Straßen und ihr Einfluss auf die Lebensqualität in Afrika
Afrikas mangelnde Infrastruktur bremst schon das Wachstum. Aber der Kontinent braucht ein klimaresilientes Straßennetz, um größere Schäden für Wirtschaft, Ernährung und Gesundheit abzuwenden.

Ende Juli dieses Jahres rief die äthiopische Regierung eine dreitägige Staatstrauer aus, nachdem es in der Gofa-Zone zu dem schlimmsten Erdrutsch in der Geschichte des Landes gekommen war. 257 Menschen kamen ums Leben und insgesamt schätzungsweise 500 Menschen wurden vermisst. Äthiopien ist jedoch nicht allein. Erst im September kollabierte in Nigeria ein Damm und überflutete Teile des Bundesstaates Borno, was die schlimmste Überschwemmung seit Jahrzehnten verursachte. 200.000 bis 300.000 Menschen wurden vertrieben und eine Million Menschen waren betroffen. Im Jahr 2022 meldete der Südsudan, dass 66 Prozent des Landes aufgrund extremer Überschwemmungen unter Wasser standen. Im Jahr darauf mussten Schulen dort wegen tödlicher Hitzewellen und mangelnder Belüftung geschlossen werden.
Das Zusammentreffen von extremen Klimaereignissen, schlechter Infrastruktur und begrenzten nationalen Budgets zeigt, wie dringend notwendig es ist, die Klimaresilienz von Infrastrukturen auf dem Kontinent anzupacken, zu planen und zu finanzieren. Dieser Artikel konzentriert sich auf die Herausforderungen, die der Ausbau von Allwetterstraßen mit sich bringt, und auf die drohenden Folgen, wenn man mit dem Ausbau des afrikanischen Straßennetzes wartet. Straßen haben direkte Auswirkungen auf fast jeden Aspekt der Lebensqualität auf dem Kontinent, vom Zugang zu Gesundheitseinrichtungen und Schulen bis hin zur Ermöglichung von Handel und der Dynamik von lokaler und nationaler Wirtschaft.
Die Kosten des Straßenbaus
In den vergangenen 20 Jahren war Afrika die einzige Region der Welt, in der die Straßendichte abgenommen hat. Der Bau von Straßen in Afrika ist eine gewaltige Herausforderung: In Ländern mit niedrigem Einkommen gibt es durchschnittlich 134 Kilometer befestigte Straßen pro 100 Quadratkilometer Land, in Afrika dagegen nur 31 Kilometer pro 100 Quadratkilometer Land. Und allein Südafrika verfügt über 30 Prozent der befestigten Straßen des Kontinents. Somit ist Afrika nach wie vor ein globaler Ausreißer, was Hindernisse und Hürden im Transport angeht.
Für viele afrikanische Regierungen mit schwachen Volkswirtschaften oder Schuldenproblemen ist der Straßenbau eine große finanzielle Belastung. Laut einer Marktanalyse hierzu in Subsahara-Afrika aus dem Jahr 2008 kostet der Bau von asphaltierten Straßen im Durchschnitt über 400.000 Dollar/km, aber die Kosten können stark variieren – von 1 Million Dollar/km in Uganda bis 300.000 Dollar/km in Kenia (Abbildung 1). Für einkommensschwache Länder, die mit mehreren Krisen konfrontiert sind, ist der Bau befestigter Straßen unerschwinglich und führt zu Ungleichheiten zwischen städtischen, kleinstädtischen und ländlichen Regionen.
Von den 60 Prozent der Menschen in Subsahara-Afrika, die außerhalb der Städte leben, haben somit viele keine Allwetterstraßen, d.h. mit Portlandzement oder Asphaltbeton befestigte Straßen. Gepflasterte Straßen sind von entscheidender Bedeutung, um der Verschlechterung der Straßen durch Umwelteinflüsse entgegenzuwirken. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass sowohl Asphalt als auch Zement in ihrer Herstellung kohlenstoffintensiv sind.
Weltweit ist allein die Zementproduktion für sieben Prozent der anthropogenen CO2-Emissionen verantwortlich, und bis 2050 wird die Produktion von Zement – dem am häufigsten verwendeten menschengemachten Material – voraussichtlich um 12 bis 23 Prozent steigen. Die finanzielle Belastung durch den Straßenbau mit den ökologischen Herausforderungen in Einklang zu bringen, ist also entscheidend für den Aufbau nachhaltiger afrikanischer Gemeinschaften und die Schließung der Infrastrukturlücke auf dem Kontinent.
In Schätzungen veranschlagt die Afrikanische Entwicklungsbank für die Schließung der Infrastrukturlücke auf dem Kontinent in den nächsten zehn Jahren Kosten von rund 130 bis 170 Milliarden Dollar pro Jahr. Und es besteht ein Finanzierungsdefizit von 68 bis 108 Milliarden Dollar. Zusätzlich zu dieser Unterfinanzierung, so erklärte der stellvertretende Exekutivsekretär der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Afrika (UNECA), Antonio Pedro, kürzlich in einem Gespräch im Center for Global Development, werde die Beseitigung von Schäden durch Klimaereignisse für afrikanische Länder mit 5 bis 15 Prozent des BIP zubuche schlagen.
Letztendlich ist eine klimaresiliente Infrastruktur „eine Infrastruktur, die mit Blick auf die sich ändernden klimatischen Auswirkungen geplant, entworfen, gebaut und betrieben wird ... aber auch in der Lage ist, sich nach Störungen schnell zu erholen.“
Tabelle 1: Kosten des Straßenbaus in Afrika (in Dollar pro Straßenkilometer)
Art | Unteres Viertel | Median | Oberes Viertel |
Bau (befestigt) <50km | 345.523 | 401.646 | 613,929 |
Bau (befestigt) >50km | 209,427 | 290.639 | 344,135 |
Erneuerung (befestigt) <50km | 220.186 | 352,613 | 505.323 |
Erneuerung (befestigt) >50km | 194,679 | 299.551 | 457.714 |
Periodische Instandhaltung (befestigt) | 81.854 | 158.009 | 235,157 |
Aufschottern | 12.835 | 15.625 | 19.490 |
Anmerkung: Das Viertel gibt an, wo die Art des Baus und/oder der Sanierung in der Reihenfolge der geringsten bis höchsten Kosten angesiedelt ist. Das obere Viertel entspricht den teuersten 25 Prozent und das untere Viertel den günstigsten 25 Prozent.
Ökosystem für Handel und Wirtschaft
Der Bau von Straßen an sich ist bereits teuer, aber die Kosten für die Instandsetzung und den Wiederaufbau nach einem extremen Klimaereignis sind für die meisten afrikanischen Länder untragbar. Der Mangel an klimaverträglichen Straßen hat auch erhebliche Auswirkungen auf den Handel und die wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten.
Bei ihrer Ratifizierung im Jahr 2021 herrschte große Begeisterung und Optimismus für die Afrikanische Kontinentale Freihandelszone (AfCFTA). Sie soll durch die Liberalisierung und Integration von Volkswirtschaften, Produkten, Standards, Ressourcen und Infrastruktur auf dem gesamten Kontinent Millionen Menschen aus der Armut befreien. Seitdem ist die AfCFTA wegen ihrer mangelnden Umsetzung und Effizienz bei vielen politischen Entscheidungsträgern, Investoren und Unternehmen in die Kritik geraten. Ein Haupthindernis ist nach wie vor der Mangel an qualitativ hochwertigen und zuverlässigen Straßennetzen. Dies wird deutlich, wenn man bedenkt, dass 70 Prozent des BIP des Kontinents auf die fünf Küstenländer Kenia, Sudan, Nigeria, Südafrika und Angola entfallen. Zugleich werden 90 Prozent des Personenverkehrs und 80 Prozent des Güterverkehrs auf dem Kontinent über Straßen abgewickelt.
Obwohl „Straßen die Pulsadern der Wirtschaft sind“, ist der Kontinent ohne ausreichende Straßennetze eindeutig nicht in der Lage, das volle wirtschaftliche Potenzial des internationalen und innerafrikanischen Handels auszuschöpfen. Die Industrieländerorganisation OECD schätzt, dass eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur auf dem Kontinent das BIP um zusätzliche 2,2 Prozent pro Jahr steigern könnte. Gegenwärtig machen die Probleme beim Warentransport auf dem Kontinent 30 bis 40 Prozent der Endkosten von Waren im innerafrikanischen Handel aus, bei Binnenländern sogar bis zu 60 Prozent.
Unsichere Ernährung
Klimakatastrophen und wirtschaftliche Hindernisse aufgrund schlechter Infrastruktur sind eng mit der Ernährungsunsicherheit auf dem Kontinent verknüpft. Nach der bereits erwähnten Überschwemmung im nigerianischen Bundesstaat Borno sagte der Regionaldirektor des Welternährungsprogramms (WFP): „In jüngster Zeit haben wir eine Lebensmittelinflation erlebt, die Lebensmittelpreise sind in die Höhe geschnellt. Das trifft wirklich Millionen Menschen, die unter Ernährungsunsicherheit leiden... Wir brauchen mehr Ressourcen, um Leben zu retten... und auch an längerfristige Wiederherstellung und Lösungen zu denken.“ Ohne die nötige Infrastruktur und Kapazitäten zum Wiederaufbau verschärfen Klimakatastrophen bereits bestehende Krisen, sie verstärken die ohnehin schon extremen Folgen auf die Ernährungsunsicherheit.
Vor der Überschwemmung litten schätzungsweise 32 Millionen Menschen in Nigeria unter akutem Hunger – eine Zahl, die fast der gesamten Bevölkerung der Ukraine entspricht. Zusätzlich zur Teuerung der Nahrungsmittel wurden laut Welternährungsprogramm (WFP) durch die Überschwemmung im September mehr als 550.000 Hektar Ackerland (mehr als 763.500 Fußballfelder) zerstört. Die UNO schätzt, dass es in den nächsten sechs Monaten über 147 Millionen Dollar kosten wird, die prekäre Ernährungslage in und um den Bundesstaat Borno zu lindern. Man muss sich fragen, wie viele Menschenleben gerettet werden könnten und wie viel billiger die Ernährungssicherheit wäre, wenn die Infrastruktur klimaverträglicher wäre.
Die Überschwemmung in Borno ist nur ein Vorfall in einem Land. Das Ausmaß des Problems wird noch deutlicher, wenn man ähnliche Krisen auf dem ganzen Kontinent in den Blick nimmt. Vor vielen dieser Extremwetterereignisse fehlte es den Regionen wegen begrenzter Straßennetze oft sowieso schon an der Infrastruktur für den nachhaltigen Handel und die Einfuhr von Lebensmitteln und anderen lebensnotwendigen Gütern wie medizinische Hilfsgüter.
Zugänglichkeit des Gesundheitswesens
Neben Folgen für Wirtschaft und Ernährungssicherheit erschwert ein Mangel an qualitativ hochwertigen, befestigten Straßen auch den Zugang zur Gesundheitsversorgung und gefährdet Leben. Laut einer Studie in Ghana suchten sieben von zehn Mütter, die von einer lokalen Organisation an ein Krankenhaus überwiesen wurden, dieses nicht auf, weil die Straßen entweder unzugänglich oder die Transportkosten zu hoch waren, oder es keinen verlässlichen Transport gab. Das führt dann dazu, dass die Kinder- und Müttersterblichkeit voraussichtlich hoch bleiben wird.
Auch eine nationale Studie in Malawi ergab, dass die durchschnittliche Fahrzeit zu zentralen Krankenhäusern ein bis zweieinhalb Stunden beträgt. In Uganda ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder in ländlichen Gebieten an vermeidbaren Krankheiten sterben, doppelt so hoch wie in Kampala, da die Erreichbarkeit von Gesundheitseinrichtungen weiterhin ein Hindernis darstellt. In Kenia, wo es dagegen mehr Straßen von angemessener Qualität gibt, berichten Gesundheitseinrichtungen in der Nähe dieser Straßen über mehr Patientenbesuche und die bessere Verfügbarkeit von Impfstoffen, wichtigen Medikamenten und Tests für die Mutterschaftsvorsorge sowie über eine höhere Diagnosegenauigkeit.
Fazit
Die USA, die Europäische Union und China haben ihren industriellen Wohlstand auf Kosten des Klimas erreicht. Noch heute emittieren die 54 Länder Afrikas zusammen die gleiche Menge an CO2 wie Deutschland allein. Für einen Kontinent, der am wenigsten zu den globalen Emissionen beiträgt und einige der jüngsten Nationen der Welt beheimatet (erst seit 13 bis 30 Jahren unabhängig), erfordern die Herausforderungen bei der Planung, dem Bau und der Finanzierung einer klimaverträglichen Infrastruktur, insbesondere von Straßen, bei gleichzeitiger Bewältigung von Katastrophen in Wirtschaft, Ernährung und Gesundheit eine kontinuierliche und dringende globale Unterstützung. Eine Vielzahl von Entwicklungserfolgen hängt vom Ausbau und der Widerstandsfähigkeit der afrikanischen Straßen ab.
Afrika braucht dabei auch F&E-Unterstützung, um die einzigartige Unterversorgung mit klimaverträglicher Infrastruktur zu bewältigen. Nach Angaben der UNECA geben Länder mit hohem Einkommen 3 bis 3,6 Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung neuer Technologien aus. Für Afrika liegen keine Daten darüber vor, außer für Ägypten mit schätzungsweise unter einem Prozent. Aber es geht schließlich nicht um ein rein afrikanisches Problem, sondern liegt auch in der Verantwortung der internationalen Gemeinschaft.
Alle in der Welternährung geäußerten Ansichten sind die der Autor*in/nen und spiegeln nicht zwangsläufig die Ansichten oder die Positionen der Welternährungsredaktion oder der Welthungerhilfe wider.
