Trotz internationaler Hilfsangebote: Ernährungslage in Nordkorea bleibt unsicher
Der Handel mit China läuft wieder an. Russland und die FAO wollen helfen. Aber das Regime in Pyöngyang pocht politisch auf Autarkie.

Die Ernährungssicherheit in Nordkorea bleibt weiter kritisch. Bereits im Sommer 2023 war die Versorgung aufgrund wetterbedingter Ernteausfälle und jahrelanger Isolation durch die Corona-Maßnahmen so prekär, dass Experten die Lage mit der bisher schwersten Hungersnot des Landes in den 1990ern verglichen. Zwei Jahre später weist nichts auf eine Verbesserung der Lage hin. Im Gegenteil.
Auf eine alarmierende Situation machte die UN-Sonderberichterstatterin für die Menschenrechtssituation in Nordkorea, Elizabeth Salmón, auf der 58. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates im März 2025 aufmerksam. Trotz der Bemühungen Nordkoreas, die inländische Nahrungsmittelproduktion zu steigern, sei ungefähr die Hälfte der Bevölkerung, etwa 12 Millionen Menschen, unterernährt. „Berichten zufolge gab es während der Covid-Grenzschließungen Hungersnöte, und während der Erntepause im jetzigen Frühjahr dürfte es noch weitere geben“, warnte Salmón. Besonders betroffen seien Ältere, Kranke und Menschen ohne Ersparnisse in ländlichen Regionen.
Immer wieder gibt es in Nordkorea extreme Wetterereignisse, die die ohnehin schon prekäre Ernährungslage weiter verschärfen. Besonders gravierend waren laut Informationen der Welternährungsorganisation (FAO) Überschwemmungen in den Sommermonaten 2023 und 2024. Auch wurden in dieser Zeit überdurchschnittlich hohe, fast tropische Temperaturen gemessen. Dies hat das Risiko von vermehrtem Schädlings- und Krankheitsbefall und somit niedrigeren Ernteerträgen verschärft. Zu Schäden kam es nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch an Gebäuden und Straßen. Nach Schätzungen südkoreanischer Behörden soll es bei den Überschwemmungen zwischen 1.100 und 1.500 Tote und Vermisste gegeben haben.
Der internationale Handel kann die Ernteausfälle nur bedingt ersetzen. Die Grenzen zu China sind zwar für den Warenverkehr wieder geöffnet, doch die Importe aus der Volksrepublik erreichten laut der Allgemeinen Zollverwaltung Chinas (GAC) 2024 nur rund 210 Mio. Dollar. Vor der Corona-Pandemie lagen sie im Jahr 2019 noch bei etwa 250 Mio. Dollar. Ein Grund dafür könnte sein, dass Einfuhren aufgrund der eingebrochenen nordkoreanischen Währung teurer geworden sind.
Schlechtes Wetter und politische Willkür
Doch Hunger ist nach Einschätzung der Vereinten Nationen nicht nur auf schlechtes Wetter zurückzuführen, Hunger ist auch eine Folge politischer Willkür. „Das öffentliche Verteilungssystem der Regierung ist diskriminierend und unregelmäßig“, kritisierte die Menschenrechts-Beauftrage Salmón. „Nur diejenigen, die der Führung des Landes treu sind, haben regelmäßig Zugang zur öffentlichen Versorgung.“
Auch Fehlentscheidungen und die politische Ideologie belasten die Nahrungsmittelsicherheit. So blockierten die strikten Grenzschließungen während der Corona-Pandemie den Handel mit China, was zu einer akuten Knappheit an Grundnahrungsmitteln führte. In Reaktion auf diese Krise schränkte das Regime private Marktaktivitäten zunehmend ein und forcierte den Ausbau staatlicher Lebensmittelgeschäfte.
Im Januar 2023 verhängte die Regierung dann schließlich ein vollständiges Verkaufsverbot für bestimmte Lebensmittel auf lokalen Märkten. Grundnahrungsmittel wie Reis und Mais sind seitdem nur in staatlichen Geschäften zu bekommen. Für private Geschäfte war dies die erste Einschränkung seit 2003, als die Schwarzmärkte, die sogenannten Janmadang, legalisiert wurden.
Mit dem Verkaufsverbot wollte die Regierung verhindern, dass Menschen illegal beschaffte staatliche Nahrungsmittelrationen zu überhöhten Preisen weiterverkaufen. Das ist angesichts des knappen Angebots sehr lukrativ: Die Preise für Reis und Mais haben im vergangenen Jahr Rekordhöhen erreicht. In der Hauptstadt Pjöngjang lag der Reispreis nach Angaben des südkoreanischen Informationsdienstes Daily NK am 16. Februar 2025 bei 8.300 Nordkoreanischen Won pro Kilogramm, fast doppelt so teuer wie im Dezember 2023 (4.300 Won). Bei Mais, dem günstigeren Grundnahrungsmittel und besonders bevorzugt von armen Haushalten, gab es ebenfalls Preissteigerungen, und zwar von 2.100 Won im Dezember 2023 auf 3.120 Won im Februar 2025.
Russlands Hilfe verbessert Ernährungslage kaum
Die neue Partnerschaft mit Russland hat die Versorgungssicherheit Nordkoreas bislang nicht maßgeblich verbessert. Im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine haben sich die Beziehungen zwischen Russland und Nordkorea deutlich verbessert. Um Russlands massiven Bedarf an Munition und Waffen zu decken, wandte sich Präsident Wladimir Putin an Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un. Spätestens seit 2023 schickt Kim Jong Un Rüstungsgüter nach Russland, seit 2024 auch Soldaten. Allein die bis Oktober 2024 gelieferten Waffen hatten laut einer Analyse der Nordkorea-Expertin Olena Guseinova für die Friedrich-Naumann-Stiftung einen Wert von bis zu 5,5 Mrd. Dollar.
Wie sich Putin für diese Unterstützung revanchiert ist allerdings unklar: vermutlich mit einer Mischung aus Kapital, technologischem Knowhow, Material und Lebensmitteln. Trotz der Sorge über die vertiefte militärische und wirtschaftliche Kooperation zwischen Nordkorea und Russland, sah Südkoreas ehemaliger Verteidigungsminister Shin Won-sik Anfang 2024 die russischen Lebensmittellieferungen auch als Chance, die Preise in Nordkorea zu stabilisieren.
Einige Monate später jedoch zog Peter Ward, Experte für nordkoreanische Wirtschaft am Sejong Institut in Seoul, eine andere Bilanz: Russische Agrarlieferungen hätten „keinen signifikanten Einfluss auf die Ernährungssicherheit Nordkoreas“. Für ihn sind die Rekordpreise für Getreide auch nach Lebensmittelimporten aus Russland ein Indikator für eine anhaltende Nahrungsmittelknappheit und eine reduzierte Verfügbarkeit von Grundnahrungsmitteln im Land. Die Importe von Mais und Weizenmehl seien gering, betonte er.
Die Autarkiebestrebungen Nordkoreas erschweren zudem jede Unterstützung von außen. So bot Wladimir Putin Nordkorea nach den verheerenden Überschwemmungen im Juli vergangenen Jahres humanitäre Hilfe an. Kim Jong Un lehnte jedoch dankend ab. Der nordkoreanische Führer betonte, sein Land sei allein in der Lage, die Krise ohne externe Unterstützung zu überwinden. Auch das Angebot Russlands im Jahr 2023, rund 50.000 Tonnen Weizen kostenlos zu liefern, wies Kim mit dem Hinweis zurück, die Nahrungsmittelsituation im Land habe sich inzwischen verbessert.
Nach Ansicht von Hong Min, Wissenschaftler am Korea Institute of National Unification (KINU), versucht Nordkorea den Eindruck zu vermitteln, nicht auf ausländische Hilfe angewiesen zu sein. Wenn es dennoch das Hilfsangebot öffentlich gemacht habe, so wohl aus dem Bemühen heraus, die engen Beziehungen zu Russland zu unterstreichen.
Der FAO-Besuch und die Rolle der UNO
Trotz aller geopolitischen Spannungen versucht die internationale Gemeinschaft, weiter mit Nordkorea in Kontakt zu bleiben und zu helfen. Dies zeigt auch der Besuch von FAO-Generaldirektor Qu Dongyu im Juli 2024. Während seines Aufenthaltes betonte Qu, daß die landwirtschaftliche Produktion Nordkoreas verbessert und widerstandsfähigere Anbautechniken gefördert werden müssten, um die Auswirkungen von Naturkatastrophen und Klimawandel zu verringern.
Die FAO will Nordkorea nicht nur mit landwirtschaftlicher Technik unterstützen, sondern auch dringend benötigte Geräte und Düngemittel liefern, um die landwirtschaftliche Produktivität zu steigern und die Nahrungsmittelproduktion zu stabilisieren. Internationale Sanktionen allerdings erschweren es, diese Ressourcen zu beschaffen, was die ohnehin schwierige Situation weiter verschärft.
Im Januar 2025 erteilten die Vereinten Nationen dann Ausnahmegenehmigungen, um Hilfslieferungen trotz der bestehenden Sanktionen nach Nordkorea zu schicken. Dies ermögliche es der FAO, technische Hilfe für eine bessere Futtermittelproduktion sowie für Weizen- und Gersteerzeugung bereitzustellen, teilte der Sicherheitsrat mit. Der Gesamtwert der Lieferung beträgt etwa 158.000 Dollar und umfasst unter anderem auch Traktoren und Sämaschinen. Der Sicherheitsrat erlaubte auch UNICEF, Materialien und Ausrüstungen, vor allem für gesundheitliche und sanitäre Einrichtungen, ins Land zu bringen. Dazu gehören Kühlkettentechnik, Stahl und Fahrzeuge.
Kritische Stimmen allerdings hinterfragen die Effektivität und Transparenz der FAO-Hilfe in Nordkorea. Experten wie Andrew Natsios, ehemaliger Leiter der US Agency for International Development (USAID), werfen der FAO vor, ihre Programme könnten unbeabsichtigt die autoritäre Regierung Nordkoreas stärken. Denn die Unterstützung landwirtschaftlicher Projekte könne dazu führen, daß die Regierung ihre Kontrolle weiter ausbaue, anstatt die Hilfe den Bedürftigsten zukommen zu lassen.
Die internationalen Hilfsmaßnahmen sind vor Ort nur schwer nachvollziehbar, da bislang keine UN-Organisation wieder im Land arbeiten darf, so Elizabeth Salmón vor dem Menschenrechtsrat.
Die Debatte über Sanktionsausnahmen ist dabei nicht neu: Progressive Stimmen in Südkorea und den USA argumentieren, dass humanitäre Hilfe dem Dialog und dem Austausch von Mensch-zu-Mensch dient und zudem zur Modernisierung und Entwicklung des Landes beitragen kann. Konservative Kritiker dagegen warnen, daß technische Unterstützung und andere Ausnahmen das Sanktionsregime untergraben und eher dem Staatsapparat als der breiten Bevölkerung nutzen.
Es bleibt zu hoffen, dass der Besuch des FAO-Generaldirektors und die Sanktionsausnahmen die Tür für eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Nordkorea und der internationalen Gemeinschaft geöffnet haben. Dies könnte den Weg für zukünftige Verhandlungen ebnen, bei denen dann nicht nur die Nahrungsmittelkrise, sondern auch brisante politische Themen wie das mögliche Ende des nordkoreanischen Waffenprogramms zur Sprache kommen könnten.
