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  • Klima & Ressourcen
  • 04/2025
  • Stefan Döring
Schwerpunkt

Environmental Peacebuildung: Wasserdiplomatie als erfolgreiches Werkzeug für den Frieden

Wenn Wasser inklusiv und transparent verwaltet wird, kann es sich von einer potenziellen Konfliktquelle zu einer gemeinsamen Interessensbasis für nachhaltigen Frieden verwandeln.

Eine moderne automatische Beregnungsanlage auf einem Kartoffelfeld im Großraum Kairo. Die Anrainer des Nils arbeiten in Wasserfragen zusammen. © Hamish John Appleby / IWMI via Flickr

Der Zugang zu Wasser in Konfliktgebieten gerät zunehmend unter Druck, insbesondere wegen des Klimawandels. In solchen Gebieten ist die Wasserversorgung oft beschädigt oder nicht zugänglich. Besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen sind damit Krankheiten, Vertreibung und Gewalt ausgesetzt. Fehlt es am ausreichenden Zugang zu Wasser verschärfen sich humanitäre Krisen, da es schwieriger wird, Nahrung zu erzeugen und die Gesundheitsversorgung beeinträchtigt wird. Wasserknappheit aufgrund von Konflikten vermindert die landwirtschaftliche Produktion, vertieft die Ernährungsunsicherheit und erhöht Spannungen. Besonders Frauen und Mädchen sind gefährdet, da sie meistens ihre Familien mit Wasser versorgen und dabei vermehrt Gewalt ausgesetzt sein können.

Wegen steigender Temperaturen, längerer Dürreperioden und unregelmäßigem Niederschlag steht weltweit weniger Trinkwasser, von oft geringer Qualität, zur Verfügung. Diese Veränderungen bedrohen Existenzen, verstärken Flucht und erhöhen das Konfliktrisiko, insbesondere in ernährungsunsicheren Regionen mit schwachen politischen Institutionen. Dieser Beitrag erklärt, wie Wasserbewirtschaftung zu friedensstiftenden Programmen beitragen kann. Das sogenannte „Environmental Peacebuildung“ beschreibt dabei Ansätze zur Konfliktlösung, die explizit Ressourcenmanagement und Umweltschutz in friedensschaffende Politik einbeziehen.  Die Idee dahinter ist, kooperative Ansätze zu verstärken um ökologische Probleme nachhaltig und konfliktfrei zu lösen.

Was ist Environmental Peacebuilding?

Der Begriff beschreibt, wie die gemeinsame Verwaltung von Wasser und anderen natürlichen Ressourcen helfen kann, Konflikte zu vermeiden oder zu lösen. Durch Zusammenarbeit im Umweltbereich soll Vertrauen entstehen, der Dialog zwischen Gruppen gefördert und Institutionen gestärkt werden, besonders in angespannten oder unsicheren Situationen. Environmental Peacebuilding ist dabei nicht nur auf internationale Umweltverhandlungen beschränkt, sondern kann auch im nationalen oder lokalen Zusammenhang angewandt werden, beispielsweise wenn Städte zusammen ihren Wasserzugang organisieren. Frieden wird hier relativ breit definiert: von einer Unterbrechung von kriegerischen Handlungen bis hin zu langfristigen Bedingungen als Teil von Friedensabkommen.

Wasser als Schlüssel für Frieden

Wasser ist eine besonders wichtige Ressource, deren Eigenschaften für friedensfördernde Maßnahmen im Umweltbereich sehr vorteilhaft sein können. Wasser ist lebensnotwendig, oft grenzüberschreitend, und eng mit wirtschaftlicher Entwicklung und Sicherheit verbunden. Diese Merkmale machen Wasser einerseits zu einer potenziellen Konfliktquelle – sie können aber gleichzeitig auch als Grundlage für Zusammenarbeit dienen. Flüsse, Seen und Grundwasservorkommen überqueren häufig nationale Grenzen und erfordern daher Zusammenarbeit zwischen Staaten, Regionen oder Gemeinden. Diese gegenseitige Abhängigkeit kann selbst in angespannten Situationen den Dialog fördern. In einigen Fällen wurden Wasserverhandlungen sogar während aktiver Konflikte fortgesetzt und boten damit seltene Gelegenheiten, wichtige Kommunikationskanäle offen zu halten. So haben beispielsweise trotz anhaltender Konflikte Israel und Jordanien den Dialog über den Zugang zum Jordanfluss aufrechterhalten, und auch während des syrischen Bürgerkriegs fanden Gespräche zwischen dem Irak und Syrien zum Euphrat statt.

Der Wahda Damm am Fluss Yarmouk, der in den Jordan mündet. Jordanien und Syrien hatten die Wassernutzung vertraglich geregelt, aber das Assad-Regime soll dagegen verstoßen haben. © CC Wikimedia / Freedom's Falcon

Wasserkooperation trägt auch zu übergeordneten Friedenszielen bei. So können sich Vereinbarungen zur gemeinsamen Wassernutzung zu umfassenderen Partnerschaften entwickeln, in denen Vertrauen wächst, gemeinsame Projekte aufgebaut werden und Institutionen gestärkt werden. Wasserprojekte die eng mit den Menschen vor Ort abgestimmt werden, sind besonders erfolgreich. So entstehen inklusive Plattformen, die soziale Gräben verringern und Vorurteile abbauen können. Diese Initiativen sind besonders dann wirksam, wenn sie nicht nur die infrastrukturellen und verwaltungstechnischen Aspekte berücksichtigen, sondern auch die sozialen Dynamiken vor Ort.

In Konfliktregionen sollten Wasserprojekte deshalb sorgfältig geplant werden, um Vertrauen zwischen verschiedenen Gruppen zu stärken, Empathie zu fördern und Verantwortung gemeinsam zu übernehmen. Gelingt dies, entstehen nicht nur technische Lösungen, sondern auch soziale Grundlagen für langfristigen Frieden. Ein Beispiel aus dem Norden Kenias zeigt, wie Wasser-Räte, an denen auch Mitglieder rivalisierender Gemeinschaften teilnehmen, Spannungen durch fairen Wasserzugang abbauen und einen regelmäßigen Dialog ermöglichen. Solche lokal gesteuerten Ansätze verbessern nicht nur die Wasserbewirtschaftung, sondern fördern auch Zusammenarbeit und gegenseitiges Verständnis.

Gleichzeitig kann eine unzureichende Wasserversorgung zu Instabilität beitragen, vor allem wenn der Zugang ungleich verteilt ist, die Infrastruktur schwach ist und der Klimawandel die Region stark belastet. Deshalb ist ein gerechtes und kooperatives Wassermanagement nicht nur eine Entwicklungsaufgabe, sondern auch eine Sicherheitsfrage. Indem man ein potenziell strittiges Thema in ein gemeinsames Interesse verwandelt, kann Wassermanagement zu stabileren und einen Teil zur übergreifenden Sicherheit  beitragen.

Auch gilt es, Unterschiede zwischen nationalen, regionalen und lokalen Gegebenheiten anzuerkennen. Viele Verträge über grenzüberschreitende Gewässer legen zwar sehr anspruchsvolle allgemeine Prinzipien fest, deren Erfolg hängt aber stark von der Umsetzung vor Ort und der Einbindung betroffener Gemeinschaften ab. Sind solche Abkommen nicht an örtliche Bedürfnisse angepasst, drohen sie ihre friedensstiftende Wirkung zu verlieren.

Umgekehrt können lokale Initiativen, etwa rotierende Wasserentnahmeregelungen oder ähnliche Projekte, übergeordnete politische Ziele unterstützen und von unten nach oben für Stabilität und Akzeptanz sorgen. Eine abgestimmte, mehrstufige Regierungsführung, bei der Anliegen aus der Bevölkerung in nationale und regionale Strategien einfließen, stärkt Friedensprozesse und verbessert die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel sowie der damit einhergehenden eingeschränkten Wasserversorgung. Dafür braucht es inklusive Institutionen, faire Vertretung und Transparenz, insbesondere in fragilen, konfliktreichen Regionen, wo benachteiligte Gruppen zu oft ausgeschlossen werden.

Zusammenarbeit ist beständiger als Konflikte

Obwohl häufig befürchtet wird, dass Wasserknappheit zu Konflikten führt, zeigen die Ergebnisse jahrzehntelanger Forschung, dass direkte Gewalt um Wasser tatsächlich äußerst selten ist. Die meisten Streitfälle – ob zwischen Staaten oder innerhalb von Gemeinschaften – werden durch Verhandlungen und Zusammenarbeit gelöst. Auf internationaler Ebene sind gemeinsam genutzte Flüsse und Seen oftmals Schauplätze erfolgreicher Diplomatie. So pflegen etwa die Anrainerstaaten entlang des Nils und des Indus trotz andauernder Spannungen weiterhin Kontakt und Zusammenarbeit bei Wasserfragen. Selbst wenn es Konflikte gab, wurden  Wasserverhandlungen fortgesetzt und dienten als wichtige Dialogplattformen.

Auch in der Mekong-Region arbeiten lokale Gemeinschaften trotz geopolitischer Spannungen zwischen den Anrainern schon lange zusammen. Gemeinsame Erfahrungen mit Überschwemmungen und Dürren haben grenzüberschreitende Netzwerke gestärkt und ein Bewusstsein für Wassergerechtigkeit und friedliche Zusammenarbeit gefördert. Ein weiteres Beispiel ist das Einzugsgebiet des Senegal-Flusses, wo Mali, Mauretanien und Senegal die Institution OMVS (L'Organisation pour la mise en valeur du fleuve Sénégal) gegründet haben, um den Fluss gemeinsam zu verwalten. Trotz politischer Differenzen ermöglichte diese Kooperation gemeinsame Infrastrukturprojekte, verbesserte die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Energie und sicherte eine friedliche Nutzung des Wassers. Dies zeigt, wie regionale Verwaltungsstrukturen gleichzeitig Entwicklung und Frieden fördern können, insbesondere wenn die Vorteile gerecht verteilt werden und nationale wie auch lokale Akteure eingebunden sind.

Eine Dorfbewohnerin baut Bohnen zum Verkauf im lokalen Markt an. Das International Water Management Institute (IWMI) forscht im unteren Mekong zu Wasserressourcen und degradierten Böden. © Jim Holmes/IWMI via Flickr

Wasserdiplomatie, ob über formelle Verträge, informelle Gespräche oder technische Zusammenarbeit, hat sich somit als wirksames Instrument für den Friedensaufbau bewährt. Wenn Wasser inklusiv und transparent verwaltet wird, kann es sich von einer potenziellen Konfliktquelle zu einer gemeinsamen Basis für nachhaltigen Frieden verwandeln.

Jetzt in Wasser für Frieden investieren

Wasser ist nicht nur für Leben und Entwicklung entscheidend, sondern auch ein wichtiger Friedensfaktor. Gerechtes und nachhaltiges Wassermanagement kann politische Spannungen abbauen und  somit Vertrauen in Institutionen stärken. Politische Handlungsträger sollten daher Wasserstrategien explizit in Friedensabkommen integrieren, inklusive Entscheidungsstrukturen fördern und konfliktbewusste Infrastrukturinvestitionen tätigen. Dabei sollten vor allem benachteiligte Gruppen berücksichtigt werden. Langfristige und umfassende Ansätze im Wasser- und Friedensmanagement sind wirksamer als kurzfristige Maßnahmen.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt um in Wasser für den Frieden zu investieren. Da der Wasserbedarf wegen des Klimawandels und Bevölkerungswachstums steigen wird, wird gutes Wassermanagement immer dringlicher. Eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung kann entscheidend zum Frieden beitragen, vor allem wenn sie inklusiv, vorausschauend und an lokale Bedingungen angepasst ist. Die folgenden Empfehlungen können helfen, das Potenzial von Wasser als Friedensinstrument besser zu nutzen:

  1. Friedensförderung und Wassermanagement: Wird Friedensarbeit fest in Strategien zur Wasserverwaltung verankert, können nationale und lokale Maßnahmen konfliktbewusster gestaltet und der soziale Zusammenhalt gestärkt werden.
  2. Inklusive, mehrschichtige Entscheidungsfindung: Die aktive Beteiligung lokaler Gemeinschaften, von Frauen, Jugendlichen und benachteiligten Gruppen baut Vertrauen auf und führt zu gerechteren Lösungen.
  3. Branchenübergreifende Zusammenarbeit: Langfristige Partnerschaften entstehen besser, wenn Umwelt-, Friedens- und andere humanitäre Organisationen ihre Arbeit in gemeinsamen Wassersystemen aufeinander abstimmen.
  4. Konfliktsensible Investitionen: Infrastrukturprojekte sollten benachteiligte Gruppen früh in die Planung einbeziehen, Wasserversorgung nach Bedarf statt nach politischem Einfluss verteilen und sichern.
  5. Stärkung der Institutionen und Datenaustausch: Bessere Kapazitäten und verlässliche Informationen ermöglichen eine verantwortungsvollere Verwaltung und eine an den Klimawandel angepasste Planung.
  6. Langfristige, integrierte Ansätze: Wasser- und Friedensprojekte, die auf Dauer angelegt und ganzheitlich gedacht sind, erweisen sich meist als wirksamer als kurzfristige Hilfsmaßnahmen.Top of FormBottom of Form

Leider wird das Potenzial des Konzepts der Environmental Peacebuilding international noch nicht voll ausgeschöpft. Politische Barrieren und unterschiedliche Interessen erschweren oft die Umsetzung. Daher ist es wichtig, lokale Initiativen mit nationalen Strategien zu verbinden, um inklusive Verwaltung und gerechte Entscheidungen sicherzustellen.

Stefan Döring Uppsala University, Schweden, und Peace Research Institute Oslo, Norwegen

Weiterführende Literatur:

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