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  • Klima & Ressourcen
  • 12/2024
  • Ivar Virgin
Schwerpunkt

Bei Innovationen in der Bioökonomie könnte Ostafrika Vorreiter sein

Das Potenzial ist groß, aber begrenzte Mittel für den Einsatz neuer Technologien und Know-how in landwirtschaftlicher Produktion oder Bioverarbeitung sind ein Hemmschuh.

Maniok oder Cassava dient in den Tropen als Grundnahrungsmittel. Für die Bioökonomie gewinnt die Nutzpflanze an Bedeutung durch die Stärke nicht essbarer Sorten, die für die Herstellung von Bioethanol oder Kleb- und Süßstoffen dienen kann. © Thamizhpparithi Maari via Flickr https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/

Ostafrika verfügt über große landwirtschaftliche Flächen, eine reiche biologische Vielfalt und eine junge Bevölkerung - Faktoren, die die Region zu einem Vorreiter in Sachen Bioökonomie machen könnten. Um das Potenzial der Bioökonomie voll auszuschöpfen, muss die Region dringend die fehlende Infrastruktur, Finanzierungsengpässe sowie das schwache politische Umfeld angehen. 

In den vergangenen zehn Jahren verzeichnete Ostafrika eine robuste wirtschaftliche Entwicklung. Mit einem Wachstum von über 5% im Jahr 2023 und wahrscheinlich auch 2024 weist es die stärkste Wirtschaftsleistung des Kontinents auf.

Trotz dieser Erfolge steht die Region weiterhin vor großen Herausforderungen: Die Armutsraten sind zwar gesunken, aber die absolute Zahl der Armen ist nach wie vor hoch. Das Wirtschaftswachstum hat zudem nicht zu mehr Chancengleichheit geführt, sodaß viele junge Menschen, vor allem in ländlichen Gebieten, keinen Zugang zu stabilen Arbeitsplätzen haben. Diese steigende Jugendarbeitslosigkeit übt einen enormen Druck auf die Arbeitsmärkte und die Wirtschaft aus. Eine weitere große Herausforderung für die Entwicklung der Region ist die Abhängigkeit von der landwirtschaftlichen Primärproduktion. Produkte werden nur begrenzt weiter verarbeitet und wertschöpfungsketten sind zu schwach oder fehlen ganz.

Die Versprechen der modernen Bioökonomie

Die Bioökonomie bietet wichtige Entwicklungsmöglichkeiten für Ostafrika. Ein zentrales Merkmal der Bioökonomie ist, dass wissenschaftliche Forschung, Wissen und Innovation nicht nur für die Produktion von Lebensmitteln, Futtermitteln, Fasern und Kraftstoffen eingesetzt werden können, sondern auch für die Herstellung einer breiten Palette von agroindustriellen Produkten und Produkten mit Mehrwert. Die Wertschöpfung ermöglicht es den Landwirten, verarbeitete oder umgewandelte Produkte zu höheren Preisen zu verkaufen als die ursprünglichen Rohwaren.

Ein weiteres entscheidendes Element der Bioökonomie ist die Wertschöpfung aus lokalen Bioressourcen, indem alle Bestandteile von Primärerzeugnissen und deren Produkte maximiert und genutzt werden. Eine moderne Bioökonomie ist daher der Schlüssel zur Entwicklung eines biobasierten Wachstums. Sie schafft Arbeitsplätze auf der Grundlage erneuerbarer Ressourcen, der Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen, einer zirkulären  Bioabfallwirtschaft sowie der Effizienz und Wertschöpfung der Biomasseproduktion.

Bioökonomie - eine Chance für Ostafrika

Mehr als 65% der Bevölkerung in Ostafrika sind heute auf biologische Ressourcen zur Versorgung mit Nahrungsmitteln, Energie und Medikamenten angewiesen. Die Landwirtschaft erwirtschaftet über 30% des Bruttoinlandsprodukts. Die Länder der Region verfügen über eine reiche, aber weitgehend unerforschte biologische Vielfalt und eine starke Produktionsbasis für biologische Ressourcen.

Allerdings war die Region bisher nur in begrenztem Maße in der Lage, Technologien und Know-how einzusetzen, die die landwirtschaftliche Produktion, die Bioverarbeitung und die Wertschöpfung modernisieren könnten. Der geringe Grad an biologischer Verarbeitung, bei der biologische Systeme wie Mikroorganismen eingesetzt werden, um Primärerzeugnisse und Bioabfälle zu veredeln und wertvolle Produkte herzustellen, erschwert es der Region, ihre Bioressourcen als Motor für wirtschaftliches Wachstum zu mobilisieren.

Erfreulicherweise bietet das ländliche Ostafrika viele Möglichkeiten für eine Ausweitung der Wertschöpfung aus Biomasse. Dazu gehören die Herstellung von Biokraftstoffen, neuartigen Lebensmittelzutaten, Bioverpackungen und Bioverbundwerkstoffen. Sie schaffen neue Möglichkeiten für die Wertschöpfung und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu vernachlässigbaren Opportunitätskosten. Degradierte Böden könnten verbessert werden.

Die Region hat sich zunehmend auch für stärkere Universitäten, Forschungseinrichtungen und Innovationskapazitäten eingesetzt, mit einer wachsenden Zahl gut ausgebildeter Wissenschaftler und Unternehmer. Die Länder haben Cluster und Plattformen zur Förderung der agroindustriellen Entwicklung als Basis für die Expansion biobasierter Unternehmen eingeführt oder sind dabei, diese zu erproben.

Insgesamt bietet die Entwicklung einer modernen Bioökonomie in Ostafrika ein erhebliches Potenzial zur Unterstützung mehrerer wichtiger Ziele:

Bioökonomie-Initiativen in Ostafrika

In der Region sind Forschung und Entwicklung erheblich gewachsen, um die Chancen der Bioökonomie zu nutzen. Die wichtigste politische Maßnahme ist die 2022 verabschiedete Bioökonomie-Strategie der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC). Sie konzentriert sich weitgehend darauf, wie Bioressourcen, einschließlich Bioabfall, verwertet werden können. Die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Anbindung von Landwirten und Biounternehmern an neue Wertschöpfungsketten und Marktchancen sind ebenfalls wichtige Bestandteile der Strategie. Dem regionalen Beispiel folgend entwickeln mehrere Länder (Äthiopien, Uganda, Ruanda und Burundi) derzeit ihre eigenen Bioökonomiestrategien.

Das enorme Potenzial von Maniok freisetzen

Der Bericht zur Lage der Bioökonomie in Ostafrika: 2024, der vom Stockholmer Umwelt Institut zusammen mit BioInnovate Africa veröffentlicht wurde, enthält einige Fallstudien, die das Potenzial der Bioökonomie in der Region aufzeigen. Der Großteil der in Ostafrika produzierten Grundnahrungsmittel, wie beispielsweise Maniok (Cassava), wird nur geringfügig verarbeitet, während es viele Möglichkeiten gibt, ihren Mehrwert zu steigern.

Maniok, auch bekannt als „Kulturpflanze des armen Mannes“, die mit ihren stärkehaltigen Wurzelknollen auf marginalen Böden gut gedeiht, ist eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel der Region. Rund 60 Prozent der Produktion sind für den privaten Verbrauch und 40 Prozent für die Vermarktung bestimmt. Die Maniokproduktion in Ostafrika kämpft allerdings mit großen Problemen, wie Schädlingen und Krankheiten, Mangel an hochwertigem Pflanzmaterial, schlecht funktionierenden Saatgutsystemen und hohen Nachernteverlusten.

Dennoch gibt es viele Wertschöpfungsmöglichkeiten für Maniok, von der Lebensmittelverarbeitung bis hin zu erneuerbaren Energien und nachhaltigen Verpackungen, die zu Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit in der Region beitragen könnten. Dazu gehört die Verarbeitung von Maniok zu hochwertigem Mehl, das in Backwaren, Snacks und Süßigkeiten verwendet werden kann. Die Bioethanol-Produktion aus Maniok kann die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern, wenn die ostafrikanischen Länder den Markt für erneuerbare Energien erschließen, indem sie die Maniok-Fermentations- und Destillationsprozesse nutzen. Nebenprodukte wie Schalen und Kuchen können zu hochwertigem Tierfutter verarbeitet werden, und die Ernährung und Produktivität von Vieh verbessern. Biologisch abbaubare Verpackungsmaterialien aus Maniokstärke können die Umwelt schonen und die Verpackungsindustrie nachhaltiger gestalten.

Umwandlung von Bioabfall in Energie

Die jährlich rund 40 Millionen Tonnen Bioabfälle in wertvolle Produkte umzuwandeln bietet eine weitere wirtschaftlich bedeutende Chance, das biobasierte Wirtschaftswachstum in der Region zu fördern. Derzeit bleibt ein Großteil dieser Bioabfälle ungenutzt und verschmutzt die Umwelt. Wenn nur ein Teil davon wiederverwendet würde, könnten Bioenergiequellen wie Biogas und Bioethanol sowie Biodünger und Tierfutter hergestellt werden, was sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt.

Stahl und Beton durch Massivholz ersetzen

Ein weiteres Beispiel ist die Entwicklung und Verwendung neuartiger und moderner biobasierter Baumaterialien aus lokaler Produktion, die den Bausektor in Ostafrika verändern könnten. Da die Bevölkerung in der Region wächst und die Verstädterung zunimmt, ist umweltfreundliches Bauen von entscheidender Bedeutung. Baustoffe auf Biobasis bieten eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Baumaterialien, sie verringern den CO2-Fußabdruck und fördern die ökologische Nachhaltigkeit.

Neue Produkte wie Brettsperrholz (CLT) und große verleimte Sperrholzplatten (MPP), oft auch als Massivholz bezeichnet, bilden starke, tragende Strukturelemente und gelten als Baumaterial der Zukunft. Anders als Beton, der erheblich zu den Treibhausgasemissionen beiträgt, bindet Massivholz Kohlenstoff, und ermöglicht eine neue integrierte Bautechnologie, die die Verwendung von Holz im Bauwesen revolutioniert.

Massivholz und komprimierte Holzplatten sind in mehrfacher Hinsicht vorteilhaft: Sie sind stärker als Stahl, sowie leichter und thermisch effizient. Die heimische Massivholzproduktion in Ostafrika kann schnell wachsende Arten wie Bambus verwenden, die nachhaltig geerntet und zu Holzwerkstoffen verarbeitet werden. Die Regierungen in der Region sollten Anreize für die Verwendung von biobasierten Materialien schaffen, indem sie die Leistung und Kosteneffizienz von Baumaterialien durch entsprechende Maßnahmen und Vorschriften verbessern.

Herausforderungen zügig bewältigen

Es gibt wichtige Herausforderungen, denen sich die ostafrikanischen Länder stellen müssen, um die Versprechungen der Bioökonomie für ihre Region voll auszuschöpfen. Dazu gehören:

Ostafrika könnte sein Potenzial für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen, den Umweltschutz und die soziale Inklusion voll entfalten, wenn es unverzüglich Maßnahmen ergreift, um die Entwicklung der Bioökonomie energisch zu fördern. Entscheidend für den Erfolg werden die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren und koordinierte Bemühungen um eine gemeinsame Vision für eine dynamische Bioökonomie sein.

Ivar Virgin Stockholmer Umwelt Institut (SEI)
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