Afrika verbietet den Handel von Eselhäuten für chinesische Heilmittel
Die Begehrlichkeiten der traditionellen Medizin nahmen Überhand. Nun soll das Nutztier für seine zentrale Rolle als Helfer im ländlichen Raum geschützt werden.
Eselhäute sind begehrt in der chinesischen Medizin für Produkte, denen stärkende Kräfte für die weibliche Vitalität und gegen Beschwerden wie Schlaflosigkeit zugeschrieben werden. Die Nachfrage ist dermaßen gestiegen, dass der Handel mit den Häuten zwischen China und Afrika inzwischen die Eselspopulation bedroht. Dabei erfüllen diese eine Schlüsselrolle im ländlichen Leben, wo sie als Zug- und Lastentiere Haushalte – und dort vor allem Frauen – entlasten. Im Februar 2024 hat die Afrikanische Union (AU) reagiert und den Handel mit den Häuten verboten. Wie das Verbot greifen wird, ist noch abzuwarten.
Ausgesprochen wurde das Handelsverbot im Februar diesen Jahres von den Staats- und Regierungschefs beim 37. AU-Gipfeltreffen in Addis Abeba in Äthiopien. Damit ist es nun auf dem gesamten Kontinent illegal, Esel wegen ihrer Häute zu töten. Afrika ist Heimat von rund 33 Millionen Eseln, etwa zwei Drittel des auf 53 Millionen geschätzten weltweiten Bestands.
Die beispiellose Entscheidung setzt einen vorläufigen Schlusspunkt unter ein florierendes chinesisches Geschäft in Afrika. Sie stützt sich zudem auf ein seltenes Einvernehmen zwischen den 55 Mitgliedsstaaten der AU in einem Tatbestand, der sowohl ländliche Entwicklung wie auch Frauenrechte und Armutsbekämpfung betrifft. Was vielleicht noch ungewöhnlicher ist: Das Verbot ist eine unausgesprochene Abwehrhandlung gegen ein lukratives Geschäft mit China, Afrikas größtem Handelspartner und einem seiner führenden Investoren und Kreditgeber.
In Äthiopien, dem Land mit dem größten Einzelbestand von etwa elf Millionen Eseln, ergab ein Forschungsbesuch 2017, dass fast kein Dorf und keine Kleinstadt von dem räuberischen Abschlachten der Tiere verschont blieb. Die Klagen der Menschen darüber waren schockierend.
Begonnen hatte der Eselshandel etwa 5000 Jahre vor Christus in Ostafrika, als der equus asinus, der Esel domestiziert wurde. Er wurde später beim Bau der Pyramiden in Ägypten eingesetzt, trug Jesus am Palmsonntag nach Jerusalem hinein, ebenso wie viele Millionen Kinder aus armen Familien in die Schulen von Entwicklungsländern, bei Krankheiten, Dürren und Fluten, Esel waren die helfenden Retter und Begleiter. Der Esel als Haustier veränderte den Handel und den Zugang zu Wasser, und er nahm dem Menschen, vor allem den Frauen, viel körperliche Plackerei ab.
Ressource für Mittel gegen weibliche Beschwerden
In China entwickelten sich andere Einsatzfelder für den Esel. So wurde er für einige weibliche Reiterinnen als Ersatz von Pferden in Polo-Wettspielen der Tang Dynastie eingespannt. Es war auch in der Tang-Dynastie, dass Eselhäute eine zentrale Quelle für das traditionelle chinesische Heilmittel Ejiao wurde, für das Collagen von ausgekochten Eselhäuten mit Kräutern, hochmineralischem Wasser und anderen Beigaben zu dunkler Gelatine, Tabletten oder Pasten verarbeitet wird. Heute wird Ejiao sowohl als Einzelwirkstoff verkauft als auch in Flüssigkeiten und Gels verarbeitet und Snacks wie Riegeln oder Sesamkugeln zugesetzt.
Ejiao wird als Elixier für die weibliche Vitalität und zur Behandlung von Beschwerden wie Unfruchtbarkeit, Anämie und Insomnie verwendet. Bis ins späte 20. Jahrhundert wurde die zähe Masse in kleinen Mengen hergestellt – in den Wintermonaten und unter intensiven und beschwerlichen Arbeitsbedingungen. Im Zuge der Modernisierung und steigender Lebensstandards stellten Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten eine breitere Palette von Ejiao-haltigen Präparaten in größeren Mengen her. Aber es war eine Produktplatzierung in der 2011 ausgestrahlten Fernsehserie „Empresses in the Palace“, die Ejiao besonders unter Frauen zu einem beliebten und verbreiteten Nahrungsergänzungsmittel im Reich der Mitte machte.
Beispielloser Bekanntheitsgrad
In der Folge gingen die Preise für Eselhäute – und Esel – in den vergangenen zehn Jahren durch die Decke, obgleich die Datenlage sich als schwierig erweist. Die in Peking ansässige Unternehmens- und Finanzberatung Newsijie gibt an, dass der Markt der Ejiao-Industrie bis 2023 ein Volumen von mehr als 58 Mrd. Renminbi (8 Mrd. US-Dollar) erreicht hat.
Allerdings hat die Industrie ein zentrales Problem: ein knappes Angebot. Die Eselzucht ist aufwändig. Eine Eselstute wird erst ab dem zweiten oder dritten Lebensjahr trächtig, und bringt dann nach etwa zwölf Monaten ein einziges Fohlen zur Welt, das es weitere vier bis sechs Monate säugt. Hühner oder Schweine vermehren sich viel stärker und schneller.
In China selbst ist der Bestand von Eseln seit dem Jahr 1990 nach Schützungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) dramatisch gesunken: so von mehr als acht Millionen Tieren 2004 auf weniger als zwei Millionen im Jahr 2021. Ungefähr im Jahr 2014 stellten sich in der Ejiao-Industrie Versorgungsengpässe ein, als der Bestand auf etwas mehr als vier Millionen Tiere zurückging.
Beamte in der Präfektur Liaochang, dem Zentrum der Ejiao-Industrie in der Provinz Shandong, reagierten darauf mit einer „Stellungnahme zur Entwicklung der Eselzucht in der Stadt Liaocheng (2015-2019.)“. Darin wurden Pläne zum Ausbau der Eselzuchtkapazitäten der Stadt und entsprechende finanzielle Fördermaßnahmen vorgestellt. Im Jahr 2018 begannen auch Behörden der Provinz Shandong damit, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Eselpopulation zu erhöhen, allerdings mit geringem Erfolg.
Die schnell wachsende Industrie benötigte jährlich etwa fünf Millionen Häute, aber die heimischen Quellen konnten diesen Bedarf nur zu einem Drittel bis zur Hälfte decken. Das Ergebnis ist der relativ junge und plötzliche Aufschwung des weltweiten Handels mit Eselhäuten, vor allem aus Afrika, aber auch aus der Mongolei, Pakistan, Brasilien und anderen Ländern. Etwa zur Hälfte stammen die nach China importierten Eselhäute aus Afrika – zu etwa 12 Prozent des Preises chinesischer Häute.
Wichtige Nutztiere als billige Importware
Das Gesamtbild des legalen (und illegalen) Handels mit Eselhäuten in den vergangenen zehn Jahren lässt sich nur schwer zusammenfügen. Da Esel meist in abgelegenen Gebieten unter den ärmsten Bevölkerungsschichten zu finden sind, liegen nur wenige Daten über sie vor. Auch die verfügbaren Angaben über den Eselhandel sind unvollständig. So sind im Internationalen Warenverzeichnis für den Außenhandel (SITC) der Vereinten Nationen zwar Kategorien aufgeführt, die sich auf den Handel mit Eselhäuten beziehen, viele der zugehörigen Datenzeilen sind jedoch leer.
Allerdings berichtet der Nachrichtendienst „Sina Finance“, dass China im Jahr 2023 insgesamt 1.339.730 „ungeschnittene ganze Eselhäute“ (roh oder vorverarbeitet) importierte, von denen 784.221, also rund 59 Prozent, aus den Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union eingeführt worden seien. Es gibt allerdings auch einen illegalen Handel mit Eselhäuten von unbekanntem Ausmaß – und der geht einher mit unzähligen Fällen von Eseldiebstahl und illegaler Schlachtung.
Sowohl der legale als auch der illegale Handel haben vielschichtige und meist nachteilige Auswirkungen in den Herkunftsländern. So bedeutet der Verlust eines Esels häufig, dass weibliche Haushaltsmitglieder mehr Arbeit im Haushalt und in der Landwirtschaft verrichten müssen. Dazu gehört das Schleppen von Wasser und Waren über oft lange Strecken. Damit bleibt weniger Zeit für außerhäusliche Arbeit, was das Gesamteinkommen des Haushalts und den Beitrag der Frauen dazu verringert.
Das wirkt sich nicht nur negativ auf die Gleichstellung der Geschlechter aus, sondern führt auch dazu, dass etwa Kinder zu Fuß zur Schule gehen müssen und Mädchen manchmal die Schule ganz abbrechen müssen, um die Mütter zu unterstützen. Ohne Esel kann sich der Zugang zu sauberem Wasser verschlechtern, und es fallen erhöhte Kosten für Transportmittel an. Haushalte, die noch Esel besitzen, müssen zusätzliche Ausgaben einkalkulieren, um sie vor Diebstahl zu schützen. Die Nachfrage in Verbindung mit Ejiao hat zu vermehrtem Handel, Diebstahl und überhöhten Preisen geführt, was bedeutet, dass Esel oft schwer zu ersetzen sind.
Tierschützer gegen Kommerzialisierung
Der Handel mit Eselshäuten ist oftmals tierquälerisch. Nicht nur werden Esel in der Regel ohne angemessene Standards oder Verfahren getötet. Sie werden auch über lange Strecken in engen Transportern über Grenzen hinweg befördert. Tierschutzaktivisten haben sich vor allem in Afrika und im Vereinigten Königreich eingesetzt, um ein Verbot des Schlachtens von Eseln zur Kommerzialisierung ihrer Felle zu erreichen.
In einigen Gemeinden im ländlichen Afrika und auch unter einigen Regierungsvertretern hat der Handel mit Eselhäuten dadurch an Attraktivität verloren. Länder, die versuchten, dem Handel mit Regulierung oder Verboten beizukommen und seine nachteiligen Folgen für die arme Landbevölkerung einzudämmen, scheiterten meist an der mangelnden Umsetzung vor Ort und am grenzüberschreitenden Eselschmuggel, der den florierenden illegalen Handel versorgt.
Erst eine Konferenz im Dezember 2022 ebnete den Weg für kontinentale Initiativen. Die erste panafrikanische Eselkonferenz in der tansanischen Hauptstadt Dar es Salaam stand unter dem Motto „Esel in Afrika jetzt und in Zukunft“. Die Teilnehmer der Konferenz, die vom Interafrikanischen Büro für Tierressourcen (AU-IBAR) der Afrikanischen Union, der Regierung von Tansania und Eselhilfsorganisationen innerhalb und außerhalb Afrikas organisiert wurde, forderten ein 15-jähriges Handelsverbot für Eselhäute auf dem gesamten Kontinent. Diesem Aufruf ist die Afrikanische Union im Februar nachgekommen.
Der historische Beschluss der AU vom Februar 2024 wurde von chinesischen Medien ausführlich erörtert und im Internet diskutiert. Die Berichterstattung betonte generell den pragmatischen Umstand, dass Afrika seine Esel selbst braucht und dass deren Verlust erhebliche sozioökonomische Verwerfungen nach sich zieht. Auf den Plattformen chinesischer sozialer Medien zeigten sich einige Nutzer enttäuscht darüber, dass der chinesische Handel überhaupt einen Punkt erreicht hat, der einen solchen Schritt der AU erforderlich macht. Andere waren schockiert und betitelten das Verbot der AU als „westlich“.
Nach Einschätzung von „First Finance Media“ liegt die Zukunft von Chinas Versorgung mit Eselprodukten hauptsächlich in Pakistan. Andere Berichterstatter stellen die grundsätzliche Wirkungskraft von Ejiao in Frage. Im April rief die Provinz Shandong die Öffentlichkeit auf, sich zu einer Vielzahl von Maßnahmen zu äußern, die zur Verbesserung der Qualität und Ausrichtung der Ejiao-Industrie vorgeschlagen wurden.
Reaktion des chinesischen Marktführers blieb aus
Doch weder der Verband der Ejiao-Industrie noch sein führendes Mitglied, Dong'e Ejiao (ein Milliardenunternehmen und Tochter der CR Pharmaceutical Group, einer Sparte des großen staatlichen Konglomerats China Resources), haben offiziell auf das Verbot reagiert. Da Dong'e Ejiao der einzige Ejiao-Hersteller mit eigener Lieferkette von Eseln ist, könnte das Verbot die Branche um diesen Quasi-Monopolisten noch weiter konsolidieren.
Das alle drei Jahre stattfindende Gipfeltreffen des Forums für die Zusammenarbeit zwischen China und Afrika (FOCAC), das Peking im September veranstaltete, bot Peking die Gelegenheit, die Umsetzung des Verbots zu unterstützen. So könnte die chinesische Führung dazu beitragen, dass afrikanische Esel in erster Linie den ländlichen Gemeinden Afrikas nützen. Dies kann zudem in Chinas Bemühungen eingebettet werden, nicht nur die Volksbeziehungen zwischen China und Afrika zu fördern, sondern ebenso eine höhere landwirtschaftliche Produktivität in Afrika und den Agrarhandel mit Afrika an sich. Tatsächlich bietet sich ein Beitrag zur nachhaltigen Versorgung Afrikas mit Eseln und schließlich die Möglichkeit eines geregelten Handels als offensichtliches Feld für eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen China und Afrika an.
Wichtig ist, dass es bei dem AU-Verbot nicht um China oder die beidseitigen Beziehungen geht, sondern um Afrika und die Rolle der Esel auf dem Kontinent. Auf der Panafrikanischen Eselkonferenz 2022 war ich als Vertreterin des South African Institute of International Affairs die einzige Rednerin, die Chinas Verbindungen zu dem Handel mit Eselhäuten direkt ansprach und überhaupt die Ejiao-Industrie und die chinesisch-afrikanischen Beziehungen erörterte. Andere Redner waren bemüht, den Eindruck zu vermeiden, dass ihre Kampagne sich gegen China, den größten Handelspartner und führenden Kapitalgeber des Kontinents, richten könnte. Sie rückten stattdessen den Schutz afrikanischer Ressourcen und ländlicher Gemeinschaften in den Vordergrund. Dieser Balanceakt zugunsten der Pro-Esel-Position und zulasten einer Anti-China-Position hat vermutlich geholfen, die AU an Bord zu holen. Noch muss das Verbot aber dauerhaft und nachhaltig umgesetzt werden.
Es bleibt auch abzuwarten, ob der Konsens der 55 AU-Mitgliedsländer zur Rettung des Esels – unausgesprochen vor dem größten Finanz- und Handelspartner Afrikas – einen Wendepunkt im Verhältnis Afrikas zu China und der Welt darstellen wird. Vielleicht liefert das diesjährige FOCAC Hinweise darauf. Unterdessen deuten einige jüngere Schritte darauf hin, dass Regierungen noch mehr für den Tierschutz unternehmen: So hat etwa Kenia beschlossen, seine Viehwirtschaft besser zu regulieren, und Südafrika will die Zucht von Löwen in Gefangenschaft für die Trophäenjagd oder die Ausfuhr von Körperteilen für medizinische Zwecke beenden. Die Halter von Eseln und die Aktivisten in Afrika und darüber hinaus konzentrieren sich nach dem Triumpf jetzt auf die Umsetzung des Verbots.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Online-Zeitschrift „China File“.
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