eran Raizman via Flickr

Alle in der Welternährung geäußerten Ansichten sind die der Autor*innen und spiegeln nicht zwangsläufig die Ansichten oder die Positionen der Welternährungsredaktion oder der Welthungerhilfe wider.

Die US-Regierung hat abrupt ihre finanzielle Unterstützung für ein wichtiges Programm der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) zur Bekämpfung grenzüberschreitender Tierkrankheiten gestoppt. Damit steigt das Risiko, dass Infektionskrankheiten von Tieren auf Menschen überspringen können, warnt Keith Sumption, ehemaliger Chef-Veterinär der FAO.

Interview

Welternährung: Wie haben Sie reagiert, als Sie von den Mittelkürzungen der Entwicklungsbehörde USAID erfuhren?

Keith Sumption: Mit Ungläubigkeit und überwältigender Traurigkeit. Als Chef-Veterinär der FAO, der von 2020 bis 2024 die Arbeit der Organisation zur Verhinderung der nächsten Pandemie leitete, konnte ich nicht glauben, dass über Nacht dieses Kernelement des internationalen Systems abgeschafft werden könnte. Es diente dazu, Pandemien zu verhindern, die von Tieren ausgehen. Die Zahl der Tierseuchen hat in den letzten fünf Jahren zugenommen, doch das Programm zur Koordinierung von Prävention und Bekämpfung von Tierseuchen ist stark gekürzt und damit praktisch gestoppt worden.

Die Gelder für die Arbeit des FAO-Notfallzentrums für grenzüberschreitende Tierseuchen (Emergency Centre for Transboundary Animal Diseases, ECTAD) auf einen Schlag zu streichen, ist sehr beängstigend. Die Botschaft, die von dieser Entscheidung auszugehen scheint, widerspricht der globalen Lektion, die wir aus COVID-19 gelernt haben: Wir müssen die Pandemie-Prävention, Überwachung und die Notfallmaßnahmen auf allen Ebenen verstärken und sofort international koordinieren, um das Übergreifen von Tierseuchen auf den Menschen zu verhindern.

Die Botschaft, die scheinbar von dieser Entscheidung ausgeht, widerspricht der globalen Lektion, die wir aus COVID-19 gelernt haben.

Keith Sumption Ex-Chefveterinär der FAO

Ich war zudem bestürzt angesichts des außerordentlichen Engagements und der Kenntnisse der Experten, die in 51 Ländern an diesem Programm mitgearbeitet haben. Plötzlich schien es, als würde ihre Arbeit nicht mehr wertgeschätzt und ihr Fachwissen ignoriert.

Warum brauchen wir ein Notfallzentrum für grenzüberschreitende Tierseuchen?

Etwa 75 Prozent aller neu auftretenden Infektionskrankheiten beim Menschen haben ihren Ursprung im Tierreich. Sie können sich schnell über Grenzen hinweg ausbreiten und von einer Art zur anderen überspringen. Entfernungen spielen kaum noch eine Rolle. Die Situation ändert sich täglich, und überall auf der Welt tauchen neue Ereignisse auf, die ständig bewertet werden müssen. Kein Land ist frei von Risiken! Zugvögel tragen die Vogelgrippe in sich, und Insekten, die Krankheiten übertragen, können mit dem Wind über Grenzen und sogar über das Meer geweht werden. Das kann dazu führen, dass wir plötzlich mit einer schweren Gesundheitskrise konfrontiert werden.

Um diese Risiken in den Griff zu bekommen, brauchen wir eine internationale Überwachung. Das kostet Geld und geschieht nicht automatisch. Ohne die Koordinierung, wie ECTAD sie geleistet hat, gibt es keinen wichtigen Informationsaustausch zwischen Ländern und internationalen Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisation oder der FAO. Wenn eine wirksame Koordinierung fehlt, kommt die Hilfe für die am stärksten gefährdeten Staaten bei der Bekämpfung von Tierseuchen zu spät und reicht nicht aus. Einzelne Ausbrüche können leicht regionale oder globale Ausmaße annehmen. Der Vorteil des Notfallzentrums  war, dass es nationale und regionale Zentren in vielen gefährdeten Ländern unterstützt, und nach Epidemien den Wiederaufbau gefördert hat.

Mission gestoppt

Das FAO-Notfallzentrum für grenzüberschreitende Tierkrankheiten (Emergency Centre for Transboundary Animal Diseases, ECTAD) war von entscheidender Bedeutung für die Vorbeugung und Bekämpfung grenzüberschreitender Tierkrankheiten, die sich zu einer neuen Pandemie entwickeln können. Die USA bezahlten über die Entwicklungsbehörde USAID rund 90 Prozent des gesamten ECTAD-Budgets. Der Rest wurde von anderen Gebern finanziert. ECTAD unterhielt ein globales Netz von technischen Teams, Überwachungssystemen und Notfallkapazitäten in 51 Ländern. Aufgrund der Mittelkürzungen musste die FAO 64 Projekte im Wert von 160 Mio. Dollar beenden. Dies betraf vor allem Afrika (26 Projekte) und Asien (17). Die ECTAD-Mission, den Ausbruch von Tierkrankheiten flächendeckend zu überwachen und zu verhindern, sowie bei Seuchen Gegenmaßnahmen einzuleiten, wurde eingestellt. Hunderten Mitarbeitern wurde gekündigt.

Wie erfolgreich war ECTAD?

ECTAD war zwei Jahrzehnte lang das größte internationale Unterstützungsprogramm für Staaten auf dem Gebiet der Tierkrankheiten. Die Wirkung war enorm. Vor ECTAD, im Jahre 2004, gab es wirklich nichts Vergleichbares. Oft wurden Experten bei Seuchen zu spät entsandt, Reaktionen und Folgemaßnahmen verliefen chaotisch und unzureichend.

Das Notfallzentrum hat Bemerkenswertes geleistet. Es hat ein System für den Informationsaustausch über die Ausbrüche von Tierseuchen in 51 der am stärksten gefährdeten Länder geschaffen. Wegen der Gefahr einer Vogelgrippen-Pandemie lag der Schwerpunkt ursprünglich auf Asien. Danach dann auf Afrika und dem Nahen Osten wegen der Vogelgrippe, Ebola und dem MERS-Coronavirus, und seit kurzem auch auf Mittel- und Südamerika und den zentralasiatischen Ländern. Damit wurden die meisten Ökosysteme abgedeckt, in denen ein Überspringen von Viren auf Nutztiere und Menschen als erstes zu erwarten ist.

Viele Länder haben dank ECTAD Infektionskrankheiten, die zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können, sogenannten Zoonosen, viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Es fand ein Umdenken hin zu widerstandsfähigeren und sichereren Tierhaltungssystemen statt, die bessere landwirtschaftliche Praktiken anwenden und weniger antimikrobielle Arzneien benutzen.

ECTAD unterstützte auch den Bau von sicheren Labors, in denen mehr als 2.500 Mitarbeiter ausgebildet wurden. Heute gibt es mindestens 13 Labors in West- und Zentralafrika, die Organismen, die Krankheiten übertragen können, lokal testen und Proben und Daten sofort für die internationale Überwachung übermitteln können. Früher dauerte es oft Wochen, bis Proben, wenn überhaupt, verschickt werden konnten. Mit diesem System wurden bei der Pandemie-Bekämpfung potenzielle Kandidaten für neue Impfstoffe identifiziert.

Guinea, Liberia und Sierra Leone – alles Länder mit hohem Risiko für Zoonosen, sind nun besser in der Lage, Infektionskrankheiten auf nationaler Ebene zu erkennen und sofort zu reagieren, wie im Fall von Ebola.

Allein in Asien wurden über 30.000 Fachleute in der Prävention und Reaktion auf den Ausbruch von Tierseuchen geschult. ECTAD half auch bei der Einrichtung eines Frühwarnzentrums für Asien und den Pazifik, um die ASEAN-Länder dabei zu unterstützen, Krankheiten zu erkennen, ihre Risiken abzuschätzen und Reaktionen zu koordinieren.

ECTAD hat auch entscheidend dazu beigetragen, dass das Problem der Resistenz gegen Antibiotika in rund 50 Ländern verstärkt angegangen wird. Antimikrobielle Mittel werden in der Tier- und Pflanzenproduktion sowie bei der menschlichen Gesundheit in großem Umfang eingesetzt und oft missbraucht. Antibiotika-Resistenz entsteht, wenn Bakterien Abwehrkräfte gegen Antibiotika entwickeln, die sie eigentlich abtöten sollen. ECTAD hat mit Ministerien für Landwirtschaft, Gesundheit und Umwelt zusammengearbeitet, um neue nationale Pläne zur Bekämpfung der Antibiotikaresistenz zu entwickeln, die auch die Tiergesundheit einschließen.

Hat ECTAD auch geholfen, Veterinärlabors zu sichern, die gefährliche Krankheitserreger untersuchen?

Auf jeden Fall, das war einer der wichtigsten Bereiche der Arbeit in den Partnerländern. Labors in Entwicklungsländern sind beim Umgang mit Tierproben seit jeher potenziell stark mit Zoonose-Erregern in Berührung gekommen, die Krankheiten übertragen können. Es gibt inzwischen viel mehr Laboratorien, da der Bedarf an Schnelltests explodiert ist. Dies schließt auch Labore mit der höchsten Sicherheitsstufe ein, in denen Wissenschaftler gefährliche Krankheitserreger erforschen.

So haben ECTAD-Teams den Ländern dabei geholfen, die Sicherheit der Labormitarbeiter zu gewährleisten und die Gefahr von Krankheitserregern im Labor zu vermeiden. Sie haben über 180 Laboratorien in rund 35 Ländern allein in Afrika und Asien unterstützt. Diese Labors waren entscheidender Bestandteil der Kontrollsysteme. In einem Jahrzehnt wurden mehrere Tausend Mitarbeiter geschult.

In Krisensituationen lieferte die FAO rasch lebenswichtiges Ausrüstungsmaterial aus ECTAD-Notfallbeständen, um die Testkapazitäten der Labors bei Epidemien zu erhöhen. Es war uns vor allem wichtig, die oft unterbezahlten und nicht ausreichend anerkannten Labormitarbeiter an vorderster Front zu schützen, um zu verhindern, dass sie krank wurden und Krankheiten übertragen konnten.

Warum ist die Situation der Veterinärdienste in Entwicklungsländern oft so schlecht?

In vielen Ländern ist meistens der Privatsektor für die Tiergesundheit zuständig, d.h. Viehhalter bezahlen private Tierärzte und ihre Helfer. Sie konzentrieren sich allerdings hauptsächlich auf die Behandlung von Krankheiten, nicht aber auf die Prävention. Zwar ist vorbeugen immer besser als heilen. Aber in der Realität ist Vorbeugung ohne eine unterstützende Politik und öffentliche Mittel, oder öffentlich-private Partnerschaften, nicht möglich.

Vater und Sohn mit Ziege
Assad Mohammed Idriss vom Dorf Kaja im Sudan hat eine Ausbildung zum Veterinärpfleger bekommen. Das Wissen gibt er beim Impfen der Tiere an die Jugend weiter. © IFAD / Marco Salustro

Die amtlichen Veterinärdienste sind traditionell unterfinanziert und selbst von den Landwirtschaftsministerien vernachlässigt. In vielen Ländern reicht das Geld oft nur, um Krankheitsausbrüche zu registrieren. Gesundheitsdienste sind zwar meistens finanziell weitaus besser ausgestattet. Sie geben aber in der Regel so gut wie nichts für die Vorbeugung aus, und wenn es um Zoonosen geht, ist die Situation noch schlimmer. Was also für die Welt Priorität hat, nämlich die Prävention, steht bei der Finanzierung meist ganz unten – vor allem bei den Veterinärdiensten. Deshalb waren die finanzielle Unterstützung durch ECTAD und die Schulungen so wichtig.

Könnte die Schließung von ECTAD die weltweite Ausbreitung von Tierseuchen begünstigen?

Ja, das könnte sie. Im vergangenen Jahrzehnt haben wir eine alarmierende Ausbreitung von Infektionskrankheiten über ganze Regionen und Kontinente hinweg erlebt. Das wird sich auch in Zukunft fortsetzen. Deshalb müssen wir ständig in Alarmbereitschaft sein. Dies ist nicht der Zeitpunkt, um die Unterstützung für gefährdete Länder einzuschränken. Bei COVID-19 hatten wir das Glück, dass die Übertragung von Tier zu Tier im Vergleich zur Übertragung von Mensch zu Mensch relativ gering war. Die Ausbrüche der Vogelgrippe, mit denen wir zur Zeit konfrontiert sind, wie in den USA, sind viel komplexer, da sich hochpathogene Vogelgrippeviren in Echtzeit an Wild- und Haustiere anpassen.

Was sollte nach dem Ende von ECTAD passieren?

Nach dem Rückzug von USAID aus ECTAD kommt es jetzt darauf an, ein neues wirksames Modell zu schaffen, um die Tiergesundheit in gefährdeten Ländern international zu unterstützen. Jedes Land muss zumindest grundlegende nationale Kapazitäten aufbauen, um rechtzeitig auf Krisen reagieren zu können. Ein solches Programm sollte mit soliden und dauerhaften Mitteln als Teil einer integrierten nationalen Pandemieprävention und -reaktion finanziert werden. Gesundheitsdienste und Veterinärdienste sollten nicht miteinander konkurrieren, sondern im Sinne des „One Health“-Ansatzes eng zusammenarbeiten.

COVID-19 hat uns gelehrt, dass die nächste Pandemie immer anders sein wird als die vorherige. Angesichts der neuen Bedrohungen können wir uns aber nicht allein auf die nationalen Systeme verlassen. Wir müssen unbedingt unterstützende Koordinierung leisten und verbessern, um neue Ereignisse und Krankheiten rasch zu bewerten, aber auch um die Ausbreitung neuer Epidemien zu bremsen und Zeit zu gewinnen, da Maßnahmen wie Grenzschließungen oder die Beschaffung von Impfstoffen enorme Auswirkungen haben. Jetzt ist nicht die Zeit, blindlings einem Nebel neu auftretender Viren zu begegnen – oder zu kurzsichtigen Ad-Hoc- und Stückwerklösungen zur Bekämpfung von Krankheitsausbrüchen in gefährdeten Ländern zurückzukehren, die zur nächsten Pandemie führen könnten.

Das Interview führte Erwin Northoff.

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