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  • Klima & Ressourcen
  • 04/2025
  • Ishmael Adjei, Benjamin Schraven

Klimawandel, Hunger und Migration: ein afrikanischer Teufelskreis?

Viele befürchten, dass die Folgen des Klimawandels, die zunehmende Ernährungsunsicherheit und die Migration in Subsahara-Afrika sich gegenseitig verstärken. Zeit für eine differenzierte Sichtweise.

Eselskarren transportieren Wasserkanister in Mauretanien. Nach einer schweren Dürre 2017 mussten einige Regionen notversorgt werden. © Sibylle Desjardins / IOM

Das Problem der Ernährungsunsicherheit war nie verschwunden, doch gab es seit den 1990er und 2000er Jahren einige Fortschritte im Kampf gegen den Hunger. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) waren im Jahr 2000 weltweit fast 800 Millionen Menschen unterernährt, verglichen mit rund 500 Millionen im Jahr 2015. Infolgedessen sank auch der Prozentsatz der Menschen, die unter Hunger litten, als Anteil an der Gesamtbevölkerung weltweit erheblich – von etwa 13 Prozent auf weniger als 8 Prozent. Dieser Trend hat sich jedoch in den vergangenen Jahren umgekehrt, und sowohl die absolute Zahl der unterernährten Menschen als auch ihr Anteil an der Weltbevölkerung steigen wieder an: Die FAO schätzt ihre Zahl im Jahr 2023 auf 733 Millionen, was über 9 Prozent der Weltbevölkerung entspricht.

Darüber hinaus wird das globale Problem des Hungers zunehmend zu einem afrikanischen Problem. Zu Beginn dieses Jahrtausends machte der Anteil der Menschen, die unter Ernährungsunsicherheit in Subsahara-Afrika litten, etwa ein Fünftel der Gesamtzahl der hungernden Menschen weltweit aus. Bis 2023 war dieser Anteil auf weit über ein Drittel gestiegen. Dies basiert auf vielen Trends und Ursachen – von den wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine bis zu den Erfolgen im Kampf gegen Hunger in anderen Regionen (z.B. Südasien). Ein Faktor, der jedoch zunehmend im Zusammenhang mit der problematischen Ernährungsunsicherheit auf dem afrikanischen Kontinent Erwähnung findet, ist der Klimawandel.

Heute bereits ein großes Problem für Afrika

Der Klimawandel ist für die Länder Subsahara-Afrikas keine abstrakte Zukunftsvision mehr. Im Gegenteil, er hat bereits ernsthafte Umweltveränderungen ausgelöst oder zumindest zu diesen beigetragen. Der afrikanische Kontinent erwärmt sich schneller als der globale Durchschnitt, was die Verfügbarkeit von Wasser verringert und die Dürreproblematik in vielen Gebieten verschärft. Im Jahr 2020 lebten rund 620 Millionen Menschen auf dem gesamten afrikanischen Kontinent in Trockengebieten, was über 45 Prozent der Gesamtbevölkerung des Kontinents entsprach.

Ein Fischer am Turkanasee in Kenia. Trockenheit und zunehmend unfruchtbare Böden treiben viele Hirten an den See. Ressourcen werden knapp, auch der Fisch wird umkämpft. © Alexander BEE / UN Network on Migration

Ein weiteres ernstes Problem ist die fortschreitende Wüstenbildung und Bodendegradation, die nicht nur durch die Folgen des Klimawandels, sondern auch durch übermäßige Wasserentnahme und nicht nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken verursacht werden. In der Sahelzone geht zunehmend fruchtbares Land verloren, was durch wiederkehrende und schwere Dürren erheblich begünstigt wird. Darüber hinaus nehmen die Häufigkeit und Intensität extremer Wetterereignisse, wie Starkregen – die oftmals Überschwemmungen verursachen – oder Zyklone in großen Teilen Subsahara-Afrikas zu. Gleichzeitig führt der Klimawandel zu zunehmend unvorhersehbaren Niederschlagsmustern in weiten Teilen des Kontinents. Das Resultat: Einerseits werden längere Trockenperioden während der (eigentlichen) Regenzeiten häufiger und andererseits nehmen Starkregenfälle zu.

Ernste Folgen für die Ernährungssicherheit

Diese durch den Klimawandel bedingten Veränderungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit in großen Teilen Subsahara-Afrikas. Dürren, Überschwemmungen, Hitzewellen und Niederschlagsschwankungen beeinträchtigen direkt die landwirtschaftliche Produktivität und führen zu insgesamt geringeren Ernteerträgen. Dies gilt nicht zuletzt für Getreide wie Mais, Hirse und Sorghum, die von großer Bedeutung für die Ernährung der geschätzt 500 bis 600 Millionen Menschen in Afrika sind, die ausschließlich oder zumindest überwiegend von den Erträgen der kleinbäuerlichen oder Subsistenzlandwirtschaft leben müssen. Verluste in der Landwirtschaft, die in sehr vielen afrikanischen Ländern die Haupteinnahmequelle für einen großen Teil der Bevölkerung darstellt, führen auch zu einem Verlust der Kaufkraft, was ebenso die Ernährungssicherheit gefährdet.

Der Klimawandel führt auch zu einem Anstieg der Lebensmittelpreise, da niedrigere Erträge die Preise in die Höhe treiben. Dies betrifft auch den Anbau wichtiger Lebensmittel wie Reis oder Weizen, die anderswo auf der Welt produziert und in afrikanische Länder importiert werden. Länder wie Nigeria, Kenia oder Senegal importieren Lebensmittel in großem Maßstab. Dies bedeutet, dass gerade die ärmeren Bevölkerungsgruppen in diesen Ländern besonders anfällig für globale Preisschwankungen sind.

Der 65-jährige Vater von acht Kindern floh 2012 vor Konflikten in die Region Konso im Südwesten von Äthiopien. Nun fürchtet er wegen sich abwechselnder Dürren und Überschwemmungen erneut um seine Existenz. © IOM

Obwohl viele Kleinbauern stark in die Klimaanpassung investieren, sind weit umfangreichere Investitionen in klimaresiliente Landwirtschaft, nachhaltige Bewässerungssysteme oder eine größere Diversifizierung der Anbausysteme erforderlich, um die Herausforderungen des Klimawandels in der afrikanischen Landwirtschaft effektiv zu bewältigen. Die verfügbaren finanziellen und technologischen Ressourcen bleiben jedoch eher begrenzt.

Welche Rolle spielt die Migration?

Eine wichtige Frage ist, welche Rolle die Migration in diesem Zusammenhang spielt: Treiben die Klimafolgen und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit Millionen Menschen in die großen afrikanischen Städte – oder sogar nach Europa? Eine wichtige Schlussfolgerung aus der Forschung zur 'Klimamigration' in den letzten 20 Jahren ist, dass die weit verbreitete Angst, insbesondere in Europa, dass in naher Zukunft eine riesige Welle afrikanischer 'Klimaflüchtlinge' im Globalen Norden zu erwarten ist, unwahrscheinlich ist. Migration im Zusammenhang mit ökologischen Veränderungen findet hauptsächlich innerhalb von Ländern oder zwischen Nachbarländern statt. Daher ist die Angst, dass der Klimawandel bald massive Bevölkerungsbewegungen auslösen wird, unbegründet.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Forschung zu den Zusammenhängen zwischen Klimawandel und Migration ist, dass Migration eine wichtige Bewältigungs- oder sogar Anpassungsstrategie sein kann. Wenn beispielsweise Menschen, die hauptsächlich von der Landwirtschaft leben und aufgrund zunehmender Dürren oder Niederschlagsschwankungen unter Ernteausfällen leiden, beschließen, dauerhaft in eine Stadt zu migrieren, um dort ihren Lebensunterhalt zu verdienen, kann dies – wenn alles „gut läuft“ – als erfolgreiche Anpassungsstrategie angesehen werden.

Im afrikanischen Kontext ist es jedoch nicht so sehr die dauerhafte Migration, sondern es sind eher Formen der zirkulären Migration, die hier eine besondere Rolle spielen – also Migration, die mehrere zeitlich begrenzte Umzüge oder Wanderungen zwischen zwei oder sogar mehreren Ländern, Regionen oder Städten umfasst. Saisonale Migration, beispielsweise in den Trockenzeiten, während derer Regenfeldbau in vielen agroökologischen Zonen nicht möglich ist, bleibt im kleinbäuerlichen Kontext bis heute weit verbreitet. Wenn durch diese Form der Migration Geld verdient wird, das zur Kompensation klimabedingter Schäden und Verluste verwendet wird, kann dies auch eine Bewältigungs- oder sogar Anpassungsstrategie sein.

Die Schutzzone Bentiu in Südsudan wurde für Menschen errichtet, die vor Kämpfen geflohen sind. Nun wird sie zunehmend von Überschwemmungen gefährdet, und Geflüchtete müssen stellenweise weichen. © Muse Mohammed / IOM

Zirkuläre Migration hat die Bevölkerung Subsahara-Afrikas nicht erst in Zeiten des Klimawandels für sich entdeckt. Vielmehr wird diese Form der Mobilität schon lange, insbesondere in Westafrika, genutzt, um Krisen aller Art zu überwinden. Gerade in Bezug auf die Ernährungssicherheit hat die saisonale oder zirkuläre Migration auch den großen Vorteil, dass die vorübergehende Abwesenheit eines oder mehrerer Familienmitglieder die Ernährungssituation der zurückgebliebenen Haushaltsmitglieder erleichtert. Auch wenn dies für europäische Ohren seltsam klingen mag, ist diese 'Reduzierung der Esser' ein positiver Effekt der Migration für viele kleinbäuerliche Familien südlich der Sahara, der angesichts der enormen Herausforderungen durch die Klimakrise nicht unterschätzt werden sollte.

Differenziertere Sichtweisen und differenziertere Politiken

Es gibt sicherlich Anzeichen dafür, dass der Klimawandel und seine Bedrohung der Ernährungssicherheit die Migrationsdynamik in Subsahara-Afrika in der Zukunft ein Stück weit „anheizen“ kann. Das führt nicht zuletzt zu einem weiteren Zuzug in die Städte.

Und gerade die afrikanischen Städte weisen im weltweiten Vergleich hohe Urbanisierungsdynamiken auf, auch wenn das natürliche Bevölkerungswachstum meist der stärkere Treiber dieser Dynamiken ist als der Faktor Zuwanderung. Urbane Zentren sind durch Überschwemmungen oder Wassermangel in zunehmenden Maße Hotspots der Klimakrise, was die städtischen Infrastrukturen zusätzlich und in erheblichem Maße belastet. Menschen, die vom Land in die Stadt ziehen, erleben in Sachen Klimawandel also durchaus Situationen „vom Regen in die Traufe“.

Andererseits haben die meisten Menschen in Subsahara-Afrika, die in ländlichen Gebieten leben und bereits stark unter den Folgen des Klimawandels leiden, nicht die Mittel, um überhaupt mobil sein zu können. Dies sind besonders arme und marginalisierte Haushalte. Die potenziell positiven Perspektiven der Migration oder die Möglichkeit, überhaupt migrieren zu können, hängen in hohem Maße von den wirtschaftlichen Möglichkeiten eines Haushalts ab. In vielen Fällen sind Menschen, die sehr arm und somit zur Immobilität verurteilt sind, stärker von den Auswirkungen des Klimawandels und vor allem von Ernährungsunsicherheit betroffen als diejenigen, die migrieren können.

Fazit: Es ist insgesamt notwendig, differenziert auf das Phänomen Migration im Kontext von Ernährungssicherheit, ländlicher Entwicklung und Klimawandel auf dem afrikanischen Kontinent zu schauen. Pauschale Deutungen von Migration wahlweise als Vorstufe der Apokalypse oder als Allheilmittel helfen nicht weiter. Eine differenzierte Sicht auf Migration und ihre Wirkungen und Kontexte muss zu dem Schluss kommen, dass sie weder pauschal „gut“ noch „schlecht“ ist. Darauf beruhende politische Strategien mit dem Ziel, gute Lösungen für mehr Ernährungssicherheit und mehr Klimaresilienz zu entwickeln, müssen je nach Kontext mit dem Faktor Migration umgehen.  

Ishmael Adjei Dokuz Eylul Universität, Izmir
Benjamin Schraven German Institute of Development and Sustainability (IDOS) und Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF)

Dr. Benjamin Schraven ist Associate Fellow beim German Institute of Development and Sustainability (IDOS) und beim Zentrum für Entwicklungsforschung in Bonn (ZEF)

Ishmael Adjei ist Forscher und Doktorand an der Dokuz Eylul Universität im türkischen Izmir. Er arbeitet im Bereich Internationale Beziehungen mit Forschungsschwerpunkten in Migrationspolitik, Klimamigration, Ernährungssicherheit und menschliche Sicherheit.

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