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  • Klima & Ressourcen
  • 02/2023
  • Axel Paulsch

Nachhaltige Landwirtschaft: wichtiger Eckpfeiler des Biodiversitäts-Abkommens

Die Vereinbarung Ende 2022 ist ein historischer Durchbruch und bietet eine große Chance, Artenvielfalt deutlich stärker global zu schützen. Nun kommt es besonders auf die nachhaltige Nutzung der Ökosysteme an

Ackerbau in Bangladesh: Ein Landarbeiter bringt Pestizide auf einem Feld aus. © Shad Arefin Sanchoy via Unsplash

Im Dezember 2022 ist es den 196 Vertragsstaaten des Abkommens über die Biologische Vielfalt nach jahrelangen Verhandlungen gelungen, sich auf globale Ziele zur Erhaltung der Biodiversität bis 2030 zu einigen. Dabei geht es nicht nur um Schutzgebiete, sondern auch die nachhaltige Nutzung biologischer Vielfalt, z.B. in der Landwirtschaft.

Viele wissenschaftliche Erhebungen haben gezeigt, dass weltweit Arten in einem bislang nie gekannten Maße aussterben, und etwa eine Million Arten vom Aussterben bedroht sind. Die von Menschen verursachte Zerstörung von Arten ist um hundert bis tausend Mal höher als eine natürliche Aussterberate. Dies hat oft dramatische Folgen für unsere Ökosysteme, die die Lebensgrundlage für unsere Nahrung, Gesundheit und für die Luft- und Wasserreinhaltung sind.

Um diesen Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen, und wieder mehr Vielfalt zu schaffen, haben die Vertragsstaaten der Konvention über Biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) einen globalen Biodiversitätsrahmen bis 2030 beschlossen, der 23 konkrete Ziele und einen Plan zur Umsetzung und Finanzierung, enthält.

Da die veränderte Landnutzung einer der größten Treiber des Biodiversitätsverlusts ist, muss es ein vorrangiges Ziel sein, die noch bestehenden intakten Ökosysteme so gut es geht zu erhalten, heisst es in Ziel 1 des Abkommens. Dazu dienen in erster Linie natürliche Schutzgebiete, deren Flächen global von derzeit etwa 17 Prozent an Land und 10 Prozent auf dem Meer auf insgesamt 30 Prozent an Land und auf dem Meer vergrößert werden sollen (Ziel 3). Es wurde auch vereinbart, die Rechte indigener und lokaler Gemeinschaften zu achten und durch die Ausweisung von Schutzgebieten keine Nachteile für diese Bevölkerungsgruppen entstehen zu lassen.

Bedrohte Meeresschildkröte. Schutzgebiete im Meer sollen auf 30 Prozent der Fläche erweitert werden. © Marcos Paulo Prado via Unsplash

Der zweite logische Schritt zur Schaffung von mehr biologischer Vielfalt ist, bereits degradierte Ökosysteme wieder aufzuwerten und möglichst weitgehend wieder herzustellen. Das soll bis 2030 mit mindestens 30 Prozent der degradierten Systeme gelingen (Ziel 2).

Schutz allein reicht nicht: nachhaltige Nutzung dringend geboten

Intakte Schutzgebiete zu erhalten und bereits geschädigte Flächen wieder herzustellen ist der wichtigste Schritt zum Schutz der biologischen Vielfalt, reicht allein aber nicht aus. Dringend erforderlich ist es, die Nutzung der Vielfalt, von der wir alle abhängen, nachhaltiger zu gestalten. Dies betrifft insbesondere die Landwirtschaft, aber auch die Waldnutzung und Fischerei.

Die Art und Weise, wie Landwirtschaft betrieben wird, ist in verschiedenen Teilen der Welt sehr unterschiedlich. Je nach Intensität und Bewirtschaftungsart fallen die schädliche oder aber auch erhaltende Wirkung von Landwirtschaft auf die biologische Vielfalt sehr unterschiedlich aus. Die CBD erkennt schon in ihren Grundartikeln von 1992 an, dass nachhaltige Nutzung ein Eckpfeiler der Erhaltung der Vielfalt ist. Entsprechend fordert nun auch Ziel 10 des Vertrags, dass bis 2030 sämtliche Landwirtschaft, sowie Forstwirtschaft und Aquakultur, global nachhaltig sein soll.

Auch wenn das Abkommen Nachhaltigkeit nicht genau definiert, so ist doch von vermehrter Nutzung biodiversitätsfreundlicher Anbaumethoden, von Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme und langfristiger Nutzbarkeit die Rede. Gleichzeitig fordert Ziel 7, dass die Bodenbelastung durch zu viele Nährstoffe (Nitratbelastung) um die Hälfte reduziert, und das Risiko durch Pestizide und gefährliche Chemikalien um mindestens die Hälfte gesenkt werden muss. Dabei wird die Integrierte Schädlingsbekämpfung (Integrated Pest Management), eine minimalinvasive Alternative zur konventionellen Schädlingsbekämpfung, ausdrücklich erwähnt.

Abgeerntetes Getreidefeld: Laut Biodiversitätsabkommen soll die zu hohe Nitratbelastung um die Hälfte reduziert werden. © Peter Kleinau via Unsplash

Subventionen für nicht-nachhaltigen Anbau verringern

Insgesamt soll die Umweltverschmutzung, auch verursacht durch Plastikmüll, soweit reduziert werden, dass keine Gefahr mehr für die Ökosysteme und die von ihnen erbrachten Leistungen besteht. Die  Verschwendung von Nahrungsmitteln soll gleichzeitig um mindestens die Hälfte gesenkt werden (Ziel 16). Subventionen, die nicht-nachhaltige Praktiken fördern, sollen deutlich um bis zu 500 Mrd. Dollar pro Jahr verringert werden ( Ziel 18).

Diese Ziele gelten global, es liegt aber in der Verantwortung jedes einzelnen Vertragsstaates, sie jeweils „zu Hause“ umzusetzen. Welche Maßnahmen sie konkret ergreifen können, hängt sehr von der Ausgangssituation in den einzelnen Ländern ab. Es ist entscheidend, ob sie  beispielsweise großflächige industrielle Landwirtschaft betreiben, die trotz ihrer Schädlichkeit bisher großzügig subventioniert wird. Oder es steht eher das kleinbäuerliche Wirtschaften im Vordergrund, das vor allem der eigenen Ernährung dient, das aber auch durch geringe Veränderungen und eine entsprechende Anschubfinanzierung noch nachhaltiger gemacht werden könnte.

Das Ziel der CBD ist es, sich nicht nur um die Erhaltung von Arten zu kümmern, sondern auch um die genetische Vielfalt innerhalb von Arten. Dies gilt für die genetische Vielfalt landwirtschaftlich genutzter Arten, also für die Erhaltung von Nutztierrassen und Nutzpflanzensorten. Für die Erhaltung von Biodiversität auf den Feldern (in situ) ist die traditionelle Landwirtschaft und das Wissen der Bauern vor Ort um die Eigenschaften der einzelnen Sorten entscheidend. Genbanken allein können diesen Auftrag nicht erfüllen.

Neben dem Zielkatalog bis 2030 hat die Vertragsstaatenkonferenz der CBD auch eine Initiative zum Schutz der Vielfalt von Organismen beschlossen,  die in Böden leben. Gesunde Böden und die in ihnen lebenden Organsimen sind nämlich unverzichtbar für unser eigenes Wohlergehen, da sämtliche Landwirtschaft, und damit unsere gesamte Ernährung, von ihnen abhängt. Diese Initiative betont an mehreren Stellen, welche entscheidende Rolle die traditionelle, kleinbäuerliche Landwirtschaft (small-scale farming, familiy farmers) spielt, um die Gesundheit der Böden zu erhalten. Ausdrücklich fordert sie, bei der Umsetzung der Initiative die Folgen für die kleinbäuerliche Landwirtschaft zu beachten.

Milliardenfonds für globalen Süden

Mit speziellen Indikatoren soll gemessen werden, wie schnell die Ziele des Biodiversitätsabkommens erreicht werden und wo weiter Defizite bestehen. Zur Umsetzung des Vertrags soll ein neuer Finanztopf innerhalb der „Global Environmental Facility“ geschaffen werden. Spätestens bei der 16. Vertragsstaatenkonferenz soll Ende 2024 in der Türkei beschlossen werden, wie und an wen diese Gelder verteilt werden sollen. Klar ist aber schon jetzt, dass sie vor allem für die Länder des globalen Südens gedacht sind. Jährlich sollen bis 2025 mindestens 20 Mrd. Dollar, bis 2030 dann pro Jahr 30 Mrd. eingezahlt werden.

Die Verabschiedung des Biodiversitätsabkommens ist als historischer Durchbruch zu werten und bietet eine grosse Chance, Artenvielfalt deutlich stärker als bisher global zu schützen und nachhaltig zu nutzen. Wie bei jedem globalen Abkommen hängt die konkrete Umsetzung aber letztlich von den einzelnen Staaten ab. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen geringere umweltschädliche Subventionen, weniger Verschwendung, nachhaltigere landwirtschaftliche Bewirtschaftungsweisen und der reduzierte Einsatz von Dünger und Pestiziden in den einzelnen Ländern haben werden, und ob es gelingen wird, biologische Vielfalt dort besser zu erhalten.

Das neu beschlossene globale Biodiversitätsabkommen versucht, die großen Treiber des Biodiversitäsverlusts anzugehen, ohne dabei die Belange und die wichtige Rolle der traditionellen, nachhaltigen Landwirtschaft, besonders auch im globalen Süden, aus den Augen zu verlieren.

Axel Paulsch Institut für Biodiversität, Regensburg

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