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Klimafinanzierung: Was müssten die Länder zahlen?

Unterstützung für den Klimaschutz und Anpassung in Entwicklungs- und Schwellenländern erfüllt nicht die Versprechen. Aber welche Beiträge der Industrienationen wären gerecht?

Bei der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen hatten die Industrieländer zugesagt, die Klimahilfen für ärmere Länder deutlich zu erhöhen – und zwar ab dem Jahr 2020 bis 2025 auf jährlich 100 Mrd. Dollar. Zwar liegen noch keine offiziellen Zahlen für 2020 vor, doch glaubt niemand ernsthaft, dass das Ziel von 100 Mrd. Dollar erreicht wurde. Die Zahlen für 2019 hatte die OECD im September 2021 veröffentlicht; danach stellten die Industrieländer 79,6 Mrd. Dollar Klimahilfen zur Verfügung, eine Steigerung um gerade mal zwei Prozent gegenüber 2018. Von 2019 auf 2022 wäre demnach eine Steigerung von 25 Prozent notwendig gewesen.

Auch die Ankündigung von US-Präsident Joe Biden vom September, seine Regierung werde die Klimafinanzierung für Entwicklungs- und Schwellenländer gegenüber früheren Zusagen bis 2024 auf 11,4 Mrd. Dollar verdoppeln, wird wenig an dem nicht zufriedenstellenden Bild ändern. Das World Resources Institute kommentierte Bidens – noch nicht vom Kongress bestätigte – Ankündigung dann auch mit dem Hinweis, dass die bislang zugesagten 5,7 Mrd. Dollar „weniger als ein Viertel dessen sei, was die EU-Länder schon 2019“ beigetragen hätten.

In Kopenhagen war allerdings nicht geregelt worden, wie die 100 Mrd. Dollar auf die Industrieländer aufgeteilt werden sollten; man verließ sich auf freiwillige Zusagen. Das macht es nun schwer, einzelne Länder zur Rechenschaft zu ziehen. Das britische Overseas Development Institute (ODI) hat jetzt aber in einem Arbeitspapier den Versuch unternommen, anhand von drei Messwerten den „fairen“ Anteil einzelner Industrieländer an der Klimafinanzierung auszurechnen: dem Bruttonationaleinkommen, kumulierten CO2-Emissionen und der Einwohnerzahl – also sozusagen Verantwortung nach dem Verschmutzerprinzip.

„Diese Kennzahlen sind zwar nicht perfekt, bieten aber einen Anhaltspunkt dafür, wie die einzelnen Regierungen zur Verantwortung gezogen werden können“, so die Autoren. Viele Elemente des in Kopenhagen festgelegten Ziels von 100 Mrd. Dollar pro Jahr seien alles andere als klar definiert. Das beginne mit der Definition von so genannten „entwickelten Ländern“ und „Entwicklungsländern“, der Aufteilung zwischen privaten und öffentlichen Finanzierungen, gehe weiter zur Unklarheit, was „alternative Finanzierungsquellen“ und was überhaupt akzeptable Finanzinstrumente seien, und ende noch lange nicht damit, wie eine angemessene Balance zwischen Klimaschutz- und Anpassungsfinanzierung (siehe dazu auch: IFPRI-Kostenrechnung zu Klimafolgen) aussehen könnte.

Zudem gebe es je nach Wissenschaftler, Organisation oder Land sehr unterschiedliche Ansichten dazu, was genau zur Erreichung des Ziels beitrage. Insofern gebe es auch viele unterschiedliche Einschätzungen bezüglich des Fortschritts auf dem Weg zum 100 Mrd. Dollar- Ziel. Die meisten sind sich jedoch darin einig, dass es weder 2020 erreicht wurde noch 2021 erreicht werden wird.

Indikatoren spiegeln historische Verantwortung

Die drei von ODI genutzten Indikatoren, um einen „fairen“ Anteil von 23 Ländern zu bemessen, sind natürlich nicht willkürlich ausgesucht. Die kumulativen CO2-Emissionen von 1990 bis 2019 spiegeln die historische Verantwortung für den Klimawandel; wegen der engen Verbindung von Treibhausgas-Ausstoß und wirtschaftlicher Stärke kann man davon ausgehen, dass die meisten Länder mit hohen Emissionen auch Finanzmittel zur Verfügung haben.

Der Indikator Bruttonationaleinkommen (Zahlen von 2020) reflektiert die wirtschaftlichen Möglichkeiten, Finanzmittel zu mobilisieren. Er lässt aber keine Aussage zur Unterschiedlichkeit der Einkommensniveaus innerhalb der Gruppe der „entwickelten“ Länder zu, was Länder mit einer großen Bevölkerung und kleinem Pro-Kopf-Einkommen benachteiligt. Und er macht keine Aussagen über die Kohlenstoffintensität der jeweiligen Volkswirtschaften, was wiederum Länder mit vergleichsweise sauberer Energieversorgung benachteiligt.

Der Indikator Bevölkerung (2020) spiegelt angesichts der hohen Relevanz von Humankapital das Potenzial, auf den Klimawandel zu reagieren; er benachteiligt allerdings Länder mit hohen Bevölkerungszahlen und niedrigem Pro-Kopf-Einkommen oder – Emissionen. Gleichwohl nutzt ODI diesen Indikator, um auf Ungleichheiten unter so genannten entwickelten Ländern hinzuweisen, die bei der Bereitstellung von Finanzmitteln berücksichtigt werden sollten.

Nur drei Länder leisten angemessenen Beitrag  

Im Ergebnis haben von den 23 untersuchten Ländern, die für Klimafinanzierung verantwortlich sind, nur drei ihren fairen Anteil geleistet: Norwegen, Schweden und Deutschland. Bei allen anderen fallen die Zahlungen zu gering aus. Australien, Kanada, Griechenland, Neuseeland, Portugal und die USA steuerten sogar weniger als 20 Prozent ihres „fairen“ Anteils zur internationalen Klimafinanzierung bei. Die größte Deckungslücke in absoluten Beträgen weisen die USA auf, die (bislang) weniger zur Verfügung stellen als Frankreich, Deutschland, Japan oder Großbritannien – obwohl die US-Wirtschaft größer als die der vier zusammen ist. Die Bundesregierung hat angekündigt, ihren Beitrag bis 2025 von 4 auf 6 Mrd. Euro zu erhöhen. Schon heute stammen übrigens rund 85 Prozent der Mittel aus dem Etat des Entwicklungsministeriums.

Das ODI-Arbeitspapier ist gewiss nicht der Weisheit letzter Schluss; aber diesen Anspruch erhebt es nicht. In der sehr intransparenten und hochkomplizierten Klimafinanzierungsdebatte ist es aber ein ganz wichtiger Beitrag zu mehr Transparenz und lädt zu Diskussion und Widerspruch ein. Gerade für zivilgesellschaftliche Organisationen ist der Messversuch eine große Argumentationshilfe, weil es nicht nur technische oder ökonomische Faktoren anführt, sondern darüber hinausgeht: „Anders als die Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit oder humanitärer Hilfe basiert die Klimafinanzierung auf einer expliziten historischen Verantwortung für den Klimawandel – zusätzlich zu einer moralischen Verpflichtung.“

Prträt: Ulrich Post, Leiter Team Grundsatzfragen.
Ulrich Post Mitglied im Redaktionsbeirat
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