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  • Krisen & Humanitäre Hilfe
  • 08/2021
  • Marina Zapf

„Das Land wurde zehn Jahre lang von innen geplündert“

Der jüngste Staat der Welt wird von einem korrupten System regiert, das seine Bevölkerung nicht ernähren kann. Warum die Weltgemeinschaft vor einem Dilemma steht, erklärt WHH-Landesdirektor Stefano Temporin.

Ein roter Teppich zur Feier von Zehn Jahre Südsudan am Gründungstag, Dschuba 2021.
Zehn Jahre Südsudan. Ein roter Teppich für die Feierlichkeiten am Gründungstag in der Hauptstadt Dschuba. © Welthungerhilfe

Herr Temporin: Wie haben die Menschen im Südsudan den zehnten Geburtstag ihres Staats verbracht?

Es war ein nationaler Feiertag, aber es wurde nicht gefeiert. Die Regierung sagte tags zuvor alle Veranstaltungen ab. Das wurde teils mit der Corona-Krise begründet, teilweise mit der schlechten Finanzlage, in der größere Feierlichkeiten nicht angemessen schienen.

Die Gründung beendete den Konflikt mit der sudanesischen Zentralregierung im Norden, aber der neue Staat hat nie wirklich Frieden gefunden. Warum?  

Im Kampf um die Unabhängigkeit wurden persönliche Rivalitäten zugunsten einer gemeinsamen Front gegen den Feind Sudan zurückgestellt oder ausgeblendet, und die tauchten später wieder auf. Als es unter den Anführern der politischen Parteien dann darum ging, Details wie Fragen der Machtverteilung zu lösen, eskalierte der Streit. Das Lager um Präsident Salva Kiir hält bis heute an der Macht fest und hat das Land in eine Sackgasse gelenkt, in der wir heute noch stecken.

Zur Person

Der gebürtige Italiener Stefano Temporin arbeitete zunächst für italienische NGOs, was ihn unter anderem nach Nordkorea führte. Bevor er im jungen Südsudan im Bundesstaat Northern Bahr el Ghazal 2015 bei der Welthungerhilfe als Projektmanager anheuerte, war er fünf Jahre in der humanitären Hilfe in Myanmar tätig. Seit 2017 ist er Landesdirektor der Welthungerhilfe für Südsudan mit Sitz in der Hauptstadt Dschuba. 

War dieser Staat dann von Anfang an zum Scheitern verurteilt?

Bei allen Zweifeln zu Beginn war dieser Weg nicht vorhersehbar. Es gab Raum für Hoffnungen, zu Anfang und später während jahrelanger Verhandlungen, die von befreundeten Mächten unterstützt wurden. Aber wenn man zurücksieht, waren auch mit Blick auf die Führung in Dschuba die Chancen bereits düster. An Hilfe von außen hat es nicht gefehlt. Aber wir sehen ein Land, das zehn Jahre lang von innen geplündert wurde. Ob es um Gelder geht, die für den Friedensprozess eingebracht wurden, oder um Erlöse aus dem Ölgeschäft – Korruption ist allgegenwärtig und offensichtlich. Gelder werden aus politischen Gründen abgezweigt und an weit verzweigte Interessen verteilt. 

Und es gab keinerlei Konsequenzen?

Doch, ja. Einige Personen wurden mit Sanktionen und Strafen belegt. Aber die Wirksamkeit bleibt fraglich. Die internationalen Geber haben erst allmählich ihre Haltung verändert. Zuerst wollte man natürlich den Traum vom eigenen Land unterstützen. Später wuchsen die Zweifel. Heute wollen die Geldgeber schon sehen, wofür ihre Gelder eingesetzt werden. Die Mittel für die humanitäre Hilfe wurden bis Mitte des Jahrzehnts schrittweise erhöht und blieben dann trotz der ständig steigenden Zahl von bedürftigen Menschen stabil. Es herrscht eine gewisse Müdigkeit, immer wieder dieselbe Elite in wiederkehrenden Gesprächsrunden zu unterstützen. Ewig kann das nicht so weitergehen.

Die Regierung verstößt gegen ihr Versprechen, das Abkommen zu erfüllen.

Stefano Temporin Landesdirektor, Welthungerhilfe

Im Jahr 2013 und dann wieder 2016 kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und verschiedenen ethnischen Gruppen. Sind die zugundeliegenden Ursachen inzwischen gelöst?

Die Ursachen werden solange bleiben, bis etwas drastisches geschieht und die beiden wichtigsten Führungspersonen im Staat ihr Amt abgeben. Südsudan hat ein Stammessystem. Aber der Präsdient und sein Vize haben das ethnische Element erst befeuert – auf einen nie dagewesenen Grad der Spannungen und Verbreitung von Waffen. Menschen und Gruppen werden in politische Machtkämpfe eingespannt und manipuliert, Konflikte schaukeln so immer wieder hoch – und verbunden mit der traditionellen Art und Weise, Rechnungen über Familienfehden zu begleichen, kommen bestimmte Gegenden nicht zur Ruhe.

Das Friedensabkommens von 2018 ist noch nicht umgesetzt. Was sind die größten Hürden?

Die Regierung verstößt gegen ihr Versprechen, das Abkommen zu erfüllen. Gegenüber der internationalen Gemeinschaft findet sie immer wieder Vorwände für Verzögerungen der wichtigsten Wegmarken. Heute ist es die Corona-Pandemie. Was fehlt, ist der politische Wille auf allen Seiten. Praktische Hürden sind zum Beispiel fehlende Ressourcen für die Vereinigung der Armee. Die Frage wurde lange unterschätzt. Doch viele ehemalige Soldaten, die zunächst zur Fortbildung in Kasernen abgestellt wurden, kehrten in ihre Dörfer zurück, weil es dort an den notwendigen Lebensmitteln, Kleidung und einer Grundversorgung mangelte. Dort schließen sie sich lokalen Milizen an, die von Anführern mit politischen oder wirtschaftlichen Interessen gesteuert werden. Auch die wichtige Frage der inneren Grenzverläufe ist ungelöst. Daran entspinnt sich zwischen Volksgruppen Zwist um Ressourcen – darunter Einnahmen aus dem Ölgeschäft. Gelder werden veruntreut.

Die internationale Gemeinschaft setzt dennoch weiter darauf, dass das Abkommen zu einer nachhaltigen Konfliktlösung  führt – drängt aber auf die Einbeziehung aller zu beteiligenden Gruppen, insbesondere auch von Frauen und der Zivilgesellschaft. Geschieht das in irgendeiner Form?

Dieser integrative Ansatz ist vereinbart und es gibt Bestimmungen, ihn zu erreichen. Aber davon ist man sehr, sehr weit entfernt. Was den Frauenanteil und die Zivilgesellschaft angeht, ist das lächerlich gering. Die Frage ist, inwieweit man sich überhaupt offen äußern und Advocacy-Arbeit betreiben kann. Es herrscht Furcht vor Repressalien seitens der politischen Kräfte. Menschen werden ins Gefängnis gesteckt, weil sie ihre Meinung sagen, oder sie werden in einem Klima der Angst zum Weggehen genötigt. Viel grundlegender ist hier der fehlende Respekt der freien Meinungsäußerung und der freien Medien. Erst danach kann man über die Inklusion von Organisationen sprechen.

Macht es da überhaupt Sinn zu fragen, was von dem Friedensabkommen noch umzusetzen ist, und was Fortschritte behindert?

Einige Dinge sind getan worden, aber andere bleiben unerledigt, wie die erwähnte Zusammenführung der Volksarmee. Eine andere Sache, die entscheidend ist, ist der Hybride Gerichtshof. Es geht darum, ein Justizsystem zu überwinden, das der aktuellen Regierung untergeordnet ist, um auf höherer Ebene faire Prozesse und auch Kriegsprozesse sicherzustellen. Das ist natürlich kein sehr populärer Meilenstein, und man liegt nicht im Zeitplan. Im Januar 2021 billigte die südsudanesische Regierung die Einrichtung des Hybrid-Gerichtshofs, aber wann er seine Arbeit aufnehmen kann, ist noch unklar.

Es gibt also einige Fortschritte in der Theorie, aber nicht wirklich in der Praxis...

Die Regierung ist willens, der internationalen Gemeinschaft zu zeigen, dass Maßnahmen vereinbart und Schritte zur Umsetzung unternommen wurden. Allerdings werden häufig keine ausreichenden (oder gar keine) Voraussetzungen geschaffen, um die Umsetzung der Maßnahmen tatsächlich zu gewährleisten. Wenn die notwendigen Ressourcen nicht bereitgestellt werden, liegt das sehr wahrscheinlich an fehlendem politischen Willen zur Durchführung.

Sind die relative Stabilität und das Ausbleiben von größeren Kämpfen schon ein Erfolg?

Das ist eine kontroverse Frage. Man kann es so sehen. Denn unter den aktuellen Bedingungen wäre es leicht vorstellbar, dass in diesem Land ständig ein richtiger Krieg herrscht. Und das ist nicht der Fall. Aber wie soll man Erfolg definieren? Tatsächlich hat der Krieg sich verlagert von der offiziellen politischen und ethnischen Ebene hin zu einem eher lokal ausgefochtenen Krieg.

Ein Schutzort für Binnenflüchtlinge im Bundesstaat Unity State. Das Lager Bentiu nimmt Vertriebene auf, die zwischen die Front lokaler Konflikte geraten und sich nicht mehr versorgen können. © Welthungerhilfe / Glinski

Was heißt das?

Auch hier gibt es ethnische Konfrontationen, die auf traditionelle Weise ausgetragen werden, und zwar eskaliert um den Faktor 10 oder 100, weil die ländlichen Gemeinschaften so stark bewaffnet sind. Die interkommunale Gewalt hat ein nie gekanntes Ausmaß erreicht. Gruppen von Jugendlichen stehlen Vieh, die geschädigten Gemeinschaften rächen sich und fügen oft mehr Schaden zu, als sie selbst erlitten haben. Menschen sterben, und die Spirale von Rachemorden zieht sich über Jahre. Sie eskalieren und erfassen ganze Gemeinden. Das ist die vorherrschende und weitverbreitete Dynamik. In ethnisch vielfältigen und politisch umkämpften Gebieten wird auf lokaler Ebene politisch und militärisch versucht, die traditionelle Stammesdynamik so zu lenken und zu nutzen, dass Konflikte und anhaltendes Chaos zum Vorteil sind.

Zuletzt war auch von einem Nationalen Dialog die Rede, eine breite Konsultation der Gesellschaft, die Empfehlungen an die Regierung ausgesprochen hat. Was wird daraus?

Es ist ein politischer Prozess, den die Regierung ermöglicht hat, damit mehr Gemeinden und Dörfer erreicht und Menschen ihre Ansichten über die Zukunft des Landes äußern können. Aber die oberste Empfehlung im Abschlussbericht lautete, der Präsident und sein Stellvertreter müssten gehen. Für die war das natürlich eine Niederlage – zu hören, dass sie bei der nächsten Wahl nicht gewünscht sind. So war es zwar ein zum Friedensprozess paralleles und unabhängiges Ergebnis, doch es bestätigt unter den Augen der Welt, was schon bekannt war: Dass ein Abgang der Regierung unumgänglich ist, und man sich auf das 'wie' konzentrieren sollte. Präsident Kiir deutet in öffentlichen Erklärungen häufig an, dass ein Rücktritt ‚schmerzhaft‘ sein kann. Damit schafft er eine Stimmung. Also muss das System vorbereitet und Akzeptanz geschaffen werden. Sonst wird es sehr schwierig, eine stabile Lösung zu finden.

Gibt es zur herrschenden Elite eine Alternative, die eine bessere Perspektive verspricht?

Wir haben es momentan mit einem sehr korrumpierten System zu tun. Es geht nicht nur darum zwei Personen auszutauschen. Zukünftige Alternativen sollten so vorbereitet werden, dass Menschen außerhalb des derzeitigen Establishments Möglichkeiten sehen. Und es gibt Leute mit Führungsqualitäten und Gefolgschaft, die aber noch unter dem Radar operieren. Aber sie äußern sich und sind als fortschrittliche Intellektuelle anerkannt, deren Ansichten sich von der aktuellen politischen Führung abheben, und die politisch einen unvoreingenommenen fairen Prozess wollen. Sie müssen allerdings in der Lage sein, freie Wahlen einzufordern und eine Kampagne zu führen. Das ist sehr fraglich. Dafür bietet das System noch nicht die Bedingungen. Die Macht, die zu besiegen ist, ist sehr aggressiv und stark.

Eine Verteilungsstelle für Nahrungsmittelrationen in Südsudan. In der Gegend von Ganyiel sind Menschen auf Nothilfe angewiesen. © Welthungerhilfe / Glinski

Könnten die nächsten Wahlen ein Wendepunkt der Hoffnung werden?

Es ist schwer zu sagen, aber im Moment sieht es nicht danach aus. Das System ist zu verfestigt in diesem Land, es zeigt kein Interesse an Veränderungen, es gibt viele Anzeichen für Intrigen und Machenschaften, um an der Macht zu bleiben, oder sogar noch mehr Macht zu erlangen. Und diejenigen, die den nötigen politischen Willen haben, scheinen bereit, dafür bis zum Äußersten zu gehen. Das ist also keine gute Voraussetzung, um Hoffnung in diese Wahlen zu setzen. Und natürlich sind die Wahlen jetzt verschoben worden von dem Jahr 2022 auf 2023 – oder sogar 2024. Es sind also noch Jahre bis dahin.

Fühlen die Menschen, die politisch für eine bessere Zukunft arbeiten, sich im Stich gelassen von der Welt?

Ich glaube nicht. Ich denke, sie sind sich wirklich im Klaren darüber, wer für die verfahrene Lage die Verantwortung trägt. Und für die, die sich im guten Sinn politisch engagieren, denen es im Sinne von Gerechtigkeit, Fairness und dem Kampf gegen die Korruption um das Wohl des Landes geht – und auch um eine Zukunft losgelöst von der Stammeskultur – für die sind nicht nur materielle Ressourcen ausschlaggebend, sondern dass sie ihre Stimme erheben können, ohne dass sie verfolgt werden. Die Menschen hier wissen, was die internationale Gemeinschaft für sie tut – und was ihre Regierung nicht tut. Wenn, dann ist zu hören, dass etwa die US-Regierung strenger mit der Landesführung umgehen sollte.

Im Grunde hält die Welt also einen Staat am Leben, der Unfrieden schürt und der nicht für seine zwölf  Millionen Einwohner sorgen kann, die zu zwei Dritteln von der Welt ernährt werden. Kann das so weiter gehen?

Nein das kann nicht so weiter gehen. In diesem Jahr sprechen wir sogar von 8,2 Millionen Menschen in Not – also etwa drei Viertel der Bevölkerung. Und die Zahlen werden Jahr für Jahr schlechter. Die Armutsrate steigt und die Ernährungssicherheit sinkt, weil 800 000 mehr Menschen Hilfe benötigen, vor allem Lebensmittel. 2020 waren es 500 000 Menschen mehr als im Vorjahr. Vielleicht ist ein Jahr einmal besser, dann geht es wieder abwärts. Wenn man so ein Land hat, das auf internationale Hilfe angewiesen ist und zugleich die eigenen Ressourcen plündert, und dann noch große klimatische Ereignisse passieren – wie acht Monate Regen an Orten, die wichtige Nahrungsmittel produzieren –, dann gehen die Ernten den Bach runter. Im Jahr darauf fehlt es den Menschen an Nahrung, und es muss noch mehr importiert werden, um die Bedarfe zu decken. Menschen fühlen sich bedroht und verlassen ihre Orte, weil sie nichts mehr haben, und müssen woanders beschützt und unterstützt werden – wo sie sich auch nicht sicher fühlen.

Das klingt wie ein Teufelskreis. Aber die internationale Gemeinschaft erfüllt eine humanitäre Verpflichtung, nicht wahr?

Wir beobachten eine Kette von Ereignissen, die sich in den letzten Jahren wiederholt haben. Dass die internationale Gemeinschaft die Menschen am Leben und die Situation stabil hält, verhindert eine noch schlimmere humanitäre Krise, die man sich gar nicht vorstellen mag. Die Lage ist wirklich bedrohlich. 

Im nördlichen Bahr el Ghazal in Südsudan ist die Ernährungsunsicherheit hoch. Dort werden Frauen im Gemüseanbau und Bewässerungsmethoden geschult. © Welthungerhilfe / Glinski

Und wie ernährt sich das Viertel der Bevölkerung, das nicht auf Hilfe angewiesen ist?

Die Menschen leben in stabileren Gebieten, aber sie sind natürlich auch betroffen. Die Unsicherheit, einer nächsten Preisexplosion oder Wetterkrise ausgeliefert zu sein, ist groß. Es sind besser gestellte, wohlhabendere Landwirte mit Grundbesitz, die Ackerbau und Viehzucht betreiben können, oder Händler auf den Märkten, die ihren Lebensunterhalt bestreiten. Dies ist auch in den Regionen sichtbar, in denen wir arbeiten.

Was ist ihr Tätigkeitsschwerpunkt vor Ort?

Ein Gebiet ist wirklich sehr isoliert und leidet schwer unter klimabedingten Fluten oder Dürren. Da leisten wir tatsächlich Nothilfe auch aus der Luft. In zwei weiteren Gebieten können wir Übergangshilfe leisten, je nachdem, was die örtlichen Bedingungen erlauben und wo es weniger Spannungen oder Viehdiebstähle gibt. Dort geht es längerfristig darum, der ländlichen Bevölkerung Einkunftsmöglichkeiten aus landwirtschaftlicher Produktion (z.B. Gemüse und Honig), kleinen, vor allem frauengeführten Business-Initiativen und Kooperativen zu unterstützen. Jeder Ort ist anders mit unterschiedlichen politischen Komplikationen, die kommen und gehen. Aber es gibt auch von NGOs wie der unseren aufgebaute Dorfspargruppen, die Kredite vergeben.

Wer sind Ihre Ansprechpartner in den Dörfern, und haben Ihre Projekte Elemente der Friedensförderung oder Vertrauensbildung eingebaut?

Wenn wir Akteure zusammenbringen, damit sie friedlich miteinander ein Ziel verfolgen, nennen wir das Engagement für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir arbeiten mit Gemeindeverwaltungen aber auch mit Dorfältesten und anderen traditionellen Anführern und Vertretern. Wo notwendig, schaffen wir neue Komitees, die gemeinsame Ressourcen in der Zukunft eigenständig verwalten können. Das kann ein Wasserkomitee sein, wenn wir eine Wasserstelle bauen, oder ein Dorfentwicklungsausschuss, wo mehr Leute oder Gruppen sich untereinander und mit anderen Dörfern austauschen, entscheiden und demokratisch organisieren können. Wenn wir eine Schule bauen, einen Deich, oder ein Straßennetz, das mehrere Gemeinden mit unterschiedlichen Ethnien, Eigenschaften, oder auch Wohlstand betrifft, dann werden die Menschen über diese Komitees zusammengebracht, damit es funktioniert. Die Erfahrung zeigt, dass dies den Austausch unter Gruppen fördert und zum sozialen Zusammenhalt beiträgt.

Der Chef des Deichkomitees passiert einen der Wälle. In einer isolierten Gegend von Ganyiel im Südsudan wurden nach Fluten zerstörte Felder neu bepflanzt und Deiche gebaut. © Welthungerhilfe / Glinski

Wer sind Ihre Ansprechpartner in den Dörfern, und haben Ihre Projekte Elemente der Friedensförderung oder Vertrauensbildung eingebaut?

Wenn wir Akteure zusammenbringen, damit sie friedlich miteinander ein Ziel verfolgen, nennen wir das Engagement für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir arbeiten mit Gemeindeverwaltungen aber auch mit Dorfältesten und anderen traditionellen Anführern und Vertretern. Wo notwendig, schaffen wir neue Komitees, die gemeinsame Ressourcen in der Zukunft eigenständig verwalten können. Das kann ein Wasserkomitee sein, wenn wir eine Wasserstelle bauen, oder ein Dorfentwicklungsausschuss, wo mehr Leute oder Gruppen sich untereinander und mit anderen Dörfern austauschen, entscheiden und demokratisch organisieren können. Wenn wir eine Schule bauen, einen Deich, oder ein Straßennetz, das mehrere Gemeinden mit unterschiedlichen Ethnien, Eigenschaften, oder auch Wohlstand betrifft, dann werden die Menschen über diese Komitees zusammengebracht, damit es funktioniert. Die Erfahrung zeigt, dass dies den Austausch unter Gruppen fördert und zum sozialen Zusammenhalt beiträgt.

In Deutschland engagiert sich das Auswärtige Amt für die Umsetzung des Friedensvertrags, oder den Aufbau einer Übergangsjustiz und natürlich für humanitäre Hilfe (70 Mio. Euro 2020) – das BMZ fördert Ernährung und Landwirtschaft, Wasser- und Sanitärversorgung sowie lokale Verwaltungen, auch mit Blick auf die große Zahl von Binnenvertriebenen (200 Mion Euro). Was könnte die Bundesregierung besser machen?

Natürlich ist eine fortgesetzte Finanzierung wichtig. Wir hängen davon ab, um die bedürftige Bevölkerung in Südsudan zu unterstützen. Grundsätzlich würde ich mir vor allem mehr bürokratische Flexibilität wünschen, weil die Anträge für humanitäre Hilfe und Übergangshilfe ganz unterschiedliche Anforderungen haben. Man spricht viel von einer besseren Abstimmung, aber in der Praxis ist die bessere Integration noch nicht erreicht. Außerdem könnte die Projektdauer länger sein: ein Fünf-Jahres-Horizont für humanitäre Hilfe wie für Entwicklungszusammenarbeit wäre angebrachter, um auf wiederkehrende Krisen flexibler und schneller reagieren zu können.

Marina Zapf, Journalistin, berichtet seit 20 Jahren aus Berlin über Themen der Außen, Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik.
Marina Zapf Team Welternährung.de

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