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  • Wirtschaft & Menschenrechte
  • 08/2022
  • Dr. Lukas Kornher

Befeuert Finanzspekulation mit Lebensmitteln die globale Ernährungskrise?

Der Preisanstieg für Getreide begann 2020 und spitzte sich mit dem Ukrainekrieg 2022 zu. Wie in der letzten Ernährungskrise gibt es Anzeichen, dass Spekulanten die Krise befeuern. Die Politik sollte reagieren.

Der Ukrainekrieg hat die Ernährungskrise verschärft. Ein Mähdrescher beim Verladen von Korn. © FAO/Anatolii Stepanov

In den ersten Tagen nach Beginn des Ukrainekrieges verdoppelte sich der Weizenpreis an den Warenterminmärkten. Die Exportpreise für Weizen lagen an den Handelsplätzen Anfang August immer noch bis zu 45 Prozent über dem Vorjahreswert. Die Ursachen dafür sind vielfältig und nicht ausschließlich auf die Bedeutung der Ukraine und Russlands für den weltweiten Getreidehandel zurückzuführen. Welche Faktoren spielen eine Rolle? Und erhöht die Spekulation mit Nahrungsmitteln die Knappheit?

Die Inflation der Nahrungsmittelpreise ist vielerorts besorgniserregend und droht den globalen Hunger weiter zu verstärken. Die Welternährungsorganisation (FAO) schätzt, dass 2021 weltweit nicht nur zwischen 700 und 830 Millionen Menschen direkt von Hunger betroffen waren, sondern auch, dass sich mehr als drei Milliarden Menschen keine gesunde Ernährung leisten konnten.(1) Tatsächlich sind die internationalen Nahrungsmittelpreise seit Beginn der Covid-19 Pandemie volatiler geworden und stark gestiegen. Der militärische Angriff Russlands auf die Ukraine führte zu zusätzlichen Nahrungsmittel-Preissteigerungen auf Rekordwerte oberhalb des Niveaus der Nahrungsmittelkrisen von 2007/2008 und 2011.

Zwischen der Ernährungskrise von 2008-11 und der aktuellen Krise von 2020-22 bestehen auf den ersten Blick Parallelen. Nahrungsmittelmärkte können nicht isoliert betrachtet werden, sondern nur unter Berücksichtigung der Verflechtungen mit den Finanz- und Energiemärkten sowie den Inputmärkten. Diese nehmen zu und tragen erheblich zur Dynamik der Nahrungsmittelpreise bei. Dennoch sind strukturelle und akute Ursachen unterschiedlich. Als neue oder verstärkt wirkende Faktoren haben seit 2008-11 die Bedeutung von Klimaschocks und geopolitische Risiken durch die gestörten Beziehungen zwischen den Agrarsupermächte (USA, EU, China, Indien, Brasilien) zugenommen. Während der Corona-Pandemie haben epidemiologische Eindämmungsmaßnahmen die Märkte stark gestört, und die russische Invasion in die Ukraine, gefolgt von handelspolitischen Einschränkungen, hat erwartete Versorgungsrisiken weltweit drastisch erhöht.(2)

Die erhöhte Unsicherheit auf den Agrarmärkten und die Erwartung einer zukünftigen Knappheit, auch bei anderen Rohstoffen und Anlageklassen, könnte zu vermehrten Spekulationsaktivitäten bei Agrarrohstoffen führen, die – wie schon 2008-2011 – zu weiter steigenden Nahrungsmittelpreisen und Hunger beitragen.(3) Die Finanzspekulation umfasst den Kauf, das Halten, Verkauf und Leerverkäufe von Rohstoffen, um von Kursschwankungen zu profitieren. Die G7 Landwirtschaftsminister*Innen machten daher bei ihrem Treffen am 11.3.2022 in Berlin deutlich, dass keine künstlich überhöhten Preise geduldet werden, welche die Verfügbarkeit von und den Zugang zu Nahrungsmitteln und landwirtschaftlichen Erzeugnissen beeinträchtigen könnten. Spekulatives Verhalten werde auch an Warenterminbörsen bekämpft.(4)

Dieser Artikel betrachtet in diesem komplexen Kontext die Bedeutung von Warenterminmärkten und Finanzspekulationen und welche Rolle die exzessive Spekulation bei der aktuellen Preisentwicklung spielen kann.  

Die Ausgangslage

Die globalen Getreideexporte sind stark auf wenige Länder, hauptsächlich in der nördlichen Hemisphäre, konzentriert (Abb. 1). Gemeinsam entfallen auf die Ukraine und Russland etwa 15 Prozent der weltweiten Mais- und 30 Prozent der weltweiten Weizenexporte. Daher führen Exportausfälle dieser Länder zu starken Angebotsengpässen auf dem Weltmarkt für Getreide. Grundsätzlich können Exportausfälle einzelner Länder durch Lagerbestände anderer Exporteure ausgeglichen werden.

Abbildung 1: Exportkonzentration bei Getreide 2021

Quelle: USDA, WASD Report, Juli 2022. Exportkonzentration für Marketingjahr 2020/2021. © USDA

Zu Beginn dieses Jahres, als die Nahrungsmittelpreise schon auf ein Zehnjahreshoch angestiegen waren und von steigenden Energie- und Düngemittelpreisen begleitet wurden, erschienen die globalen Lagerbestände tendenziell höher als noch 2007. Doch erhöhte sich seither der Anteil in China und Indien stark, der nur bedingt in das Nahrungsmittelangebot für den Rest der Welt einkalkuliert werden kann. Denn die Regierungen möchten heimische Konsumenten vor Angebotsengpässen und internationalen Preisschwankungen schützen. Diese Lagerhaltung wird nicht von Angebot und Nachfrage bestimmt (Abb. 2). Würden die Vorräte der beiden Länder koordiniert freigegeben – neben denen der USA und der Europäischen Union – könnte dies zu einer Stabilisierung der Märkte beitragen.

Abbildung 2: Globale Lagerbestände relativ zur Gesamtnachfrage mit und ohne Berücksichtigung Chinas und Indiens

Quelle: AMIS (2022). Vorratsquote ist Verhältnis zwischen Lager und Gesamtnachfrage („stock-to-use ratio“) © AMIS

Auch ohne Getreideknappheit waren die internationalen Agrarmärkte bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine unter Stress. Besonders die hohen Energie- und Düngemittelpreise und die globale Abhängigkeit der Düngemittelproduzenten von Rohstoffexporten aus China, Russland und Belarus führte zu Unsicherheiten hinsichtlich der zukünftigen Getreideproduktion. Die Eskalation des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine ließen die internationalen Weizen- und Maispreise innerhalb einer Woche um rund 10 Prozent anstiegen. Zwischen Anfang Februar und Mitte Mai kam es zu einer Verdoppelung der Weizenpreise an den Warenterminmärkten. Im Anschluss sanken die Preise wieder auf das Vorkriegsniveau – blieben aber sehr volatil.

Diese Volatilität erklärt sich aus der Unsicherheit über die ukrainischen und russischen Getreideexporte in diesem und im nächsten Jahr. Angesichts der Kämpfe um die ukrainischen Seehäfen und der russischen Seeblockade, insbesondere von Odessa – und trotz des Deals für Getreidekorridore – ist mit einem signifikanten Rückgang ukrainischer Exporte in diesem Jahr zu rechnen. Ersatz-Exportwege über Land werden teilweise verstärkt genutzt. Russlands wichtigster Tiefseehafen Noworossijsk ist zwar nicht direkt vom Kriegsgeschehen betroffen, aber es existieren große Unsicherheiten über Getreideexporte aufgrund der Wirtschafts- und Finanzsanktionen; diese betreffen zwar nicht direkt Nahrungsmittel, beeinträchtigen aber die Exportkapazitäten.

Zur Marktunsicherheit tragen somit erhöhte Transaktionskosten sowie Unklarheiten z.B. über die russische Exportpolitik bei.(5) Sie wird durch täglich neue Informationen und Meldungen, z.B. über Exportrestriktionen Indiens oder veränderte Marktprognosen verstärkt. Dies führt im Handel zu einer erhöhten Nachfrage nach Preisabsicherung – etwa durch Finanzspekulation an den Warenterminmärkten – und erhöht das Risiko für exzessive Finanzmarktspekulation. Diese kann, wie schon während der Lebensmittelkrisen 2008-2011, zu einem weiteren Anstieg der Nahrungsmittelpreise führen.

Warum ist Finanzspekulation mit Nahrungsmitteln wichtig?

Durch saisonale Produktion und witterungsbedinge Ertragsunterschiede unterliegen Preise für Agrarprodukte generell starken Schwankungen. Schon seit Jahrtausenden wird mit der Lagerung von Nahrungsmitteln, wie etwa Getreide und Ölsaaten, darauf spekuliert, dass eine zukünftige Knappheit den Preis und somit die Gewinne erhöht. Die Lagerhaltung gleicht dabei Angebotsschocks aus und führt zu einer Stabilisierung der Preise. Im Laufe der Zeit, etwa um 2000 v.Chr., wurden Warenterminkontrakte genutzt, die den Verkaufspreis für ein zukünftiges Lieferdatum vertraglich festlegten. Dadurch können sich risikoaverse Marktakteure (z.B. ein Landwirt vor der Weizenernte) gegen einen Preisabfall absichern. Umgekehrt können sich Getreidehändler und Käufer gegen einen Preisanstieg absichern, indem sie für eine künftige Lieferung einen Preis festlegen.

Durch den Börsenhandel der Terminkontrakte können Markteilnehmer erstens die Preisrisiken an Spekulanten abtreten, das sogenannte Hedging.(a) Die Nachfrage danach steigt mit zunehmender Marktunsicherheit. Zweitens fungieren Terminmärkte als wichtiges Instrument für die „Preisfindung“ auf den Spotmärkten, indem sie Händlern für kurzfristige Rohstoffgeschäfte einen Richtwert für aktuelle Preise geben. Drittens senkt der Handel an den Terminbörsen die Transaktionskosten für die Marktakteure, da Produzenten und Käufer nicht lange nach passenden Vertragspartnern suchen müssen. Dadurch werden Investitionen produktiver, und die Preisvolatilität nimmt ab.

Aus diesen Gründen ist die Finanzspekulation ein notwendiger Teil der Agrarmärkte. Es wäre daher falsch, ganz besonders in Zeiten von hohen Marktrisiken, Nahrungsmittel vollständig von spekulativen Geschäften auszuschließen. (6)

Wann und wie treibt exzessive Finanzspekulation die Preise?

Nach dem Börsencrash 2002 wurden Termingeschäfte mit Agrarrohstoffen zu einer beliebten Anlageklasse in den Portfolios von Finanzinstituten und der allgemeinen Investorengemeinschaft. Dies liegt vor allem daran, dass die Kursverläufe dieser Rohstoffe von denen anderer Anlageklassen (wie Aktien und Immobilien) relativ unabhängig sind. Für Finanzspekulanten wie Hedgefonds und Index Trader eröffnet das wiederum Potenziale der Diversifikation. So haben sich Spekulationsaktivitäten drastisch erhöht.(7)

In einem funktionierenden Markt bedient die Finanzspekulation ausschließlich die Nachfrage nach Risikoabsicherung der Marktakteure. Die Preise werden von Fundamentaldaten bestimmt, also den langfristigen, grundlegenden Informationen über die realen Produktionsmöglichkeiten und die Strukturen des Marktes. Wenn Spekulationsaktivitäten überhandnehmen und Finanzspekulanten hauptsächlich untereinander handeln, wird die Finanzspekulation exzessiv und die Preise können von Angebots- oder Nachfrageerwartungen im Markt abweichen.

In diesem Fall kann Finanzspekulation die Preise in die Höhe treiben; vor allem, wenn einzelne Akteure über große Positionen verfügen und dadurch Einfluss auf die Preisentwicklung nehmen können. Das liegt daran, dass die Verhaltensweisen der Spekulanten häufig von Finanzmarktstrategien getrieben sind. So können etwa Risikoüberlegungen bei der Portfoliostrategie eine Veränderung der Positionen (d.h. ob Investoren kaufen oder verkaufen) in Warentermingeschäften bewirken.(8) Außerdem basiert der Hochfrequenzhandel, auf dem inzwischen ein Großteil der Transaktionen am Warenterminmarkt für Agrarrohstoffe beruht, auf statistischen Modellen, die kaum vermögen, die komplexen Marktzusammenhänge abzubilden. Kritiker machen daher die Finanzspekulation für die Preisspitzen bei Agrarprodukten während der Ernährungskrise 2007/2008 mitverantwortlich.(9)

Wie wird die gegenwärtige Preisentwicklung (2020-22) beeinflusst?

Die Rolle von Finanzspekulation für die Nahrungsmittelpreisentwicklung ist nicht einfach aus Markt-, Handels- oder Finanzinvestitionsstrategien ablesbar, zumal Agrarrohstoffe auch im Zusammenhang mit anderen Anlagen wie Aktien, Staatsanleihen und sogar Immobilien betrachtet werden müssen. Daher sind für eine stichhaltige Bewertung weitere Analysen notwendig, die in aller Regel erst im Nachgang einer Krisensituation durchgeführt werden können.

Dennoch ist festzuhalten, dass die Preisvolatilität an den Warenterminbörsen mit dem Beginn der Covid-19 Pandemie zugenommen hat und seit Ende 2021 stark gestiegen ist. Das International Food Policy Research Institute (IFPRI) berechnet mit Hilfe eines statistischen Modells die prozentualen Schwankungen der täglichen Agrarrohstoffpreise an der Terminbörse in Chicago. Der Indikator dient als Frühwarnsystem für Perioden exzessiver Preisschwankungen auf den Warenterminmärkten. Die Berechnungen von IFPRI zeigen, dass sich die Agrarrohstoff-Preisvolatilität aktuell auf dem Niveau der Krisenjahre 2007-2011 bewegt. Dies ist ein starker Hinweis auf eine außergewöhnliche Marktlage, die zu exzessiver Finanzspekulation führen kann.(10)  

Im gleichen Zeitraum, also seit Ende 2020, war eine starke Zunahme des Spekulationshandels an der weltweit wichtigsten Terminbörse Chicago zu verzeichnen.(b) Recherchen der Investigativ-Journalisten des Lighthouse Netzwerks zeigen ebenfalls, wie Investmentfonds seit Mitte 2020 vermehrt in Agrarrohstoffe investieren.(11) Insbesondere erhöhten sich die Long-Positionen der Finanzspekulanten. Das heißt, Spekulanten wetten auf steigende Warenterminpreise. Historisch, wie etwa in der letzten Ernährungskrise, korrespondiert dieses Verhalten mit Preisspitzen an den Warenterminmärkten.(12)

Zwar weist der zunehmende Anteil der Finanzspekulanten am Handelsvolumen auf das Risiko hin, dass die Preisentwicklung von fundamentalen Marktdaten abgekoppelt und stärker von Finanzmarkt-Strategien beeinflusst wird. Dennoch lässt sich daraus nicht zwingend ein Einfluss der Finanzmarktspekulation auf die Preise ableiten. Vielmehr zeigt sich hier der erhöhte Bedarf von Produzenten oder Verkäufern, sich gegen das Risiko sinkender Preise abzusichern. Abschließend lässt sich noch nicht bewerten, ob und in welchem Ausmaß exzessive Spekulation zu den Preissteigerungen bei Getreide in der ersten Jahreshälfte 2022 beigetragen hat. Es muss untersucht werden, ob Preisveränderungen vollständig durch Fundamentaldaten und vor allem durch sich verändernde Erwartungen hinsichtlich der globalen Exportmengen erklärt werden können.

Bedeutung der Finanzmarktregulierung in der aktuellen Krise

Die Finanzmärkte zu regulieren, ist schwierig. Denn die dargestellten Vorteile und mögliche Nachteile der Finanzmarktspekulation müssen berücksichtigt werden. So kann eine zu strenge Auslegung oder eine unklare Rechtslage eine Reduzierung des Warenterminhandels und schlechtere Marktbedingungen oder höhere Risiken für Produzenten und Getreidehändler zur Folge haben. Dies würde die Preise destabilisieren. Zum anderen muss Regulierung in Krisensituationen greifen und verhindern, dass Finanzspekulationen zu zusätzlicher (künstlicher) Knappheit und somit Preisspitzen auf den internationalen Märkten führen. Die Nahrungsmittelpreiskrise von 2007/2008 entstand auch dadurch, dass ein äußerst mangelhaft reguliertes Finanzsystem die Auswirkungen auf Angebot und Nachfrage von Agrarrohstoffen noch weiter verschärft hat.(13)

Im Anschluss an den Rohstoffpreisboom der 2000er-Jahre kam es in den USA und der Europäischen Union zu Vereinbarungen über Finanzmarktregulierung. Der Dodd-Frank Act in den USA nahm die vorausgegangene Liberalisierung des (außer)börslichen Handels weitgehend zurück. Neben der Formalisierung des außerbörslichen Derivatehandels ist die Beschränkung der Positionen, also der Handelsmenge einzelner Akteure, das wichtigste Regulierungsinstrument. Dadurch soll verhindert werden, dass sie Einfluss auf die Preisentwicklung nehmen. In den USA  existieren Positionsgrenzen für 28 landwirtschaftliche Rohstoffe, die erst 2020 von der Aufsichtsbehörde (CFTC) verhängt und seit März 2021 angewendet werden. Das europäische Gegenstück zum Dodd-Frank Act ist die Richtlinie „Markets in Financial Instruments II“ (MiFID II), die ebenfalls Positionen beschränkt sowie zusätzlich Transparenz an europäischen Warenterminbörsen regelt. Sie gilt seit Januar 2018.

Ob diese Maßnahmen, insbesondere die Positionsbeschränkungen, effektiv auf exzessive Finanzmarktspekulation wirken, bleibt fraglich. Sie sind aber eng mit der Frage nach der Rolle dieser Spekulation für die Preisbildung verbunden. Kritik von Zivilgesellschaft und Wissenschaft an Positionsbeschränkungen bezieht sich nicht ausschließlich auf deren (mögliche) Laxheit, sondern auch auf regulatorische Fragen wie a) die Häufigkeit der Überprüfung, b) die Berücksichtigung von Index-Fonds bei der Bestimmung der Positionsbeschränkungen, sowie c) die Ausnahmeregeln der Aufsichtsbehörden. Die Aufsichtsbehörden müssen sich die Frage gefallen lassen, wann die Positionsbeschränkungen greifen und weshalb die starken Kapitalzuflüsse der letzten beiden Jahre bei Agrarrohstoffen keinen Alarm ausgelöst haben. Auch eine erhöhte Transparenz der Aufsichtsbehörden ist unabdingbar.

Schlussfolgerung

Abschließend lässt sich (noch) nicht endgültig klären, ob die Finanzmarktspekulation auch aktuell zur Preisdynamik an den Warenterminmärkten und somit zur Preissteigerung von Nahrungsmitteln beiträgt. Es bedarf sorgfältiger wissenschaftlicher Analyse der Regulierungsinstrumente und ihrer Funktionsweise während der Krise.  Um die Funktionsfähigkeit der Warenterminmärkte zu schützen und das Risiko exzessiver Spekulation auf diesen Märkten zu senken, ist ein Abbau von Marktunsicherheiten das wichtigste Instrument. Das kann erreicht werden durch erhöhte Markttransparenz, offene Nahrungsmittelmärkte und Kooperation bei Handel und Lagerhaltung, um der Knappheit auf internationalen Agrarmärkten entgegenzuwirken.

Da politische Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Preissteigerungen nicht auf spätere wissenschaftlichen Analysen warten können, sind pro-aktive Schritte notwendig. Diese sollten beinhalten:

Dr. Lukas Kornher Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF), Universität Bonn

Referenzen: 

1) FAO et al. 2022. The State of Food Security and Nutrition in the World 2022. Repurposing food and agricultural policies to make healthy diets more affordable, Rome.

2) Kornher und von Braun 2022. Hohe und volatile Nahrungsmittelpreise – komplexe Implikationen des Ukraine-Konfliktes und der Corona Pandemie. ZEF Policy Brief 38.

3) Kornher, von Braun, Algieri 2022. Speculation risks in food commodity markets in the context of the 2022 price spikes - Implications for policy. ZEF Policy Brief 40.

4) G7 Extraordinary Agriculture Ministers’ Meeting. Statement on the invasion of Ukraine by armed forces of the Russian Federation, Berlin März/2022. Link: www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/EN/_International-Affairs/g7-extraordinary-meeting-statement.pdf

5) Glauber, and Laborde 2022. IFPRI Blog: Issue Post.  https://www.ifpri.org/blog/do-no-harm-measured-policy-responses-are-key-addressing-food-security-impacts-ukraine-crisis

6) von Braun, Gerber, Haile, Algieri 2017. Preisvolatilität bei Nahrungsmitteln – Implikationen für die Entwicklungspolitik. ZEF Policy Brief 26.

7) Bass 2013. Spekulation mit Nahrungsmitteln: Wo steht die Wissenschaft? Opinion/Standpunkt 1/2013, Welthungerhilfe, Bonn.

8) von Huellen 2018. How financial investment distorts food prices: Evidence from US grain markets. Agricultural Economics 49(2):171-181

9) Robles, Torero, von Braun 2009. When speculation matters. IFPRI Policy Brief 57.

10) Rice, Hernandez, Glauber, Vos 2022. The Russia-Ukraine war is exacerbating international food price volatility. IFPRI Blog: Issue Post. www.ifpri.org/blog/russia-ukraine-war-exacerbating-international-food-price-volatility

11) Agarwal, Win, Gibbs 2022. Betting on hunger: market speculation is contributing to global food insecurity. The Wire thewire.in/economy/speculation-is-contributing-to-global-food-insecurity-significantly.

12) Kornher, von Braun, Algieri 2022. Speculation risks in food commodity markets in the context of the 2022 price spikes - Implications for policy. ZEF Policy Brief 40.

13) Von Braun und Kalkuhl (2012). Einfluss der Spekulationen auf den Finanz- und Kapitalmärkten auf die
Nahrungsmittelpreise und Vorschläge zu deren Eindämmung unter Berücksichtigung der aktuellen EU-Vorschläge
. Schriftliches Statement für die Anhörung von Prof. Dr. J. von Braun im Expertengespräch des
Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des deutschen Bundestags am 27. Juni 2012.

14) UNFSS Science Reader https://sc-fss2021.org/wp-content/uploads/2021/09/ScGroup_Reader_UNFSS2021.pdf

Fußnoten: 

a) ZEF Policy Brief 26 Preisvolatilität bei Nahrungsmitteln – Implikationen für die Entwicklungspolitik enthält auf Seite 6 ein Glossar der wichtigsten Begriffe zu Warenterminmärkten und Spekulationen.

b) Der Anteil der spekulativer Marktaktivität lässt sich aus der Zusammensetzung der Marktakteure, die einen Agrarrohstoff handeln, und deren Open Interest Position ableiten. Die CFTC klassifiziert alle meldepflichtigen Warentermin-Positionen eines Händlers entweder als "commercial" oder "non-commercial", also ob Hedger oder Spekulant. Als Open Interest bezeichnet man die Summe aller offenen und zum Handelsende noch nicht durch ein Gegengeschäft glattgestellten Kauf- und Verkaufspositionen in einem bestimmten Options- oder Terminkontrakt. Dieser kann sich auf unterschiedliche Anlageklassen wie Einzelaktien, Indizes oder Rohstoffe beziehen.

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