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  • Klima & Ressourcen
  • 07/2021
  • Erwin Northoff

Den Bonito schützen: Inselkartell bietet mächtigen Flotten die Stirn

Acht Staaten im Südpazifik wehren sich mit Erfolg gegen die Überfischung ihrer Thunfischbestände.

Der Echte Bonito (Skipjack) ist die global meistgefangene und wirtschaftlich bedeutendste Thunfischart. © MSC

Überfischte Bestände, illegale und unregulierte Fischerei, Verschmutzung der Meere – die negativen Nachrichten über die Weltfischerei reißen nicht ab. Dass es auch anders geht, zeigt eine Gruppe kleiner Inselstaaten im Pazifischen Ozean.

Sie haben sich zusammengeschlossen, um ihre Thunfischbestände gegen ausländische Fangflotten zu verteidigen. Sie wollen sie kontrolliert und nachhaltig befischen und damit Geld für ihre Bevölkerung zu verdienen. Und das hat Erfolg.

1982 beschlossen acht Staaten des Südpazifik, sich gegen die übermächtigen ausländischen Fangflotten Japans, Taiwans, der USA, Europas und später auch Chinas zu wehren. Die großen Fangflotten spielten die Inselstaaten nämlich gegeneinander aus, hatten ungehinderten Zugang zu ihren Gewässern und kassierten den Hauptteil der Fangerlöse. Die kleinen Staaten gingen dabei nahezu leer aus.

Deshalb verbündeten sich die Inseln mit malerischen Namen wie Kiribati, die Marshallinseln, die Föderierten Staaten von Mikronesien, Nauru, Palau und Tuvalu, sowie Papua Neuguinea und die Solomon Inseln als Vertragsparteien des Nauru-Abkommens (Parties to the Nauru Agreement, PNA). Es war der Startschuss für eine seltene regionale Zusammenarbeit. David begann, Goliath die Stirn zu bieten.

Wie heiß begehrt die Fischgründe der acht Inselnationen sind, belegen einige Zahlen: Sie kontrollieren zusammen eine Ozeanfläche, die 40 Prozent größer ist als Europa oder die USA. In ihren Hoheitsgewässern, den 200 Meilen weiten Wirtschaftszonen um die Inseln, lebt ein Viertel der weltweiten Thunfischbestände. Rund 50 Prozent der Bonito-Thunfischfänge, die weltweit konsumiert werden, stammen aus diesen Ländern.

Der Echte Bonito (skipjack) ist die global meistgefangene und wirtschaftlich bedeutendste Thunfischart. Der Echte Bonito wird meistens als Dosenthunfisch angeboten, die größten Absatzmärkte sind die EU und die USA. Der im Pazifik gefangene Fisch wird hauptsächlich in Thailand weiterverarbeitet, aber auch in den Philippinen, Korea, China, Vietnam, Japan sowie Mittel- und Südamerika. Auf fischverarbeitende Betriebe in Papua Neuguinea, den Solomon und Marschall Inseln entfällt mit rund 100 000 Tonnen pro Jahr nur ein geringer Anteil.

Umstrittene Fangmethoden

Der Echte Bonito bewegt sich in großen Schwärmen im Meer. Deshalb setzen Fangschiffe bis zu zwei Kilometer lange Ringwadennetze ein, mit denen die Schwärme eingekreist werden. Die Netze werden schließlich mit einer Schnürleine beutelartig zugezogen, bis die Fische komplett eingeschlossen sind.

Ein geschlossenes Ringwadennetz mit üppigem Fang. © Greenpeace

Aus nicht ganz geklärten Gründen mögen es die Schwärme, sich unter Treibgut wie Holzstämmen oder leeren Fässern zu sammeln. Die Fischer nutzen dies aus und setzen, um die Fangmengen zu erhöhen, künstliche schwimmende Objekte, sogenannte Fischkonzentrationsvorrichtungen oder Fish Aggregation Devices (FADs), ein, die oft mit Signaleinrichtungen und Echoloten bestückt sind. Damit lassen sich die Fische gezielter orten und die Größe der Schwärme genauer bestimmen. Den Fangschiffen bleibt es erspart, Bonito-Schwärme über viele Meilen hinweg zu jagen.

Der Nachteil der Bojen ist allerdings enorm: Es werden zu viele Jungfische gefangen, bevor sie sich fortpflanzen können, Außerdem gehen große Mengen von Schildkröten und Haien als Beifang ins Netz und anschließend über Bord. Heute werden rund 80 Prozent des Echten Bonitos mit solchen Fischkonzentrationsvorrichtungen gefangen.

Inselstaaten wehren sich

Nach einem langen Weg mit zähen Verhandlungen über mehr als 30 Jahre einigten sich die PNA-Staaten schließlich auf einen durchgreifenden und bindenden Katalog an Maßnahmen, um den freien Zugang ausländischer Flotten zu ihren Hoheitsgewässern und die drohende Überfischung zu beenden. Ihr Ziel war es, ihre Thunfischbestände und damit ihre Lebensgrundlage nachhaltiger zu schützen und stärker an den Fangerlösen teilzuhaben.

Es sollte Schluss sein mit der nahezu ungehinderten Thunfischjagd, die keine Obergrenzen und keinen Wettbewerb kannte. Zwar mussten die großen Flotten zuvor ihre Fänge anmelden und offiziell fünf Prozent des Fangwertes an den jeweiligen Inselstaat zahlen. Kaum jemand hielt sich jedoch daran, die Schlepper gaben oft viel zu niedrige Mengen an, um die Gebühren zu drücken. Dies ging zu Lasten der Inselstaaten, die oft nur 2,5 Prozent oder weniger vom Fangwert erhielten.

Rifffische zum Verkauf auf dem Markt von Gizo, Westprovinz, Salomonen. © WorldFish / Filip Milovac

Obergrenzen für Fangtage schaffen Einkommen

Mit einem ausgeklügelten neuen System, dem seit 2012 geltenden Vessel Day Scheme (dem sich auch Tokelau angeschlossen hat, ein von Neuseeland abhängiges Gebiet) schoben die PNA-Staaten der Ausbeutung ihrer Fanggründe durch ausländische Flotten einen Riegel vor. Sie führten maximale Fangtage pro Jahr für die Region ein, gestützt auf wissenschaftliche Nachhaltigkeitskriterien. Diese Tage – für 2021 sind es rund 45 000 – werden unter den Vertragsstaaten aufgeteilt und versteigert. Nicht genutzte Tage können zwischen den Ländern gehandelt werden.

Wer in einem PNA-Vertragsstaat Echten Bonito oder anderen Thunfisch fischen will, muss für die Fangrechte eine Tagesgebühr bezahlen, die sich nach Angebot und Nachfrage richtet. Am Anfang waren es rund 8000 Dollar, inzwischen ist der Preis auf 14 000 Dollar gestiegen. Die Inseln teilen die Erlöse unter sich auf, auf einigen Inseln machen sie bis zu 60 Prozent der Staatseinnahmen aus.

Für die armen Inselstaaten öffnete sich damit eine ungeahnte Geldquelle, sie kassierten 2017 beispielsweise rund 500 Mio. Dollar – und damit deutlich mehr als die mageren 2-3 Prozent, die in der Vergangenheit für sie abfielen. Insgesamt wird der Wert des in ihren Gewässern gefangenen Thunfischs auf jährlich rund 6 Mrd. Dollar geschätzt.

Das Geld ermöglicht es Staaten wie Kiribati, Infrastrukturprojekte für den Klimaschutz sowie soziale Ausgaben für Rentner, Arbeitslose, Behinderte und Studenten zu finanzieren. Papua-Neuguinea baut damit eine nachhaltige Küstenfischerei auf und unterstützt Fischerei-Kooperativen.

Strenge Regeln für die Fangflotten

Die PNA-Staaten griffen aber noch stärker durch. So schrieben sie zwingend vor, alle in ihren Gewässern aktiven Ringwadennetzschlepper zu registrieren. Unabhängige Beobachter kontrollieren an Bord die Einhaltung von Fangvorschriften. Rund 800 Kontrolleure sind im Einsatz. Automatische Standortmelder müssen rund um die Uhr eingeschaltet sein, um jederzeit die Position der Schiffe bestimmen zu können. Oft schalten Flotten nämlich ihre Melder aus, um nicht beim illegalen Fischen entdeckt zu werden.

Schiffe sind außerdem verpflichtet, ihren gesamten Fang an Bord zu behalten und ihre Fangmengen täglich zu melden. Bislang konzentrierten sich die Hochleistungsfischer allein auf den renditestarken Thunfisch; der Beifang wurde massenweise ungenutzt zurück ins Meer geworfen, um mehr Platz für weiteren Thunfisch zu haben. Für Fischnetze schreiben die Staaten Mindest-Maschengrößen vor, um Jungfische zu schützen. In zwei wichtigen Hochseefanggebieten hat die Staatengemeinschaft des Nauru-Abkommens darüber hinaus das Fischen ganz verboten, um die Bestände zu schonen.

Drei Monate im Jahr ist zwischen Juli und September außerdem das Fischen mit Fischkonzentrationsvorrichtungen (FADs) untersagt. Die Zahl der in den PNA-Staaten eingesetzten FADs-Bojen wird zwischen 2016 und 2020 auf rund 85.000 geschätzt. Viele gehen verloren, versinken, werden als Treibgut angeschwemmt oder treiben, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, unkontrolliert im Meer. Nichtregierungsorganisationen verlangen daher von den PNA-Staaten, den Einsatz von FDA-Bojen noch schärfer zu kontrollieren, um vor allem auch den damit verbundenen Beifang weiter zu verringern.

PNA-Staaten vermeiden Überfischung

Die Bilanz des sehr komplexen aber einzigartigen Managementsystems der PNA-Staaten ist insgesamt sehr positiv. Sie haben es geschafft, nationale Hoheitsrechte in ihren Fischereizonen gegenüber ausländischen Fangflotten durchzusetzen und das Ringen um Fangrechte zu regeln. In der Folge ist die Fischerei kein Almosengeschäft mehr, sondern zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden.

Verglichen mit anderen Fanggebieten im Pazifik sind die Thunfischbestände der PNA-Staaten nicht überfischt, und der Beifang konnte deutlich verringert werden. Das äußerst umstrittene Hai-Finning ist in den PNA-Staaten stark zurückgegangen: Dabei werden Haien die Flossen abgeschnitten und die Tiere verstümmelt ins Meer zurückgeworfen wo sie qualvoll verenden. Die Flossen sind vor allem in China für die Haifischflossensuppe begehrt.   

Transparenz und Zusammenarbeit nötig

Die Bemühungen um eine nachhaltige Fischerei sind allerdings auch im Pazifik enormen Herausforderungen ausgesetzt. Sie heißen Klimawandel, transnationale Verbrechen, Korruption und illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei (IUU). Allein der von IUU verursachte Schaden wird im Pazifik auf jährlich 100 Mio. Dollar geschätzt.

Ein Fischer der Malekula-Insel in Vanuatu. Ein ausgedehntes Funknetz ermöglicht auch eine bessere Überwachung der Fangzonen. © Tom Perry / World Bank

Technologien wie elektronische Überwachung und Datenerfassung sowie Blockchain können helfen, die Fangschiffe und die Lieferketten in Zukunft ganz gezielt und detailliert zu überwachen. Doch allein mehr Daten zu sammeln reicht nicht. Vielfach mangelt es an Transparenz sowie am Willen zur Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch zwischen Staaten und Institutionen und Organisationen, um Daten schneller auszuwerten und öffentlich zugänglich zu machen, um damit Verstöße gegen Fischereiregeln publik zu machen und zu ahnden. Und auch die polizeilichen Hilfsmittel lassen zu wünschen übrig: Viele Pazifikinseln besitzen nur ein Patrouillenboot, mit dem sie ihre Gewässer überwachen können.

Ein Modell für andere

Das kartellähnliche Fischereimodell der PNA-Staaten könnte nach Einschätzung von Beobachtern für andere Länder und Regionen ein Vorbild sein – beispielsweise für Westafrika mit seinen umfangreichen Meeresgewässern und großen Fischbeständen. Die Fangrechte dort haben sich hauptsächlich ausländische Flotten vor allem aus China und einigen europäischen Staaten gesichert, die dafür nur zwischen vier und acht Prozent des angelandeten Fangwertes zahlen. Die Küstenstaaten ziehen damit eindeutig den Kürzeren.

Von Mauretanien bis Nigeria könnten die Fangrechte wie beim PNA-Modell versteigert und die Flotten überwacht werden, um dringend benötigte Einnahmen zu schaffen, die Überfischung zu bekämpfen und konsequent gegen illegales Fischen vorzugehen. Die PNA-Staaten haben mit ihrem Bündnis gezeigt, dass diese Ziele keine Utopie sein müssen.

Erwin Northoff ist ehemaliger Leiter der Presseabteilung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) und Mitglied im Redaktionsbeirat von "Welternährung.de".
Erwin Northoff Mitglied im Redaktionsbeirat

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